BT-Drucksache 15/741

Offensive für Ausbildung - Modernisierung der beruflichen Bildung

Vom 1. April 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/741
15. Wahlperiode 01. 04. 2003

Antrag
der Abgeordneten Willi Brase, Jörg Tauss, Doris Barnett, Klaus Barthel
(Starnberg), Dr. Axel Berg, Ute Berg, Hans-Werner Bertl, Klaus Brandner,
Ulla Burchardt, Wolfgang Grotthaus, Klaus Hagemann, Hubertus Heil,
Rolf Hempelmann, Walter Hoffmann (Darmstadt), Ulrich Kasparick,
Anette Kramme, Nicolette Kressl, Angelika Krüger-Leißner, Ernst Küchler,
Christian Lange (Backnang), Lothar Mark, Christian Müller (Zittau),
Gesine Multhaupt, Dr. Carola Reimann, René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann,
Karin Roth (Esslingen), Thomas Sauer, Wilhelm Schmidt (Salzgitter),
Heinz Schmitt (Landau), Wilfried Schreck, Swen Schulz (Spandau),
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, Dr. Rainer Wend, Andrea Wicklein, Engelbert Wistuba,
Franz Müntefering und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Grietje Bettin, Dr. Thea Dückert, Kerstin Andreae,
Volker Beck (Köln), Ekin Deligöz, Jutta Dümpe-Krüger, Christine Scheel,
Irmingard Schewe-Gerigk, Werner Schulz (Berlin), Petra Selg,
Silke Stokar von Neuforn, Katrin Dagmar Göring-Eckardt, Krista Sager
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Offensive für Ausbildung – Modernisierung der beruflichen Bildung

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Berufsausbildung im dualen System ist für die große Mehrheit der Jugend
die Grundlage für dauerhafte Beschäftigungsfähigkeit und berufliche wie
persönliche Entwicklung. Sie sichert der Wirtschaft modern ausgebildeten
Fachkräftenachwuchs und ist damit eine wesentliche Basis für die Innovations-
und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.
In den vergangenen Jahren ist es gelungen, die Ausbildungschancen junger
Menschen deutlich zu verbessern. Erstmals seit vielen Jahren konnte in den
Jahren 2000 und 2001 ein ausreichendes Angebot an Ausbildungsplätzen zur
Verfügung gestellt werden. Diese positive Entwicklung wurde entscheidend
gefördert durch eine Reihe von Maßnahmen, die die Bundesregierung in Ko-
operation mit den Sozialpartnern in die Wege geleitet hat.
Grundlage für die Verbesserung der Situation auf dem Ausbildungsmarkt war
der im Bündnis für Arbeit vereinbarte Ausbildungskonsens mit dem Kernstück
der regionalen Ausbildungskonferenzen, die zu einer besseren Koordination
regionaler Aktivitäten und zur Entwicklung von auf die regionalen Besonder-
heiten abgestimmten Konzepten erheblich beigetragen haben. Die im Bündnis
vereinbarte Zielgröße von 60 000 betrieblichen Ausbildungsplätzen in der IT-
Branche bis 2003 wurde bereits deutlich übertroffen. Zu Beginn des Ausbil-

