BT-Drucksache 16/10975

Krieg im Ostkongo

Vom 14. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10975
16. Wahlperiode 14. 11. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck
(Köln), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Winfried
Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Rainder
Steenblock, Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Krieg im Ostkongo

Nachdem im August 2008 der abtrünnige Tutsi-General Laurent Nkunda den
Friedensvertrag von Goma aufgekündigt hatte, der erst im Januar 2008 zwi-
schen der kongolesischen Regierung und 22 Rebellengruppen geschlossen wor-
den war, hat sich im Oktober die Krise im Ostkongo in der Provinz Nord-Kivu
erneut dramatisch zugespitzt. Nach 2003 droht das ganze Land und die Region
wieder in einen weitläufigen Krieg abzugleiten.

Die gewalttätigen Auseinandersetzungen im Kongo haben bereits seit 1996 an
die 6 Millionen Tote und 1,6 Millionen Flüchtlinge gefordert. Allein seit
August 2008 sind mehr als 250 000 Menschen aufgrund neuer Kämpfe auf der
Flucht. Die Wahlen von 2006, die auch durch die Bundeswehr im Rahmen der
EU-Friedensmission EUFOR (European Union Force) abgesichert worden
waren, haben dem Land nicht die erhoffte Stabilisierung und Frieden gebracht.
Stattdessen warnen heute Kenner der Region vor einer „Somalifizierung“, vor
einem völligen Zerfall des Kongo und die UNO vor einem drohenden Völker-
mord.

Nach den Überfällen der Nkunda-Miliz CNDP (Nationalkongress zur Verteidi-
gung des Volkes) auf den Stützpunkt der kongolesischen Armee (FARDC) in
Rumangabo am 8. und 26. Oktober 2008 eskalierten die Kämpfe vollends. Die
CNDP nahm die Grenzstadt Rutshuru ein und rückte schnell bis vor die Tore
der Provinzhauptstadt Goma, einem zentralen Drehkreuz internationaler huma-
nitärer Hilfe. Weder die FARDC noch die Friedensmission der UNO im Kongo
MONUC (Mission de l’Organisation des Nations Unies en République Démo-
cratique du Congo), die mit über 18 000 Einsatzkräften überwiegend im Ost-
kongo präsent ist, konnten den Vormarsch aufhalten. Ein einseitig von der
CNDP verkündeter Waffenstillstand hielt nur wenige Tage. Jetzt liefern sich
auch wieder regierungsnahe Mai-Mai-Milizen und die CNDP erbitterte
Kämpfe. Die Lage wird immer unübersichtlicher.

Sowohl die Rebellen-Milizen, als auch die FARDC begehen Kriegsverbrechen.
Auf ihrem Vormarsch trieb die CNDP weit über 45 000 Flüchtlinge aus Dörfern

und Flüchtlingslagern vor sich her und verursachte ein humanitäres Desaster.
Familien wurden in den Wirren auseinandergerissen, viele Kinder irren seither
alleine umher. Morde, Vergewaltigungen, Plünderungen und Zerstörungen fan-
den statt. In dem Dorf Kiwanja meldete die UNO nach Kämpfen zwischen der
CNDP und Mai-Mai-Milizen am 5. November 2008 ein Massaker an Zivilisten.
In Goma wüteten führungslose, völlig enthemmte Soldaten der FARDC.

Drucksache 16/10975 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Viele Menschen sind von jeglicher Versorgung abgeschnitten. Krankheiten wie
Cholera sind ausgebrochen. Die Versorgung durch Hilfsorganisationen ist nicht
gewährleistet, weil die Flüchtlinge weiträumig verstreut sind, die Kämpfe an-
dauern und deshalb humanitäre Versorgungskorridore fehlen oder deren Nut-
zung zu unsicher ist. Aber auch an Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern
mangelt es nach Auskunft von Hilfsorganisationen.

