BT-Drucksache 16/11161

Interessenkonflikte des Vorsitzenden des Sachverständigenrates und des Sozialbeirats der Bundesregierung Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Adalbert Rürup durch seinen Wechsel zu einem privaten Finanzdienstleister

Vom 28. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11161
16. Wahlperiode 28. 11. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, Katja Kipping, Katrin Kunert,
Kornelia Möller, Elke Reinke, Volker Schneider (Saarbrücken), Frank Spieth,
Dr. Axel Troost und der Fraktion DIE LINKE.

Interessenkonflikte des Vorsitzenden des Sachverständigenrates und des
Sozialbeirats der Bundesregierung Prof. Dr. Dr. h. c. Hans-Adalbert Rürup durch
seinen Wechsel zu einem privaten Finanzdienstleister

„Warum tut Bert Rürup sich das an?“, fragt die „Frankfurter Rundschau“ in ihrer
Ausgabe vom 20. November 2008. „Wer in der Politik lässt sich von einem
Experten beraten, der sein Geld bei einem Versicherungsverkäufer verdient?
Welcher Reporter wird einen solchen Verkäufer als unabhängigen Experten
zitieren?“, sorgt sich die „Süddeutsche Zeitung“ vom 22. November 2008 über
Rürups Reputation.

Bereits 2005 sprach der Professor für Finanz- und Wirtschaftspolitik an der
Technischen Universität Darmstadt „mehr als ein Dutzend mal über das Alters-
vorsorgegesetz auf Kundenveranstaltungen des AWD-Konkurrenten MLP“
(Handelsblatt vom 20. November 2008).

Am Mittwoch, dem 19. November 2008 wurde bekannt, dass der Vorsitzende
des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent-
wicklung, Prof. Dr. Dr. h. c. Hans-Adalbert Rürup, der ebenfalls Vorsitzender
des Sozialbeirats der Bundesregierung ist, zum 1. April 2009 als ökonomischer
Chefberater zum Finanzdienstleister AWD wechselt. Dort wird er den Markt-
führer in Europa in allen Fragen der ökonomischen Analyse der Altersvorsorge,
Demografie und Produktinnovation beraten. In seiner neuen Funktion wird
Hans-Adalbert Rürup verantwortlich sein für den Gesamtbereich „Ökonomi-
sche Analysen“ sowie – als Sonderberater – für die Erschließung neuer Märkte
für betriebliche und private Altersvorsorgeprodukte. „Hierbei wird der Schwer-
punkt zunächst auf den Märkten Russland und China liegen.“ (AWD-Pressemit-
teilung vom 20. November 2008). Wie die „Frankfurter Allgemeine“ in ihrer
Ausgabe vom 21. November 2008 berichtet, kennen sich SPD-Mitglied Rürup
und der AWD Gründer und Co-Vorstandsvorsitzende Carsten Maschmeyer
bereits seit einigen Jahren. Maschmeyer habe sich nach eigener Aussage schon
früher „so manchen Tipp aufgeschrieben“.

Die AWD Holding AG ist u. a. Anbieter eben jener maßgeblich von Professor

Rürup im Rahmen der Einführung der staatlich geförderten privaten Alters-
vorsorge in der Bundesrepublik Deutschland entwickelten Altersvorsorgepro-
dukte, etwa die so genannte „Riester-Rente“ bzw. die nach ihm benannte
„Rürup-Rente“. Professor Rürup wird nun also genau jene Produkte vertreiben,
die er selbst während seiner langjährigen Beratertätigkeit für wechselnde Bun-
desregierungen immer wieder empfohlen oder selbst entwickelt hat.

Drucksache 16/11161 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Als offizieller Berater der chinesischen Regierung beim Aufbau eines umfassen-
den Systems der Alterssicherung (Handelsblatt vom 20. November 2008), nutzt
er ferner Kontakte zu Regierungen in anderen Ländern, z. B. Kasachstan 1993
bis 1995 und Österreich 1995 bis 1997, dazu, durch Beratung dieser Regierun-
gen seinem zukünftigen Arbeitgeber weitere Märkte zu erschließen.

