BT-Drucksache 16/11421

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/10489, 16/11419- Entwurf eines Gesetzes über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis sowie zur Änderung weiterer Vorschriften

Vom 17. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11421
16. Wahlperiode 17. 12. 2008

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Gisela Piltz, Mechthild Dyckmans, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Christoph Waitz, Hans-Michael Goldmann, Christian Ahrendt,
Dr. Max Stadler, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Patrick Döring, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth),
Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Michael Kauch,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn), Markus Löning,
Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen,
Dirk Niebel, Detlef Parr, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Daniel Volk, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/10489, 16/11419 –

Entwurf eines Gesetzes über Personalausweise und den elektronischen
Identitätsnachweis sowie zur Änderung weiterer Vorschriften

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Der Deutsche Bundestag begrüßt vorab, dass mit dem vorliegenden Gesetz-
entwurf der Bundesregierung die mit Änderung des Passgesetzes zum 1. No-
vember 2007 erfolgte Streichung des Ordens- und Künstlernamens im Melde-,
Pass- und Personalausweisrecht rückgängig gemacht werden soll. Damit löst
die Bundesregierung ihr nach Protesten von Betroffenen und auf Drängen der
Fraktion der FDP gegebenes Versprechen aus ihrer Antwort vom 24. Juni

2008 auf Bundestagsdrucksache 16/9725 auf die Kleine Anfrage der Abge-
ordneten Mechthild Dyckmans, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP „Abschaffung der Eintragung, Erhebung und Speicherung des Künstler-
und Ordensnamens im Melde-, Pass- und Personalausweisrecht“ vom 4. Juni
2008 auf Bundestagsdrucksache 16/9505 ein. Dort hatte die Bundesregierung
ein nachvollziehbares Interesse an der Eintragung, Erhebung und Speiche-
rung von Ordens- und Künstlernamen erstmals ausdrücklich anerkannt. So

Drucksache 16/11421 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

hätten kirchliche Interessenvertreter darauf hingewiesen, dass Verträge unter
Verwendung von Ordensnamen geschlossen würden und in Testamenten der
Ordensname aufgeführt werde. Bankangelegenheiten wie Kontoeröffnungen
würden unter Verwendung des Ordensnamens erfolgen, Zeugnisse und Di-
plome auf den Ordensnamen ausgestellt. Ordensangehörige seien bei Kran-
kenkassen und Versicherungen oft nur unter ihrem Ordensnamen versichert.
Kirchliche Interessenvertreter und Künstlerverbände hätten übereinstimmend
darauf hingewiesen, dass der Ordens- oder Künstlername oft auf Flugtickets
eingetragen werde und daher ein legitimer Nachweis über das Tragen eines
anderen Namens zu führen sei. Von den Künstlern sei außerdem angeführt
werden, dass viele Verträge nur unter Verwendung des Künstlernamens ge-
schlossen werden würden. Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass die Eintra-
gung eines Ordens- bzw. Künstlernamens einer langjährigen Tradition in
Deutschland entspricht, die Ausdruck der Achtung der Identität des Namens-
trägers ist. Hinter diesen Aspekt haben die vom Bundesrat in seiner Stellung-
nahme vom 19. September 2008 gegen die Wiedereinführung der Eintra-
gungsfähigkeit von Ordens- und Künstlernamen geltend gemachten bürokra-
tischen Bedenken zurückzustehen.

2. Der vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über Personalausweise und den elek-
tronischen Identitätsnachweis besteht aus drei Teilen: Neben dem hoheit-
lichen Identitätsdokument wird es einen elektronischen Identitätsnachweis
für die digitale Kommunikation und einen vorbereiteten Bereich für die Spei-
cherung einer digitalen Signatur, also einer rechtsverbindlichen Unterschrift,
geben. Der elektronische Identitätsnachweis und die digitale Signatur sind da-
bei freiwilligen Ergänzungen, die der Ausweisinhaber aktivieren oder deakti-
vieren kann. Die Angaben auf dem hoheitlichen Identitätsdokument und die
Speicherung eines biometrischen Fotos sind dagegen verpflichtend. Freiwil-
lig ist nur die zusätzliche Speicherung von Fingerabdrücken, die auf Antrag
des Ausweisinhabers erfolgen kann.

