BT-Drucksache 16/11526

Praxis der Datenverarbeitung im Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration

Vom 23. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11526
16. Wahlperiode 23. 12. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln),
Monika Lazar, Jerzy Montag, Irmingard Schewe-Gerigk, Silke Stokar von Neuforn
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Praxis der Datenverarbeitung im Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrum
illegale Migration

In der ARD-Sendung „Report Mainz“ wurden am 29. September 2008 schwere
Vorwürfe gegen die Arbeitsweise des „Gemeinsame Analyse- und Strategie-
zentrums illegale Migration“ (GASIM) erhoben. Entgegen den Antworten
der Bundesregierung auf entsprechende Kleine Anfragen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (zuletzt Bundestagsdrucksache
16/8482) würden dort Daten nicht nur „erhoben“, sondern auch „angereichert“
und „gespeichert“. Zudem habe das GASIM – anders als von der Bundesregie-
rung bislang behauptet – eine klare operative Steuerungsfunktion. „Dort wer-
den Ermittlungsverfahren vorbereitet, teilweise sogar begleitet und mit Polizei-
dienststellen weitere Ermittlungsschritte geplant.“, hieß es in dem Bericht.

Auch der Leiter der Bundespolizei im GASIM, Thomas Spang, hat sich (in Kri-
minalistik 2/2007) dahingehend geäußert, dass Informationen abgeglichen, be-
wertet, angereichert und weitergesteuert würden. Das steht im Widerspruch zur
von der Bundesregierung (auf Bundestagsdrucksache 16/8482) gegenüber der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegebenen Auskunft, dass „keine
Analysedateien“ angelegt würden und personenbezogene Daten nicht erhoben
würden

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat der angekündigte Besuch des Bundesdatenschutzbeauftragten (BfDI),
Peter Schaar, im GASIM stattgefunden (vgl. Bundestagsdrucksache 16/8482,
S. 5)?

a) Liegt der Bundesregierung die diesbezügliche Stellungnahme des BfDI
vor?

b) Inwiefern hat der BfDI zu Fragen bzw. zur Rechtsgrundlage bzw. zur
Praxis der Erhebung, des Austauschs bzw. der Speicherung personenbe-
zogener Daten im GASIM Stellung genommen?
2. Ist es zutreffend, dass das Bundeskriminalamt (BKA) in einem durch das
Bundesministerium des Innern (BMI) angeforderten Schreiben vom 29. No-
vember 2007 feststellt, dass im GASIM personenbezogene Daten erhoben,
ausgetauscht und gespeichert werden, dass es für diese Erhebung bzw. den
Austausch und die Speicherung personenbezogener Daten im GASIM ge-
mäß dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) einer ausdrücklichen Rechts-
vorschrift bedarf, dass es im GASIM an einer diesbezüglich konkreten

Drucksache 16/11526 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Rechtsgrundlage bzw. an der besonderen Erforderlichkeit (im Sinne des
BDSG) mangelt?

a) Wie lauten die diesbezüglichen Argumente des BKA?

b) Sind die Feststellungen des BKA zutreffend, und wenn ja, wie verträgt
sich dies dann mit der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine
Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, derzufolge personen-
bezogene Daten durch Mitarbeiter des GASIM „nicht erhoben werden“
(Bundestagsdrucksache 16/8482, S. 4)?

c) Wie bewertet die Bundesregierung – und wie bewertet der BfDI – diese
rechtlichen Feststellungen des BKA?

d) Durch welche Maßnahmen wurde bzw. soll in Zukunft den rechtlichen
Bedenken des BKA Rechnung getragen werden?

