BT-Drucksache 16/10909

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/10530, 16/10580, 16/10892- Entwurf eines Gesetzes über den Zugang zu digitalen Geodaten (Geodatenzugangsgesetz - GeoZG)

Vom 11. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10909
16. Wahlperiode 12. 11. 2008

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Horst Meierhofer, Gisela Piltz, Dr. Max Stadler, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike
Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-
Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-
Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer,
Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz
Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link
(Heilbronn), Markus Löning, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-
Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Rainer Stinner,
Florian Toncar, Dr. Daniel Volk, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker
Wissing, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/10530, 16/10580, 16/10892 –

Entwurf eines Gesetzes über den Zugang zu digitalen Geodaten
(Geodatenzugangsgesetz – GeoZG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Geodaten werden bei zahlreichen Tätigkeiten der Analyse, Bewertung und Vor-
hersage verwendet, da viele Sachverhalte einen Raumbezug aufweisen. Sie bie-
ten daher bei vielen wirtschaftlichen oder politischen Entscheidungen eine wert-
volle Hilfestellung, um komplexe Sachverhalte zu verstehen und nachteilige
Auswirkungen schon bei Planungen zu begrenzen.

Eine umfassende europäische Geodateninfrastruktur mit einfachem Zugang und
Nutzung von Geodaten ist zurzeit in Europa noch nicht vorhanden. Problema-
tisch sind vor allem Datenlücken, inkompatible Geodatensätze und Geodienste
durch unterschiedliche Normen sowie Hindernisse für die gemeinsame Nutzung
und Weiterführung von Geodaten. Umweltphänomene wie Artenwanderungen,
Windbewegungen und Gewässerverschmutzungen machen jedoch nicht an
nationalen Grenzen halt. Umweltpolitik kann sich daher nicht an nationalen
Grenzen orientieren, sondern muss in Bewirtschaftungseinheiten denken, die
das Hoheitsgebiet von verschiedenen Mitgliedstaaten umfassen kann. Zur Wirk-

Drucksache 16/10909 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

samkeitsüberprüfung von Maßnahmen sind daher interoperable Geodaten, die
grenzüberschreitend genutzt werden können, sowie effiziente Zugangs- und
Nutzungsmöglichkeiten notwendig.

Die Richtlinie 2007/2/EG „Infrastructure for Spatial Information in the Euro-
pean Community“ (INSPIRE-Richtlinie) greift diese Probleme auf, schafft die
wesentlichen Grundlagen für den Aufbau einer europäischen Geodateninfra-
struktur für umweltrelevante Geodaten und setzt den rechtlichen und tech-
nischen Rahmen. Durch die INSPIRE-Richtlinie wird kein umfassendes Pro-
gramm zur Erfassung neuer Geodaten in den Mitgliedstaaten geschaffen. Statt-
dessen wird die Dokumentierung vorhandener Geodaten vorrangig bei öffent-
lichen Stellen verlangt, um die Nutzung bereits verfügbarer Daten zu
optimieren. Des Weiteren soll ein gemeinschaftsweiter einheitlicher Zugang zu
umweltrelevanten Geodaten geschaffen werden. Beschränkungen des Zugangs
zu Geodaten werden von der Richtlinie aus lizenzrechtlichen Gründen und we-
gen des Schutzes personenbezogener Daten zugelassen.

Der Deutsche Bundestag erkennt die Notwendigkeit von qualitativ hochwertig
georeferenzierten Informationen und den Zugang zu diesen Daten ausdrücklich
an. Die Nutzung von Geodaten spielt in allen gesellschaftlichen Bereichen wie
der Wirtschaft, der Forschung, der Politik, der Sensibilisierung der Öffentlich-
keit für verschiedene politische Themen und Bürgerinitiativen eine große Rolle.
Die Möglichkeit der Nutzung dieser Daten muss grundsätzlich bestehen.

Die Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie durch ein Geodatenzugangsgesetz bie-
tet die einmalige Chance, bei der Etablierung einer Geodateninfrastruktur wirk-
same Sicherungen für die informationelle Selbstbestimmung zu etablieren und
die derzeitig bestehende Rechtsunsicherheit bei der Erhebung, Verarbeitung und
Nutzung von Geoinformationen durch die Entscheidung des Gesetzgebers zu
normieren.