Zudem war er von 1992 bis 2002 Mitglied der Enquete-Kommission des Deut-
schen Bundestages „Demografischer Wandel“, 1996 bis 1998 Mitglied der
Kommission der Bundesregierung „Fortentwicklung der Rentenversicherung“,
1999 bis 2001 Mitglied im Expertenkreis des Bundesministers für Arbeit und
Sozialordnung zur Vorbereitung der Rentenreform 2001, seit 2000 fungiert er als
Vorsitzender des Sozialbeirats für die Rentenversicherung. Im Jahr 2000 folgte
er dem Ruf in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaft-
lichen Entwicklung „Rat der Wirtschaftsweisen“, dessen Vorsitz er im März
2005 übernommen hat. 2002 wurde Professor Rürup zudem Vorsitzender in der
Sachverständigenkommission zur Neuordnung der Besteuerung von Altersvor-
sorgeaufwendungen und Alterseinkommen sowie der Kommission für die
Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme („Rürup-
Kommission“).

Den Vorsitz und seine Mitgliedschaft des Sachverständigenbeirats will Profes-
sor Rürup erst nach Beendigung seiner Lehrtätigkeit an der TU Darmstadt am
28. Februar 2009 aufgeben, bevor er zum 1. April 2009 zur AWD Holding AG
wechselt. Erst Anfang Oktober hatte der Bundesminister für Arbeit und Sozia-
les, Olaf Scholz (SPD), Professor Rürup für weitere vier Jahre in den Sozialbei-
rat der Bundesregierung berufen. Anfang November ließ sich Professor Rürup
noch einmal zum Vorsitzenden wählen (vgl. DER SPIEGEL vom 24. November
2008).

Aufgabe des Sozialbeirats ist die Erstellung eines Gutachtens zum Rentenversi-
cherungsbericht (vgl. § 155 Absatz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch –
SGB VI). Damit sollen den gesetzgebenden Körperschaften Entscheidungshil-
fen für die zukünftige rentenrechtliche Gesetzgebung gegeben werden. Motiv
dieser Regelung ist darüber hinaus, die Aussagen des Rentenversicherungsbe-
richts durch ein unabhängiges Gremium zu objektivieren (vgl. Kasseler Kom-
mentar Sozialversicherungsrecht, 58. Ergänzungslieferung 2008). Das neue
Gutachten wird für Ende November erwartet. Der Sozialbeirat kann allgemein
zu Fragen der Rentenversicherung Stellung nehmen und der Bundesregierung
Vorschläge zur Reform der Rentenversicherung unterbreiten. Ein Beispiel hier-
für ist das Sondergutachten des Sozialbeirates zur Rentenreform vom
13. Februar 2001 (Bundestagsdrucksache 14/5394). Da der Sozialbeirat ferner
nicht verpflichtet ist, einheitliche gutachterliche Stellungnahmen zu verfassen,
kommt dem Vorsitzenden oder der Vorsitzenden des Sozialbeirates eine beson-
dere Vertrauensstellung zu. Da der Vorsitz, insbesondere in der Außenwirkung,
mit einer besonderen Verantwortung und Wahrnehmung verbunden ist, muss an
die Neutralität des Vorsitzenden bzw. der Vorsitzenden ein besonderer Anspruch
gestellt werden.

Professor Rürup hat deshalb selbst der Bundesregierung seinen sofortigen Rück-
tritt aus dem Sozialbeirat für die gesetzliche Rentenversicherung angeboten.
(vgl. DER SPIEGEL vom 24. November 2008). Eine Reaktion der Bundesregie-
rung blieb bisher aus. Auch die stellvertretende Vorsitzende des Sozialbeirats
Annelie Buntenbach kommt zu dem Ergebnis: „Ich rechne nicht damit, dass sich
Rürups Mitgliedschaft als unabhängiger Wissenschaftler mit seinem neuen Job
in der Privatwirtschaft verträgt“ (vgl. DER SPIEGEL vom 24. November 2008).

Ähnliches wie für den Sozialbeirat gilt auch für den Sachverständigenrat zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Laut § 1 Absatz 1

Satz 2 und 3 des Gesetzes über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Be-
gutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (WiSachvRG) „[…] dürfen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11161

(sie) ferner nicht Repräsentant eines Wirtschaftsverbandes oder einer Organisa-
tion der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer sein, oder zu diesen in einem ständigen
Dienst- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis stehen. Sie dürfen auch nicht wäh-
rend des letzten Jahres vor der Berufung zum Mitglied des Sachverständigenra-
tes eine derartige Stellung innegehabt haben“. Zudem ist er nach § 3 Absatz 1
„[…] nur an den durch dieses Gesetz begründeten Auftrag gebunden […] und in
seiner Tätigkeit unabhängig“. Diese Unabhängigkeit ist dann nicht gegeben,
wenn Mitglieder des Sachverständigenrates Analysen erstellen, auf deren Basis
sie Forderungen ableiten, die nicht dem Gemeinwohl dienen, sondern privat-
wirtschaftlichen Partikularinteressen.

