BT-Drucksache 16/11435

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/10807, 16/10868, 16/11429- Entwurf eines Gesetzes zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 (Krankenhausfinanzierungsreformgesetz - KHRG)

Vom 17. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11435
16. Wahlperiode 17. 12. 2008

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, Dr. Martina Bunge,
Sevim Dag˘delen, Diana Golze, Inge Höger, Katja Kipping, Elke Reinke, Volker
Schneider (Saarbrücken), Dr. Ilja Seifert, Jörn Wunderlich und der Fraktion
DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/10807, 16/10868, 16/11429 –

Entwurf eines Gesetzes zum ordnungspolitischen Rahmen
der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009
(Krankenhausfinanzierungsreformgesetz – KHRG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Gesetzentwurf zur Reform der Krankenhausfinanzierung (KHRG) ist unzu-
reichend und nicht geeignet, die bestehenden finanziellen, strukturellen und per-
sonellen Probleme der Krankenhäuser nachhaltig zu lösen. Die im Gesetzent-
wurf enthaltenen Maßnahmen sind darüber hinaus ungenau, erreichen nicht die
besonders betroffenen Kliniken und liefern gravierende Fehlanreize. Damit ist
die Bundesregierung an der Aufgabe gescheitert, am Ende der Konvergenzphase
der Einführung von diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) eine Neuord-
nung der Finanzierung der 2 100 Krankenhäuser in Deutschland vorzulegen.

Seit 16 Jahren unterliegen die Budgets der Krankenhäuser einer Grundlohn-
summenanbindung. Damit werden Krankenhausausgaben an Kriterien gebun-
den, die mit deren Zweck, eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung zu
gewährleisten, nichts zu tun haben. Im Resultat bedeutet dies, dass zahlreiche
Kliniken in große finanzielle Schwierigkeiten geraten und viele von ihnen
geschlossen werden. Außerdem steigt der Privatisierungsdruck.

Der Vorschlag der Kampagne „Rettet die Krankenhäuser“ zur Einführung eines
Krankenhauswarenkorbes wurde im Gesetzentwurf zwar aufgenommen, aber
gleichzeitig wird der neue Krankenhauskostenindex dazu genutzt, im Zuge einer

Ermächtigung des Bundesministeriums für Gesundheit die bisherigen Erlösver-
handlungen der Selbstverwaltung abzuschaffen.

Die in Aussicht gestellten zusätzlichen Mittel in Höhe von 2 Mrd. Euro gleichen
die bisher ungedeckten Kostensteigerungen nicht einmal zu 30 Prozent aus. Das
im Gesetzentwurf verankerte Durchgriffsrecht führt dazu, dass das Bundes-
ministerium für Gesundheit jedes Jahr per Rechtsverordnung festlegen kann,

Drucksache 16/11435 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

welcher Anteil der durch den Index ausgewiesenen Kostensteigerungen tatsäch-
lich refinanziert wird. Damit würde die Finanzierung anfälliger, als sie es heute
ohnehin schon ist. Die beabsichtigte Neuregelung würde es dem Bundesminis-
terium für Gesundheit ermöglichen, trotz deutlich höherer Kostensteigerungen
per Verordnung auch unter die Veränderungsrate zu gehen, bis hin zu Nullrun-
den.

Bestehen bleibt somit das systematische Problem einer nicht sachgerechten
Preisgestaltung bei Krankenhausleistungen. Zwar bringen die vorgesehenen Fi-
nanzhilfen kurzfristig leichte Linderung. Ihre Wirkung wird aber schon binnen
Jahresfrist weitgehend verpufft sein.

Das DRG-System soll zudem für weitere Kürzungen missbraucht werden. So
wird der letzte Konvergenzschritt hin zu einem einheitlichen Landesbasisfall-
wert auf zwei Jahre gestreckt. Im kommenden Jahr wird lediglich die Hälfte der
versprochenen Anpassung vorgenommen. Zudem sollen die Fallschwere- und
Mengenentwicklungen künftig nur noch mit 35 Prozent finanziert werden.