3. Der Deutsche Bundestag lehnt die Einführung des elektronischen Personal-
ausweises ab. Die Erfassung und Speicherung von biometrischen Daten ist
zur elektronischen Identifizierung nicht notwendig und birgt mehr Nachteile
als Vorteile. Auch die freiwillige Speicherung von Fingerabdrücken ist nicht
erforderlich. Der deutsche Personalausweis gehört zu den fälschungssichers-
ten Dokumenten der Welt. Die technischen Sicherheitsmerkmale in dem jetzi-
gen Ausweispapier sind im internationalen Vergleich auf einem sehr hohen
Niveau und insgesamt sehr ausgereift, so dass Fälschungen von Originalen
zum ganz überwiegenden Teil leicht erkannt werden können. Vom Original
nur schwer zu unterscheidende Fälschungen sind die seltene Ausnahme.

4. Es wäre sinnvoller gewesen, die Erfahrungen aus dem biometrischen Pass
– wie z. B. das Kosten-Nutzen-Verhältnis der biometrischen Daten für den
Bürger und die Schwierigkeiten und Probleme bei der Ausgabe der Pässe mit
Fingerabdrücken seit November 2007 – erst einmal in Ruhe auszuwerten,
anstatt ein weiteres Großprojekt mit biometrischen Daten zu starten. Die frei-
willige Speicherung von Fingerabdrücken birgt darüber hinaus die Gefahr,
dass hier die Grundlage für eine umfassende Erfassung biometrischer Daten
der Bevölkerung geschaffen wird. Fingerabdrücke werden bisher nur im
Rahmen von Ermittlungen bei Straftaten erfasst. Der Staat sollte nur Daten
von den Bürgerinnen und Bürgern verlangen, die notwendig sind. Bestehen
solche Gründe nicht, muss auf eine Datenerhebung, -speicherung oder -nut-
zung – auch einer freiwilligen – verzichtet werden. An dieser Bewertung
ändert auch das neu eingefügte Benachteiligungsverbot, das die Freiwilligkeit
der Entscheidung der antragstellenden Person über die Aufnahme von Finger-
abdrücken in den Personalausweis sicherstellen soll, nichts.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11421

5. Die Möglichkeit der freiwilligen Speicherung von Fingerabdrücken im elek-
tronischen Personalausweis schafft zusätzliche Gefahren. Die Datenerhebung
und Datenübertragung von biometrischen Informationen mit der vorhande-
nen Infrastruktur sind nicht ausreichend entwickelt, um vor unautorisierter
Entschlüsselung zu schützen. Die Entschlüsselung der Daten auf Reisepäs-
sen, bei denen der Chip mit denselben Sicherheitssystem „Basic Access Con-
trol“ geschützt werden, wie das bei den elektronischen Personalausweisen ge-
schehen soll, ist mehrfach von verschiedenen Experten vorgenommen wor-
den, letztmalig durch den Computerexperte Jeroen van Beek von der Univer-
sität Amsterdam im August 2008. Innerhalb einer Stunde wurde auf dem Pass
eines Jungen der manipulierte RFID-Chip mit dem Foto eines palästinensi-
schen Selbstmordattentäters aufgebracht. Der Pass wurde von einem Lesege-
rät akzeptiert, das mit der Software arbeitet, die von der Zivilluftfahrt-Organi-
sation als Standard empfohlen wird. Für die Fälschung wurden lediglich ein
öffentlich verfügbares Programm, ein Card-Reader und günstige RFID-Chips
benötigt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass elektronische Schutzvorrich-
tungen immer nur einen begrenzten, deutlich unter der vorgesehenen Nut-
zungszeit des Personalausweises von zehn Jahren liegenden Zeitraum zuver-
lässigen Schutz vor Datendiebstahl gewährleisten. Mangels Möglichkeiten zu
Sicherheits-Updates ist zu befürchten, dass die Ausweise hinsichtlich An-
griffe auf ihren Datenbestand sehr bald auch gegenüber Laien nicht mehr aus-
reichend geschützt sein werden.