Mit der zunehmenden Privatisierung der Altersvorsorge, wie beispielsweise
durch die so genannten Riester- und Rürup-Renten, ist die Gefahr der Einfluss-
nahme auf die Analysen und Empfehlungen der Mitglieder des Sachverständi-
genrates und des Sozialbeirats der Bundesregierung durch private Unternehmen,
die sich auf dem lukrativen Markt der staatlich geförderten Altersvorsorgepro-
dukte spezialisiert haben, wie etwa der AWD, gestiegen (vgl. Kleine Anfrage der
Fraktion DIE LINKE. „Riester-Rente-Sparer verlieren staatliche Zulagen durch
hohe Gebühren“; Bundestagsdrucksache 16/10501). So sollte nach Ansicht des
Sachverständigenrates in seinem Jahresgutachten 2008/09 etwa im Bereich der
Alterssicherung „unbedingt […] eine Ausweitung des Förderrahmens bei der
privaten und betrieblichen Ergänzungsvorsorge vorgenommen werden“
(S. 409). Die Rentenpolitik der letzten Jahre habe „gute Voraussetzungen für
einen flächendeckenden Ausbau der privaten und betrieblichen Altersvorsorge
geschaffen“ (S. 356). „Eine falsche Antwort (auf das Risiko der Altersarmut;
d. Verf.) wäre es, die in den letzten Jahren eingeleitete Politik in der Alterssiche-
rung zurückzudrehen und die Reformen in der Gesetzlichen Rentenversicherung
sowie den Ausbau der kapitalgedeckten Ergänzungssysteme in Frage zu stellen“
(S. 356).

Diese Forderungen und Reformvorschläge haben sich seit 2000 unter dem Vor-
sitz von Professor Rürup zweifelsohne intensiviert. Auch in seiner Funktion als
Vorsitzender der nach ihm benannten Rürup-Kommission, wurde eine erneute
Absenkung des Leistungsniveaus in der Gesetzlichen Rentenversicherung sowie
eine Ausweitung der privaten Altersvorsorge als Vorschlag empfohlen.

Weil Professor Rürup durch seinen Wechsel zu AWD ab April 2009 unmittelbar
von der Einführung der Anlageprodukte, die er im Regierungsauftrag selbst mit
entwickelt hat und die zudem von der Bundesregierung gefördert werden, pro-
fitiert, ergeben sich in diesem Zusammenhang zahlreiche Fragen. So ist von
öffentlichem Interesse, ob die notwendige Neutralität des Vorsitzenden des
Sozialbeirates und des Sachverständigenrates noch gegeben ist. Ferner ist offen,
inwiefern Professor Rürup auf die Forderungen des Sachverständigenrates und
des Sozialbeirates Einfluss hatte bzw. noch hat. Darüber hinaus muss beleuchtet
werden, ob mit Hilfe öffentlicher Steuergelder private Wirtschaftsinteressen be-
fördert und beworben werden; insbesondere wenn dies mit dem Anschein wis-
senschaftlicher Neutralität und Objektivität („Wirtschaftsweisen“) in Verbin-
dung gebracht wird. Vor allem stellt sich die Frage, wie die Bundesregierung
sicherstellen wird, dass die Weiterbeschäftigung von Professor Rürup als
Berater der Bundesregierung, als Vorsitzender des Sozialbeirates sowie des
Sachverständigenrates nicht dazu führt, dass die Interessen des zukünftigen
Arbeitgebers von Professor Rürup, des Finanzdienstleisters AWD, direkt oder
indirekt Einfluss haben auf die aus Steuermitteln finanzierte Arbeit des Sach-
verständigenrates, was eine inakzeptable Verquickung von privaten und öffent-
lichen Interessen wäre.

Drucksache 16/11161 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Allgemein

1. Seit wann (bitte Datum angeben) hat die Bundesregierung Kenntnis über
Gespräche bzw. Absprachen zwischen Professor Rürup und dem Finanz-
dienstleister AWD über einen eventuellen Wechsel Professor Rürups in die
private Finanzwirtschaft?