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dungsjahres 2002 befanden sich 77 000 Jugendliche in einer entsprechenden
Ausbildung.
Die von der Bundesregierung aufgelegten Programme zur Schaffung von Aus-
bildungsplätzen in den neuen Ländern haben erheblich dazu beigetragen, die
besonders schwierige Situation im Osten Deutschlands zu entschärfen. Rund
400 Mio. Euro wurden zwischen 1999 und 2002 hierfür bereit gestellt. Mehr als
60 000 junge Menschen haben durch diese Programme Ausbildungsmöglich-
keiten erhalten. Durch das BMBF-Sonderprogramm des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung „Ausbildungsplatzentwickler“ konnten im Ausbil-
dungsjahr 2001/2002 mehrere tausend Ausbildungsplätze eingeworben werden.
Einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Ausbildungschancen hat auch
das Jugendsofortprogramm geleistet, für dessen Finanzierung seit 1999 jährlich
über 1 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt wurden. Seit dem Beginn des
Programms im Jahr 1999 bis zum Ende des Jahres 2002 erhielten über 500 000
Jugendliche eine zusätzliche Chance auf eine Beschäftigung oder Ausbildung.
Mit den ausbildungsfördernden Elementen des Jugendsofortprogramms wur-
den seit 1999 bis Ende des Jahres 2001 mehr als 60 000 zusätzliche betriebliche
Ausbildungsstellen gewonnen und außerdem rund 37 000 junge Menschen in
außerbetriebliche Ausbildung aufgenommen.
Mit mehr als 2 Mrd. Euro jährlich wurden darüber hinaus Maßnahmen zur
beruflichen Integration von leistungsschwächeren, sozial benachteiligten, be-
hinderten und ausländischen Jugendlichen im Rahmen von Leistungen nach
dem SGB III gefördert.
Im Sommer 2000 wurde die Programmplattform „Entwicklung und Chancen“
(E&C), das Komplementärprogramm zu dem Bund-Länder-Programm „Die
Soziale Stadt – Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf“ ins Leben ge-
rufen. Das Programm ermöglicht zahlreiche Maßnahmen zur beruflichen Inte-
gration von Jugendlichen aus sozialen Brennpunkten.
Um ein bedarfsgerechtes Angebot an Berufsbildern zu gewährleisten, wurde
die Modernisierung von Ausbildungsberufen mit Nachdruck vorangetrieben.
Zwischen 1999 und 2002 wurden insgesamt 56 Berufe modernisiert und
18 neue Berufe geschaffen.
Durch diese Anstrengungen konnte auch im Ausbildungsjahr 2001/2002 – trotz
eines deutlichen Rückgangs der betrieblichen Ausbildungsverträge – nach Ab-
schluss der Nachvermittlung eine rechnerisch ausgeglichene Ausbildungsbi-
lanz erreicht werden.
Nicht zuletzt bedingt durch die weiterhin angespannte konjunkturelle Lage gibt
die aktuelle Situation auf dem Ausbildungsmarkt trotz alledem Anlass zu tiefer
Sorge. Der Bundesanstalt für Arbeit wurden im Monat Februar 2003 über
54 000 Ausbildungsplätze weniger gemeldet als im Vorjahresmonat. Dies be-
deutet einen Rückgang der betrieblichen Ausbildungsplätze um 13,1 Prozent.
Insgesamt fehlen zurzeit ca. 110 000 betriebliche Ausbildungsplätze. Auch
wenn diese Zahl angesichts des erst im August beginnenden Ausbildungsjahres
als sehr vorläufig anzusehen ist, gibt sie doch einen Trend wieder.
Vor diesem Hintergrund betont der Deutsche Bundestag die Verantwortung der
Unternehmen für die Bereitstellung einer ausreichenden Zahl von Ausbildungs-
plätzen. Dies ist nicht nur eine gesellschaftliche Verpflichtung, der die Wirt-
schaft nachzukommen hat, sondern es liegt im Eigeninteresse der Unterneh-
men. Die qualifizierte Ausbildung aller Jugendlichen ist gerade auch angesichts
der mittelfristigen demographischen Entwicklung notwendig, um einem gravie-
renden Fachkräftemangel vorzubeugen.
Lediglich rund 30 Prozent der deutschen Unternehmen bilden Jugendliche aus.
Der Deutsche Bundestag appelliert deshalb mit Nachdruck an die Wirtschaft,
ihre Anstrengungen zur Bereitstellung einer ausreichenden Zahl von Ausbil-

