BT-Drucksache 16/1014

Anhaltende Schwierigkeiten mit der Software A2LL der Bundesagentur für Arbeit

Vom 17. März 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1014
16. Wahlperiode 17. 03. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Birgitt Bender, Matthias Berninger, Alexander
Bonde, Dr. Thea Dückert, Anja Hajduk, Markus Kurth, Anna Lührmann, Elisabeth
Scharfenberg, Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, Dr. Harald Terpe, Margareta
Wolf (Frankfurt) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Anhaltende Schwierigkeiten mit der Software A2LL der Bundesagentur für Arbeit

Die Software A2LL (Arbeitslosengeld II – Leistungen zum Lebensunterhalt)
wurde zur Umsetzung der so genannten Hartz-IV-Gesetzgebung für die Er-
fassung und Verwaltung von Arbeitslosengeld-II-Empfängern entwickelt. Seit
Mai 2005 ist T-Systems allein verantwortlich für das Produkt. Anwendung
findet A2LL in den Arbeitsgemeinschaften, die für die Betreuung der ALG-II-
Empfänger vor Ort zuständig sind. Die so genannten Optionskommunen arbei-
ten mit anderen, dezentralen Softwarelösungen.

A2LL wies von Anfang an etliche Fehler auf, die nur mit einem erheblichen
Mehraufwand seitens der Argen bearbeitet bzw. umgangen werden konnten.

● Bereits vor der offiziellen Inbetriebnahme zeigte A2LL Probleme bei der Er-
fassung von Kontonummern und Straßennamen, so dass die Auszahlung des
ALG II zeitweise mit Barschecks bewältigt werden musste.

● Die Bundesagentur für Arbeit stellte Ende Juli 2005 Einmalzahlungen ein,
weil A2LL Probleme bei der Erfassung, Verarbeitung und Überprüfung
dieser Vorgänge aufwies.

● Sanktionen gegen ALG-II-Empfänger können erst seit November 2005 von
A2LL erfasst werden.

● Veränderungsmitteilungen an Krankenkassen werden von A2LL willkürlich
storniert, zugleich werden wegen falscher Beitragssätze monatlich ca.
25 Mio. Euro zuviel an die Versicherungen überwiesen.

● Die Änderung der Hinzuverdienstregelung für ALG-II-Empfänger zum
1. Oktober 2005 konnte nicht über A2LL verarbeitet werden.

● Die Angleichung des ALG-II-Satzes Ost auf Westniveau muss von Januar
2006 mindestens auf den Juli 2006 verschoben werden, weil A2LL die Um-
setzung nicht früher realisieren kann.

● Während der Gesetzesberatungen zur Korrektur des SGB II hat die Bundes-

agentur für Arbeit die Umsetzung weiterer Änderungen mit A2LL (Erweite-
rung Bedarfsgemeinschaft U25, Erstwohnungsbezug U25, Vermeidung von
Doppelrentenversicherungen, Reduzierung Rentenversicherungsbeitrag)
nicht vor dem 1. Januar 2007 in Aussicht gestellt. Trotzdem bestand die Bun-
desregierung auf einem früheren Umsetzungszeitpunkt. Ein Sprecher der
Bundesagentur wies darauf hin, dass unter dieser Voraussetzung die Erfül-

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lung der Kernaufgaben wie die Vermittlung und Beratung von Arbeitslosen
„in erheblichem Umfang“ leiden würden.

In ihrer Antwort auf die mündliche Frage Nr. 14 der Abgeordneten Brigitte
Pothmer, Plenarprotokoll 16/7, S. 368 (A) bezifferte die Bundesregierung die
bis zum Dezember 2005 durch die fehlerhafte Software bei der Bundesagentur
für Arbeit (BA) angelaufene Schadenshöhe auf ca. 28 Mio. Euro. Im Bericht des
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales an den zuständigen Bundestags-
ausschuss hat die Bundesregierung bestätigt, dass die Haftungsverpflichtung
von T-Systems gegenüber der BA aber bereits bei einer Summe von 5 Mio. Euro
endet. Mittlerweile kündigte der Vorsitzende der BA, Klaus Jürgen Weise, an, er
wolle den durch die jüngst beschlossenen Gesetzesänderungen erforderlichen
höheren Aufwand durch die manuelle Umgehung von A2LL dem Bund in Rech-
nung stellen. Die Mehrkosten wurden von der BA auf 30 Mio. Euro beziffert.

Nach wie vor ist nicht absehbar, wann eine funktionsfähige Software für den Be-
reich SGB II zur Verfügung stehen wird.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen konkreten Leistungsumfang sollte A2LL laut Ausschreibung
ursprünglich erfüllen?

2. Bis wann sollte A2LL ursprünglich fertig gestellt sein?

3. Welche Abweichungen und/oder Nachforderungen gegenüber der Ur-
sprungsausschreibung von A2LL hat es gegeben, und worauf waren diese
zurückzuführen?

