BT-Drucksache 16/11514

Multilateralisierung des Brennstoffkreislaufes

Vom 18. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11514
16. Wahlperiode 18. 12. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jürgen Trittin, Kerstin Müller (Köln), Marieluise Beck (Bremen),
Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy,
Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Rainder Steenblock und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Multilateralisierung des Brennstoffkreislaufes

Angesichts der Bestrebungen einer Reihe von Ländern, Atomkrafttechnologie in
ihren Ländern einzuführen, steht die internationale Staatengemeinschaft vor der
Herausforderung, die Gefahr des Missbrauchs der zivilen Nutzung der Atomener-
gie für militärische Zwecke in Zukunft zu begrenzen. Die Sorge der internationalen
Gemeinschaft über das iranische Atomprogramm und das nordkoreanische Bei-
spiel zeigen, dass der Nichtverbreitungsvertrag (NVV) für diese Herausforderung
nur begrenzte Antworten bietet.

Die beste Strategie gegen Proliferation ist ohne Frage der Verzicht bzw. der Aus-
stieg aus der Atomenergie, wie ihn Deutschland eingeleitet hat. Atomenergie ist
eine Hochrisikotechnologie, die selbst bei strengsten internationalen Kontrollen für
militärische und terroristische Zwecke missbraucht werden kann. Die zivile Nut-
zung birgt ein immenses Sicherheitsrisiko in sich, wie die Tschernobyl-Katastrophe
verdeutlicht hat. Zudem ist die Frage der Entsorgung des Atommülls weltweit un-
gelöst. Uran ist eine endliche Ressource – diese Endlichkeit durch Wiederaufarbei-
tung strecken zu wollen, macht die Technologie noch risikoreicher, da dabei waf-
fenfähiges Plutonium abgetrennt wird. Auch aus ökonomischer Sicht ist Atomkraft
problematisch. Die Nutzung von Atomkraftwerken ist mit hohen Investitionskosten
verbunden. Neue Atomkraftwerke sind ohne Subventionen nicht wettbewerbs-
fähig, was insbesondere für Entwicklungsländer Probleme aufwirft, die vor allem
dezentrale bezahlbare Energieangebote bräuchten. Alle Anstrengungen müssen
deshalb darauf konzentriert werden, die weltweite Markteinführung erneuerbarer
Energien sowie effizienter und sparsamer Technologien zu fördern. Um einem Aus-
bau der Atomenergie entgegenzutreten, müssen vor allem die Länder, die neue
Energiequellen benötigen, bei der Einführung und Nutzung erneuerbarer Energien
unterstützt werden. Deutschland könnte und sollte hier eine Vorreiterrolle spielen,
da gerade in Deutschland die Industrie der erneuerbaren Energien am weitesten ent-
wickelt ist.

Solange Staaten nicht bereit sind, auf ihr gemäß Artikel IV NVV verbrieftes Recht
zur friedlichen Nutzung der Atomenergie zu verzichten, kann verantwortungsbe-

wusste Politik sich jedoch nicht der Herausforderung entziehen, wie ein militäri-
scher Missbrauch der zivilen Nutzung von Atomkraft verhindert werden kann.
Zwar ist die Zahl der Atomkraftwerke weltweit rückläufig, da in den nächsten
Jahren viele alte Reaktoren abgeschaltet werden. Doch neben den 439 derzeit in
Betrieb befindlichen Atomkraftwerken sind 35 weitere im Bau (Stand: Juni 2008).
Gerade Schwellenländer, auch solche, die weitgehend energieautark sind, wollen
den kompletten Brennstoffkreislauf beherrschen, obwohl erneuerbare Energien

Drucksache 16/11514 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

schneller und meist auch kostengünstiger auszubauen wären als Atomenergie mit
einem eigenen Brennstoffkreislauf. Besonders kritisch sind dabei die Urananrei-
cherung und Wiederaufarbeitung von Brennstäben, da Staaten, die Urananreiche-
rung und Plutoniumabspaltung beherrschen, de facto in der Lage sind, auch waffen-
fähiges Spaltmaterial herzustellen.

