BT-Drucksache 16/10380

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Katrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. zu der zweiten Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung -16/8000, 16/10187- Tourismuspolitischer Bericht der Bundesregierung - 16. Legislaturperiode -

Vom 24. September 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10380
16. Wahlperiode 24. 09. 2008

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Katrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar
Bartsch, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus,
Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill, Michael Leutert, Dorothee Menzner, Dr. Kirsten
Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

zu der zweiten Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksachen 16/8000, 16/10187 –

Tourismuspolitischer Bericht der Bundesregierung
– 16. Legislaturperiode –

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Bundesregierung legte im Februar 2008 ihren Tourismuspolitischen Be-
richt für die 16. Legislaturperiode vor. Dieses fünfzigseitige Papier ist ver-
gleichbar mit einem Reisekatalog: sorgenfrei, bunt, optimistisch, glänzend.
Bestehende Probleme werden negiert bzw. kleingeschrieben.

2. Ausgangspunkt aller Betrachtungen ist im Bericht der Bundesregierung die
Tourismuspolitik als Wirtschaftszweig und Imagefaktor. Durch diese einsei-
tige Betrachtungsweise werden wichtige Funktionen des Tourismus als Bei-
trag für die Erholung, Bildung und Gesundheit unterbelichtet bzw. völlig
negiert.

3. Die Beschäftigten der Tourismuswirtschaft spielen im Bericht kaum eine
Rolle. Dabei hat zum Beispiel fast jede zweite im Gastgewerbe tätige Person
nur ein geringfügig entlohntes Beschäftigungsverhältnis, die meisten von
ihnen sind Frauen, viele mit Migrationshintergrund. Zu der Frage, ob und wie
die in der Tourismuswirtschaft Beschäftigten von ihren Löhnen auch leben
können, schweigt der Bericht. Unakzeptabel ist deswegen der folgende Satz
aus dem Bericht (Seite 16), in dem es um die Wettbewerbsfähigkeit des
Standortes Deutschland geht: „In besonderer Weise profitiert die deutsche
Tourismuswirtschaft auch von der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und
den Möglichkeiten, die geringfügige Beschäftigungsverhältnisse bieten.“

4. Laut Bericht der Bundesregierung ist für eine aktive Tourismuspolitik ledig-
lich der Beauftragte der Bundesregierung für Tourismus verantwortlich, der
zuständige Bundesminister für Wirtschaft und Technologie und seine Staats-
sekretäre sind auf dem Gebiet der Tourismuspolitik kaum wahrnehmbar.

Drucksache 16/10380 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. in den Mittelpunkt ihrer Tourismuspolitik das Ziel „Reisen für alle“ zu stel-
len. Jede und jeder muss die Möglichkeit haben, sich zu erholen, zu verrei-
sen, die Welt anzuschauen. Touristische Angebote sind auch für finanziell
schwache Bevölkerungsschichten zu erschließen, um ihnen breiten Zugang
zu Freizeit, Erholung, Reisen und Urlaub zu ermöglichen. Dazu gehört ins-
besondere die Förderung von Familien, Kindern und Jugendlichen, Seniorin-
nen und Senioren und Menschen mit Behinderung;

2. gesetzlich zu sichern, dass bei der Entscheidung über die Höhe von Leistun-
gen zur Grundsicherung und anderen Sozialleistungen Kosten für angemes-
sene Urlaubsreisen sowie Klassenfahrten berücksichtigt werden. Durch
Schulen ausgerichtete Klassenfahrten – Ziel ist für jede Schulklasse eine
Schulfahrt in jedem Schuljahr – gehören zum staatlichen Bildungsauftrag
und sind nicht Teil touristischer Grundversorgung;

3. sich für die Rechte der im Tourismusgewerbe Beschäftigten zu engagieren.
Dazu gehören Mindestlöhne. Ausbildungsmöglichkeiten und -angebote müs-
sen an aktuelle Entwicklungen angepasst und verbessert werden. Einem Tou-
rismus, der zur Ausbeutung der gastgebenden Bevölkerung, zur Kinderarbeit
und zur Prostitution beiträgt, ist aktiver Widerstand entgegenzusetzen;

4. mit all ihren Möglichkeiten zur Verbesserung der Barrierefreiheit beizutra-
gen. Dazu gehören zum Beispiel klare gesetzliche Regelungen im Baurecht,
die Bindung von steuerlichen Erleichterungen und die Gewährung von
Zuschüssen für Investitionen an die Schaffung bzw. Gewährleistung von
Barrierefreiheit. Ein wesentliches Ziel aller Aktivitäten der Bundesregierung
in der Tourismuspolitik muss die Sicherstellung von Barrierefreiheit in der
gesamten touristischen Kette sein. Grundgedanke ist, dass Barrierefreiheit im
Tourismus mehr Komfort, Bequemlichkeit und damit eine höhere Urlaubs-
qualität für alle Reisenden bringt, egal, ob alt, jung, mit oder ohne Handicap;

5. sich für einen ökologisch verantwortbaren Tourismus einzusetzen. Sanfter
und ressourcenschonender Tourismus ist stärker zu fördern. Dazu gehören
besonders der Fahrrad-, Wander-, Wasser- und Reittourismus. Die Erschlie-
ßung touristischer Regionen durch öffentliche Verkehrsanbindungen mit Bus
und Bahn ist konsequent auszubauen;

6. sich verstärkt für die Entwicklung des Tourismus in ländlichen Räumen ein-
zusetzen und damit auch Verluste an Arbeitsplätzen durch landwirtschaft-
lichen Strukturwandel zu kompensieren.

Berlin, den 23. September 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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