Die MONUC schützt die Bevölkerung nicht ausreichend, obwohl dies ihre Auf-
gabe ist. Sie ist mit ihren Personal- und Materialressourcen an ihre Grenzen ge-
stoßen. Mit ihrem Personal von über 18 000 überwacht sie ein Gebiet, das so
groß ist wie Westeuropa. Sie soll geschätzte 55 000 Milizen in Schach halten
und deren Entwaffnung vorantreiben. In Goma war sie allerdings lediglich mit
800 Soldaten präsent. Gleichzeitig unterstützt MONUC aber auch die undiszip-
linierte FARDC bei Operationen. Die FARDC soll aber auch bei der Bekämp-
fung der CNDP mit den marodierenden Mai-Mai-Milizen und der Hutu-Miliz
FDLR (Forces Démocratiques de Libération du Rwanda) zusammenarbeiten,
die für schwerste Menschenrechtsverbrechen verantwortlich gemacht werden.
Die MONUC wird deshalb immer mehr als Kriegspartei wahrgenommen. Das
Vertrauen der Bevölkerung in ihre Regierung, die FARDC, die UNO und
MONUC ist schwer beschädigt.

Die Gefahr eines weiteren großen Regionalkrieges nach 2003 hat erheblich
zugenommen. Die UNO beschuldigt einerseits Ruanda zugunsten Laurent
Nkundas und andererseits Angola zugunsten der FARDC mit Soldaten in die
Kämpfe verwickelt zu sein. Die unheilvollen Allianzen des letzten verheeren-
den Krieges (1998 bis 2003) sind damit wieder virulent. Ruanda und Kongo
forcieren einen Stellvertreterkrieg, der auf eine direkte Konfrontation zudriftet.
Die ruandische Regierung, die von der Volksgruppe der Tutsi dominiert wird,
wirft Joseph Kabila und der FARDC vor, dass sie die Hutu-Miliz FDLR, in de-
ren Reihen etliche Verantwortliche des Völkermordes in Ruanda 1994 kämpfte,
nicht entwaffnet zu haben und stattdessen mit ihr zusammenzuarbeiten. Ruanda
sympathisiert mit dem Tutsi-General Laurent Nkunda, da dieser sich offiziell
als Schutzherr der Tutsi-Minderheit im Ostkongo geriert. Damit droht eine
Ethnisierung der Krise entlang der Volksgruppenzugehörigkeit von Hutu
(FDLR u. a., unterstützt von FARDC, Mai-Mai u. a.) und Tutsi (CNDP, Patrio-
tische Front Ruandas) diesmal nicht in Ruanda, sondern im Ostkongo. Ein
wesentlicher Konfliktgrund ist aber auch der Zugang zu den umfangreichen
Bodenschätzen in der Region und deren Ausbeutung.

Trotz der prekären Situation hat der UNO-Sicherheitsrat in seiner Sondersit-
zung am 29. Oktober 2008 eine Stärkung der MONUC erneut vertagt, obwohl
der Leiter der MONUC Alan Doss schon am 3. Oktober 2008 dem Sicherheits-
rat konkrete Vorschläge (sog. Doss shopping list) zur Stärkung der MONUC
präsentiert hat. Alternativ hierzu wurde von Frankreich, Großbritannien und
Belgien der Einsatz einer europäischen schnellen Eingreiftruppe, einer sog.
EU-Battlegroup ins Gespräch gebracht. Der UNO-Generalsekretär, die EU und
AU unternehmen derweil den Versuch die Gewalteskalation durch gemeinsa-
mes diplomatisches Krisenmanagement zu verhindern. Ein erstes Krisentreffen
in Nairobi am 7. November 2008 endete jedoch ohne konkrete Ergebnisse.
Joseph Kabila weigert sich weiterhin mit Laurent Nkunda und Paul Kagame
direkt zu verhandeln. Keine der Parteien ist bereit den Teufelskreis aus Gewalt
und Gegengewalt zu durchbrechen. Noch immer sind militärische Lösungen
anstelle eines friedlichen Dialogs das politische Mittel ihrer Wahl.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10975

Wir fragen die Bundesregierung:

Zur humanitären Hilfe

1. Was sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Gründe dafür, dass viele
Flüchtlinge im Ostkongo noch immer von der humanitären Hilfe, von Nah-
rungsmitteln, Wasser, Medikamenten, Decken und Zelten abgeschnitten
sind?

2. Was ist aus Sicht der Bundesregierung erforderlich, damit die Versorgung
der Flüchtlinge jetzt und in den kommenden Wochen und Monaten ge-
währleistet ist?

