BT-Drucksache 16/11150

Pirateriebekämpfung am Horn von Afrika

Vom 28. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11150
16. Wahlperiode 28. 11. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid,
Thilo Hoppe, Ute Koczy, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Rainder
Steenblock, Silke Stokar von Neuforn, Jürgen Trittin und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Pirateriebekämpfung am Horn von Afrika

Der Europäische Rat am 10. November 2008 die Gemeinsame Aktion über die
Militäroperation der Europäischen Union im Hinblick auf einen Beitrag zur
Abschreckung, Verhütung und Bekämpfung von seeräuberischen Handlungen
und bewaffneten Raubüberfällen vor der Küste Somalias (Atalanta) beschlos-
sen. Die an der Operation Atalanta teilnehmenden Schiffe und Flugzeuge
werden dabei im Rahmen des nationalen Rechts agieren und unterschiedliche
Befugnisse, z. B. hinsichtlich der Anwendung von Gewalt oder des Umgangs
mit Gefangenen haben. Operationsplan, Rules of Engagement und nationale
Sonderregelungen sind bislang nicht bekannt.

Das Einsatzgebiet vor der mehr als 3 000 km langen Küste soll 500 Seemeilen
und damit etwa die achtfache Fläche der Bundesrepublik Deutschland und einen
erheblichen Teil des Operationsgebiets von Enduring Freedom am Horn von
Afrika umfassen. Die Fähigkeiten zur Abschreckung, zum Schutz und zum Ein-
greifen sind in einem solchen Gebiet von vornherein begrenzt. Selbst mit Hilfe
hochmoderner Seefernaufklärer und mit einem Einsatz mehrerer Dutzend
Kriegsschiffe bleibt die Pirateriebekämpfung in dem Gebiet eine „Suche nach
der Nadel im Ozean“ (FOCUS vom 17. November 2008). Ein Eingreifen ist
damit in der Regel erst nach erfolgter Tat, mit erheblicher zeitlicher Verzöge-
rung, unter erschwerten Seebedingungen und mit erheblichem Risiko für Leib
und Leben möglich.

Unter Führung der USA wurde im August eine Military Security Patrol ein-
gerichtet, die u. a. von drei Kriegsschiffen der USA befahren wird. Über-
raschend hat auch die NATO Schiffe der „Standing NATO Maritime Group 2“
(SNMG 2) in die Region entsandt. Die sieben Schiffe, zu denen auch die deut-
sche Fregatte KARLSRUHE und der Betriebsstofftransporter RHÖN gehören,
sollten routinemäßig „zur Vertiefung der militärischen Zusammenarbeit mit den
Anrainerstaaten“ (FAZ vom 25. Oktober 2008; taz vom 28. Oktober 2008) bzw.
zu Manövern am Persischen Golf auf den Weg geschickt worden sein. Inzwi-

schen wurden auf Bitten des VN-Generalsekretärs drei Schiffe als NATO Ope-
ration ALLIED PROVIDER zur Pirateriebekämpfung und Unterstützung des
Welternährungsprogramms abgestellt. Im jüngsten Somalia-Bericht an den
Sicherheitsrat (S/2008/709 vom 17. November 2008, S. 12) berichtet der VN-
Generalsekretär, dass die NATO alle sieben Schiffe der SNMG 2 für Anti-Pira-
terie Einsätze stationiert hätte, d. h. auch die deutschen Schiffe. Nach Pressebe-
richten hat die NATO den maritimen Einsatz von langer Hand als Konkurrenz-

Drucksache 16/11150 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

unternehmen zur beabsichtigten EU-Mission geplant (Tagesspiegel vom
18. Oktober 2008).

Während weltweit die Zahl der Piratenüberfälle zurückgeht, hat sich in diesem
Jahr die Zahl der Übergriffe vor der somalischen Küste vervielfacht. Bis Sep-
tember 2008 waren – einer Studie von Chatham House zufolge – mehr Vorfälle
zu verzeichnen, als in den vier Jahren zuvor (www.chathamhouse.org.uk/files/
12203_1008piracysomalia.pdf). Nach jüngsten Presseberichten griffen Piraten
in diesem Jahr bereits mehr als 90 Schiffe vor Somalias Küste an. 17 Schiffe mit
insgesamt fast 270 Besatzungsmitgliedern sollen sich noch in den Händen von
Entführern befinden. Aber auch vor der Küste Nigerias und in der Straße von
Malakka wird die Seesicherheit regelmäßig und in erheblichem Umfang von
Piraten bedroht.