Bereits heute verfügen 32 Staaten über waffenfähiges Spaltmaterial. Elf Staaten, in-
klusive Iran, haben Kapazitäten zur Urananreicherung. Anlagen in Argentinien und
Südafrika wurden stillgelegt, wobei es Überlegungen gibt, diese wieder in Betrieb
zu nehmen. Zudem planen China, Frankreich, Indien, Pakistan und die USA neue
Anlagen bzw. die Modernisierung vorhandener Einrichtungen. Angesichts des
steigenden Bedarfs an nuklearen Brennstoff sind weitere Anlagen auch außerhalb
der bisherigen Technologiehalterstaaten geplant. Hauptargument für eigene Anla-
gen ist die derzeitige Lieferabhängigkeit von den bisherigen Technologiehalterstaa-
ten. Zudem wird die Fähigkeit zur Urananreicherung von einigen Staaten als eine
Frage des nationalen Prestiges und der nationalen Souveränität gesehen.

Vor diesem Hintergrund hat die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO)
2004 eine Gruppe von Experten für zivile Nukleartechnologien aus verschiedenen
Staaten ins Leben gerufen. Diese Multilateral Nuclear Approaches Group (MNA-
Gruppe) sollte die politischen, institutionellen, rechtlichen, sicherheitspolitischen,
wirtschaftlichen und technologischen Aspekte sowie die gegenwärtigen und histo-
rischen Erfahrungen von Ansätzen zur Multilateralisierung von Teilen des Brenn-
stoffkreislaufs untersuchen. Sie kam in ihrem im Februar 2005 erschienenen Be-
richt „Multilateral Approaches to the Nuclear Fuel Cycle“ (IAEO INFCIRC/640)
zu dem Schluss, dass ein globales Verbot neuer Brennstoffkreisanlagen weder legi-
tim noch durchsetzbar sei, solange diesem Verbot nicht auch die heutigen Techno-
logiehalter unterworfen wären. Der Bericht sowie die darauf folgenden Arbeiten
der IAEO zeigen stattdessen Möglichkeiten zu einer schrittweisen Multilateralisie-
rung des Brennstoffkreislaufes auf. Ein erster Schritt, so der Bericht, sei die Stär-
kung bestehender Liefergarantien. Darauf aufbauend schlägt die MNA-Gruppe die
Schaffung einer nuklearen Brennstoffbank unter IAEO-Aufsicht vor und thema-
tisiert, Anreicherungs- und Wiederaufarbeitungsaktivitäten unter multilaterale
Kontrolle zu stellen, d. h. beispielsweise regionale und multilaterale Brennstoff-
zentren einzurichten. In einem letzten Schritt wird die Idee, jegliche Brennstoff-
kreislaufaktivitäten ausschließlich unter multilateraler Kontrolle zu betreiben, dis-
kutiert. Der Bericht betont zudem, dass es zur Umsetzung dessen vor allem auch
auf deutliche Schritte zur globalen nuklearen Abrüstung ankäme.

Im Rahmen dieser Diskussion haben zahlreiche Staaten eigene Vorschläge für mul-
tinationale/-laterale Arrangements am „Front End“ des Brennstoffkreislaufes vor-
gelegt. Unter anderem hat Russland begonnen, seine bereits bestehende Anreiche-
rungsanlage Angarsk (Sibirien) für multinationale Brennstoffgarantien einzusetzen
und als multilaterale Anlage zu nutzen (IAEO INFCIRC/708). Die USA, Russland,
Frankreich sowie die drei URENCO-Betreiber Deutschland, Großbritannien und
Niederlande hatten angeboten einzuspringen, wenn aufgrund politischer Entschei-
dungen zugesagte Brennstoffzufuhren an vertragstreue NVV-Mitglieder ausfallen
(IAEO GOV/INF/2006/10). Ein anderer Vorstoß in der Debatte um die Multilate-
ralisierung des Brennstoffkreislaufes ist die von den USA initiierte Global Nuclear
Energy Partnership (GNEP). Für die von der privaten Nuclear Threat Initiative
(NTI) vorgeschlagene nukleare Brennstoffbank, die unter Aufsicht der IAEO agie-
ren soll, haben bereits der US-Finanzinvestor Warren Buffett und der US-Kongress
je 50, Norwegen fünf, die Vereinigten Arabischen Emirate 10 Mio. und jüngst die
EU 32 Mio. US-Dollar in Aussicht gestellt. Nach Angaben des Direktors der IAEO,
Dr. Mohamed ElBaradei, sind für den Start des Betriebs etwa 150 Mio. US-Dollar
nötig. Staaten könnten dann von der IAEO Brennstäbe beziehen.
Die Bundesregierung hat in der Debatte um Brennstoffliefergarantien im Mai 2007
der IAEO den bereits im Jahr zuvor vom Bundesminister des Auswärtigen,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11514