3. Ist es zutreffend, dass das BKA in einem durch das BMI angeforderten
Schreiben vom 29. November 2007 feststellt, dass auch nicht freigegebene
personenbezogene Daten des Bundesnachrichtendienstes (BND) Behörden
innerhalb des GASIM (z. B. der Finanzkontrolle Schwarzarbeit – FKS) aber
auch Behörden außerhalb des GASIM (z. B. BPOL insgesamt sowie Schleu-
sungsermittlungsgruppen der Landeskriminalämter) zur Verfügung gestellt
worden sind?

a) Sind die Feststellungen des BKA zutreffend?

b) Wie lauten die diesbezüglichen rechtlichen Bedenken des BKA?

c) Wie bewertet die Bundesregierung – und wie bewertet der BfDI – die
rechtliche Grundlage einer derartigen Datenübermittlungspraxis?

d) Durch welche Maßnahmen wurde bzw. soll in Zukunft den rechtlichen
Bedenken des BKA Rechnung getragen werden?

4. Ist es zutreffend, dass das BKA in einem durch das BMI angeforderten
Schreiben vom 29. November 2007 feststellt, dass die Datenübermittlungs-
praxis von BND und BPOL rechtlich äußerst fraglich/bedenklich sei bzw.
kritisch sei im Hinblick auf das Trennungsgebot?

a) Wie lauten die diesbezüglichen Argumente des BKA?

b) Wie bewertet die Bundesregierung – und wie bewertet der BfDI – die
rechtliche Grundlage einer derartigen Datenübermittlungspraxis?

c) Durch welche Maßnahmen wurde bzw. soll in Zukunft den rechtlichen
Bedenken des BKA Rechnung getragen werden?

5. Ist es zutreffend, dass das BKA in einem durch das BMI angeforderten
Schreiben vom 29. November 2007 ausführt, dass die Speicherung perso-
nenbezogener Daten durch die FKS zum Zweck der vorbeugenden Verbre-
chensbekämpfung durch das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht
gedeckt ist?

a) Wie lauten die diesbezüglichen Argumente des BKA?

b) Wie bewertet die Bundesregierung – und wie bewertet der BfDI – die
rechtliche Grundlage einer derartigen Datenübermittlungspraxis?

c) Durch welche Maßnahmen wurde bzw. soll in Zukunft den rechtlichen
Bedenken des BKA Rechnung getragen werden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11526

6. Ist es zutreffend, dass das BKA in einem durch das BMI angeforderten
Schreiben vom 29. November 2007 ausführt, dass die pauschale Daten-
übermittlung von der FKS an sämtliche Behörden im GASIM rechtlich be-
denklich sei, dass also die Übermittlung personenbezogener Daten von der
FKS nur an die BPOL – nicht aber an das BKA oder eine andere Behörde
zulässig sei, und dass die Rechtmäßigkeit der Übermittlung personenbezo-
gener Daten von der FKS an die Nachrichtendienste zweifelhaft sei?

a) Wie lauten die diesbezüglichen Argumente des BKA?

b) Wie bewertet die Bundesregierung – und wie bewertet der BfDI – die
rechtliche Grundlage einer derartigen Datenübermittlungspraxis?

c) Durch welche Maßnahmen wurde bzw. soll in Zukunft den rechtlichen
Bedenken des BKA Rechnung getragen werden?

7. Ist es zutreffend, dass in einem durch das BMI angeforderten Schreiben
des BKA vom 29. November 2007 behauptet wird, dass die BPOL und die
FKS im Forum 7 des GASIM sämtlichen Kooperationspartnern, ein-
schließlich BND und Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), personen-
bezogene Daten mit dem Auftrag der Anreicherung durch eigene Erkennt-
nisse übermittelt hat?

Ist diese Darstellung des BKA korrekt?

8. Ist es zutreffend, dass das BKA diesbezüglich die datenschutzrechtlichen
Zusammenhänge (zumindest im Hinblick auf die Datenübermittlung an
das BfV) für rechtlich äußerst fraglich bezeichnet hat?

a) Wie begründet das BKA diesen Vorhalt?

b) Ist die Darstellung bzw. die rechtliche Bewertung des BKA korrekt?

