BT-Drucksache 16/11422

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung -16/11337, 16/11416- Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. November 2008

Vom 17. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11422
16. Wahlperiode 17. 12. 2008

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Birgit Homburger, Dr. Rainer Stinner, Elke Hoff,
Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans,
Jörg van Essen, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen,
Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel
Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch,
Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn),
Markus Löning, Dr. Erwin Lotter, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr,
Cornelia Pieper, Frank Schäffler, Dr. Konrad Schily, Marina Schuster,
Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Daniel Volk,
Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 16/11337, 16/11416 –

Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation
Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf
Grundlage des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 und
der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008,
1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008 und
nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in
Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der
Europäischen Union vom 10. November 2008

Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Allein im Jahr 2007 sind weltweit laut International Maritime Organization
(IMO) 263 Angriffe durch Piraten verübt worden. Einen besonderen Schwer-
punkt bildet die Küste Somalias. Dort haben Piratenüberfälle in den letzten
Monaten drastisch zugenommen. Nach Informationen der IMO sind in dieser
Region im Jahr 2008 bislang über 120 Angriffe durch Piraten zu verzeichnen,
wobei 35 Schiffe gekapert und über 600 Seeleute als Geiseln genommen worden

Drucksache 16/11422 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

sind, um Lösegeld zu erpressen. Dabei geraten nicht nur Handelsschiffe in das
Visier von Piraten, sondern wie im Fall der „Le Ponant“ auch Privatyachten und
sogar Kreuzfahrtschiffe mit mehreren hundert Personen an Bord, wie die ver-
eitelten Angriffe auf die MS „Nautica“ am 30. November 2008 sowie die deut-
sche MS „Astor“ am 28. November 2008 belegen.

Das Fehlen staatlicher Ordnung in Somalia hat eine instabile Lage im Land ge-
schaffen, welche die Piraterie vor der Küste Somalias begünstigt. Da von staat-
licher Seite keine effektiven Durchgriffs- und Sanktionsmöglichkeiten bestehen,
etablierte sich insbesondere die somalische Region Puntland zu einem Aus-
gangspunkt für seeräuberische Aktivitäten. Das Problem der illegalen Über-
fischung somalischer Hoheitsgewässer durch europäische und asiatische Fisch-
fangflotten ist der Bundesregierung und der EU seit Jahren bekannt. Dass es
heute notwendig ist, gegen ehemalige Fischer, die heute Piraten sind, mit robus-
ten militärischen Mitteln vorzugehen, ist deshalb auch Ergebnis fehlender
Krisenprävention. Dass die somalische Übergangsregierung dem Problem der
Piraterie in ihrem Land und vor der Küste des Landes nicht selbst begegnen
kann, belegen die Schreiben vom 27. Februar 2008 und 20. November 2008 an
die Vereinten Nationen, in denen sie der Verabschiedung entsprechender Reso-
lutionen des UN-Sicherheitsrates zur Bekämpfung der Piraterie zugestimmt hat.

Die internationale Gemeinschaft ist – nicht zuletzt durch die Resolutionen 1816
(2008) und 1846 (2008) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen – dazu auf-
gerufen, sich aktiv an der Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias zu
beteiligen. Für die Hohe See ergibt sich die völkerrechtliche Verpflichtung und
Befugnis aller Staaten zur Bekämpfung von Piraterie bereits aus dem Interna-
tionalen Seerechtsübereinkommen vom 10. Dezember 1982.

Die Bekämpfung der Piraterie in den Gewässern vor Somalia ist bereits durch
die im Operationsplan der „Operation Enduring Freedom“ (OEF) verankerten
Befugnisse möglich und wird von Bündnispartnern im Rahmen von OEF auch
praktiziert. Deutschlands Beteiligung an der „Operation Enduring Freedom“ er-
streckt sich aufgrund eines nationalen Vorbehaltes jedoch nicht auf die Piraterie-
bekämpfung. Neben OEF wurde ein Teil des Flottenverbandes der Standing
NATO Maritime Group 2 (SNMG 2) zur Bekämpfung der Piraterie am Horn von
Afrika eingesetzt. Diesem Verband gehörte bis vor kurzem auch eine Fregatte
der Deutschen Marine an. Ab Februar 2009 plant die NATO einen weiteren Ein-
satz.

Die EU-geführte Operation Atalanta, an der sich auch deutsche Soldatinnen und
Soldaten beteiligen sollen, wird die dritte Mission sein, die parallel am Horn von
Afrika und somit vor der Küste Somalias stattfindet und sich mit der Bekämp-
fung von Piraterie in diesem Seegebiet befasst.

Die internationalen Verpflichtungen und Befugnisse zur Bekämpfung der Pira-
terie auf Hoher See ergeben sich völkerrechtlich bereits aus dem Seerechtsüber-
einkommen vom 10. Dezember 1982, das durch Deutschland im Jahr 1994 rati-
fiziert wurde und Deutschland daher schon bisher voll handlungsfähig gewesen
wäre.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich im Rahmen der EU-geführten Operation Atalanta aktiv und in vollem
Umfang an der Durchführung der in der Gemeinsamen Aktion 2008/851/
GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. November 2008 beschlos-
senen Maßnahmen, einschließlich des Einsatzes von Gewalt, zur Abschre-
ckung, Verhütung und Beendigung von seeräuberischen Handlungen oder
bewaffneten Raubüberfällen, die im Einsatzgebiet von Atalanta begangen

werden könnten, sowie an Aufgriff, Festnahme und Überstellung von Perso-
nen, die seeräuberische Handlungen oder bewaffnete Raubüberfälle began-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11422

gen haben oder im Verdacht stehen, diese Taten begangen zu haben, zu betei-
ligen;

2. international darauf zu drängen, dass die Pirateriebekämpfung am Horn von
Afrika sobald als möglich mit nur einem internationalen Truppenverband
unter einheitlicher Führung durchgeführt wird;

3. international darauf zu drängen, dass unter Piraterieverdacht stehende Ver-
haftete nicht im Rahmen des jeweiligen nationalen Rechts der Strafverfol-
gung zugeführt werden, sondern eine Strafverfolgung entweder durch Über-
stellung an den Internationalen Strafgerichtshof erfolgt oder durch die Über-
stellung an einen anderen und speziell für Piraterieverdachtsfälle zu schaffen-
den internationalen Gerichtshof;

4. deutlich zu machen, dass die Bekämpfung von Piraterie auch der Bekämp-
fung des Terrorismus dienen kann, da der grenzüberschreitende internatio-
nale Terrorismus von Piraterie und organisierter Kriminalität häufig nicht zu
trennen ist und für terroristische Organisationen Piraterie eine Möglichkeit
darstellt, finanzielle Mittel für die Verfolgung ihrer „politischen“ Ziele zu be-
schaffen;

5. die Überfischung somalischer Gewässer durch europäische und asiatische
Fischfangflotten als eine der Ursachen des heutigen Pirateriephänomens zu
erkennen und gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft auf die poli-
tische und wirtschaftliche Stabilisierung Somalias hinzuwirken, um die ver-
heerende humanitäre Lage im Land so zügig wie möglich zu verbessern und
somit eine der Ursachen der Piraterie am Horn von Afrika zu bekämpfen;

6. die Kosten für die EU-geführte Operation Atalanta aus dem Allgemeinen
Haushalt und nicht aus dem Einzelplan 14 zu finanzieren.

Berlin, den 16. Dezember 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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