Dr. Frank-Walter Steinmeier, in die Diskussion gebrachten eigenen Vorschlag
– das „Multilateral Enrichment Sanctuary Project“ (MESP) – übermittelt (IAEO
INFCIRC/704). Der Vorschlag regt an, eine zusätzliche Urananreicherungsanlage
unter ausschließlicher Kontrolle der IAEO zu errichten. Dazu könne, so der Vor-
schlag, ein Drittstaat ein exterritoriales Gebiet zur Verfügung stellen. Finanziert
werden könne die Anlage durch die Länder, die dadurch das Recht auf Belieferung
mit Atombrennstoff erwerben. Konkrete Schritte dieses Projektes sind allerdings
noch nicht veröffentlicht und es bleiben Fragen nach den konzeptuellen Überlegun-
gen, der Proliferationsresistenz und Umsetzbarkeit des Vorschlages offen. Auch das
Verhältnis des Vorschlages zu den IAEO-Anregungen ist unklar.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche von den seit 2005 vorgeschlagenen Modellen zur Multilateralisie-
rung des Brennstoffkreislaufes werden derzeit im Rahmen der IAEO disku-
tiert?

2. In welchem Rahmen finden diese Gespräche statt, und welche Staaten neh-
men daran mit welchen Positionen aktiv teil?

Was sind nach Auffassung der Bundesregierung die Hauptprobleme bei der
Umsetzung?

3. Wie bewertet die Bundesregierung den russischen Vorschlag (INFCIRC/
708)?

Inwieweit ist er mit dem Vorschlag des Auswärtigen Amts vereinbar?

4. Welche Staaten außer Kasachstan und Armenien haben nach Kenntnis der
Bundesregierung bereits Anteile an der russischen Anlage Angarsk gekauft
bzw. dies angekündigt?

Wann wird die Anlage nach Kenntnis der Bundesregierung als multilaterale
Anreicherungsanlage starten?

5. Wird es nach Kenntnis der Bundesregierung ein Sicherungsabkommen mit
der IAEO für Angarsk geben?

6. Ist die Hauptzielsetzung der GNEP-Initiative der einzige Grund, warum
Deutschland als einziger Staat mit einer bedeutenden Nuklearindustrie an
dieser Initiative nicht teilnimmt?

Wie bewertet die Bundesregierung darüber hinaus die Initiative?

7. Ist die GNEP-Initiative mit dem von Deutschland vorgeschlagenen Modell
vereinbar?

Wenn nein, warum nicht, wenn ja, in welchen Bereichen?

8. Beabsichtigt die Bundesregierung an der GNEP als vollwertiges Mitglied
teilzunehmen?

9. Wie bewertet die Bundesregierung das von der IAEO vorgeschlagene drei-
stufige Vorgehen (IAEO INFCIRC/640), das der Direktor der IAEO,
Dr. Mohamed ElBaradei, in seiner Rede vor der UN-Generalversammlung
am 28. Oktober 2008 als „ideal scenario“ beschrieb?

Ließe sich das deutsche Modell in diesen Vorschlag integrieren?

10. Ist die Bundesregierung nicht auch der Ansicht, dass eine Ergänzung des deut-
schen Vorschlages um die langfristige IAEO-Perspektive – den gesamten
Brennstoffkreislauf unter multilaterale Kontrolle zu stellen – die Attraktivität
des deutschen Vorschlages gerade auch auf Seiten der Nichttechnologiehalter
erhöhen würde?

Drucksache 16/11514 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

11. Aus welchem Finanztopf kommen die 25 Mio. Euro, die die EU Mitte Dezem-
ber 2008 für die von der NTI vorgeschlagene nukleare Brennstoffbank zuge-
sagt hat?