9. Ist es zutreffend, dass in einem durch das BMI angeforderten Schreiben
des BKA vom 29. November 2007 behauptet wird, dass auch im Forum 1
des GASIM („Tägliche Lagebesprechung“) personenbezogene Daten aus
aktuellen Ermittlungsverfahren – zum Teil ohne Kenntnis der für das Er-
mittlungsverfahren zuständigen Behörde – an die Kooperationspartner des
Forum 1 (und damit im Ergebnis an alle im GASIM vertretene Behörden)
verteilt wurden bzw. werden?

a) Ist diese Darstellung des BKA korrekt?

b) Wenn ja, welche Maßnahmen wurden ergriffen, um derartige Vor-
kommnisse in Zukunft abzustellen?

c) Wenn nein, wie kommt das BKA zu einer derartigen Feststellung?

10. Inwiefern ist sichergestellt, dass – wie in dem o. g. Bericht von „REPORT
MAINZ“ problematisiert wurde – die personenbezogenen Daten von
Menschen, die im Zuge sog. Erkenntnisanfragen durch die im GASIM ver-
tretenen Polizei- und Nachrichtendienste überprüft werden, in den Daten-
systemen des GASIM bzw. der dort arbeitenden Bundesbehörden gelöscht
werden, wenn diese Recherche ergebnislos verlaufen ist – sich also keine
Verdachtsmomente gegen die betreffende Person ergeben haben?

11. Inwiefern ist sichergestellt, dass Personen, die im Zuge sog. Erkenntnis-
anfragen durch die im GASIM vertretenen Polizei- und Nachrichtendienste
überprüft werden, über diese verdeckte Erhebung/Erfassung, Speicherung,
Abgleich bzw. Anreicherung ihrer personenbezogenen Daten nachträglich
zumindest dann informiert werden, wenn diese Recherche ergebnislos ver-
laufen ist – sich also keine Verdachtsmomente gegen die betreffende Per-
son ergeben haben – damit die betreffende Person überhaupt die Chance

hat, eine datenschutzrechtliche Überprüfung einzuleiten?

Drucksache 16/11526 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

12. Ist es zutreffend, dass im GASIM Ermittlungsverfahren vorbereitet und
auch begleitet bzw. dass mit Polizeidienststellen einzelne Ermittlungs-
schritte geplant werden?

Wenn ja, wie verträgt sich dies dann mit der Antwort der Bundesregierung
auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der-
zufolge das GASIM „selbst keine operativen Maßnahmen durchführt“
(Bundestagsdrucksache 16/8482, S. 5)?

13. Ist es zutreffend, dass – ausweislich des Protokolls vom 28. August 2007
des Forums 4 des GASIM („Nachrichtendienstlich taktische und -strategi-
sche Lage“) – die operative Komponente des Forums 4 verstärkt werden
soll?

a) Wenn ja, durch welche Maßnahmen sollte die operative Komponente
des Forum 4 verstärkt werden?

b) Inwiefern wurden diese Vorschläge inzwischen umgesetzt?

14. Ist es zutreffend, dass – ausweislich des Protokolls vom 28. August 2007
des Forums 4 des GASIM – die BPOL Wert darauf legt, dass im Forum 4
strategische und operative Aspekte gleichermaßen behandelt werden soll-
ten?

15. Wurde/wird diese Auffassung der BPOL auch von anderen im Forum 4
vertretenen Behörden geteilt?

a) Wurde dieser Vorschlag der BPOL inzwischen umgesetzt?

b) Wenn ja, inwiefern hat sich durch die Einbeziehung operativer Aspekte
der Auftrag bzw. die Arbeitsweise des Forums 4 verändert?

16. Ist es zutreffend, dass durch die Einbeziehung operativer Aspekte im
Forum 4 nunmehr auch operativ-taktische Hinweise aus freigegebenem
nachrichtendienstlichem Aufkommen (z. B. des BND) mit Informationen
aus dem Zuständigkeitsbereich der anderen am Forum 4 beteiligten Behör-
den (BKA, BPOL, FKS, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge –
BAMF) verdichtet und umfassend mit exekutiv relevanten operativen und
strategischen Informationen angereichert werden sollen (vgl. Protokoll des
Forum 4 vom 19. Juli 2007)?