Die Zahl der Piraten wird auf mehr als tausend geschätzt – viele von ihnen sind
ehemalige Fischer oder Mitarbeiter der somalischen Küstenwache (SPIEGEL
ONLINE vom 2. Oktober 2008). Durch die Raubzüge und durch erpresste Löse-
gelder können sich die Piraten immer besser ausrüsten. Sie operieren teilweise
von einigen wenigen, als Fischtrawler getarnten „Mutterschiffen“ aus, die bis zu
250 Seemeilen vor der Küste operieren. Eines dieser Schiffe wurde Mitte No-
vember von einem indischen Kriegsschiff beschossen und versenkt. Entlang der
somalischen Küste sind angeblich 23 Piratenlager bekannt. Viele liegen in der
Region Puntland (SPIEGEL ONLINE vom 27. Oktober 2008; NZZ vom
23. September 2008). Puntland ist die Heimatregion des Präsidenten der inter-
national anerkannten Übergangsregierung Somalias, Abdullahi Yusuf. Die
Chatham House Studie und Presseberichte legen nahe, dass Somalias Regierung
in die Piratenwirtschaft involviert ist und von dieser profitiert. Hintermänner
und Drahtzieher des lukrativen Geschäftes werden aber auch in anderen Staaten
vermutet.

Die Ursachen für das Anwachsen der Piraterie in Somalia liegen an Land und im
Fehlen einer somalischen Küstenwache. Somalia gilt als „gescheiterter Staat“
(failed state). Fehlende staatliche Strukturen, konkurrierende Milizen und Clans
sowie eklatante Defizite im Polizei- und Justizwesen schaffen in Somalia einen
Nährboden für Korruption und Organisierter Kriminalität. Darüberhinaus gilt
die Überfischung der somalischen Gewässer durch internationale Fangflotten
als eine weitere wesentliche Ursache für die Piraterie vor Ort. Hier stehen als
Hauptverantwortliche asiatische Staaten und auch Staaten der EU in der Kritik.
Deren Trawler-Flotten sollen aufgrund fehlender Kontrolle durch somalische
Behörden und ohne – oder im besten Fall von Warlords erteilten fragwürdigen –
Fischereilizenzen, erheblich zur Reduzierung der Fischbestände vor der Küste
Somalias beigetragen haben (taz vom 1. Oktober 2008).

Der Golf von Aden zwischen Somalia und dem Jemen gehört zu den wichtigsten
Handelsrouten der Welt. Rund 16 000 Schiffe und 30 Prozent des Öls nehmen
jährlich die Route durch den Golf und den Suezkanal. Das World Food Pro-
gramme der Vereinten Nationen (WFP) hat vor dem Hintergrund, dass 90 Pro-
zent der internationalen Lebensmittelhilfe für Somalia auf dem Seeweg geliefert
werden und zahlreiche Schiffe angegriffen wurden, frühzeitig um Schutz für die
Hilfstransporte gefragt. Dieser wurde, in Absprache mit der somalischen Über-
gangsregierung zeitweise auch von Marinekräften aus EU- und NATO-Staaten
übernommen. In der UN-Resolution 1814 (vom 15. Mai 2008) wurde zum
Schutz der Konvois des WFP aufgerufen. Inzwischen drängen Fischindustrie,
Reeder und Versicherungsunternehmen verstärkt, sich des Piraterieproblems vor
der somalischen Küste anzunehmen. Insbesondere mit der Entführung des
ukrainischen Waffenfrachters und des saudischen Öltankers hat die Organisierte
Kriminalität eine neue Stufe erreicht.
Die Resolutionen 1816 und 1838 des VN-Sicherheitsrates sehen unter Berufung
auf Kapitel VII der VN-Charta erstmals Maßnahmen zur Bekämpfung der Pira-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11150