Hat Deutschland vor sich daran zusätzlich bilateral zu beteiligen, wenn nein,
warum nicht?

12. Welche Bedingungen müssen nach Meinung des Rates Staaten erfüllen, um
eine verlässliche Versorgung durch die Brennstoffbank zu erhalten?

Muss auf eigene Anreicherungsanlagen verzichtet werden?

13. Wird es politische Kriterien hinsichtlich der politischen Stabilität und guten
Regierungsführung als Voraussetzung für Lieferungen geben, und wer soll
über eine Unterbrechung der Lieferung entscheiden?

Welchen Einfluss haben internationale Sanktionen auf die Liefergarantien?

14. Wie unterscheidet sich nach Auffassungen der Bundesregierung der deutsche
Vorschlag hinsichtlich der Ziele, der Voraussetzungen der Teilnahme und der
internationalen Unterstützung von den Vorschlägen der IAEO, namentlich dem
Bericht der Multilateral Nuclear Approaches Group von 2005 (INFCIRC/
640)?

15. Wo genau liegt der Mehrwert des deutschen MESP-Modells gegenüber dem
IAEO-Vorschlag und den anderen Vorschlägen?

16. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass der deutsche Vorschlag die Interes-
sen und die Teilhabe potenzieller Empfängerstaaten besser gewährleisten kann
als andere?

Wenn ja, warum?

17. Welche Schritte hat die Bundesregierung seit der Präsentation ihres Vorschla-
ges 2006 unternommen, um das Modell zu konkretisieren und umsetzen zu
können?

Mit welchen Ländern wurden darüber bereits Gespräche geführt, und auf wel-
chen internationalen Gremien wurde wann für den deutschen Vorschlag ge-
worben?

18. Wie war die bisherige Resonanz der Nichttechnologiehalter?

Wie war die bisherige Resonanz der Technologiehalter, insbesondere Frank-
reichs und Russlands?

19. Welche Rückmeldung hat die Bundesregierung auf ihren Vorschlag von der
IAEO bekommen?

20. Auf welcher politischen Ebene soll nach Auffassung der Bundesregierung über
weitere Maßnahmen zur Multilateralisierung von Brennstoffkreisläufen gere-
det werden?

Welche konkreten Vereinbarungen wünscht sich die Bundesregierung in der
IAEO?

21. Bis wann und von wem sollen diese Schritte unternommen werden?

22. In welchem Rahmen wurde das Vorhaben auf der 52. IAEO-Generalkonferenz
Anfang Oktober 2008 in Wien diskutiert?

23. In welchen Gremien und wann hat die Bundesregierung innerhalb der EU um
Unterstützung für ihren Vorschlag geworben?

Wie haben andere EU-Staaten auf den deutschen Vorschlag reagiert?

24. Auf welche konkreten Schritte der EU, abgesehen von der Initiative des deut-

schen Bundesministers des Auswärtigen, bezieht sich die Bundesregierung in

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/11514

der Bilanz der deutschen Ratspräsidentschaft 2007, in der es heißt, die EU habe
sich aktiv an den Diskussionen über Lösungen zur Multilateralisierung des
Brennstoffkreislaufs beteiligt (Bundestagsdrucksache 16/6042)?

Wurde das Thema in Ratstreffen oder Ratsarbeitsgruppen der EU behandelt,
und wenn ja, welche unterschiedlichen Positionen haben die Mitgliedstaaten
vertreten?

25. Warum war es innerhalb der EU nicht möglich, über den vom Bundesminister
des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, in seiner Rede am 8. Oktober
2007 anlässlich des Workshops zur Multilateralisierung des Brennstoffkreis-
laufes erwähnten EU-Kriterienkatalog zur Beurteilung der verschiedenen Vor-
schläge hinausgehende Übereinkünfte zu treffen?

26. Wie ist das weitere Vorgehen der Bundesregierung, um Interessenten für ihren
MESP-Vorschlag zu finden?

27. Beabsichtigt die Bundesregierung ihren Vorschlag auf dem Artikel-VI-Forum-
Treffen der Middle Powers Initiative im Januar 2009 in Berlin zur Diskussion
zu stellen?

