BT-Drucksache 16/11120

Evaluierung der neuen Offenlegungspflichten nach dem Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister

Vom 27. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11120
16. Wahlperiode 27. 11. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christine Scheel, Jerzy Montag, Kerstin Andreae, Birgitt
Bender, Volker Beck (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk, Dr. Gerhard Schick,
Silke Stokar von Neuforn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Evaluierung der neuen Offenlegungspflichten nach dem Gesetz über elektronische
Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister

Mit dem zum 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Gesetz über elektronische Han-
delsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister
(EHUG) wurden Anforderungen an die Art und Weise der Publizität der Unter-
nehmensrechnungslegung aus der Richtlinie 2003/58/EG zur Änderung der
1. gesellschaftlichen Richtlinie (Publizitätsrichtlinie), der EU-Transparenzricht-
linie 2004/109/EG sowie den Beschlüssen der Regierungskommission Corporate
Governance umgesetzt.

Betroffene Unternehmen müssen ihre Unterlagen zur Offenlegung der Jahres-
abschlüsse ab dem Wirtschaftsjahr 2006 – statt wie bisher bei dem zuständigen
Amtsgericht – beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers via Internet
einreichen. Bis zum 31. Dezember 2009 können die Unterlagen auch in Papier-
form eingerecht werden, was allerdings deutlich höhere Kosten verursacht.

Dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers, der Bundesanzeiger Ver-
lagsgesellschaft mbH, wurde mit Rechtsverordnung des Bundesministeriums
der Justiz vom 15. Dezember 2006 der Betrieb des Unternehmensregisters
übertragen. Kurz zuvor, im November 2006, war die Bundesanzeiger Verlags-
gesellschaft mbH vollständig privatisiert worden.

Aufgrund der Neuregelungen des EHUG zur höheren Transparenz durch die
Veröffentlichung der Unternehmensrechnungslegung im elektronischen Bun-
desanzeiger führen viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) erstmalig
eine vollständige Veröffentlichung ihrer Jahresabschlüsse – insbesondere des
Anhangs – durch, was zu einem nicht unerheblichen zusätzlichen Arbeitsauf-
wand in den Unternehmen führt. Verstöße gegen die Offenlegungspflicht wer-
den direkt vom Bundesamt für Justiz verfolgt.

Zum 1. November 2008 wurde mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-
Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) mit § 5a des Gesetzes
betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) die „Unter-
nehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ als neue existenzgründerfreundliche

Rechtsform eingeführt. Auch die „UG haftungsbeschränkt“ unterliegt den Of-
fenlegungspflichten nach dem EHUG. Besonders vor diesem Hintergrund ist es
notwendig zu überprüfen, welche praktischen Erfahrungen es mittlerweile mit
den Offenlegungspflichten im elektronischen Bundesanzeiger gibt und welche
Möglichkeiten zur Vermeidung von Bürokratie im Sinne der Gründer und kleinen
und mittleren Unternehmen bestehen.

Drucksache 16/11120 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Mehr Transparenz über Unternehmensdaten – Bürokratie und Kosten für
offenlegungspflichtige Unternehmen

1. Wie viele Abfragen zu Unternehmensdaten verzeichnet der elektronische
Bundesanzeiger im Durchschnitt täglich, und wie haben sich die Abfragen
seit der Einführung des EHUG zum 1. Januar 2007 entwickelt?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung den Zugewinn an Transparenz durch die
neuen Offenlegungspflichten im Verhältnis zum entstehenden bürokra-
tischen Aufwand?

3. Welche Kosten entstehen den Unternehmen nach den verschiedenen Grö-
ßenklassen gemäß § 267 Abs. 1, 2 und 3 des Handelsgesetzbuchs (HGB)
durch die neuen Veröffentlichungspflichten, und wie verhalten sich diese
zu den Kosten der Veröffentlichung nach altem Recht?

4. Welcher zusätzliche bürokratische Aufwand entsteht für die verschiedenen
Größenklassen von Unternehmen gemäß § 267 Abs. 1, 2 und 3 HGB durch
die Veröffentlichung der Jahresabschlussdaten im elektronischen Bundes-
anzeiger gegenüber den Offenlegungspflichten nach altem Recht?

5. Erfüllen nach Einschätzung der Bundesregierung die von Unternehmen
selbst über das Eingabeformular für „kleine Kapitalgesellschaften“ im
Sinne von § 267 Abs. 1 HGB eingegebene Unternehmensrechnungslegung
überwiegend die gesetzlichen Vorgaben?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Einführung der so genannten Dop-
pelpublizität für kleine und mittlere Unternehmen durch das EHUG, die
neu eingeführte Pflicht also, dass kleine und mittlere Unternehmen ihre
Jahresabschlussinformationen nicht nur im Unternehmensregister, sondern
auch im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen haben?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung den durch die höheren Transparenz-
anforderungen für kleine und mittlere Unternehmen eingetretenen bürokra-
tischen Mehraufwand vor dem Hintergrund der Mittelstandsförderung?

