BT-Drucksache 16/10246

zu der zweiten Beratung des Antrags der Bundesregierung -16/10207, 16/10240- Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) auf Grundlage der Resolutionen 1701 (2006) und 1832 (2008) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 11. August 2006 bzw. 27. August 2008

Vom 17. September 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10246
16. Wahlperiode 17. 09. 2008

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Jürgen Trittin, Marieluise Beck (Bremen),
Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Kai Gehring, Thilo Hoppe,
Ute Koczy, Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel
Sarrazin, Rainder Steenblock und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der zweiten Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 16/10207, 16/10240 –

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United
Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) auf Grundlage der Resolutionen 1701
(2006) und 1832 (2008) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom
11. August 2006 bzw. 27. August 2008

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Der Antrag der Bundesregierung beziffert die einsatzbedingten Zusatz-
ausgaben für die 15-monatige Verlängerung der deutschen Beteiligung an
UNIFIL mit bis zu 1 200 Soldatinnen und Soldaten auf rund 89,6 Mio. Euro.
Dagegen nimmt das Mandat weder zur politischen Einbettung der Mission
Stellung, noch werden zivile und diplomatische Beiträge Deutschlands in
Strategie und Mittelansatz beschrieben.

2. Der UNIFIL-Einsatz ist weiterhin ein Beitrag zur Stabilität in der Region
und wird von allen Konfliktparteien ausdrücklich begrüßt. Der Einsatz kann
aber die weiterbestehenden Risiken einer innerlibanesischen sowie regio-
nalen Destabilisierung nicht beseitigen. Der Antrag der Bundesregierung
führt aus, dass sich seit der Verlängerung der Mandatierung des erweiterten
UNIFIL-Einsatzes 2007 „die innen- und außenpolitische Situation des
Libanons stabilisiert“ habe aber „konfliktträchtig“ bleibe. Nicht erwähnt
wird, dass der Libanon im Mai 2008 am Rande eines neuen Bürgerkrieges
stand und die nach dem Doha-Abkommen von Ende Mai 2008 gebildete
Einheitsregierung einen neuen politischen Rahmen bildet. Der derzeitige
Dialog- und Versöhnungsprozess im Libanon muss von der EU und
Deutschland aktiv unterstützt werden.

3. Der Antrag der Bundesregierung hebt hervor, dass UNIFIL MTF bei der
Umsetzung der Resolution 1701 (2006) den Waffenschmuggel auf dem
Seeweg „effektiv verhindert“ habe. Unerwähnt bleiben die weiterhin größte
Herausforderung des Problems der ungesicherten libanesisch-syrischen
Grenze und Vorwürfe über anhaltenden Waffenschmuggel. Die Resolu-

Drucksache 16/10246 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

tion 1701 (2006) beinhaltet die Aufforderung an die libanesische Regierung,
ihre Grenzen zu sichern. Die internationale Gemeinschaft will die libane-
sische Regierung in die Lage versetzen, dies zu gewährleisten. Solange die
Landgrenze nicht effektiv überwacht werden kann, bleibt der Erfolg von
UNIFIL als stabilisierender Kraft partiell.

4. Die Bundesregierung hat mit einem Grenzprojekt zum integrierten Grenz-
management im Norden eine wichtige Verantwortung übernommen. Die vom
Generalsekretär der Vereinten Nationen eingesetzte Kommission LIBAT-II
(Lebanon Independent Border Assessment Team II) hat in ihrem Bericht vom
26. August 2008 festgestellt, dass auch unter Berücksichtigung der schwieri-
gen politischen Lage im Libanon und dem deutschen Pilotprojekt im Norden
Fortschritte zu einer Verbesserung der Grenzsicherheit bisher unzureichend
sind. Der Bericht zitiert Sorgen hinsichtlich der Art und Weise, wie das deut-
sche Grenzprojekt im Norden geplant und ausgeführt wurde. Ein Mangel an
strategischem Konzept und das Fehlen eines detaillierten Implementierungs-
plans werden als mögliche Ursachen der unzureichenden Fortschritte bei der
Schaffung einer effektiven Grenzüberwachung genannt. Das Projekt befinde
sich noch nicht wie geplant in der Konsolidierungsphase. Die Bundesregie-
rung muss gemeinsam mit der EU ihre angekündigten Verpflichtungen ein-
halten und einen breiter angelegten Finanzierungsrahmen beschließen. Auf
der Grundlage einer zu treffenden Entscheidung der neuen libanesischen Re-
gierung muss die Ausdehnung des Projekts an die Ostgrenze ermöglicht und
vorangetrieben werden. Eine anhaltende Verzögerung dieses Prozesses be-
droht den Erfolg der UNIFIL-Mission. Die Zielmarken und die Finanzierung
des Projekts hätten deshalb im Rahmen des Antrags der Bundesregierung
Berücksichtigung finden müssen und sollten unmittelbar festgelegt werden.

5. Die bereits erreichten Fortschritte im syrisch-libanesischen Verhältnis sind
auch mit Blick auf die Grenzsicherung bedeutend und müssen von Deutsch-
land und der EU weiter unterstützt werden. Der LIBAT-II-Bericht hebt hervor,
dass auch die syrischen Behörden in die Kooperation in der Grenzfrage ein-
bezogen werden sollten. Insbesondere die Chancen einer Einbindung Syriens
auf der Grundlage konkreter positiver Schritte der syrischen Regierung
müssen genutzt werden. Das gilt auch für die positive Aufnahme indirekter
Verhandlungen zwischen Syrien und Israel. Die Bundesregierung muss ihren
in Teilen geäußerten Widerstand gegen einen Dialog mit Syrien aufgeben. Der
Erfolg der UNIFIL-Mission wird zentral von den politischen Entwicklungen
im Libanon selbst und in seiner Nachbarschaft abhängen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● sich für eine konsequente Umsetzung der Ziele des VN-Mandats aus der
Resolution 1701 (2006) einzusetzen, insbesondere die libanesische Regie-
rung und die Armee bei der Ausübung ihrer Autorität im gesamten Hoheits-
gebiet zu unterstützen,

● den politischen Prozess zur Stabilisierung und den Dialog- und Versöhnungs-
prozess im Libanon auf Grundlage des Doha-Abkommens zu unterstützen
und so die Voraussetzungen für einen dauerhaften Frieden zu schaffen,

● gemeinsam mit der EU ihren Beitrag zur Grenzsicherung im Rahmen des
Nordprojektes und einer Ausdehnung auf den Osten zu leisten, dafür eine
umfassende Strategie zu entwerfen und einen breit angelegten Finanzie-
rungsrahmen sowie eine funktionierende Geberkoordinierung sicherzu-
stellen,

● angesichts des kritischen LIBAT-II-Berichts eine Evaluierung des deutschen
Grenzprojektes zur integrierten Grenzsicherung im Norden vorzunehmen,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10246

● den Fraktionen des Deutschen Bundestages über den Fortgang des deut-
schen Grenzprojektes als wichtige Voraussetzung zur Schaffung einer effek-
tiven Grenzsicherheit im Libanon zu berichten,

● die Verbesserung im syrisch-libanesischen Verhältnis aktiv zu unterstützen
und im Rahmen der Vereinten Nationen eine Demarkation der Grenze, eine
Lösung der Shebaa-Frage sowie die Aufnahme diplomatischer Beziehungen
zwischen beiden Staaten zu befördern,

● die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und Syrien über die Rückgabe
des Golans und bilaterale Sicherheitsfragen zu unterstützen.

Berlin, den 16. September 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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