3. Welchen Beitrag leistet dazu die Bundesregierung (bitte detailliert auflis-
ten)?

4. Gibt es nach Ansicht der Bundesregierung Engpässe bei der Lebensmittel-
versorgung aufgrund weltweit gestiegener Nahrungsmittelpreise?

Zum Schutz der Zivilbevölkerung

5. Wie sollen nach Auffassung der Bundesregierung die Flüchtlinge und an-
deren Zivilisten vor gewalttätigen Übergriffen geschützt werden?

6. Ist die Bundesregierung auch der Auffassung, dass es zwar primär Aufgabe
des kongolesischen Staates ist, seine Bevölkerung vor Genozid und
schwersten Menschenrechtsverbrechen zu schützen, wenn er dies jedoch
nicht kann oder will die internationale Gemeinschaft in der Verantwortung
steht zu handeln?

a) Wenn ja, was sind nach Ansicht der Bundesregierung die Gründe dafür,
dass weder die kongolesische Regierung, noch die UNO die Zivilbevöl-
kerung vor Vertreibung und schwersten Menschenrechtsverletzungen
ausreichend schützt?

b) Wenn nein, warum nicht?

7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der UNO, dass im Ostkongo ein
Völkermord droht?

a) Wenn ja, warum handeln die UNO und ihre Mitgliedstaaten nicht unver-
züglich, um unter Einsatz aller Mittel einem Völkermord vorzubeugen?

b) Wenn nein, warum nicht?

8. Stimmt die Bundesregierung darin überein, dass das militärische Engage-
ment Angolas und Ruandas im Kongo, das die UNO berichtet hat, die Ge-
fahr einer regionalen Eskalation der Krise in sich birgt?

Wenn ja, in welcher Form nimmt die Bundesregierung Einfluss auf diese
beiden Staaten, damit diese ihre militärischen Aktivitäten einstellen?

9. Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Alan Doss dem Leiter der
MONUC, dass die UNO-Friedensmission im Kongo personell und mate-
riell an ihre Grenzen gestoßen ist?

a) Wenn ja, gibt es seitens der Bundesregierung Initiativen innerhalb der
UNO und EU für die schnelle Umsetzung der sog. Doss-Shopping-
Liste?

b) Wenn nein, warum nicht?

10. Beabsichtigt die Bundesregierung Beiträge gemäß der Doss-Liste an die
UNO zu leisten?

a) Wenn ja, welche?
b) Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 16/10975 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

11. Leistet die Bundesregierung personelle oder finanzielle Beiträge für die
EU-Missionen im Kongo EUPOL und EUSEC?

a) Wenn ja, welche?

b) Wenn nein, warum nicht?

12. Welche konkreten Pläne gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung seitens
der UNO für den Fall einer weiteren Gewalteskalation im Ostkongo, um
die Menschen möglichst schnell und effizient zu schützen?

13. Gibt es innerhalb der EU Pläne zum Einsatz einer EU-Battlegroup zur
schnellen Unterstützung der MONUC?

a) Wenn ja, welche EU-Mitgliedstaaten unterstützen einen solchen Einsatz?

b) Wenn nein, warum nicht?

14. Gibt es innerhalb der EU Einzelstaaten, die zu eigenen zivil-militärischen
Beiträgen zur MONUC bereit sind?

a) Wenn ja, welche EU-Mitgliedstaaten sind das?

b) Wenn nein, warum nicht?

15. Hat die Bundesregierung den Einsatz deutscher ziviler oder militärischer
Einsatzkräfte vorgesehen?

a) Wenn ja, in welcher Art, und in welchem Umfang?

b) Wenn nein, warum nicht?

16. Welches konkrete Ziel verfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung die
UNO mit der Friedensmission MONUC?

17. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass das Mandat der MONUC
einen offensiven Flüchtlings- und Zivilistenschutz nicht zulässt?

a) Wenn ja, was konkret unternimmt die Bundesregierung innerhalb der
UNO und der EU, damit das Mandat der MONUC entsprechend ange-
passt wird?

b) Wenn nein, was sind dann nach Erkenntnis der Bundesregierung die
Gründe dafür, dass die MONUC die Flüchtlinge und Zivilisten nicht
ausreichend schützt?