8. Hält die Bundesregierung diesen Mehraufwand für vereinbar mit ihrem Vor-
haben aus dem Programm „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“, die
Bürokratiekosten für kleine und mittlere Unternehmen um mindestens
25 Prozent zu reduzieren?

9. Teilt die Bundesregierung, die im Small Business Act der Europäischen
Kommission vom 25. Juni 2008 niedergelegte Auffassung der Europäischen
Kommission, dass eine Erleichterung der Offenlegungsvorschriften für
kleine und mittlere Unternehmen ein ins Gewicht fallender Beitrag zum
Bürokratieabbau wäre?

II. Fragen zur Praxis des Ordnungsgeldverfahrens beim Bundesamt für Justiz

10. Wie viele offenlegungspflichtige Unternehmen haben ihre Rechnungs-
legungsunterlagen fristgerecht eingereicht, und wie hoch ist der Anteil die-
ser Unternehmen an allen offenlegungspflichtigen Unternehmen?

11. Welcher Anteil der offenlegungspflichtigen Unternehmen hat die Unter-
lagen weiterhin in Papierform eingereicht?

12. Sieht die Bundesregierung vor diesem Hintergrund eine Notwendigkeit die
derzeitige Übergangsfrist zu verlängern, und falls ja, welche Verlängerung
ist geplant?

13. Gegen wie viele offenlegungssäumige Unternehmen wurden bisher Ord-

nungsgeldverfahren durch das Bundesamt für Justiz eingeleitet?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11120

14. Wie hoch waren die angedrohten Ordnungsgelder?

15. Wie hoch waren die tatsächlich festgesetzten Ordnungsgelder?

16. Nach welcher Säumniszeit verlangt das Bundesamt für Justiz ein Ord-
nungsgeld?

Hält die Bundesregierung diese Fristen für ausreichend, und warum, und
falls nicht, ist dann eine Änderung vorgesehen?

17. Wie lang sind im Durchschnitt die festgesetzten Nachreichungsfristen,
wenn Unterlagen nicht vollständig eingereicht wurden?

Hält die Bundesregierung diese Fristen für ausreichend, und warum, und
falls nicht, ist dann eine Änderung vorgesehen?

18. Gibt und gab es beim Bundesamt für Justiz Ausnahmen von diesen Fristen
wegen des für die offenlegungspflichtigen Unternehmen neuen Veröffent-
lichungsverfahrens?

19. Falls ja, worin bestehen diese Ausnahmen, und falls nein, warum wurden
solche Ausnahmeregelungen nicht getroffen?

III. Übertragung des Betriebs des elektronischen Unternehmensregisters an die
privatisierte Bundesesellschaft mbH

20. Stand die Veräußerung der im Bundesbesitz befindlichen Anteile an der
Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH an die Unternehmensgruppe
M. DuMont Schauberg im November 2006 in einem Zusammenhang mit
der Beleihung der Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH zur Führung
des Unternehmensregisters, die am 15. Dezember 2006 per Rechtsverord-
nung erfolgte?

21. Gab es diesbezügliche Absprachen zwischen den beteiligten Stellen in den
Ministerien und der Unternehmensgruppe M. DuMont Schauberg und/oder
enthielt der Vertrag über die Veräußerung der Geschäftsanteile oder etwaige
Nebenabreden dazu eine diesbezügliche Regelung, z. B. Vorbehalte, auf-
lösende oder aufschiebende Bedingungen?

22. Hat die Bundesregierung oder das Bundesministerium der Justiz vor der Be-
leihung der Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH mit der Führung des
Unternehmensregisters geprüft, ob die Beleihung Privater nach vergabe-
rechtlichen Grundsätzen einen ausschreibungspflichtigen Vorgang darstellt?

Sind diesbezügliche Rechtsgutachten eingeholt worden?

Wenn ja, welchen Inhalt hatten diese, und zu welchem Ergebnis kamen sie?

23. Sind im Zusammenhang mit der Ausarbeitung des Referentenentwurfs zum
EHUG so genannte Leihbeamte zum Einsatz gekommen?

Haben Personen, die entgeltlich für die Unternehmensgruppe M. DuMont
Schauberg tätig waren (oder es noch sind), bei der Erstellung des Gesetz-
entwurfes zum EHUG mitgewirkt?

24. Sind der Bundesregierung, insbesondere dem Bundesministerium der Justiz,
vertragliche Regelungen oder sonstige Absprachen bekannt, insbesondere
mit der Unternehmensgruppe M. DuMont Schauberg, die einer Erleich-
terung der Publizitätsvorschriften für kleine und mittlere Unternehmen,
insbesondere einem Abbau der Doppelpublizität, entgegenstehen würden
(Garantien, Vertragsstrafen o. Ä.)?

Und falls ja, welchen Inhalt haben diese im Einzelnen?

Berlin, den 26. November 2008
Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.