28. Welche weiteren Schritte sind mit Blick auf die 2010 stattfindende NVV-Über-
prüfungskonferenz vorgesehen?

Welche konkreten Beschlüsse sollte die Überprüfungskonferenz nach Auffas-
sung der Bundesregierung fassen, um Bemühungen um eine Multilateralisie-
rung des Brennstoffkreislaufs voranzubringen?

29. In welchem Zusammenhang stehen nach Auffassung der Bundesregierung Be-
mühungen in der Nuclear Suppliers Group (NSG), einen Kriterienkatalog für
den Export sensitiver Anreicherungs- und Wiederaufbereitungstechnologien
zu entwickeln mit dem Ziel, multilaterale Modelle zur Brennstoffkreislaufkon-
trolle zu befördern?

30. Welche Kriterien sollten nach Auffassung der Bundesregierung in die Liefer-
richtlinien der Nuclear Suppliers Group für den Export sensitiver Anreiche-
rungs- und Wiederaufbereitungstechnologien aufgenommen werden?

Sollten die NSG-Richtlinien auch Lieferungen solcher Technologien an Staa-
ten außerhalb des NVV unterstützen?

31. Welche Kriterien umfasst der Katalog, der auf dem letzten Treffen der NSG
Consultative Group erarbeitet wurde?

32. Inwieweit wird der deutsche MESP-Vorschlag dem EU-Kriterienkatalog zur
Beurteilung der verschiedenen bei der IAEO eingereichten Vorschläge gerecht?

Inwieweit erfüllt der deutsche Vorschlag die darin formulierten Kriterien, die
z. B. besagen, dass neue Konzepte erstens keine neuen Verbreitungsrisiken
schaffen sollen, zweitens Versorgungssicherheit gewährleisten, drittens keine
Rechte beschränken und viertens marktkonform sein sollen?

33. Welche Vorteile bietet die von der Bundesregierung vorgeschlagene multilate-
rale Anlage den Nichttechnologiehaltern in Bezug auf die derzeitige Situation
und in Bezug auf einen Verzicht auf zukünftige eigene Anreicherungsanlagen?

34. Inwieweit beeinträchtigt die vorgeschlagene Einführung eines neuen Teilneh-
mers am Anreicherungsmarkt nach Einschätzung der Bundesregierung die bis-
herigen Marktteilnehmer?

Wie ist die Aussage der Bundesregierung in IAEO INFCIRC/704 – ein multi-
lateraler Ansatz zur Brennstoffkreislaufkontrolle dürfe den kommerziellen
Markt für Nuklearbrennstoff nicht stören – mit der im Rahmen von MESP vor-

gesehenen Schaffung eines zusätzlichen Anbieters von LEU (LEU – schwach
angereichertes Uran) in Einklang zu bringen?

Drucksache 16/11514 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

35. Wie werden die Preise für das angereicherte Uran der neuen Anlage reguliert?

Wie soll sichergestellt werden, dass man so der Grundidee des Vorschlages,
nämlich einen gesicherten Zugang zu schaffen, gerecht wird?

36. Welche Voraussetzungen muss ein Land erfüllen, um als Sitzstaat in Betracht
zu kommen?

Welche Länder könnten aus Sicht der Bundesregierung in Betracht kommen?

37. Was soll das Endprodukt der Anreicherungsanlage sein: schwach angereicher-
tes Uran oder bereits Brennstäbe?

Wenn die Anlage selbst keine Brennstäbe herstellt, wo und wie soll das dann
passieren?

38. Was soll aus Sicht der Bundesregierung mit den Rückständen der Anreiche-
rung (abgereicherte Uran-Fraktion, sog. Uran-„tails“) geschehen?

39. Was ist mit dem „Back end“ des Kreislaufes?

Soll es Rücknahmegarantien der Anlage für abgebrannte Brennstäbe geben?

Wenn nein, warum nicht, und lässt dies nicht eine Flanke des Proliferations-
weges offen?

40. Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Generalsekretärs der IAEO,
Dr. Mohamed ElBaradei, dass Liefer- und Technologiestaaten eine Mitverant-
wortung bezüglich der nuklearen Sicherheit haben („Above all, we stress that
the primary responsibility to ensure safety and security lies with the countries
concerned. However, we also make the companies – and countries – which
supply the equipment and expertise aware of their responsibility. This is be-
cause failures of either safety or security can have consequences stretching
well beyond national borders, as the Chernobyl accident demonstrated. Both
recipients and suppliers of nuclear technology owe a duty of care to the world
at large.“ Rede auf der 63. Sitzung der UN-Generalversammlung)?

Welche Maßnahmen trifft die Bundesregierung derzeit als Technologiehalter
in diesem Zusammenhang?

41. Inwieweit wird dieser Grundsatz bei dem MESP-Vorschlag berücksichtigt?

Wer sollte nach Auffassung der Bundesregierung für die Folgen von Unglücks-
fällen in der MESP-Anlage haften, wenn durch diese Dritte zu Schaden kom-
men?

42. An welche Voraussetzungen zu einer Teilnahme als Eigentümer an dieser An-
lage denkt die Bundesregierung, wenn Sie – wie in der Antwort auf die Große
Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Zukunft der nuklearen
Abrüstung (Bundestagsdrucksache 16/9834) – davon spricht, dass die Voraus-
setzungen vom Governeursrat der IAEO im Detail beschlossen werden müs-
sen?

Was genau versteht die Bundesregierung unter „good standing“ mit der IAEO?

43. Inwieweit unterscheiden sich diese Kriterien von den derzeit geltenden Richt-
linien der NSG zur Lieferung von angereichertem Uran und Brennstäben?

44. Können auch Staaten und Anteilseigner beliefert werden, die keine umfassen-
den Sicherungsabkommen mit der IAEO geschlossen haben?

45. Können auch Staaten und Anteilseigner beliefert werden, die nicht NVV-Ver-
tragsstaaten sind bzw. das Zusatzprotokoll nicht ratifiziert haben?

46. Bedeutet die Ausführung der Bundesregierung in ihrem Vorschlag, dass Be-
dingung für die Teilnahme als Eigentümer an der Urananreicherung nicht sei,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/11514

dass nationale Anreicherungsverfahren eingestellt bzw. nicht aufgenommen
werden, dass sich auch Staaten wie der Iran daran beteiligen könnten?

Wenn ja, was wäre dann der Vorteil der Anlage, und inwieweit kann dadurch
das Proliferationsrisiko eingedämmt werden?

47. Käme Syrien unter gegenwärtigen Bedingungen als Anteilseigner oder Emp-
fängerstaat in Frage?

48. Wer entscheidet unter welchen Bedingungen über eine Unterbrechung der
MESP-Lieferungen?

49. Wird es politische Kriterien als Voraussetzung für Lieferungen geben?

Wenn nein, würde damit auch an Staaten geliefert werden können, denen bei-
spielsweise Völkermord und schwere Menschenrechtsverbrechen vorgewor-
fen werden?

50. Wie verhalten sich Sanktionen in diesem Regime?

51. Werden die Technologiehalter selbst auch Anteile kaufen, und plant die Bun-
desregierung Anteile zu kaufen?

Wenn nein, warum nicht, und wie will die Bundesregierung andere Staaten da-
von überzeugen, eine multilaterale Anlage zu nutzen, wenn sie sich selbst nicht
beteiligt?

52. Wie steht die Bundesregierung zu den MNA-Vorschlägen der IAEO (IAEO
INFCIRC/640), die betonen, dass eine multilaterale Lösung nur gelingen
könne, wenn diese langfristig auch die Technologiestaaten umfasse?

Bewertet die Bundesregierung dies als nötigen und/oder erstrebenswerten
Schritt in ihrem Modell?

53. Sieht der deutsche Vorschlag vor, langfristig auch bestehende Anlagen als mul-
tilaterale Anlagen umzudeklarieren?

54. Was soll der Anreiz für andere Staaten zur Teilnahme an der Anlage sein?

Welche Rolle spielen dabei aus Sicht der Bundesregierung die Motivations-
gründe vieler Länder für eigene Anreicherungsanlagen wie Technologietrans-
fer und Prestige?

55. Warum sollten Länder, die die technischen Fähigkeiten zu eigenen Anlagen ha-
ben, sich von einer multilateralen Anlage beliefern lassen wollen?

Welche Anreize will die Bundesregierung schaffen?

