BT-Drucksache 16/10184

Versammlungsfreiheit von Lesben und Schwulen in den Staaten des Europarates

Vom 1. September 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10184
16. Wahlperiode 01. 09. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Alexander
Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Winfried
Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Irmingard
Schewe-Gerigk, Rainder Steenblock, Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Versammlungsfreiheit von Lesben und Schwulen in den Staaten des Europarates

Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind elementare Grundrechte der Demo-
kratie. Sie sind von der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert.
Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender haben wie alle Bürgerinnen und
Bürger Europas das Recht, mit friedlichen Demonstrationen auf ihre Probleme
und ihre politischen Forderungen aufmerksam zu machen. Wer dies behindert
oder gar verbietet, verlässt den europäischen Konsens. Es ist die Aufgabe der
Staaten, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit für alle Bürgerinnen und
Bürger zu sichern und diese gegebenenfalls auch gegen Gewalttäter durch-
zusetzen.

Jedes Jahr finden weltweit, so auch in den meisten europäischen Staaten,
Demonstrationen für die Rechte der Lesben und Schwulen statt (Christopher-
Street-Days – CSDs) statt. In einigen Ländern des Europarates sind diese fried-
lichen Demonstrationen und Umzüge von zum Teil gewalttätigen Gegen-
demonstrationen begleitet. Die Versammlungsfreiheit von Lesben und Schwulen
wird in einigen Ländern nicht gewährleistet und die CSDs von vorneherein ver-
boten, oft mit fadenscheinigen Begründungen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat im Mai 2007
der Republik Polen bescheinigt, dass sie Homosexuellendemonstrationen nicht
nur genehmigen muss und nicht willkürlich verbieten darf; der Staat muß viel-
mehr auch die friedlichen Demonstranten vor gewalttätigen Gegnern schützen
(Ba ±czkowski et al. gegen Polen, EGMR 1543/06). Ähnliche Entscheidungen
sind bezüglich der CSD-Verbote in Russland durch den EGMR zu erwarten.

So wurden die diesjährigen CSDs in Moskau und Kischinau – so wie in den
letzten Jahren – durch die Stadtverwaltungen der beiden Städte verboten.
Ebenso wurde der CSD in Budapest zunächst von der Polizei verboten. Dieses
Verbot wurde wieder aufgehoben und der CSD konnte stattfinden, begleitet
von massiven rechtsradikalen Ausschreitungen. Ähnliche Ereignisse gab es in
den baltischen Staaten und in Bulgarien.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Gewährleistung der Versammlungs-
freiheit von Lesben und Schwulen im Geltungsbereich der EMRK, nament-
lich in:

Drucksache 16/10184 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
a) Russland
b) Ukraine
c) Litauen
d) Lettland
e) Estland
f) Georgien
g) Ungarn
h) Polen
i) Bulgarien
j) Rumänien
k) Serbien
l) Türkei
m) Kroatien?

2. In welchen Ländern ist die Versammlungs- und Meinungsfreiheit von Lesben
und Schwulen nach Kenntnis der Bundesregierung in vollem Umfang ge-
währleistet, in welchen Ländern gibt es Einschränkungen, und welche sind
dies?

3. In welchen Ländern des Europarates sind der Bundesregierung Ereignisse
(welche?) bekannt, die gegen die Meinungs-, Versammlungs- und Vereini-
gungsfreiheit von Lesben und Schwulen verstoßen?

4. In welchen Ländern ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Schutz der
Demonstranten durch die Polizei auch bei nicht genehmigten Demonstratio-
nen vor Gewalt und Übergriffen nicht gewährleistet?

Gilt dies generell bei Demonstrationen und Veranstaltungen oder nur für be-
stimmte Gruppen wie Lesben und Schwule?

5. In welchen Ländern kam es bei Versammlungen von Lesben und Schwulen
zu gewalttätigen Ausschreitungen?

a) Von welchen Gruppen (politische oder religiöse Organisationen) gingen
diese Aggressionen aus?

b) Wie reagierten die Sicherheitskräfte darauf?

6. Wie und auf welche Weise spricht die Bundesregierung Verletzungen der
Versammlungs- und Meinungsfreiheit in ihren bilateralen Gesprächen mit
diesen Ländern an?

7. Welche Herausforderungen gibt es nach Meinung der Bundesregierung bei
der Sicherstellung der Menschenrechte von Lesben und Schwulen in den
Ländern des Europarates?

8. Wie reagieren die Europäische Union und die Bundesregierung darauf, dass
auch Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei der Gewährleistung der
Versammlungsfreiheit von Lesben und Schwulen den „acquis commu-
nautaire“ verletzen?

a) Gegen welche dieser Staaten hat die Europäische Kommission welche
Schritte unternommen?

b) In welcher Art und Weise und bei welcher Gelegenheit hat die Bundes-
regierung diese Verletzungen angesprochen?

Berlin, den 1. September 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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