terie vor Somalia vor. Alle Staaten, die mit der Übergangsregierung Somalias
(TFG) kooperieren, werden in der einstimmig angenommenen und auf sechs
Monate befristeten Resolution 1816 (2. Juni 2008) ermächtigt, in das Hoheits-
gebiet Somalias einzufahren oder einzufliegen und alle erforderlichen Maßnah-
men im Rahmen des internationalen Rechts gegen Piraterie und bewaffnete
Überfälle auf die Seefahrt zu ergreifen. Die von Frankreich, den Vereinigten
Staaten und Panama eingebrachte Resolution ist ein Novum und erweitert de
facto den Geltungsbereich des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Natio-
nen (SRÜ) auf die somalischen Küstengewässer. Das Ansinnen Frankreichs, die
Resolution auch in anderen Seegebieten anzuwenden, in denen die Schifffahrt
von Piraten gefährdet wird, wurde von Indonesien, Vietnam, Libyen, Südafrika
und der Volksrepublik China erfolgreich verhindert. Es wird betont, dass damit
kein Präzedenzfall geschaffen wird.

Vor der Küste Somalias versammeln sich inzwischen Kriegsschiffe der USA,
Russlands, Indiens, Kanadas und vieler anderer Staaten. Einige – darunter auch
die Bundesmarine – operieren ausdrücklich unter dem Anti-Terror-Mandat der
US-geführten Operation Enduring Freedom (OEF). Gemäß Artikel 105 SRÜ
können Kriegsschiffe aller Staaten auf Hoher See oder an jedem anderen Ort, der
keiner staatlichen Hoheitsgewalt untersteht, ein Seeräuberschiff oder ein durch
Seeräuber erbeutetes und in der Gewalt von Seeräubern stehendes Schiff auf-
bringen, die Personen an Bord des Schiffes festnehmen und die dort befindlichen
Vermögenswerte beschlagnahmen. Die Gerichte des Staates, der das Schiff auf-
gebracht hat, können über die zu verhängenden Strafen entscheiden.

Für die Bekämpfung von Piraterie jenseits deutscher Küstengewässer ist nach
deutschem Recht nicht die Bundeswehr, sondern die Bundespolizei See zustän-
dig. Dieser fehlt es jedoch an entsprechenden Fähigkeiten, der Bundeswehr an
polizeilichen Befugnissen. Über die Resolutionen des VN-Sicherheitsrates und
die Mission der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP-
Mission) soll unter Berufung auf Artikel 24, Absatz 2 des Grundgesetzes (GG)
ein verfassungsrechtlich unstrittiger Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland
ermöglicht werden. Unklar ist jedoch, inwieweit Polizeiaufgaben auf die Bun-
desmarine übertragen werden können und ob diese nicht ggf. durch Bundes-
polizisten an Bord der Kriegsschiffe wahrgenommen werden müssen. Die
vorhandenen einfachgesetzlichen Grundlagen (Seeaufgabengesetz sowie Bun-
despolizeigesetz) sind widersprüchlich, die verfassungsrechtliche Grundlage
unklar. Auf Fragen zur Ingewahrsamnahme, Übergabe an Drittstaaten, Strafver-
folgung Tatverdächtiger oder der Vereinbarkeit mit der Strafprozessordnung
sind in der Bundesregierung bis heute noch keine Antworten gefunden.

Wenn der Deutsche Bundestag im Dezember über die Verantwortbarkeit einer
deutschen Beteiligung entscheiden soll, müssen noch eine Reihe offener Fragen
geklärt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

Piraterie und deren Bekämpfung

1. Welche Zahlen liegen der Bundesregierung über erfolgte bzw. erfolgreiche
Piraterieübergriffe in den vergangenen fünf Jahren vor, und wie verteilen sich
diese auf die Schwerpunktregionen?

2. Welche qualitative und quantitative Entwicklung ist in den vergangenen Jah-
ren im Bereich des Pirateriewesens in Somalia und dessen Nachbarstaaten zu
beobachten?

Wie bewertet die Bundesregierung die Entwicklung der Piraterie am Horn
von Afrika?

Drucksache 16/11150 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Inwieweit sind nach Kenntnis der Bundesregierung das Versenken von Müll
und die Überfischung vor der Küste Somalias Ursachen des Anstiegs?