56. Sollen – unter Berücksichtigung dessen, dass die Bundesregierung vorschlägt,
dass die Anlage unter Aufsicht der IAEO stehe, die IAEO allerdings nicht
selbst aktiv werde und auch nicht Eigentümer der Anlage sei, sondern vielmehr
der Bau und der Betrieb der Anlage durch die Nuklearindustrie interessierter
Staaten erfolgen soll – in diesem Rahmen auch bisherige Nichttechnologie-
halter an dem Betrieb der Anlage beteiligt werden?

Wenn nein, wie soll aus Sicht der Bundesregierung der dann weiterhin beste-
hende Nichttechnologietransfer – größter Kritikpunkt der bisherigen Nicht-
technologiehalter – ausgeglichen werden?

57. Wie soll der potenzielle Betreiber ermittelt werden?

58. Welche Rolle spielt dabei das britisch-niederländisch-deutsche Anreiche-
rungskonsortium URENCO, das bereits Interesse signalisiert hat?

59. Wie wird der politische Einfluss der Technologiehalter auf den Betrieb der An-
lage minimiert?
60. Inwieweit könnte die Anlage mit multinationalem Personal bestückt werden?

Drucksache 16/11514 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
61. Inwieweit ist der MESP-Vorschlag der Bundesregierung in ein umfassenderes
Konzept der internationalen Energiepolitik eingebettet?

Inwieweit muss in diesem Zusammenhang die Arbeit der Internationalen
Energieagentur (IEA) überdacht bzw. ausgebaut werden?

62. CDU, CSU und SPD haben gemeinsam im Koalitionsvertrag festgelegt, den
von der rot-grünen Bundesregierung aus wirtschaftlichen und ökonomischen
Gründen gefassten Beschluss eines nationalen Ausstiegs aus der Nutzung der
Atomenergie umzusetzen.

Wie lässt sich dies mit dem MESP in Einklang bringen?

63. Könnten und sollten sich vor dem Hintergrund des nationalen Ausstiegs der
Bundesrepublik Deutschland aus der Atomenergie deutsche Unternehmen
oder multinationale Unternehmen mit deutscher Beteiligung am Aufbau der
MESP beteiligen?

64. Die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich wie oben erwähnt nicht an der
GNEP- Initiative aufgrund deren Hauptzielsetzung eines weltweiten Ausbaus
von Atomenergie.

Welche Maßnahmen des deutschen Vorschlages verhindern, dass dieser in-
direkt nicht selbst zum globalen Ausbau von Atomenergie beiträgt?

65. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um die
Technologieverbreitung von erneuerbaren Energien international weiter vo-
ranzutreiben?

66. Gibt es Überlegungen der Bundesregierung die Zusammenarbeit im Bereich
der erneuerbaren Energien gezielt mit Ländern wie z. B. Iran, Nordkorea oder
Syrien, die auf Atomenergie setzen, zu intensivieren?

Wenn nein, warum nicht?

67. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Stand der Erforschung
und Nutzung von erneuerbaren Energien in den genannten drei Ländern?

Wird eigene Technologie entwickelt, und aus welchen Ländern importieren
diese Staaten entsprechende Technologie?

68. Inwieweit wurden in den Verhandlungen mit dem Iran über dessen Atompro-
gramm auch Angebote zur Förderung erneuerbarer Energien gemacht?

Wie hat der Iran darauf reagiert?

69. Sind nach Erkenntnissen der Bundesregierung von den bisherigen Sanktionen
im Rahmen der Vereinten Nationen gegenüber dem Iran auch Technologie-
komponenten aus dem Bereich der erneuerbaren Energien betroffen?

70. Welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung, um langfristig den glo-
balen Ausstieg aus der Risikotechnologie Atomkraft voranzutreiben?

71. Inwieweit betrachtet die Bundesregierung Initiativen zur nuklearen Abrüstung
als essentiellen Baustein ihres Modells?

72. Wie bewertet die Bundesregierung die jüngste Global-Zero-Initiative zur nu-
klearen Abrüstung?

Welche Maßnahmen wird sie ergreifen, um diese Bemühungen zu unterstüt-
zen?

Berlin, den 18. Dezember 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.