2. Seit wann (bitte Datum angeben) wusste die Bundesregierung von der end-
gültigen Entscheidung von Professor Rürup, zum Finanzdienstleister AWD
zu wechseln, und wie bzw. durch wen wurde sie informiert?

3. War der Bundesregierung vorab bekannt, dass Professor Rürup am
15. November 2008 – vier Tage vor offiziellem Bekanntwerden seines
Wechsels zu AWD – als „Wirtschaftsweiser“ auf dem „AWD-Erfolgskon-
gress“ vor 10 000 Gästen „Tipps […] für die Grundlage für den finanziellen
Erfolg, nämlich eine erfolgreiche Strategie in der Altersvorsorge“ (AWD-
Presseerklärung vom 17. November 2008) gab?

4. Wie hoch sind die Vergütungen sowie Aufwandsentschädigungen, die Pro-
fessor Rürup in seinen Ämtern und Beraterfunktionen für die Bundesregie-
rung bezogen hat (bitte nach seinen einzelnen Funktionen sowie jährlich
aufschlüsseln)?

5. In welchen Funktionen war Professor Rürup direkt oder indirekt an Vor-
arbeiten für die Reformen zur Gesetzlichen Rentenversicherung beteiligt
(bitte getrennt nach Funktionen und Reformen angeben und bitte die
wesentlichen Reformziele benennen)?

6. In welchen Funktionen war Professor Rürup an welchen Reformen der
Sozialen Sicherungssysteme insgesamt beteiligt (bitte getrennt nach Funk-
tionen und Reformen angeben und bitte die wesentlichen Reformziele
angeben)?

7. Wie hoch sind die Einnahmen, die Professor Rürup während seiner Tätig-
keit als Regierungsberater seit 2000 von den Finanzdienstleistern MLP und
AWD erhalten hat?

8. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der privaten Versicherungswirt-
schaft waren in welcher Form und in welchem Maße an der Vorbereitung
und Konzipierung der Rentenreformen seit 2000 im Rahmen offizieller und
inoffizieller Austauschprogramme in den dafür zuständigen Ministerien
direkt oder indirekt beteiligt?

9. Legt die zukünftige Aufgabe von Herrn Rürup – gleichzeitig die chinesi-
sche Regierung in Fragen der Altersvorsorge zu beraten und für einen pri-
vaten Finanzdienstleister für die Ausweitung des Geschäftes in China ver-
antwortlich zu sein – den Schluss nahe, dass dieser keinen Konflikt bei der
Verquickung von privaten und öffentlichen Interessen sieht, und welche
Schlüsse zieht die Bundesregierung daraus insbesondere für die objektive
Beratung durch die bisherige Arbeit von Professor Rürup als Sozialbeirats-
vorsitzender und als Berater der Bundesregierung bei den „Riester“- und
„Rürup“-Renten-Reformen (bitte erläutern)?

10. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus ihrem Kenntnis-
stand der Einflussnahme privater Wirtschaftsinteressen auf den öffentlichen
Gesetzgebungsprozess?

II. Sozialbeirat
11. Wie hoch ist das Budget für den Sozialbeirat der Bundesregierung, und wie
hat es sich seit dem Jahr 2000 entwickelt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/11161

12. Welche Aufwandsentschädigung erhielt bzw. erhält Professor Rürup für
seine Tätigkeit als Mitglied bzw. Vorsitzender des Sozialbeirats der Bundes-
regierung seit März bzw. September 2000 (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)?

13. Wann genau (bitte Datum angeben) hat der Bundesminister für Arbeit und
Soziales, Olaf Scholz, Kenntnis über Gespräche bzw. Absprachen zwischen
Professor Rürup und dem Finanzdienstleister AWD über einen eventuellen
Wechsel Professor Rürups in die private Finanzwirtschaft erhalten?

14. Seit wann (bitte Datum angeben) wusste der Bundesminister für Arbeit und
Soziales, Olaf Scholz, von der endgültigen Entscheidung Professor Rürups,
zum Finanzdienstleister AWD zu wechseln, und wie, bzw. durch wen wurde
er informiert?

15. Welche Entscheidungskriterien waren für den Bundesminister für Arbeit und
Soziales, Olaf Scholz, relevant, Professor Rürup erneut für weitere vier
Jahre in den Sozialbeirat zu berufen?

