BT-Drucksache 16/11648

zu der Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/10712, 16/8951- Zur Umsetzung der EU-Zentralasienstrategie

Vom 21. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11648
16. Wahlperiode 21. 01. 2009

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander
Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Winfried
Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Rainder
Steenblock, Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der
Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander Bonde,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksachen 16/8951, 16/10712 –

Zur Umsetzung der EU-Zentralasienstrategie

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die fünf Staaten Zentralasiens Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turk-
menistan und Usbekistan sind für die Europäische Union (EU) von großer Be-
deutung. Mit Blick auf Stabilität und Sicherheit in der ganzen Region hat die EU
ein vitales Interesse an einer Zusammenarbeit mit den fünf Ländern. Ihre Lage als
Brücke zwischen Europa und Asien und ihre schwierigen Transformationspro-
zesse seit Erlangen der Unabhängigkeit stellen sie vor weitreichende Herausfor-
derungen. Dies betrifft besonders die Bereiche Rechtsstaatlichkeit und Men-
schenrechte, Energie und Klimawandel, Kampf gegen den internationalen Dro-
genhandel, Eindämmung von Epidemien, Umweltschutz und Wassermanage-
ment.

Der Deutsche Bundestag begrüßt daher, dass die Europäische Union unter
deutscher Ratspräsidentschaft im Jahr 2007 eine Zentralasienstrategie zu diesen
zentralen Politikfeldern entwickelt hat, die die EU in der Region als wichtigen
und wahrnehmbaren Akteur verankern will.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– die Zivilgesellschaft in den zentralasiatischen Staaten stärker in die Konzep-

tion und Durchführung europäischer Programme und Initiativen einzubinden
und damit ihre Rolle und gegenseitige Vernetzung zu stärken,

– den Themen Menschenrechte und Rechtsstaatsförderung als Schlüsselfelder
für Stabilität und Sicherheit in der Region nicht nur auf dem Papier, sondern
de facto einen zentralen Platz in der Strategie einzuräumen,

Drucksache 16/11648 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

– sich für die Freilassung aller politischer Gefangener in der Region einzu-
setzen,

– eine effektive Kooperation mit den Staaten Zentralasiens in den Bereichen
Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energieeinsparungen aufzu-
bauen statt einer Fokussierung auf Öl und Gas,

– sich für solidarische Lösungen zum Umgang mit Atommüll einzusetzen,
der in Zentralasien unter gravierender Missachtung von Sicherheitsstandards
„entsorgt“ worden ist,

– die unter rot-grüner Regierung ins Leben gerufene OSZE-Akademie (OSZE:
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) in Bischkek als
akademische Institution und Bildungs- und Trainingszentrum in der Region
weiter auszubauen,

– sich für die Förderung von Bildungsinfrastruktur in den zentralasiatischen
Ländern einzusetzen, über Stipendienprogramme mehr Studierenden aus der
Region einen Studienaufenthalt in der EU zu ermöglichen und ausreichende
Angebote zum Erlernen der deutschen Sprache in der Region sicherzu-
stellen,

– sich gegenüber der aktuellen tschechischen und bevorstehenden schwedi-
schen EU-Ratspräsidentschaft für Kontinuität im Engagement für Zentral-
asien einzusetzen,

– auf personelle Verstärkung für den EU-Sonderbeauftragten Pierre Morel
hinzuwirken, damit er seinen mittlerweile zwei Mandaten (Sonderbeauftrag-
ter für Zentralasien und Georgien) gerecht werden kann,

– sich besonders angesichts des bevorstehenden OSZE-Vorsitzes Kasachstans
im Jahr 2010 verstärkt gegenüber der kasachischen Regierung dafür ein-
zusetzen, dass sie die angekündigten Reformen im Bereich Parteien-,
Medien- und Wahlgesetzgebung umsetzt und damit eine Vorbildwirkung für
die Region hinsichtlich der Einhaltung von OSZE-Standards entfaltet,

– sich dafür zu engagieren, dass Energie ein Schwerpunktthema des kasachi-
schen OSZE-Vorsitzes 2010 wird,

– den kasachischen Vorsitz im Jahr 2010 umfassend zu begleiten und zu
diesem Zweck schon im Vorfeld die deutsche Mitarbeit in der OSZE perso-
nell zu stärken.

Berlin, den 21. Januar 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Die größten Entwicklungshemmnisse für die fünf zentralasiatischen Staaten
sind politische Instabilität, mangelnde Rechtsstaatlichkeit und die besorgnis-
erregende Menschenrechtslage, vor allem in Usbekistan und Turkmenistan.
Jede wirtschaftliche und sicherheitspolitische Kooperation der EU mit diesen
Ländern ist daher nur tragfähig in Verbindung mit konsequenter Förderung von
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten als stabilisierenden Faktoren. In dem
Zusammenhang sollten die Stärkung der Zivilgesellschaft und ihre Einbindung
in die Strategie eine Priorität einnehmen. Dieser Aspekt kommt in der bis-

herigen Strategie der EU zu kurz.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11648

Kasachstan übernimmt mit dem OSZE-Vorsitz 2010 eine Führungsrolle mit
Verantwortung und Autorität. Mit seinem „Path to Europe“ Programm strebt
das Land eine umfassende Kooperation mit Europa an. Allerdings sind die
Reformvorhaben, die Kasachstan im Zuge der Diskussion um seinen OSZE-
Vorsitz zugesagt hatte, bisher nur unzureichend erfüllt worden. Die EU sollte
die Einhaltung und Umsetzung dieser Zusagen konsequent einfordern, um den
Erfolg des kasachischen Vorsitzes sicherzustellen und darauf hinarbeiten, dass
die Rolle der OSZE in der Region gestärkt wird.

Eine Strategie, die bei der Zusammenarbeit im Energiebereich ihren Fokus auf
fossile Brennstoffe und neue Pipelinerouten setzt, läuft ins Leere. Die EU sollte
sich dort engagieren, wo sie den zentralasiatischen Staaten eine nachhaltige
Alternative zu russischen und chinesischen Energieambitionen bieten kann: bei
der Erhöhung der Energieeffizienz, Erneuerbaren Energien und Wassermanage-
ment, verbunden mit Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz. In diesen
Bereichen liegen wichtige Ansätze zur Verbesserung der regionalen Koopera-
tion zwischen den fünf Ländern, einem Schlüssel zur Entwicklung der Region.

Bildung ist für alle zentralasiatischen Staaten der Schlüssel für Entwicklung
und Wachstum. Neben Wirtschafts- und Sozialreformen kommt es darauf an,
ein Angebot öffentlicher Grundbildung für die breite Bevölkerung zu sichern.
In ganz Zentralasien werden Versäumnisse des Bildungssystems zunehmend
von Koranschulen ausgeglichen. In Turkmenistan ist das Bildungssystem in der
Vergangenheit systematisch demontiert worden. Nur über massive Anstrengun-
gen im Bildungsbereich wird es den zentralasiatischen Staaten gelingen, eine
starke Zivilgesellschaft aufzubauen. Die internationale Gemeinschaft ist auf-
gerufen, Zentralasien dabei zu unterstützen. In diesem Zusammenhang war
die Reduzierung von Sprachkursen zum Erlernen der deutschen Sprache ein
falsches Signal.

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