BT-Drucksache 16/11236

Faires Nachversicherungsangebot zur Vereinheitlichung des Rentenrechts in Ost und West

Vom 3. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11236
16. Wahlperiode 03. 12. 2008

Antrag
der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Jan Mücke, Jens Ackermann, Dr. Karl
Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Horst Friedrich
(Bayreuth), Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Gudrun
Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn),
Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen,
Dirk Niebel, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Dr. Konrad Schily, Marina
Schuster, Dr. Rainer Stinner, Florian Toncar, Dr. Daniel Volk, Christoph Waitz,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Faires Nachversicherungsangebot zur Vereinheitlichung des Rentenrechts
in Ost und West

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit der Rentenüberleitung wurden nach DDR-Recht bestehende Rentenanwart-
schaften in das Sechste Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) überführt, soweit sie
damit kompatibel waren, d. h. insbesondere auf dem Grundsatz der Beitrags-
äquivalenz beruhten. Vereinfacht kategorisiert sind drei Gruppen von Ver-
sicherten, die im Folgenden aufgezählt werden, durch die Vorgehensweise der
Rentenüberleitung im Verhältnis zu anderen Versicherten mit DDR-Arbeits-
biographie nachteilig betroffen: Erstens solche Versicherte, die aus unterschied-
lichen rechtliche, politischen oder sonstigen Gründen zu DDR-Zeiten keine
Rentenversicherungsbeiträge zu bestimmten Altersvorsorgesystemen leisteten;
zweitens solche Versicherte, die zu DDR-Zeiten über Rentenansprüche verfüg-
ten, die aber nicht mit dem SGB VI kompatibel waren und daher nicht überführt
wurden. Drittens Versicherte, deren Anwartschaften im Zuge der Überleitung in
das SGB VI und nicht in andere Versorgungssysteme übergeleitet wurden.

Gemeinsamer Kritikpunkt der betroffenen Versicherten ist, dass sich bei ihnen
die Besonderheiten des DDR-Rentenrechts bei der Rentenüberleitung nach-

teilig auswirken. Eine Lösung des Problems kann auch nicht darin bestehen,
einfach allen Forderungen in vollem Umfang nachzugeben, denn dies würde
entweder zu ungerechtfertigten Besserstellungen gegenüber Versicherten in den
alten Ländern führen oder zu Besserstellungen gegenüber anderen Versicherten
in den neuen Ländern – nämlich dann, wenn diese ihre Rentenansprüche durch
Beiträge erwarben, nun aber alle Versicherten, auch ohne geleistete Beitrags-
zahlungen, gleiche Renten erhielten.

Drucksache 16/11236 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Eine gerechte Lösung für alle Versicherten in Ost und West kann sich daher nur
auf dem Boden der Beitragsäquivalenz über eine Nachversicherungslösung
bzw. eine nachträgliche freiwillige Versicherung ergeben. Den Betroffenen soll
nun im Wege einer Nachversicherungslösung bzw. durch nachträgliche Ent-
richtung freiwilliger Beiträge die Chance gegeben werden, ihre nicht in das
SGB VI übertragenen oder aus anderen Gründen ausgeschlossenen Renten-
ansprüche geltend zu machen. Nachfolgend werden die bis heute bekannten
Gruppen, die sich durch die Rentenüberleitung benachteiligt sehen, beispielhaft
aufgezählt. Der Weg zur Beseitigung der je Berufsgruppe dargestellten Ein-
bußen bei der Altersversorgung muss dabei jeweils im Einzelfall unterschied-
lich ausgestaltet werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

folgende Regelungen zu treffen:

1. Rentenrechtliche Anerkennung von Arbeitszeiten von Land- und Forst-
wirten, Handwerkern und anderen Selbständigen sowie mithelfenden Fami-
lienangehörigen in der DDR: Diese Personen waren bis 1970 nach DDR-
Recht nicht sozialversichert. Daher wurden ihnen – abgesehen von einer
Übergangsfrist bis Ende 1996 – keine Ansprüche im SGB VI im Rahmen
der Rentenüberleitung gutgeschrieben. Ihnen soll die Möglichkeit zur frei-
willigen nachträglichen Entrichtung von Beiträgen in der Rentenversiche-
rung gegeben werden.

2. Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen der DDR (mittleres medizi-
nisches Personal): Bei der Rentenberechnung dieser Versicherten wurde ein
besonderer Steigerungssatz nach DDR-Rentenrecht berücksichtigt, für den
aber keine Beiträge entrichtet wurden. Daher wurde dieser besondere Steige-
rungssatz nicht in das SGB VI übernommen, das auf dem Grundsatz der Bei-
tragsbezogenheit beruht. Die Betroffenen sollen die Möglichkeit erhalten,
bis zur Höhe des Steigerungssatzes durch freiwillige nachträgliche Ent-
richtung von Rentenversicherungsbeiträgen höhere Rentenansprüche zu er-
werben.

3. Übersiedler vor 1990: Personen, die aus der DDR in die Bundesrepublik aus-
reisen wollten und daher einen Ausreiseantrag gestellt hatten, durften keine
Rentenzahlung in der DDR erwarten. Einige zahlten aus diesem Grund und
weil sie nicht das marode Wirtschafts- und Sozialsystem der DDR stützen
wollten, nicht in die Freiwillige Zusatzrentenversicherung (FZR) ein. Seit
1996 wird für diesen Personenkreis aber nicht mehr das Fremdrentengesetz
angewandt, wodurch fehlende Einzahlungen in die FZR, die bis dahin uner-
heblich geblieben waren, nun rentenmindernde Auswirkungen haben. Die
Betroffenen beziehen in der Folge heute eine geringere Rente als solche Ver-
sicherte, die in die FZR eingezahlt haben. Dieses Ergebnis ist nicht wün-
schenswert, da den Betroffenen durch die Rechtsumstellung ihre Rentenan-
wartschaften mit rückwirkender Gesetzgebung verringert wurden. Sie sollen
daher die Möglichkeit zur Nachzahlung ihrer FZR-Beiträge erhalten. Würde
man generell zum Fremdrentenrecht zurückkehren, würde dies viele Über-
siedler schlechterstellen, die von einer tatsächlichen Berücksichtigung ihrer
DDR-Erwerbsbiographien profitieren.

4. Versicherte mit Pflegezeiten in der DDR: Nach 1996 wurden Pflegezeiten,
die im DDR-Rentenrecht über die Anzahl der Beitragsjahre berücksichtigt
wurden, nicht mehr im SGB VI anerkannt, da sie nicht auf Beitragsleistungen
beruhten und Pflegezeiten im SGB VI erst nach 1994 eingeführt wurden.
Dadurch entstehen Personen, die Pflegeleistungen erbrachten, Versorgungs-
lücken. Die betroffenen Personen sollen eine Möglichkeit zur nachträglichen

freiwilligen Entrichtung ihrer Beiträge erhalten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11236

5. Freiwillige Beiträge zur Sozialversicherung zu DDR-Zeiten wurden, wenn
ihr Umfang gering war und nicht den freiwilligen Mindestbeitrag nach dem
SGB VI erreichte, im Zuge der Rentenüberleitung nicht in das SGB VI über-
nommen. Hier soll die Möglichkeit zur Aufstockung der bereits entrichteten
Beiträge in Form freiwilliger nachträglicher Beiträge gegeben werden, so
dass sie die notwendige Mindesthöhe für einen Rentenanspruch nach dem
SGB VI erreichen.

6. Ehemalige Mitglieder des DDR-Staatsballetts: Nach Ausscheiden aus dem
Beruf durften sie eine berufsbezogene Zuwendung bzw. anderweitige Be-
schäftigungsmöglichkeiten erwarten. Diese Regelung wurde nicht in das
bundesdeutsche Recht überführt, da es vergleichbare Vorschriften in der
Bundesrepublik Deutschland nicht gab. Stattdessen wurden die Versor-
gungsansprüche der Mitglieder des Staatsballetts in das SGB VI überführt,
so dass sie Ansprüche auf Alters- und Erwerbsunfähigkeitsrente haben. In
der Bundesrepublik Deutschland hatten und haben Tanzgruppenmitglieder
als Versicherte der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen zudem die
Möglichkeit, sich ihre Altersversorgungsansprüche bei der Versorgungsan-
stalt der deutschen Bühnen durch eine Abfindung bis zum 40. Lebensjahr
auszahlen zu lassen. Die Mitglieder des ehemaligen Staatsballetts der DDR
sollen daher die Möglichkeit erhalten, entsprechend der Höhe der Versor-
gungsanwartschaften von Tänzern in den alten Ländern eine Rentenanwart-
schaft durch nachträgliche freiwillige Beiträge aufzubauen und sich ihre An-
sprüche, die sie bis zum 40. Lebensjahr erworben haben, auszahlen lassen zu
können.