18. Stimmt die Bundesregierung darin überein, dass die Einsatzregeln (rules of
engagement) der MONUC nicht ausreichend konkret sind, um Flüchtlinge
und Zivilisten offensiv zu schützen?

a) Wenn ja, was konkret unternimmt die Bundesregierung innerhalb der
UNO, EU oder gegenüber der kongolesischen Regierung, damit sie ent-
sprechend angepasst werden, und wie müssten die Einsatzregeln nach
Ansicht der Bundesregierung angepasst werden?

b) Wenn nein, was sind dann nach Auffassung der Bundesregierung die
Gründe dafür, dass die Truppen der MONUC die Flüchtlinge und Zivi-
listen nicht ausreichend schützen?

19. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es Pflicht der MONUC ist,
Flüchtlinge und andere Zivilisten nicht nur vor den Rebellen-Milizen, son-
dern auch vor den marodierenden kongolesischen Regierungstruppen, die
ebenso wie die Rebellen plündern, vergewaltigen und morden, zu schützen?

a) Wenn ja, warum bietet die MONUC keinen entsprechenden Schutz?

b) Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/10975

20. Stimmt die Bundesregierung darin überein, dass die Akzeptanz der MONUC
in der kongolesischen Bevölkerung Schaden genommen hat, weil sie eng mit
der kongolesischen Regierungsarmee zusammenarbeitet, obwohl diese von
der Bevölkerung abgelehnt wird wegen gewalttätiger Übergriffe und der
Zusammenarbeit mit Rebellen-Milizen wie den Mai-Mai oder der FDLR, die
ihrerseits die Bevölkerung brutal drangsalieren?

a) Wenn ja, warum operiert die MONUC nicht unabhängiger von der kon-
golesischen Armee?

b) Wenn nein, warum nicht?

21. Wie viele kongolesische Regierungssoldaten sind nach Kenntnis der Bun-
desregierung im Einsatz?

22. Was sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Ursachen für die
Disziplinlosigkeit in der FARDC?

23. Was unternimmt die UNO und die EU konkret um diese Ursachen zu be-
kämpfen?

24. Hält die Bundesregierung angesichts der marodierenden kongolesischen
Armee die EU-Mission EUSEC in ihrer aktuellen Ausrichtung für geschei-
tert?

a) Wenn ja, gibt es innerhalb der EU und seitens der Bundesregierung
Initiativen zur Modifizierung der EUSEC?

b) Wenn nein, warum nicht?

25. Wurden nach Einschätzung der Bundesregierung in den letzten Jahren
Fortschritte im Bereich der Sektorsicherheitsreform im Kongo erzielt?

a) Wenn ja, welche?

b) Wenn nein, warum nicht?

26. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Mitgliedstaaten auf-
grund der Resolutionen 1325 und 1820 des UNO-Sicherheitsrates ver-
pflichtet sind, Frauen und Kinder im Kongo vor sexualisierter Gewalt zu
schützen?

a) Wenn ja, was sind nach Auffassung der Bundesregierung die Gründe
dafür, dass Frauen und Kinder weder von der kongolesischen Regierung
noch von der MONUC ausreichend geschützt werden?

b) Wenn nein, warum nicht?

27. Was ist nach Ansicht der Bundesregierung erforderlich, damit Frauen und
Kinder besser geschützt werden?

28. Welche praktischen Maßnahmen sind nach Kenntnis der Bundesregierung
durch die UNO getroffen worden, damit Frauen und Kinder besser vor
sexualisierter Gewalt durch die Rebellen geschützt werden?

29. Welchen konkreten Beitrag leistet die EU zum Schutz der Frauen und Kin-
der insbesondere im Rahmen von EUSEC und EUPOL?

30. Welchen konkreten Beitrag leistet die Bundesregierung zum Schutz der
Frauen und Kinder im Kongo (bitte detailliert auflisten)?

Zum Friedensprozess

31. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Friedensmission ohne
tragfähigen Friedensprozess nicht zu einem dauerhaften Frieden im Kongo
führen kann?

Drucksache 16/10975 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

32. Welche konkreten Maßnahmen sieht der Amani-(Friedens)Prozess vor
(bitte Einzelmaßnahmen möglichst detailliert auflisten)?

33. Welche konkreten Maßnahmen sieht der Truppenentflechtungsplan (plan
of disengagement) der MONUC vor (bitte Einzelmaßnahmen möglichst
detailliert auflisten)?