In welchem Umfang sind oder waren bis vor kurzem Fangflotten aus Län-
dern der EU vor der Küste Somalias tätig, und was hat die Bundesregierung
bzw. EU unternommen, um mögliche negative Rückwirkungen auf die so-
malische Fischereiwirtschaft zu verhindern?

4. Wo liegen nach Ansicht der Bundesregierung die wesentlichen Ursachen
für das Anwachsen der Piraterie in Somalia und anderen Ländern der
Region?

5. Wie sollen aus Sicht der Bundesregierung die Ursachen der Piraterie in
Somalia und den angrenzenden Regionen angegangen und dauerhaft besei-
tigt werden?

6. Was plant die Bundesregierung selbst, im Rahmen der EU und der UNO zur
Ursachenbekämpfung beizutragen?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die politische und sicherheitspolitische
Entwicklung in Somalia?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Rolle der Mission der Afrikanischen
Union in Somalia (AMISOM), und wie ist der Stand hinsichtlich der Sta-
tionierung einer internationalen Stabilisierungstruppe zur Umsetzung des
Dschibuti-Abkommens in Mogadischu?

Wie positioniert sich die Bundesregierung zum Vorschlag, wie er z. B. von
Frankreich vorgetragen wurde, Truppen der EU in Mogadishu zu stationie-
ren?

9. Inwieweit ist die politisch instabile Lage in Somalia Ursache des Anstiegs
der Piraterie, und was hat die Bundesregierung bzw. EU unternommen, um
möglichst die politische Situation in Somalia zu stabilisieren?

10. Welche eigenen oder fremden Erkenntnisse liegen der Bundesregierung
über die internationalen und somalischen Netzwerke der Piraten und die
bedeutsamsten Piratentruppen vor?

Welche eigenen oder fremden Erkenntnisse hat die Bundesregierung über
die Aufenthaltsorte und Stützpunkte an Land bzw. auf See bekannt?

Wie viele Mutterschiffe gibt es, und weiß man, wo diese bzw. die entführten
Schiffe sich gegenwärtig befinden?

11. Welche Kenntnisse über eine Verbindung der Piratenstrukturen und der
somalischen Union der Islamischen Gerichtbarkeit liegen der Bundesregie-
rung vor?

12. Welche Staaten sind gegenwärtig oder in naher Zukunft mit welchen Streit-
kräften, welchen Kräften und im Rahmen welcher Operationen zur Be-
kämpfung der Piraterie am Horn von Afrika engagiert?

13. Inwieweit überschneiden sich die Einsatzräume der EU-Mission, der Ope-
ration Enduring Freedom und der NATO-Operation, und in welchen Re-
gionen konzentrieren sich die Übergriffe der Piraten (bitte grafische Dar-
stellung)?

14. Wann hat der VN-Generalsekretär die NATO um Unterstützung gebeten,
und wann wurde in der NATO erstmals über eine eigene Operation zur
Pirateriebekämpfung am Horn von Afrika beraten?

Wann wurden vom NATO-Rat der Operationsplan bzw. der Einsatz be-
schlossen?
Warum wurde der Deutsche Bundestag über diese Maßnahmen nicht unter-
richtet?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/11150

15. Wieso geht der VN-Generalsekretär in seinem Somalia-Bericht vom
17. November 2008 davon aus, dass die NATO „has deployed seven ships
from its Standing Maritime Group 2 to take on the anti-piracy role off the
coast of Somalia“?

Um welche Schiffe handelt es sich dabei?

16. Aus welchem Grund führt die NATO eine eigenständige Mission zur Pira-
teriebekämpfung am Horn von Afrika durch, die ausschließlich von euro-
päischen Streitkräften durchgeführt wird und erschwert damit den Koor-
dinierungs- und Abstimmungsbedarf vor Ort?

Inwieweit gab es zwischen der EU und der NATO Bemühungen sich auf
eine Mission zu beschränken?

17. Worin unterscheiden sich die Aufgaben, Kräfte, Operationspläne und Rules
of Engagement
a) der Operation Atalanta der EU,
b) der Operation Allied Provider der NATO,
c) der US-geführten Anti-Terror-Operation Enduring Freedom am Horn

von Afrika?