7. Beschäftigte in der Braunkohleveredelung (Carbo-Chemie): Die Arbeiter
der Carbo-Chemie wurden aufgrund ihrer Arbeit mit gesundheitsgefährden-
den Stoffen bei der Altersabsicherung mit zusätzlicher Altersversorgung be-
dacht, unter Hinweis auf die Gleichstellung ihrer Tätigkeit mit bergmänni-
scher Arbeit unter Tage. Die mit dieser Gleichstellung verbundenen Vorteile,
unter anderem eine Rente für Männer ab dem vollendeten 60. Lebensjahr
und für Frauen ab dem vollendeten 55. Lebensjahr sowie erhöhte Berech-
nungsfaktoren bei der Rente, wurden ihnen aber mit der Rentenüberleitung
nur befristet gewährt. Im SGB VI gibt es aber diese den Mitarbeitern der
Carbo-Chemie gewährten Vorteile, beispielsweise eine solche Frühverren-
tung, für Arbeiter über Tage nicht. Die Rechtsprechung hat die von den Be-
schäftigten der Carbo-Chemie vorgebrachten Argumente des Vertrauens-
schutzes nach den Bestimmungen der Europäischen Gemeinschaft für die
Branche Kohle und Stahl nicht gestützt. Den Arbeitern der Carbo-Chemie
soll die Möglichkeit gegeben werden, durch nachträgliche freiwillige Bei-
tragszahlung in die Rentenversicherung den Verlust an Rentenansprüchen
auszugleichen, der ihnen durch Nichtanerkennung ihrer Gleichstellung als
„bergmännische Tätigkeit unter Tage“ entstanden ist.

8. Technische Intelligenz: Viele Mitglieder der technischen Intelligenz, die
grundsätzlich zu einer Teilnahme an einer Zusatzversorgung berechtigt
waren, erhielten auch die dafür notwendige Versorgungszusage, andere aber
nicht. Für Letztere hat das Bundessozialgericht die Lösung entwickelt, dass
sie trotz fehlender Versorgungszusage zu DDR-Zeiten doch eine Zusatzver-
sorgung erhalten, wenn sie zum Stichtag, dem 30. Juni 1990, ein Beschäfti-
gungsverhältnis in einem volkseigenen Betrieb innehatten. Diese Stichtags-
regelung führt dazu, dass diejenigen, deren Betrieb vor dem Stichtag ge-
schlossen wurde, keine Ansprüche aus der Zusatzversorgung haben. Die von
der Stichtagsregelung negativ Betroffenen sollen die Möglichkeit erhalten,
durch Zahlung nachträglicher freiwilliger Beiträge einen Anspruch in der
Höhe der jeweils einschlägigen Zusatzversorgung zu erhalten.

Drucksache 16/11236 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

9. Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, die nach 1990 ihre Tätigkeit fort-
gesetzt haben (darunter auch Beschäftigte bei Bundeswehr, Zoll und
Polizei): Einige dieser Personen, die um das Jahr 2000 in Ruhestand gingen,
erhielten nur eine geringe oder keine Beamtenversorgung oder keine An-
sprüche aus der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, weil sie die
dafür notwendige Wartezeit von fünf Jahren nicht aufwiesen. Grund dafür
war beispielsweise die erst 1997 erfolgte Gründung der zuständigen Ver-
sorgungsanstalt. Die geringen Pensionszahlungen ergaben sich aus den kur-
zen Zeiten der Beschäftigung nach der Wiedervereinigung. Den Betroffenen
soll durch die Entrichtung von Nachversicherungsbeiträgen die Möglichkeit
gegeben werden, Lücken zu schließen, die beispielsweise dadurch entstanden
sind, dass Versorgungsanstalten zu spät gegründet wurden.

10. Professoren neuen Rechts sowie andere Beschäftigte in wissenschaftlichen
Einrichtungen in den neuen Ländern: Bei dieser Personengruppe wirkt sich
für die Zeit ab 1990 die verspätete Verbeamtung und die teilweise ver-
zögerte Aufnahme in die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder
erst ab 1997 negativ aus. Die Betroffenen sollen die Möglichkeit erhalten,
die durch diese Umstände entstandenen Einschnitte in ihrer Altersver-
sorgung durch Entrichtung nachträglicher freiwilliger Beiträge zur gesetz-
lichen Rentenversicherung zu beseitigen.