34. Was sind nach Ansicht der Bundesregierung die zentralen Gründe dafür, dass

a) das Friedensabkommen von Nairobi vom November 2007,

b) das Friedensabkommen von Goma vom Januar 2008,

c) der sog. Amani-(Friedens)Prozess,

d) und der Truppenentflechtungsplan der MONUC

nicht erfolgreich umgesetzt werden?

35. Inwieweit wurden nach Kenntnis der Bundesregierung gemäß der UNO-
Sicherheitsratsresolution 1325 Frauen insbesondere auch zivile Frauen-
organisationen in den Friedensprozess mit einbezogen?

36. Welche konkreten Maßnahmen sieht nach Kenntnis der Bundesregierung
die UNO vor, um die Milizen zu entwaffnen, zu demobilisieren und in die
Gesellschaft wieder einzugliedern?

37. Trifft es nach Meinung der Bundesregierung zu, dass die Entwaffnung,
Demobilisierung und Wiedereingliederung (DDR) der FDLR und anderer
Milizen im Ostkongo bislang als gescheitert angesehen werden muss, an-
gesichts der Tatsache, dass nach wie vor geschätzte 55 000 Milizen im Ost-
kongo noch immer unter Waffen stehen?

a) Wenn ja, was sind die zentralen Gründe dafür?

b) Wenn nein, warum nicht?

38. Werden die eingesammelten Waffen zerstört?

39. Verhindert nach Kenntnis der Bundesregierung die kongolesische Regie-
rung die Entwaffnung von regierungstreuen Milizen?

40. Was sind die Gründe dafür, dass trotz des bestehenden UNO-Waffen-
embargos, der Nachschub der Rebellen offensichtlich nicht unterbrochen
ist?

41. Sind ausreichende Finanzressourcen vorhanden, um die DDR-Programme
umzusetzen?

Wenn nein, was sind die Gründe dafür, und wie viele Gelder fehlen?

42. Welchen Beitrag leistet die Bundesregierung aktuell selbst im Bereich
DDR?

43. Welche Rolle misst die Bundesregierung der ruandischen Regierung zur
Lösung der Krise im Ostkongo bei?

44. Stimmt die Bundesregierung darin überein, dass ein direkter Dialog zwi-
schen dem kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila, dem ruandischen
Präsidenten Paul Kagame und dem Führer der CNDP Laurent Nkunda jetzt
dringend erforderlich ist, um den Stillstand im Friedensprozess zu über-
winden?

a) Wenn ja, was konkret unternimmt im Hinblick darauf die UNO, die AU,
die EU und die Bundesregierung?

b) Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/10975

45. Ist es zutreffend, dass die Bundesregierung enge Kontakte zu der kongo-
lesischen Regierung unterhält und Laurent Nkunda in einem Interview
kürzlich äußert, dass er eine deutsche Vermittlung begrüßen würde?

Wenn ja, warum lehnt die Bundesregierung es bislang ab, sich anders als
Frankreich, Großbritannien, Belgien oder die USA auf hoher politischer
Ebene vor Ort zu engagieren, um im Rahmen bestehender Initiativen den
Druck auf die Streitparteien zu erhöhen, damit diese direkt miteinander
reden?

46. Welche konkreten Beiträge (bilateral und multilateral) hat die Bundesregie-
rung nach ihrem militärischen Engagement im Rahmen der EU-Friedens-
mission im Kongo (EUFOR) zur Absicherung der Wahlen 2006 geleistet,
um den Frieden zu konsolidieren und den Wiederaufbau des Landes voran-
zutreiben (bitte detailliert auflisten)?

47. Welche konkreten Maßnahmen im Kontext sexualisierter Gewalt gegen-
über Frauen im Kongo hat die Bundesregierung bislang ergriffen?

48. Welche konkreten Maßnahmen insbesondere im Bereich sexualisierter
Gewalt gegenüber Frauen wurden bislang aus dem sog. Friedensfonds
(50 Mio. Euro) des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert (bitte detailliert auflisten)?

49. Ist der Friedensfonds auch für kleine Nichtregierungsorganisationen (sog.
Grasswurzelorganisationen) zugänglich?

Wenn nein, warum nicht?

50. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der illegale Abbau von Roh-
stoffen im Ostkongo ein wesentlicher Grund für die Fortsetzung des Krie-
ges ist?

a) Wenn ja, worauf gründet sich diese Auffassung?

b) Wenn nein, warum nicht?

51. Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen dem stark an-
gestiegenen chinesischen Engagement im Kongo beim Abbau der Roh-
stoffe und der Zuspitzung der aktuellen Eskalation der Gewalt im Ost-
kongo vor allem durch die CNDP?

a) Wenn ja, warum?

b) Wenn nein, warum nicht?

52. Welche deutschen Firmen sind nach Kenntnis der Bundesregierung beim
illegalen Abbau von Rohstoffen im Kongo als Förderer oder Abnehmer der
Rohstoffe beteiligt?

Zur Strafverfolgung

53. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass angesichts der Massen-
morde in dem Ort Kiwanja, die von der UNO als Kriegsverbrechen be-
zeichnet werden, die Einleitung eines Verfahrens gegen Kämpfer der regie-
rungsnahen Mai-Mai-Milizen und der CNDP vor dem Internationalen
Strafgerichtshofs (IStGH) geboten ist?

a) Wenn ja, welche Schritte wurden nach Kenntnis der Bundesregierung
bereits unternommen?

b) Wenn nein, warum nicht?

54. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Bestrebungen einen Antrag auf
Haftbefehl vor dem IStGH gegen Laurent Nkunda zu erwirken?
a) Wenn ja, durch wen?

b) Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 16/10975 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
55. Hat nach Kenntnis der Bundesregierung die kongolesische Justiz ange-
sichts der Gewalt durch die FARDC gegenüber der Zivilbevölkerung wie
zuletzt in Goma strafrechtliche Untersuchungen eingeleitet?

Ist diesbezüglich die Anwaltschaft des IStGH aktiv geworden?

56. Was konkret hat die Bundesregierung gegenüber dem in der Bundesrepublik
Deutschland wohnhaften Präsidenten der FDLR Dr. Ignace Murwanashyaka
unternommen, der politischer Kopf einer wie er selbst sagt straff durch-
organisierten Miliz ist, die für schwerste Menschenrechtsverletzungen ver-
antwortlich gemacht wird und deshalb auf den Sanktionslisten der UNO und
EU geführt und von Interpol gesucht wird?

57. Liegen der Bundesregierung im Fall Murwanashyakas Auslieferungs-
ersuchen anderer Staaten vor?

Wenn ja, von welchen Staaten?

58. Hat oder wird die Bundesregierung einem solchen Auslieferungsersuchen
stattgeben?

a) Wenn ja, welche Anhaltspunkte rechtfertigen eine Auslieferung?

b) Wenn nein, warum nicht?

59. Strebt die Bundesregierung nach 2006 erneut ein Strafverfahren gegenüber
Murwanashyaka nach dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) an?

Wenn nein, warum nicht?

60. Gibt es Bestrebungen seitens der Bundesregierung den Fall Murwanashyaka
vor den IStGH zu bringen?

Wenn nein, warum nicht?

61. Gibt es in anderen Staaten der EU ähnliche Fälle bezüglich schwerster
Menschenrechtsverletzungen im Kongo oder in Ruanda?

Wenn ja, welche Staaten sind das, und sind dort Strafverfahren eröffnet
worden?

62. Liegen der Bundesregierung außer dem „Fall Rose Kabuye“ weitere Aus-
lieferungsanträge zu Personen vor bezüglich schwerster Menschenrechts-
verletzungen im Kongo oder in Ruanda?

Wenn ja, um welche Personen handelt es sich?

63. Was sind die Gründe dafür, die die Bundesregierung veranlasst haben, die
Diplomatin Rose Kabuye in Abschiebehaft zu nehmen?

64. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Beweiserhebung im
Fall Murwanashyaka aufgrund einer mangelhaften internationalen Amts-
hilfe sich als schwierig erweist?

a) Wenn ja, was unternimmt die Bundesregierung, damit die internationale
Amtshilfe im Fall Murwanashyaka besser funktioniert?

b) Wenn nein, was sind nach Einschätzung der Bundesregierung die we-
sentlichen Hürden für ein weiteres Strafverfahren auf Grundlage des
VStGB oder vor dem IStGH?

Berlin, den 14. November 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.