16. Ist Professor Rürup offiziell mit seinem Rücktrittsangebot als Vorsitzender
des Sozialbeirats (vgl. DER SPIEGEL vom 24. November 2008) an die
Bundesregierung herangetreten, und wenn ja, wann (bitte Datum angeben),
und auf welchem Weg geschah dies?

17. Falls Professor Rürup bisher nicht offiziell mit seinem Rücktrittsangebot als
Vorsitzender des Sozialbeirats (vgl. DER SPIEGEL vom 24. November
2008) an die Bundesregierung herangetreten ist, begrüßt und unterstützt die
Bundesregierung diesen Schritt?

Wenn ja, wann will die Bundesregierung dies der Öffentlichkeit mitteilen,
um die Reputation und das Ansehen von Professor Rürup durch seine neue
Tätigkeit für den Finanzdienstleister AWD Holding AG nicht zu gefährden
(vgl. Süddeutsche Zeitung vom 22. November 2008)?

Wenn nein, warum nicht?

18. Sieht die Bundesregierung ein Risiko für die Neutralität und Objektivität
der Arbeit des Sozialbeirates der Bundesregierung, wenn Professor Rürup
als Befürworter der Ausweitung der kapitalgedeckten und staatlich geför-
derten privaten Altersvorsorge nun zu einem Finanzdienstleister wechselt,
der mit der Vermarktung solcher Versicherungsprodukte Geschäfte macht
(bitte begründen)?

19. Wie kann die Bundesregierung ausschließen, dass die berufliche Neuorien-
tierung von Professor Rürup inhaltlich ihren Niederschlag im neuen Sozial-
beiratsgutachten zum Rentenversicherungsbericht finden wird?

20. Besteht nach Auffassung der Bundesregierung die Möglichkeit, dass Pro-
fessor Rürup meinungsbildenden Einfluss zum Wohle seines zukünftigen
Arbeitgebers auf die Inhalte der Gutachten des Sozialbeirates unter seiner
Federführung genommen haben könnte (bitte begründen), und was hat die
Bundesregierung bisher gegen eine solche Beeinflussung des Beirates
durch private Gewinninteressen unternommen, bzw. was plant sie diesbe-
züglich (bitte erläutern)?

21. Hält es die Bundesregierung in der Sache für logisch, dass die wissenschaft-
lichen Beiratsmitglieder von der Bundesregierung berufen werden, ange-
sichts der Tatsache, dass der Sozialbeirat den Rentenversicherungsbericht
der Bundesregierung begutachten soll vor dem Hintergrund, dass das
frühere Recht (vgl. §§ 1273, 1383 Absatz 3 der Rentenversicherungsver-
ordnung (RVO) bzw. §§ 50, 110 Absatz 3 des Angestelltenversicherungsge-
setzes (AVG) diese ausdrückliche Verpflichtung nicht kannte (bitte begrün-

den), und plant die Bundesregierung dieses Verfahren zukünftig zu ändern?

Drucksache 16/11161 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

III. Sachverständigenrat

22. Wie hoch ist das Budget für den Sachverständigenrat, und wie hat es sich
seit dem Jahr 2000 entwickelt?

23. Welche Aufwandsentschädigung erhielt bzw. erhält Herr Professor Rürup
für seine Tätigkeit als Mitglied bzw. Vorsitzender des Sachverständigenrats
seit dem März 2000 (bitte aufgeschlüsselt nach Jahr)?

24. Wann genau (bitte Datum angeben) hat der Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie, Michael Glos (CSU), Kenntnis über Gespräche bzw. Ab-
sprachen zwischen Professor Rürup und dem Finanzdienstleister AWD über
einen eventuellen Wechsel Professor Rürups in die private Finanzwirtschaft
gehabt?

25. Seit wann (bitte Datum angeben) wusste der Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie, Michael Glos (CSU), von der endgültigen Entscheidung
Professor Rürups, zum Finanzdienstleister AWD zu wechseln, und wie bzw.
durch wen wurde er informiert?

26. Sieht die Bundesregierung zur Wahrung der Unabhängigkeit des Sachver-
ständigenrates und zur persönlichen Integrität anderer Sachverständigen-
ratsmitglieder die Notwendigkeit, dass Herr Professor Rürup als Mitglied
und Vorsitzender bereits vor dem Februar 2009 aus dem Gremium ausschei-
det (bitte begründen)?