4. Welches Vertragsvolumen wurde zwischen der BA und T-Systems für die
Entwicklung von A2LL vereinbart?

5. Wurden für vereinbarte Nachforderungen zusätzliche Geldleistungen ver-
einbart, und wenn ja, in welcher Höhe (Stand bis einschließlich März
2006)?

6. Welche Haftungsregelungen wurden bei nicht vertragsgerechter Funktion
und Lieferung von A2LL zwischen T-Systems und der BA vereinbart?

7. Wie ist zu erklären, dass sich die Haftungsansprüche der BA gegenüber
T-Systems auf eine maximale Schadenshöhe von 5 Mio. Euro beschränkt?

8. Wie hoch beziffert die BA aktuell (März 2006) die Schadenssumme, die im
Zusammenhang mit Fehlern von A2LL aufgetreten ist?

9. Welche konkreten Probleme bestehen zurzeit im Zusammenhang mit A2LL

a) zentral bei der Bundesagentur für Arbeit?

b) dezentral bei den Arbeitsgemeinschaften?

10. Innerhalb welchen Zeitraums sollen die jeweiligen Probleme behoben sein?

11. Auf welche Summe werden sich nach Schätzungen der Bundesregierung die
Schäden bis zur Behebung der Probleme aufaddieren?

12. Rechnet die Bundesregierung damit, dass A2LL jemals voll funktionsfähig
sein wird?

13. Wann wird das Abstimmungsverfahren bei der BA zur Prüfung der weiteren
Handlungsalternativen abgeschlossen sein, über welches das Bundesminis-
terium für Arbeit und Soziales im Rahmen seines Berichts an den zuständi-
gen Bundestagsausschuss informiert hat?

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14. Welche Alternativen werden konkret im Rahmen dieses Verfahrens geprüft?

15. Welche zusätzlichen Kosten erwartet die Bundesregierung jeweils für die in
Prüfung befindlichen Alternativen?

16. Zu welchen Ergebnissen ist die am 1. August 2005 in der Rahmenverein-
barung zwischen dem damaligen Bundesministerium für Wirtschaft und
Arbeit, der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Spitzenverbän-
den vereinbarte Prüfung dezentraler Möglichkeiten der Datenverarbeitung
gekommen?

17. Welche Kenntnis besitzt die Bundesregierung über die Funktionstüchtigkeit
der in den Optionskommunen eingesetzten Software, auch im Hinblick auf
die Adaption der seit dem vergangenen Jahr vorgenommenen Änderungen
im SGB II?

18. Wie positioniert sich die Bundesregierung gegenüber Forderungen von
Kommunen (zuletzt vom Städtetag und vom Landkreistag Nordrhein-West-
falen), neben A2LL in den Arbeitsgemeinschaften auch andere Anwendun-
gen zuzulassen?

19. Wie rechtfertigt sich aus Sicht der Bundesregierung die Schwerpunkt-
setzung in den Argen zu Ungunsten der Beratung und Vermittlung in Arbeit,
die durch die von der Bundesregierung und den sie tragenden Fraktionen ge-
forderten frühzeitigen Umsetzung der neuerlichen Änderungen des SBG II
entsteht, obwohl die Bundesagentur im Vorfeld darauf hinwies, dass darun-
ter die Vermittlungs- und Beratungsarbeit „in erheblichem Umfang“ leiden
werde?

20. Wie viel Personal wird der Bundesregierung zufolge zusätzlich gebunden,
um die Änderungen des SGB II in Form von so genannten Umgehungslö-
sungen, die zur Kompensation der Funktionsmängel von A2LL eingesetzt
werden, umzusetzen?

21. Entstehen durch die laufenden Anpassungen der Software A2LL zusätz-
liche Schulungsbedarfe bei den Mitarbeitern der BA und der Argen, und
wenn ja, wie viele Mitarbeiter sind davon betroffen, bis wann sollen die
Schulungen abgeschlossen sein, und welche zusätzlichen Kosten werden
dafür veranschlagt?

22. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung gegenüber der Forderung der
BA, dem Bund die Kosten für den personellen Mehraufwand auf Grund der
im Februar 2006 beschlossenen Gesetzesänderungen im SBG II in Höhe
von rund 30 Mio. Euro in Rechnung zu stellen?

23. Welches Verhältnis besteht im personellen Aufwand bei den Arbeitsge-
meinschaften zwischen der Leistungsgewährung und der Beratungs- und
Vermittlungsarbeit nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit?

a) Welches Verhältnis war demgegenüber ursprünglich anstrebt?

b) Welchen personellen (prozentual und absolut) Mehraufwand haben die
Probleme mit A2LL bei der Leistungsgewährung in den Arbeitsgemein-
schaften verursacht?

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24. Plant die Bundesregierung weitere Gesetzesänderungen, die aller Voraus-
sicht nach weitere Schwierigkeiten mit A2LL verursachen, und wenn ja,

a) welche?

b) zu welchem Zeitpunkt sollen die geplanten Änderungen jeweils in Kraft
treten und mit welchem personellen Mehraufwand zur manuellen Umset-
zung dieser Änderungen in den Argen, und mit welchen Zusatzkosten
rechnet die Bundesregierung?

Berlin, den 17. März 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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