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dungsplätzen umgehend zu intensivieren. Wirtschaftsverbände und Gewerk-
schaften sind insbesondere aufgefordert, Betriebe, die ausbilden könnten, aber
dies bislang nicht tun, durch wirkungsvolle Mobilisierungsaktionen dazu zu ge-
winnen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Gefordert sind zugleich auch
alle anderen Akteure, die zu den Erfolgen der vergangenen Jahre ihren Beitrag
geleistet haben. Dies gilt für die Bundesregierung, die ausgleichende Maßnah-
men für Problemgruppen und -regionen fortsetzen muss. Dies gilt auch für die
Bundesanstalt für Arbeit, die die bewährte Förderung der Berufsvorbereitung
und Berufsausbildung von noch nicht ausbildungsfähigen, behinderten und be-
nachteiligten Jugendlichen nach dem Sozialgesetzbuch III auf hohem Niveau
fortsetzen muss.
Über den akuten Handlungsbedarf hinaus sind Reformen im Bereich der beruf-
lichen Bildung notwendig, die dazu beitragen, das im Grundsatz bewährte
System der dualen Ausbildung konjunkturunabhängiger zu gestalten und an
aktuelle Entwicklungen wie die zunehmende europäische Integration und den
steigenden Qualifikationsbedarf anzupassen.
Der Deutsche Bundestag begrüßt,
– die Ankündigung der Bundesregierung, zeitnah eine Ausbildungsoffensive

zu beginnen, um Unternehmen an ihre Verantwortung für die Ausbildung
junger Menschen zu erinnern und staatliche Programme noch zielgenauer zu
gestalten. Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften sind aufgerufen, sich
aktiv und mit eigenen zusätzlichen Beiträgen und Initiativen an dieser Aus-
bildungsoffensive zu beteiligen;

– die fortgesetzten Bemühungen um eine Modernisierung und Neuschaffung
von Ausbildungsberufen, die noch in diesem Jahr voraussichtlich zum In-
krafttreten von mehr als zwanzig modernisierten Ausbildungsordnungen
führen werden;

– die Verstetigung der Mittel für die Ausbildungsprogramme in den neuen
Ländern;

– die Integration der Berufsausbildungsvorbereitung für alle noch nicht ausbil-
dungsfähigen Jugendlichen in das Berufsbildungsgesetz im Zuge der Hartz-
Reformen;

– die Öffnung des im Zuge der Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommis-
sion aufgelegten Programms „Kapital für Arbeit“, das ursprünglich auf die
Schaffung neuer Arbeitsplätze in mittelständischen Betrieben zielte, auch
für die Schaffung von Ausbildungsplätzen.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– die deutsche Wirtschaft mit Nachdruck an ihre gesellschaftliche Verpflich-

tung aus Artikel 14 Abs. 1 und 2 GG zur Ausbildung junger Menschen und
ihre Zusagen aus dem Bündnis für Arbeit zu erinnern. Die deutsche Wirt-
schaft, die die Hauptverantwortung für die gegenwärtige Lage auf dem Aus-
bildungsmarkt trägt, muss alle Anstrengungen unternehmen, um das betrieb-
liche Ausbildungsangebot im Jahr 2003 deutlich auszuweiten mit dem Ziel,
jedem Jugendlichen, der will und kann, ein Ausbildungsangebot machen zu
können. Sollten die Unternehmen ihrer Verantwortung nicht gerecht werden,
sind gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen, um durch Steuern, Abgaben und
andere Instrumente die Schaffung zusätzlicher betrieblicher Ausbildungs-
plätze zu erreichen. Dabei sind bestehende Modelle einer finanziellen Betei-
ligung nicht ausbildender Betriebe im Hinblick auf die Wirksamkeit zu
prüfen. Grundsätzliches Ziel muss die ausreichende Bereitstellung von be-
trieblichen Ausbildungsplätzen unabhängig von der Konjunkturentwicklung
sein;

