BT-Drucksache 16/10877

Elektromobilität - Für einen bezahlbaren und klimaverträglichen Individualverkehr

Vom 12. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10877
16. Wahlperiode 12. 11. 2008

Antrag
der Abgeordneten Michael Kauch, Horst Meierhofer, Horst Friedrich (Bayreuth),
Angelika Brunkhorst, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer
Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen,
Ulrike Flach, Otto Fricke, Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit
Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun
Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn),
Markus Löning, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk
Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Frank Schäffler, Dr. Konrad Schily, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Max Stadler, Florian Toncar, Dr. Daniel Volk, Christoph Waitz, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Elektromobilität – Für einen bezahlbaren und klimaverträglichen Individualverkehr

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Für eine bezahlbare, energiesparende und klimaverträgliche Mobilität müssen
geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden. Wegweisend sind dafür drei
technische Entwicklungspfade alternativer Antriebe: die Optimierung und Wei-
terentwicklung von Verbrennungsmotoren bei zunehmendem Einsatz von Bio-
kraftstoffen, Fahrzeugkonzepte unter Einsatz von Wasserstoff, insbesondere mit
Hilfe von Brennstoffzellen, sowie elektrische Antriebe. Während die Nutzung
wasserstoffbasierter Technologien im Bereich der Mobilität zögerlicher voran-
schreitet als zunächst erwartet, stellt die Gewinnung und Nutzung von Biokraft-
stoffen der zweiten und dritten Generation Wege in Aussicht, die ökologischen
Probleme eines verstärkten Biomasseanbaus insbesondere in den Schwellen- und
Entwicklungsländern zu reduzieren, mögliche Nahrungsmittelkonkurrenzen wei-
ter zu entschärfen und Kapazitätsgrenzen zu erweitern.

Insbesondere der Entwicklungspfad der Elektroantriebe ist im Eindruck neuerer
Entwicklungen bei der Batterietechnik von erheblicher Dynamik und hat beson-

deres Leistungspotential für eine bezahlbare, energiesparende und klimaverträg-
liche Mobilität der Zukunft. Zwar ist die Reichweite entsprechender Fahrzeuge
im reinen Elektrobetrieb derzeit noch auf wenig mehr als 100 Kilometer be-
schränkt. Realistisch angepeilt wird jedoch bereits eine Reichweite von 250 Ki-
lometern. Elektroantriebe stellen demnach in Aussicht, ein anspruchsvolles öko-
logisches Profil mit einem attraktiven ökonomischen Leistungspotential zu
verbinden. So würde selbst bei einem Strompreis von beispielsweise 25 Cent/KWh

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eine Fahrleistung von 100 Kilometern nur mit rund 4 Euro Verbrauchskosten zu
Buche schlagen. Eine Fahrleistung, die einer konventionellen Tankfüllung mit
Benzin, also einer Reichweite von rund 500 Kilometern entspricht, würde den
Autofahrer bei Elektroantrieb prinzipiell also lediglich rund 20 Euro kosten.
Selbst wenn die für einen wachsenden Anteil von Elektroantrieben erforderliche
Infrastruktur und die Ertüchtigung des Netzes den Strompreis noch einmal dras-
tisch erhöhen würde, wären die Verbrauchskosten im Vergleich zur heutigen
Situation deutlich preiswerter.

Aus ökologischer Sicht ist das Potential der Elektroantriebe insbesondere aus der
Perspektive des Klimaschutzes bemerkenswert. Bei Berücksichtigung der Emis-
sionen bei der Stromerzeugung liegen die durchschnittlichen CO2-Emissionen
eines Elektroautomobils bereits unter den Bedingungen des heutigen Energiemix
bei nur 90 Gramm pro Kilometer. Bei einem weiter zunehmenden Anteil erneu-
erbarer Energien, einem Weiterbetrieb der in Deutschland derzeit an der Strom-
versorgung beteiligten Kernkraftwerke, einer Modernisierung bestehender Koh-
lekraftwerke und der Auslegung neuer Kohlekraftwerke auf die Abscheidung von
CO2 ist eine längerfristige Zielmarke von 60 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer
im Bereich des Möglichen – und zwar ohne weitere finanzielle Belastungen der
Autofahrer, ohne weitere technische Vorschriften bei den Fahrzeugen oder Tem-
polimits und ohne einseitige Belastungen der deutschen Volkswirtschaft im inter-
nationalen Wettbewerb. Hinzu kommt, dass die Elektromobilität weitere positive
Wirkungen in den Ballungsräumen im Blick auf Lärm und Luftqualität hat.

Elektrische Antriebe eröffnen damit die Chance, die CO2-Emissionen des Stra-
ßenverkehrs substanziell und im Rahmen eines konsistenten Gesamtkonzepts zu
verringern. Eine herausragende Chance bietet die Elektromobilität insbesondere
für die effiziente Nutzung erneuerbarer Energien, weil Elektrofahrzeuge eine
dezentrale Speichermöglichkeit für Strom aus fluktuierenden Quellen in Aussicht
stellen. Gerade in Schwachlastzeiten, wenn es (beispielsweise nachts) für diesen
keine anderen Abnehmer gibt, werden die meisten Fahrzeuge kaum genutzt, so
dass sie prinzipiell als Speicher z. B. für Strom aus Windenergie zur Verfügung
stehen könnten. Ohnehin wird ein Privatfahrzeug durchschnittlich weniger als
2 von 24 Stunden des Tages bewegt. In der verbleibenden Zeit könnten mobile
Hochleistungsbatterien der Fahrzeuge künftig als mobile Energiespeicher in die
Energieversorgung integriert werden. Nicht zuletzt eröffnet die Elektromobilität
auch eine zusätzliche Option, die Abhängigkeit vom Öl zu verringern.