11. Die zu DDR-Zeiten Geschiedenen: Diese Personengruppe, und dabei ins-
besondere Frauen, ist seit der Wiedervereinigung dadurch gegenüber
Geschiedenen in den alten Bundesländern schlechtergestellt, da es nach
DDR-Recht keinen Versorgungsausgleich gab. Frauen übten aber in der
DDR meist schlechter bezahlte Tätigkeiten als ihre Ehemänner aus. Die in
der DDR Geschiedenen sollen daher die einmalige und außerhalb der
Gesetzessystematik stehende Möglichkeit erhalten, durch die nachträgliche
Entrichtung von freiwilligen Beiträgen über ihre Beiträge zu DDR-Zeiten
hinaus, ihren heutigen Rentenanspruch zu erhöhen.

12. Angehörige der Deutschen Reichsbahn: Die ehemaligen Mitarbeiter der
Deutschen Reichsbahn beklagen, dass die Altersversorgung der Deutschen
Reichsbahn nicht gesondert, sondern in das SGB VI überführt wurde, im
Zusammenhang mit der Sozialversicherungsrente. Die Rechtsprechung hat
diesen gewählten Weg als rechtmäßig bestätigt. Soweit den Betroffenen
daraus Nachteile entstanden sind, sollen sie die Möglichkeit zur nachträg-
lichen freiwilligen Beitragsleistung erhalten.

13. Rentenrechtliche Anerkennung von zweiten und verlängerten Bildungs-
wegen sowie Aspiranturen: Für Versicherte, die diesen zweiten oder ver-
einbart verlängerten Bildungsweg durchlaufen haben, wurden in der DDR
mit einer Regelung vom 28. Juni 1990 Rentenansprüche gutgeschrieben.
Beiträge galten zu DDR-Zeiten beispielsweise als fiktiv von dem Stipen-
dium entrichtet, das während der verlängerten Bildungswege an die Betrof-
fenen gezahlt wurde, beispielsweise an Leistungssportler, die nach ihrer
Wettbewerbstätigkeit eine weitere Ausbildung belegten. Den Betroffenen
soll die Möglichkeit gegeben werden, nachträgliche freiwillige Beiträge für
ihre Zeit im zweiten Bildungsweg für höhere Versicherungsleistungen zu
entrichten.

14. Freiberufliche bildende Künstler und Industriedesigner sind zu DDR-
Zeiten gegenüber darstellenden Künstlern dadurch benachteiligt worden,
dass Letztere von der Versorgungsordnung der Intelligenz erfasst wurden,
die bildenden Künstler und Industriedesigner aber nicht. Diese Ungleich-
behandlung, die im Zuge der Wiedervereinigung von der letzten DDR-

Regierung beseitigt werden sollte, wurde nicht mehr in der Rentenüber-
leitung berücksichtigt. Die Betroffenen sollen die Möglichkeit erhalten,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/11236

durch freiwillige nachträgliche Entrichtung von Beiträgen ihre Renten-
ansprüche bis zur Höhe von Rentenansprüchen zu steigern, die darstellende
Künstler über die Zusatzversorgung der Intelligenz erhalten.

Berlin, den 3. Dezember 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

Begründung

I. Die Versicherten, deren Rentenansprüche aus DDR-Zeiten von der Renten-
überleitung nachteilig betroffen sind, lassen sich wie folgt ungefähr katego-
risieren:

1. Die erste Gruppe sind Versicherte, die bereits nach DDR-Recht und damit
auch nach der Rentenüberleitung über keine Rentenansprüche verfügen.
Dazu gehören Versicherte, die zu DDR-Zeiten aus diversen rechtlichen,
politischen oder systematischen Gründen nicht in die Altersvorsorgesysteme
einzahlten oder von bestimmten Rentenleistungen ausgeschlossen waren.
Solche Betroffene sind beispielsweise die zu DDR-Zeiten geschiedenen
Frauen ohne Versorgungsausgleich, die Mitglieder der technischen Intelli-
genz ohne Zusatzversorgungszusage, obwohl sie nach der Systematik des
DDR-Rentenrechts eine solche hätten erhalten müssen und die Übersiedler
vor 1990 ohne Einzahlung in die freiwillige Zusatzversorgung, weil sie sich
auf Rentenzahlungen nach dem Fremdrentengesetz in der Bundesrepublik
Deutschland verließen und in der DDR ohnehin keine Rente mehr erwarteten.