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– Konzepte zu prüfen und auf den Weg zu bringen, wie der Bund zur Weiter-
führung der erfolgreichen Ausbildungs- und Integrationsprogramme für
Jugendliche, beispielsweise durch die Kommunen und Arbeitsämter über
zweckgebundene Mittelzuweisungen und gesetzliche Rahmenbedingungen
beitragen kann;

– eine Untersuchung über die seit Verabschiedung des Berufsbildungsgesetzes
1969 grundsätzlich veränderten Finanzierungsströme im Gesamtspektrum
der beruflichen Erstausbildung, die durch die zunehmende Verschiebung der
Ausbildungslasten auf die öffentliche Hand entstanden ist, auf den Weg zu
bringen;

– das in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsene Ausbildungs-
platzangebot in ihrem unmittelbaren Zuständigkeitsbereich auch im Jahr
2003 auszubauen. Alle öffentlichen Verwaltungen sind aufgefordert, diesem
Beispiel zu folgen. Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften sind aufgefor-
dert, auch in ihren Organisationen das Ausbildungsplatzangebot zu erhöhen;

– Möglichkeiten zu prüfen, inwieweit bürokratische Hindernisse bei der
Erlangung der Ausbildereignung für ausbildungswillige Betriebe, die über
einen längeren Zeitraum erfolgreich geführt wurden, abgebaut werden
können;

– ihre Bemühungen um eine schnellere Modernisierung und Neuschaffung
von Ausbildungsberufen fortzusetzen. Insbesondere wird es darauf ankom-
men, bei der Einleitung von Verfahren zur Neuordnung die Abstimmung und
Entscheidung über plausible Vorschläge zu beschleunigen und die Gremien-
arbeit weiter zu straffen;

– angesichts der zunehmenden Dringlichkeit des Problems von Jugendlichen
mit Lernschwierigkeiten und arbeitsmarktfernen Jugendlichen ihre Aktivitä-
ten zu intensivieren, um die Integration der Berufsausbildungsvorbereitung
noch nicht ausbildungsfähiger Jugendlicher in das Berufsbildungsgesetz
schnell praktisch umzusetzen und die Entwicklung von Qualifizierungsbau-
steinen, die sich an den Ausbildungsordnungen orientieren, zu unterstützen
sowie die hierzu erforderliche Rechtsverordnung zügig zu erlassen. Dabei ist
sicherzustellen, dass Maßnahmen der Berufsvorbereitung auf eine Berufs-
ausbildung im dualen System angerechnet werden können. Wirtschaftsver-
bände und Gewerkschaften sind aufgefordert, die zertifizierten Qualifizie-
rungsbausteine in der Breite anzuwenden und die Beteiligung von Betrieben
an der Ausbildungsvorbereitung mit dem Ziel, mehr Jugendliche an eine be-
triebliche Berufsausbildung heranzuführen, in den Regionen aktiv und breit
zu unterstützen. Maßnahmen der Jugendberufshilfe müssen verstärkt an
diesen Qualifizierungsbausteinen ausgerichtet sein. Zur Flankierung muss
das SGB III für die Förderung von Begleitmaßnahmen entsprechend der
ausbildungsbegleitenden Hilfen geöffnet werden;

– an dem Berufskonzept als Leitlinie für die Berufsausbildung im dualen Sys-
tem festzuhalten und zu deren Flexibilisierung verstärkt moderne Struktur-
elemente wie Schwerpunkte und Bausteine zu nutzen, um mehr Betriebe für
die Berufsausbildung zu gewinnen. Erstausbildung muss in die Berufsfähig-
keit einmünden. Die Berufsausbildung junger Menschen muss dabei mit den
Qualifikationsanforderungen der Betriebe für ihren Fachkräftenachwuchs
im Einklang stehen. Dem Standard von Berufsausbildungen auf Facharbei-
terniveau müssen anerkannte Ausbildungsberufe regelmäßig genügen. Kurz-
ausbildungen genügen diesem Anspruch nicht. Im Zusammenhang mit der
Reform des Berufsbildungsgesetzes sind differenzierte, auch modulare Aus-
bildungswege zu schaffen, um Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten und
arbeitsmarktfernen Jugendlichen eine bessere Chance auf Ausbildung und
spätere Beschäftigung zu geben. Dabei ist sicherzustellen, dass über den