18. Welche Absprachen gibt es im Rahmen der geplanten ESVP-Mission mit
den Vereinten Nationen, der somalischen Übergangsregierung und den
Nachbarstaaten hinsichtlich der Befugnisse und Zusammenarbeit?

19. In welchem Umfang sieht die Bundesregierung die Beteiligung der Bundes-
wehr an der geplanten ESVP-Mission vor?

20. Inwieweit soll es im Rahmen der ESVP-Mission oder im Rahmen der NATO-
Operation gestattet sein, Mutterschiffe, Hilfsboote oder gekaperte Schiffe
gegebenenfalls gewaltsam aufzubringen, zu entern und Gefangene zu be-
freien, und inwieweit gehört dies zum Auftrag für die deutschen Streitkräfte?

21. Wie sieht die Exit-Strategie für den geplanten ESVP- und Bundeswehrein-
satz am Horn von Afrika aus?

Welche Zielmarken formuliert die Bundesregierung für eine Beendigung
des Einsatzes?

22. Inwieweit geht die Bundesregierung davon aus, dass im geplanten Einsatz-
zeitraum und mit den bisher vorgesehenen internationalen Bemühungen
und Maßnahmen das Piraterieproblem am Horn von Afrika in den Griff zu
bekommen ist?

23. Wie bewertet die Bundesregierung Vorschläge Frankreichs oder Spaniens,
für die Aufgabe der Pirateriebekämpfung und Seesicherheit eine Art inter-
nationale Seepolizei unter dem Dach der Vereinten Nationen einzurichten,
und wäre die Bundesregierung grundsätzlich bereit, an dem Aufbau einer
solchen internationalen Seepolizeitruppe mitzuwirken?

24. Inwieweit ist es nach Ansicht der Bundesregierung Aufgabe der Reedereien
dafür Sorge zu tragen, dass Schiffe und Besatzungen so ausgestattet und
ausgebildet sind um auf Übergriffe von Piraten reagieren zu können?

25. Wie bewertet die Bundesregierung den Einsatz privater Sicherheitsfirmen
zum Schutz vor Übergriffen von Piraten?

26. Inwieweit stellt die Pirateriebekämpfung am Horn von Afrika nach Ansicht
der Bundesregierung einen Präzedenzfall dar?

Gibt es z. B. innerhalb der NATO, EU oder den Vereinten Nationen Über-
legungen Übergriffe vor der Küste Nigerias durch die Entsendung von

Kriegsschiffen abzuschrecken?

Drucksache 16/11150 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Rechtliche Grundlagen und Fähigkeiten für eine deutsche Beteiligung

27. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Einsatz der
Bundeswehr zur Pirateriebekämpfung seit jeher und künftig verfassungs-
rechtlich über Artikel 25 GG gedeckt ist?

Wie begründet Sie diese Auffassung?

28. Wie beurteilt die Bundesregierung die beiden UN-Resolutionen 1816/1838
sowie die Regelungen des SRÜ?

Stellen diese eine Ermächtigung oder gar eine Verpflichtung Deutschlands
dar, sich aktiv an der Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika zu
beteiligen?

29. Inwieweit und aus welchen Gründen betrachtet die Bundesregierung die
UN-Sicherheitsratsresolutionen 1816/1838 als Rechtsgrundlage dafür, dass
die im SRÜ aufgeführte Ermächtigung zur Bekämpfung der Seepiraterie
nun doch von Kriegsschiffen und Flugzeugen der Bundeswehr vorgenom-
men werden kann und darf?

Wie weit reicht nach Einschätzung der Bundesregierung das von den UN-
Resolutionen abgedeckte maximal zulässige Einsatzgebiet?

30. Inwieweit sind nach Auffassung der Bundesregierung die vorhandenen Mit-
tel der zuständigen Polizeibehörden zur Bekämpfung von Piraterie (z. B.
der Bundespolizei, See) derzeit ausreichend bzw. in welchen Bereichen
sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf?