Vor diesem Hintergrund müssen die längerfristigen und grundsätzlichen Wei-
chenstellungen beizeiten so vorgenommen werden, dass die Potentiale aller ge-
nannten technischen Entwicklungen von der Privatwirtschaft in den kommenden
Jahren ungehindert genutzt und vorangebracht werden können. Dabei geht es um
das Offenhalten technologischer Entwicklungspfade – auch mit der Unterstüt-
zung zukunftsweisender und verlässlicher politischer Signale.

Zwar muss die Entscheidung, welche Technologie sich durchsetzen wird, letzt-
lich der Markt treffen. Mit Blick auf die politischen Rahmenbedingungen sind
dessen ungeachtet aber konsistente, eindeutige und glaubwürdige Signale unver-
zichtbar. Es gilt sicherzustellen, dass insbesondere für Investitionen in die Ent-
wicklung, Erprobung und den Einsatz von Elektrofahrzeugen langfristig stabile
und transparente Rahmenbedingungen garantiert werden und dass der Verkehrs-
bereich als Chance genutzt wird, Energiepolitik und Klimaschutz in einem kon-
sistenten Gesamtkonzept zu verbinden.

Bewusst bleiben muss, dass es dabei nicht um die Erwartung oder Hoffnung geht,
dass der gesamte individuelle Straßenverkehr in wenigen Jahren schlagartig auf
Elektroantrieb umgestellt wird. Vielmehr werden Elektrofahrzeuge – zunächst
für kürzere Distanzen und in den Ballungsräumen – allmählich an Bedeutung ge-

winnen. Für weitere Distanzen bieten Hybridfahrzeuge die Möglichkeit, die ers-
ten bis zu 100 Kilometer elektrisch zu bewältigen, während im Langstreckenlauf

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z. B. ein leistungsoptimierter Verbrennungsmotor zugeschaltet wird. Der durch-
schnittliche Kraftstoffbedarf wird auf diese Weise dramatisch verringert. Hier
kommt ein großer Vorteil zum Tragen: Elektroantriebe können die konventionel-
len Mobilitätskonzepte zunächst unterstützen, ohne dass völlig neuartige Infra-
struktursysteme entwickelt werden müssten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– für Investitionen in die Entwicklung, Erprobung und den Einsatz von Elektro-
fahrzeugen langfristig transparente und stabile Rahmenbedingungen zu garan-
tieren;

– der Energiespeicherforschung und der Forschung für intelligente Netze (smart
grids) eine noch wichtigere Rolle in der Energieforschung zuzuweisen;

– die Stromsteuer mittels der Versteigerungserlöse aus dem Emissionshandel
deutlich zu senken oder abzuschaffen, um auch die Nutzung von Elektrofahr-
zeugen noch attraktiver zu machen;

– auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, dass der Verkehrssektor auf der
Ebene der Brennstoffhändler (upstream) in den Emissionshandel einbezogen
und die Ökosteuer entsprechend gesenkt wird. Die Autofahrer würden dadurch
nicht zusätzlich belastet, zugleich könnten CO2-arme Antriebe profitieren;

– auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, dass Klimaschutz im Straßenver-
kehr vordringlich durch eine konsequente Nutzung des Emissionshandels und
durch eine verlässliche und glaubwürdige Flankierung des technischen Fort-
schritts angestrebt wird und – wenn überhaupt – dann nur vorübergehend und
ergänzend mit Hilfe bürokratischer Grenzwerte und einseitiger Belastungen
für deutsche Automobilhersteller;

– darauf hinzuwirken, dass in enger Zusammenarbeit mit der Energiewirtschaft
„Park-and-Load-Systeme“ in den Ballungszentren entwickelt und aufgebaut
werden;

– darauf hinzuwirken, dass die Länder und die Träger des öffentlichen Perso-
nen- und Nahverkehrs (ÖPVN) die „Park-and-Ride-Systeme“ schrittweise für
die Elektromobilität ertüchtigen;

– darauf hinzuwirken, dass die Aufgabenträger und Besteller des ÖPNV bei der
Weiterentwicklung der Nahverkehrspläne und bei der Bestellung von Nahver-
kehrsleistungen eine Förderung der Ausrüstung öffentlich genutzter Fahr-
zeuge mit Elektroantrieben oder anderen emissionsarmen Antrieben berück-
sichtigen;

– darauf hinzuwirken, dass die Zusammensetzung der zur Stromerzeugung ein-
gesetzten Energieträger (Energiemix) zur Gewährleistung der Versorgungs-
sicherheit möglichst breit diversifiziert bleibt. Dies bedeutet unter anderem
den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien und auch eine Verlängerung
der Betriebszeiten vorhandener Kernkraftwerke;

– darauf hinzuwirken, dass die Energietransport- und Energieverteilungsnetze
für die direkte Nutzung erneuerbarer Energien für eine breite Nutzung von
Elektroantrieben ertüchtigt werden;

– die Mengenziele für erneuerbare Energien im Stromsektor so anzuheben, dass
sie die Zusatznachfrage für die elektrische Mobilität befriedigen können.

Berlin, den 11. November 2008
Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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