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schrittweisen Erwerb von weiteren Qualifikationen eine anerkannte Berufs-
ausbildung erreicht werden kann. Die Schaffung modularer Ausbildungs-
wege in besonderen Ausbildungssituationen ist durch die Einrichtung von
Modellprojekten zu prüfen, um möglichst vielen Jugendlichen den Zugang
zu einer vollständigen Berufsausbildung zu ermöglichen. Um Jugendlichen
mit Anlaufschwierigkeiten den Erwerb einer beruflichen Qualifikation zu
erleichtern, sollten Ausbildungsteilleistungen auf eine Berufsausbildung im
dualen System anrechenbar sein;

– die Bemühungen fortzusetzen, jungen Frauen die Entscheidung für eine
Ausbildung in naturwissenschaftlichen und technischen Berufsfeldern zu
erleichtern und sie darin zu unterstützen, ihr Berufswahlspektrum zu erwei-
tern. Der Frauenanteil bei Ausbildungsgängen in den neuen IT- und Medien-
berufen sollte deutlich gesteigert werden. Gezielte Aktionen wie beispiels-
weise der girl’s day sind fortzusetzen, gleichzeitig sollten neue Wege zur
Frauenförderung im technischen, naturwissenschaftlichen und im IT-Bereich
beschritten werden;

– die Durchlässigkeit des Berufsbildungssystems durch die verbesserte Be-
rücksichtigung informell erworbener Kompetenzen, durch die Verzahnung
von Ausbildungsvorbereitung und Berufsausbildung, die systematische Ver-
bindung von beruflicher Aus- und Weiterbildung und durch Verwirklichung
breiterer Übergangsmöglichkeiten von der Weiterbildung in den tertiären
Bereich zu verbessern. Die berufliche Weiterbildung muss zum zweiten
Königsweg entwickelt werden, der faktisch dem akademischen Bereich
gleichwertige Qualifikationen, etwa durch Weiterbildungsmöglichkeiten
über die Meister- und Technikerebene hinaus, innerhalb des Berufsbildungs-
systems erlaubt. In einem Konzept lebensbegleitenden Lernens sind als Ein-
zelmaßnahmen der Hochschulzugang für Absolventen des dualen Systems
und die Strukturierung der Weiterbildung in eigenständigen, kumulierbaren
Modulen zu prüfen;

– ihre Initiativen zur internationalen und europäischen Öffnung der beruf-
lichen Bildung entschlossen fortzusetzen. Für das exportabhängige Deutsch-
land mit neun Nachbarstaaten und seiner geografischen Nähe zu Osteuropa
und wichtigen EU-Beitrittstaaten ist dies von besonderem Interesse. Wirt-
schaft und Bundesregierung sind aufgerufen, die grenzübergreifende Mobi-
lität und Auslandsqualifikationen von Auszubildenden, die Vereinbarung
europäischer Berufsbildungsprojekte, das internationale Marketing des Wei-
terbildungsstandorts Deutschland und die Anrechenbarkeit von Auslands-
qualifikationen zu verstärken und zu verbessern. Insbesondere sind die
Anstrengungen der Bundesregierung mit Blick auf den Aufbau eines Credit-
Transfer-Systems in der beruflichen Bildung, eines ganzheitlichen Beschei-
nigungssystems für berufliche Qualifikationen sowie europäischer Quali-
tätssiegel zu verstärken;