Die Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst werden im Gesetzentwurf nur zu
50 Prozent über eine Erhöhung der Erlöse durch die Krankenkassen gegenfinan-
ziert. Dadurch wird der Teil der Kliniken bestraft, die trotz der schwierigen Lage
noch Tariflöhne zahlen. Zunehmend ist der Betrieb aber nur noch zu gewährleis-
ten, indem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einen Teil der ihnen zustehen-
den Gehälter verzichten und sich auf Notlagentarifverträge einlassen.

In der stationären Pflege fehlen 70 000 Beschäftigte. Das Programm zur Neuein-
stellung von Krankenpflegekräften soll bis zu 15 000 neue Stellen schaffen. Da-
mit wird der Pflegekräftemangel nur halbherzig angegangen. Da nur 90 Prozent
der Kosten gegenfinanziert werden, müssen die Kliniken einen Eigenanteil von
10 Prozent leisten. Da Häuser, die bereits heute rote Zahlen schreiben, den
Eigenanteil kaum aufbringen können, werden sie von dieser Maßnahme entwe-
der keinen Nutzen haben oder an anderer Stelle beim Personal sparen, um so die
Refinanzierung zu gewährleisten.

Bevor nicht die Begleitstudie zur Einführungsphase der Fallpauschalen vorliegt,
sollte das DRG-System nicht auf psychiatrische und psychosomatische Fälle
ausgedehnt werden. Grundlage einer Umrechnung auf Tagespauschalen muss
aber zwingend die Einhaltung der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV)
sein. Da in der vorgesehenen Preiskalkulation „mindestens“ 90 Prozent der in
der Psych-PV festgeschriebenen Stellen vorgegeben werden, wird damit der
Personalschlüssel auch offiziell unterlaufen.

Erschwerend kommt hinzu, dass Krankenhäuser kaum Investitionen vornehmen
können, weil die Bundesländer ihrer Verpflichtung der Investitionsförderung in
immer geringerem Umfang nachkommen. Auch zur Behebung des Investitions-
staus trägt der Gesetzentwurf nicht bei.

Mit diesem Gesetzentwurf soll zwar mehr Geld zur Verfügung gestellt werden,
allerdings können die Kosten der Krankenhäuser damit bei weitem nicht finan-
ziert werden. Schon heute schreibt jede dritte Klinik rote Zahlen. Gerade diese
Kliniken erreicht der Gesetzentwurf am wenigsten. Der vorliegende Gesetzent-
wurf löst kaum Probleme in der stationären Versorgung; dafür schafft er viele
neue.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

ein Krankenhausfinanzierungsgesetz vorzulegen, das

● die Einrichtung von 70 000 vollfinanzierten Stellen in der Krankenpflege
initiiert;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11435

● die Kosten der Tarifsteigerungen in vollem Umfang in die Budgets der Kran-
kenhäuser aufnimmt; dabei müssen Kliniken den Nachweis erbringen, dass
sie Tariflöhne bezahlen;

● bisher nicht refinanzierte Kostensteigerungen wie die Mehrwertsteuererhö-
hung, Energie- und Lebensmittelkosten über die Fallpauschalen abbildet;

● den Krankenhauskostenindex von unabhängigen Gutachtern erstellen lässt.
Dabei muss gewährleistet werden, dass der zukünftige Index unabhängig von
politischen Vorgaben ermittelt wird;

● bei der späteren Festsetzung bzw. Berechnung tagesgleicher Pauschalen zur
Finanzierung der psychiatrischen Krankenhausleistungen von einer Umset-
zung zu 100 Prozent der Personalstellen nach der Psych-PV ausgeht;

● vorsieht, dass der Investitionsstau in Krankenhäusern ermittelt und gemein-
sam mit den Bundesländern in einer Zehnjahresfrist abgebaut wird.

Berlin, den 16. Dezember 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.