Wenn nein, warum nicht?

27. Steht die im Gesetz festgehaltene Forderung nach Unabhängigkeit der
Sachverständigen im Einklang mit den in § 1 Absatz 3 des WiSachvRG ge-
nannten Ausschlusskriterien, wenn Professor Rürup als Vorstandsvorsitzen-
der, neben anderen Vorstandsmitgliedern des AXA Konzerns AG und der
GDV, im Vorstand des Mannheimer Forschungsinstitut Ökonomie und
Demographischer Wandel (Mannheim Research Institute for the Economics
of Aging – MEA) fungiert, welches sich zu gleichen Teilen aus den Mitteln
des Landes Baden Württemberg und des Gesamtverbands der Deutschen
Versicherungswirtschaft kofinanziert und Drittmittel von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft, der Europäischen Kommission, dem US-ameri-
kanischen National Institute of Aging sowie zahlreicher Stiftungen, etwa
der Volkswagen-Stiftung oder der Thyssen-Stiftung erhält und diese Dritt-
mittel den überwiegenden Teil des Budgets des MEA ausmachen (vgl.
http://www.mea.uni-mannheim.de/) (bitte begründen)?

28. Wie rechtfertigt die Bundesregierung vor dem in Frage 27 genannten Hin-
tergrund die Tatsache, dass als Nachfolger von Professor Rürup laut Presse-
berichten der Mannheimer Wissenschaftler Prof. Axel Börsch-Supan
vorgesehen sei, der Direktor des Mannheim Research Institute for the
Economics of Aging (MEA) (vgl. Guter Rat ist teuer, in: FAZ.net vom
22. November 2008)?

29. Wer wird die Nachfolge von Professor Rürup im Sachverständigenrat und
Sozialbeirat antreten, und welche Verbindungen zu Banken und Versiche-
rungen, die Altersvorsorgeprodukte verkaufen, hat diese Person?

30. Welche Mitglieder des Sachverständigenrats neben Professor Rürup for-
dern zugleich mehr öffentliche Förderung von privater Vorsorge und sind –
personell oder institutionell sowie direkt oder indirekt – finanziell verquickt
mit Konzernen der privaten Versicherungswirtschaft (bitte Mitglieder seit
1998 und Unternehmen und Stiftungen oder Institute, an denen die privat
Wirtschaft bzw. Versicherungswirtschaft beteiligt ist)?

31. Welche Mitglieder im Sachverständigenrat haben Einkünfte aus Honorar-
tätigkeiten, etc. in welcher Höhe seit dem Jahr 1998 (aufgeschlüsselt nach

Banken, Versicherungen, Industrieunternehmen, Stiftungen, wissenschaft-
lichen Instituten, sonstige)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/11161

32. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es sich mit der im Gesetz fest-
gehaltenen Forderung nach Unabhängigkeit der Sachverständigen verträgt,
wenn die Bundesregierung und die Öffentlichkeit nicht über die Neben-
einkünfte und Nebentätigkeit der Sachverständigen informiert sind (bitte
begründen)?

33. Was hat die Bundesregierung bisher gegen die Beeinflussung des Beirates
durch private Unternehmen und Gewinninteressen, etc. unternommen bzw.
was plant sie diesbezüglich (bitte erläutern)?

34. Wie erklärt die Bundesregierung die auffällige zeitliche Nähe der For-
derung des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Peter Struck, den Sachverstän-
digenrat aufzulösen (ddp, Struck will Sachverständigenrat abschaffen vom
15. November 2008), und der Bekanntgabe des Wechsels von Professor
Rürup zu AWD?

35. Kann die Bundesregierung bestätigen, wonach der Bundesminister der Fi-
nanzen, Peer Steinbrück (SPD), auf Vorschlag des Fraktionsvorsitzenden
der SPD, Peter Struck, prüft, den Sachverständigenrat abzuschaffen (vgl.
Handelsblatt vom 16. November 2008 „Struck will Sachverständigenrat ab-
schaffen“)?

Wenn ja, wann ist mit einem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundes-
regierung zu rechnen?

Wenn nein, wie bewertet die Bundesregierung die Forderung des Fraktions-
vorsitzenden der SPD, Peter Struck, den Sachverständigenrat abzuschaf-
fen?

Berlin, den 28. November 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.