Geodaten weisen in erster Linie Informationen über Gegenstände oder Sachen
aus. Die Besonderheit liegt aber darin, dass Informationen über einen Gegen-
stand generell dazu geeignet sind, Auskunft über die Identität, die Merkmale
oder das Verhalten einer Person zu treffen. Zurzeit gibt es keine allgemeinen
Kriterien, die eine trennscharfe Abgrenzung zwischen personenbezogenen Da-
ten und Sachdaten erlauben. Vielmehr wird durch einzelfallbezogene Entschei-
dungen der Verwaltung ein angemessenes Schutzniveau und ein Ausgleich zwi-
schen dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen und dem Informationsbedürfnis
der Öffentlichkeit erreicht. Dies liegt aber vor allem auch daran, dass die bishe-
rigen Zugangsregelungen, wie z. B. die Grundbuchordnung (GBO), für einzel-
fallbezogene und kleine Datenmengen ausgerichtet sind und für die Einsicht
grundsätzlich ein berechtigtes Interesse verlangt wird (z. B. § 12 Abs. 1 Satz 1
GBO). Mit der Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie wird der Zugang zu Geoda-
ten allerdings erheblich erweitert und auf den Massenabruf von Geodaten aus-
gerichtet, so dass eine andere Zugangsqualität erreicht wird. Die Zugangsent-
scheidung kann daher nicht mehr allein der Verantwortung der Verwaltung über-
lassen bleiben, sondern muss unter Beachtung der Wesentlichkeitstheorie in den
Grundzügen vom Gesetzgeber selbst getroffen werden.

Der vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über den Zugang zu digitalen Geodaten
trifft jedoch nur eine unzureichende Entscheidung zu dem Verhältnis zwischen
dem Zugangs- und Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den daten-
schutzrechtlichen Interessen der Betroffenen. Dies wiegt umso gravierender, als
die INSPIRE-Richtlinie teilweise nicht 1:1 umgesetzt wird, sondern noch darü-
ber hinausgeht.

§ 12 Abs. 2 des Gesetzesentwurfs verweist zwar auf die Zugangsregelungen der
§§ 8 und 9 des Umweltinformationsgesetzes und den darin enthaltenen Be-
schränkungen. Damit wird jedoch lediglich die Darlegungslast seitens der Zu-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10909

gangsuchenden verringert. Insbesondere bieten diese Regelungen für den mas-
senhaften Abruf auch keine praxistauglichen Entscheidungshilfen für die Ver-
waltung, da die verantwortlichen Stellen nicht in der Lage sind, die dafür erfor-
derlichen Ressourcen vorzuhalten. Die bestehende Rechtsunsicherheit und die
Verantwortung für die wesentliche Entscheidung, ob ein Personenbezug bei
Geodaten besteht oder nicht, werden an die Verwaltung delegiert und somit ge-
rade nicht in verfassungsgemäßer Weise durch den Gesetzgeber getroffen. Des
Weiteren besteht die Gefahr, dass grundsätzlich veröffentlichungsfähige Geo-
daten tatsächlich nicht online zugänglich gemacht werden können.

Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein hat im
Auftrag der Kommission für Geoinformationswirtschaft eine Studie erstellt
(Datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von Geo-
daten für die Wirtschaft/Ampelstudie), die Geodaten in bestimmte Kategorien
einteilt und dafür unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen vorsieht: Grün be-
deutet freier Zugang, Gelb bedeutet allgemeiner Zugang, schutzwürdige Betrof-
feneninteressen sind zu berücksichtigen, Orange bedeutet Zugang nur bei be-
rechtigtem Interesse, Rot bedeutet kein Zugang. Bestimmten Angaben wie z. B.
Flächenangaben mit einem kleineren Maßstab als 1:10 000 kommt danach in der
Regel kein Personenbezug zu. Dieser Vorschlag berücksichtigt damit einerseits
die Anforderungen, die sich aus dem Grundrecht der informationellen Selbstbe-
stimmung ergeben und bietet andererseits einen praktisch handhabbaren Um-
gang mit den Informationsinteressen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,

a) den nunmehr vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über den Zugang zu digi-
talen Geodaten zurückzuziehen und

b) einen neuen Entwurf eines Gesetzes über den Zugang zu digitalen Geodaten
bis Juni 2009 unter Beachtung der Anforderungen des Grundrechts auf infor-
mationelle Selbstbestimmung zu erarbeiten und vorzulegen, der insbeson-
dere die Ergebnisse der sog. Ampelstudie berücksichtigt.

Berlin, den 11. November 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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