2. Die zweite Gruppe sind Versicherte, deren Versorgungsansprüche nach
DDR-Recht durch die Rentenüberleitung entfielen, weil sie nicht mit dem
SGB VI kompatibel waren, beispielsweise weil für sie zu DDR-Zeiten keine
Beiträge gezahlt wurden, oder weil es diese Ansprüche nach dem SGB VI
einfach nicht gibt. Zum Beispiel beruhten Rentenansprüche nach DDR-
Recht stärker als im SGB VI auch auf der Anzahl der Versicherungsjahre
und es gab diverse Sonderrentenansprüche. Solche Betroffene sind die Mit-
arbeiter des mittleren medizinischen Personals, bei deren Renten ein beson-
derer Steigerungssatz bei der Rentenberechnung angewandt wurde, dem
keine entsprechenden Beiträge entgegenstanden. Dies gilt ebenso für die
Mitarbeiter der Carbo-Chemie, die nach DDR-Rentenrecht eine abschlags-
freie Rente ab Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch nehmen durf-
ten. Diese Ansprüche wurden aus unterschiedlichen systematischen Gründen
nicht in das SGB VI übernommen, insbesondere weil es für ungerecht gehal-
ten wurde, wenn Versicherte mit Erwerbsbiographien in den neuen Ländern
erstens sowohl von den Systemvorteilen des SGB VI – Lohnhochwertung
und damit hohes Zahlungs- und Rentenniveau, sowie jährliche Rentenanpas-
sungen, die es in der DDR nicht gab – als auch zweitens von den Systemvor-
teilen des DDR-Rentenrechts profitieren würden. Denn die Versicherten mit
Erwerbsbiographien in den alten Ländern konnten auch nicht von den Vor-
teilen beider Systeme profitieren.

3. Die dritte von der Rentenüberleitung nachteilig betroffene Gruppe ist die-
jenige, deren Rentenanwartschaften bei der Rentenüberführung nicht genau
dem Äquivalent nach bestehendem bundesdeutschem Recht zugeordnet
wurden. Dies war beispielsweise der Fall bei der Altersversorgung von

DDR-Professoren, die nach 1990 weiterarbeiteten und nach 1996 in Rente

Drucksache 16/11236 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

nach dem SGB VI statt in Pension gingen, wie auch für die Mitglieder des
DDR-Staatsballets, die nach DDR-Recht nach ihrem Ausscheiden eine vor-
gezogene Rente erwarten durften, im SGB VI aber nur über einen Anspruch
auf Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrente verfügen. Sie beklagen, dass ihre
Versorgung ab dem 40. Lebensjahr nicht in die Versorgungsanstalt deut-
scher Bühnen übertragen wurde. Zu dieser recht heterogenen Gruppe gehö-
ren auch die Versorgungsanwartschaften der ehemals bei der Deutschen
Reichsbahn Beschäftigten, die ihre zusätzlichen Altersversorgungsanwart-
schaften im SGB VI nicht ausreichend berücksichtigt sehen.

II. Ein möglichst widerspruchsfreier Lösungsansatz kann wie folgt beschrieben
werden:

Gemeinsamer Kritikpunkt der betroffenen Versicherten ist, dass sich bei ihnen
die Besonderheiten des DDR-Rentenrechts bei der Rentenüberleitung nach-
teilig auswirken. Sie fordern aber keinen gangbaren, einheitlichen Weg zur
Behebung des Problems, sondern fordern vielmehr einerseits, dass das DDR-
Recht heute keine Wirkung mehr haben möge (erste dargestellte Gruppe) bzw.
voll anerkannt werden solle (zweite dargestellte Gruppe). Eine Lösung des Pro-
blems kann auch nicht darin bestehen, einfach allen Ansprüchen in vollem Um-
fang nachzugeben, denn wie dargestellt würde das entweder zu ungerechtfertig-
ten Besserstellungen gegenüber Versicherten in den alten Ländern führen oder
zu Besserstellungen gegenüber anderen Versicherten in den neuen Ländern –
nämlich dann, wenn diese ihre Rentenansprüche durch Beiträge erwarben, nun
aber alle Versicherten, auch ohne geleistete Beitragszahlungen, gleiche Renten
erhielten. Eine gerechte Lösung für alle Versicherten in Ost und West kann sich
daher nur auf dem Boden der Beitragsäquivalenz über eine Nachversicherungs-
lösung bzw. eine nachträgliche freiwillige Versicherung ergeben. Die weiteren
Modalitäten der Nachversicherung sind dabei für jede Gruppe einzeln festzulegen.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.