17. Ist es zutreffend, dass in einem durch das BMI angeforderten Schreiben
des BKA vom 29. November 2007 behauptet wird, dass die BPOL auch im
Forum 7 des GASIM („Operative Maßnahmen im Zusammenhang mit ille-
galer Migration“) die Behandlung operativer Einzelsachverhalte ausbauen
möchte?

a) Ist diese Darstellung des BKA korrekt?

b) Wenn ja, durch welche Maßnahmen möchte die BPOL im Forum 7 des
GASIM die Behandlung operativer Einzelsachverhalte ausbauen?

c) Inwiefern sind die Vorschläge der BPOL inzwischen umgesetzt wor-
den?

18. Ist es zutreffend, dass das BKA in einem durch das BMI angeforderten
Schreiben vom 29. November 2007 schreibt, es gäbe Probleme bei der
Durchführung operativer Maßnahmen im GASIM unter teilweiser Außer-
achtlassung gesetzlicher Vorschriften?

a) Wenn ja, welche Probleme meint das BKA hier?

b) Konnten die diesbezüglich rechtlichen bzw. tatsächlichen Bedenken/
Kritikpunkte des BKA (BPOL umgeht Meldewege, verletzt gesetzliche

Zuständigkeit des BKA) inzwischen ausgeräumt werden, und wenn ja,
durch welche Maßnahmen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/11526

19. Ist es zutreffend, dass sich das BKA – wie in seinem durch das BMI an-
geforderten Schreiben vom 29. November 2007 dargestellt – aus dem
Forum 7 des GASIM zurückgezogen hatte bzw. sich immer noch zurück-
gezogen hat?

a) Aus welchem Grund hat das BKA sich aus diesem Forum 7 zurückge-
zogen?

b) Hat sich das BKA auch aus anderen Foren des GASIM zurückgezogen?

c) Haben sich noch andere Behörden aus dem Forum 7 des GASIM zu-
rückgezogen?

Beteiligt sich das BKA wieder am Forum 7 bzw. an den anderen Foren
des GASIM, und wenn ja, seit wann?

d) Sind innerorganisatorische Veränderungen vorgenommen worden, um
die Rückkehr des BKA in das Forum 7 bzw. in die anderen Foren des
GASIM zu ermöglichen, und wenn ja, welche?

20. Ist es zutreffend, dass sich der Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit
im BMI im Mai 2008 dafür eingesetzt hat, der Bundespolizei innerhalb
von GASIM ein Weisungsrecht zu erteilen, das sicherstellen soll, dass der
BPOL-Leiter im GASIM im Hinblick auf die interne Geschäftsverteilung
über hinreichende Anordnungsbefugnisse verfügt?

21. Ist es zutreffend, dass hiermit sichergestellt werden sollte, dass die/der
BPOL-Leiter im GASIM im Hinblick auf die interne Geschäftsverteilung
über hinreichende Anordnungsbefugnisse verfügt?

22. Ist dieser Vorschlag des Abteilungsleiters des BMI inzwischen umgesetzt
worden – entspricht dies somit bzw. immer noch der gegenwärtigen Wei-
sungslage innerhalb des GASIM?

23. Wie war die diesbezügliche Weisungslage innerhalb von GASIM vor Mai
2008 geregelt?

24. Aus welchem Grund wurde die damalige Weisungslage verändert?

25. Welche Auswirkungen hat die veränderte Weisungslage auf die interne Ge-
schäftsverteilung des GASIM?

26. Wie oft, und mit welcher inhaltlichen Zielrichtung hat die BPOL seit Mai
2008 von ihrem Weisungsrecht Gebrauch gemacht?

27. Welche Behörden sind innerhalb des GASIM welchen anderen Behörden
gegenüber in welcher Hinsicht weisungsberechtigt?

28. Welche Behörden sind im GASIM gegenüber dem BND bzw. dem BfV in
welcher Hinsicht weisungsberechtigt?

29. Welchen Behörden gegenüber ist der BND bzw. das BfV im GASIM in
welcher Hinsicht weisungsberechtigt?

Berlin, den 23. Dezember 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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