– den Ausbau der Kooperation der berufsbildenden Lernorte voranzutreiben.
Hierbei ist der Schwerpunkt zu legen auf die Regelung der Anrechnung der
berufsschulischen Leistungen in den Abschlussprüfungen im Rahmen des
Berufsbildungsgesetzes. Die Bundesregierung wird aufgefordert, zusammen
mit den Bundesländern die Erarbeitung eines bundeseinheitlichen Anrech-
nungssystems zu prüfen;

– in Abstimmung mit den Bundesländern die Kompetenzen der Berufsbil-
dungsausschüsse mit Blick auf das Prüfungswesen und die Kontrolle der
Ausbildungsbetriebe zu erweitern sowie die Stellung der Berufsbildungsaus-
schüsse zu den für die betriebliche Ausbildung zuständigen Kammern zu
überprüfen. Dabei sind die pädagogischen Fachkräfte und die Vertreter der
Jugendberufshilfe stärker einzubeziehen;

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– zur Ausschöpfung des Qualitätspotentials der beruflichen Ausbildung ist die
regionale Kooperation und Verantwortung aller Akteure vor Ort unverzicht-
bar. Hierzu gehören ausbildende Betriebe, Kammern, Gewerkschaften, Be-
rufsschulen, aber auch die Arbeitsverwaltung, die Jugendberufshilfe und die
Träger außerbetrieblicher Ausbildung. Die Bundesregierung wird aufgefor-
dert, durch geeignete Maßnahmen diese regionale Verantwortung zu stärken;

– in Abstimmung mit den Bundesländern die Anstrengungen zur Verbesse-
rung des Niveaus der Allgemeinbildung der Auszubildenden zu verstärken;

– erfolgreiche Ansätze aus der letzten Legislaturperiode zur Modernisierung
der beruflichen Bildung zu einer breiten Reform der beruflichen Bildung zur
weiteren Sicherung eines ausreichenden Ausbildungsangebotes und der
Zukunftsfähigkeit der beruflichen Bildung weiterzuentwickeln. Hierbei soll-
ten folgende Schwerpunkte Berücksichtigung finden:
– Maßnahmen zur ausreichenden Bereitstellung von Ausbildungsplätzen

unabhängig von der Konjunkturentwicklung auf Basis einer Gesamtsicht
der existierenden Finanzierungsströme;

– Modernisierung, Entbürokratisierung und Flexibilisierung der Ausbil-
dung;

– Ausbildung für alle und Förderung Jugendlicher mit schlechten
Startchancen;

– Stärkung der Bildungs- und Ausbildungschancen von Jugendlichen mit
Migrationshintergrund;

– Förderung der gleichberechtigten Teilhabe von Jugendlichen mit Behin-
derungen an Ausbildungs- und Bildungsangeboten;

– Verwirklichung von Durchlässigkeit und Gleichwertigkeit beruflicher
Bildung;

– internationale Öffnung der Berufsbildung;
– Qualitätssicherung der beruflichen Weiterbildung;
– Verbesserung der Lernortkooperation;
– Ausbau des Geltungsbereichs des Berufsbildungsgesetzes;
– Stärkung regionaler Verantwortung.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, die zur Umsetzung dieser Reform
erforderliche Novellierung des Berufsbildungsrechtes zügig anzugehen.

Der Deutsche Bundestag appelliert an die Sozialpartner, dafür Sorge zu tragen,
dass zukünftig in Tarifverträgen vermehrt verbindliche und nachprüfbare quan-
titative Vereinbarung zur Schaffung zusätzlicher betrieblicher Ausbildungs-
plätze getroffen werden, wie dies in einzelnen Tarifverträgen bereits modellhaft
geschieht. Darüber hinaus appelliert der Deutsche Bundestag an die Kammern,
Unternehmen die Ausbildungsplätze bereitstellen, in angemessenem Umfang
von Kammerbeitragszahlungen zu entlasten.

Berlin, den 1. April 2003
Franz Müntefering und Fraktion
Katrin Dagmar Göring-Eckardt, Krista Sager und Fraktion

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