6. Auch die Kosten sind für den Bürger völlig unklar. Nicht nur, dass der eigent-
liche Ausweis teurer wird. Es werden auch zusätzliche Kartenlesegeräte und
damit Kosten notwendig sein, um den elektronischen Identitätsnachweis
überhaupt nutzen zu können. Nach Pressemeldungen soll außerdem für die
Zulassung der ID-Verifikationsdienste an Firmen eine neue Bundesbehörde
geschaffen werden. Im Gesetzesentwurf steht dazu lediglich, dass das Bun-
desministerium des Innern bestimmen wird, wer diese Aufgabe übernehmen
wird (§ 4 Abs. 3 PAG-E). Ausführungen im Gesetzgebungsverfahren sind sei-
tens der Bundesregierung hierzu nicht gemacht worden.

7. Die Einführung eines elektronischen Identitätsnachweises ist nicht notwen-
dig. Durch das Signaturgesetz werden bereits die Verwendung einer elektroni-
schen Signatur und damit die sichere Identifizierung ermöglicht. Das Signa-
turgesetz regelt dabei verschiedene Arten der elektronischen Signatur. Bei-
spielsweise wird die qualifizierte elektronische Signatur geregelt, die die ge-
setzliche Schriftform ersetzen kann (§ 126a BGB), und elektronische
Dokumente als Privaturkunden im Sinne der Zivilprozessordnung qualifi-
ziert, oder auch die fortgeschrittene elektronische Signatur nach § 2 Nr. 2
SigG. Eine weitere Signatur „light“ als Standard-Identitätsnachweis für das
Internet ist daher nicht nötig. Im Online-Banking kommen bereits seit Jahren
etablierte kreditwirtschaftliche Verfahren zum Einsatz, so dass von der Bun-
desregierung angepriesene Einsparseffekte in diesem Bereich nicht zu erwar-
ten sind.

8. Der Deutsche Bundestag bedauert, dass der Gesetzentwurf der Bundesregie-
rung keine Korrektur des Passgesetzes vorsieht, wie sie die Fraktion der FDP
wiederholt gefordert hat, um Transsexuellen, die keine Veränderung ihrer
äußeren Geschlechtsmerkmale haben durchführen lassen (so genannte kleine
Lösung), die Möglichkeit zu geben, im Pass das Geschlecht eintragen zu
lassen, das ihrer empfundenen Geschlechtszugehörigkeit entspricht, damit
ihnen Diskriminierungen, insbesondere bei Auslandsreisen, zukünftig erspart
bleiben. Wegen der Einzelheiten und Hintergründe verweist der Deutsche
Bundestag zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung des Passgesetzes der Fraktion der FDP auf Bundes-

tagsdrucksache 16/2016 vom 28. Juni 2006.

Drucksache 16/11421 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. den vorliegenden Gesetzentwurf zurückzuziehen;

2. unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 31. Januar 2009, einen neuen Gesetz-
entwurf zur Eintragungsfähigkeit von Künstler- und Ordensnamen in der
Fassung des ursprünglichen Regierungsentwurfs auf Bundestagsdrucksache
16/10489 vorzulegen, damit diese Regelung auch bei Rücknahme des verfah-
rensgegenständlichen Gesetzentwurfs ohne größeren Zeitverlust in Kraft
treten kann;

3. von dem Vorhaben, den Personalausweis um biometrische Merkmale zu
ergänzen, Abstand zu nehmen;

4. unter Beachtung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. De-
zember 2005 (I BvL 3/03) sowie des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Passgesetzes der Fraktion der FDP vom 28. Juni 2006 auf Bundestags-
drucksache 16/2016 unverzüglich Vorschläge für eine Reform des Trans-
sexuellenrechts zu unterbreiten.

Berlin, den 16. Dezember 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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