31. Inwieweit plant die Bundesregierung, die Bekämpfung der Piraterie als
Aufgabe der Gefahrenabwehr der Polizeibehörden (gemäß Seeaufgaben-
gesetz), teilweise oder ganz auf die Bundeswehr zu übertragen?

Wird Pirateriebekämpfung künftig zu einer der Aufgaben der Bundeswehr
gehören, und soll hierfür das Grundgesetz geändert werden?

32. Inwieweit sollen im Rahmen der ESVP-Mission und mit Billigung der
Übergangsregierung Befugnisse zur Bekämpfung der Piraterie an Land
erteilt werden, und welchen Auftrag hat hier die Bundeswehr?

33. Inwieweit soll es im Rahmen der EU-Mission gestattet sein, Geiseln zu
Land oder zu See zu befreien, und inwieweit gehört dies zum Auftrag für
die deutschen Streitkräfte?

34. Wie sind die jeweiligen nationalen Regelungen im Rahmen der EU-Mission
sowie der NATO-Operation hinsichtlich der Festnahme/Ingewahrsamnahme
von Piraten?

Wie wird ein rechtstaatlicher Umgang mit diesen Personen gewährleistet?

35. Welche Pläne verfolgt die Bundesregierung hinsichtlich der Einrichtung
eines internationalen Piratengerichtshofs?

36. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass sich der deutsche Beitrag
zur Pirateriebekämpfung auf einer zweifelsfreien rechtlichen Grundlage
bewegt?

37. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung der Gewerkschaft der
Polizei, wonach es aufgrund der grundgesetzlichen Aufgabentrennung an
Bord von Kriegsschiffen keine Vermischung von polizeilichen und mili-
tärischen Tätigkeiten geben dürfe und man „an Bord Gewahrsamszellen,
Dolmetscher, einen Staatsanwalt, Richter und Pflichtverteidiger“ (Bild am
Sonntag vom 16. November 2008) bräuchte?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/11150

38. Hält die Bundesregierung die Übergabe von in Gewahrsam genommenen
Personen an die somalischen Behörden oder an Drittstaaten für verantwort-
bar, und wie begründet sie diese Ansicht?

39. Inwieweit findet eine Einbindung des durch das SRÜ eingerichteten „Inter-
nationalen Seegerichtshofs“ statt?

40. Mit welchen Strafen müssen Piraten, die von deutschen Gerichten verurteilt
werden würden, im Regelfall rechnen?

41. Inwieweit befürchtet die Bundesregierung, dass aufgegriffene Straftäter in
Deutschland bzw. an Bord deutscher Kriegsschiffe einen Antrag auf Asyl
stellen könnten?

42. Beabsichtigt die Bundesregierung Kräfte, die vom Deutschen Bundestag im
Rahmen des OEF-Mandates entsandt wurden zur Pirateriebekämpfung im
Rahmen der ESVP- oder NATO-Mission einzusetzen?

Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage, mit welchem Mandat und unter
wessen Kommando soll ein solcher Einsatz erfolgen?

43. Inwieweit sind Schiffe der ESVP-Mission, der OEF-Mission oder der
NATO-Mission ermächtigt, fliehende bzw. entführte Schiffe zu verfolgen,
zu stellen, zu entern bzw. im Extremfall zu versenken?

Welche diesbezüglichen Befugnisse haben deutsche Streitkräfte in den
jeweiligen Operationen?

44. Über welche defensiven Pirateriebekämpfungsfähigkeiten für Anti-Piracy
Operations verfügt
a) die Bundespolizei,
b) die Bundeswehr,
qualitativ wie quantitativ?

45. Über welche offensiven Pirateriebekämpfungsfähigkeiten für Counter-
Piracy Operations verfügt
a) die Bundespolizei,
b) die Bundeswehr,
qualitativ wie quantitativ?

46. Welche defensiven und welche offensiven Fähigkeiten beabsichtigt die
Bundesregierung zur Pirateriebekämpfung am Horn von Afrika zum Ein-
satz zu bringen?

47. Über welche spezifischen Fähigkeiten zur Pirateriebekämpfung verfügen
die jeweiligen Spezialkräfte der Bundeswehr, und in welchen Bereichen ist
noch Handlungsbedarf?

Berlin, den 28. November 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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