BT-Drucksache 15/599

zu der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung -15/105- Fünfter Bericht der Bundesrepublik Deutschlandzum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW)

Vom 12. März 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/599
15. Wahlperiode 12. 03. 2003

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Renate Gradistanac, Sabine Bätzing, Ute Berg, Elke Ferner,
Angelika Graf (Rosenheim), Kerstin Griese, Christel Humme, Nicolette Kressl,
Christine Lehder, Caren Marks, Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Anton Schaaf,
WilhelmSchmidt (Salzgitter), Rita Streb-Hesse, AndreasWeigel, JürgenWieczorek
(Böhlen), Franz Müntefering und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Ekin Deligöz, Josef Philip
Winkler, Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, Jutta Dümpe-Krüger, Markus Kurth,
Christa Nickels, Hans-Christian Ströbele, Katrin Dagmar Göring-Eckardt,
Krista Sager und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 15/105 –

Fünfter Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum
Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung
jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW)

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von
Diskriminierung der Frau vom 18. Dezember 1979 (CEDAW) ist das grundle-
gende und weitreichendste völkerrechtliche Übereinkommen zum Schutz der
Rechte von Frauen in allen Lebensbereichen. Es stellt unmissverständlich klar,
dass Frauenrechte Menschenrechte sind. Trotzdem gibt es immer wieder Versu-
che, die Menschenrechte der Frauen nicht als Bestandteil der allgemeinen Men-
schenrechte anzuerkennen.
Für die Bundesrepublik Deutschland trat das Übereinkommen am 9. August
1985 in Kraft. Im Januar 2002 hat die Bundesrepublik Deutschland das Fakul-
tativprotokoll zum CEDAW-Übereinkommen ratifiziert, das im April 2002 für
Deutschland in Kraft getreten ist. Es hat die Möglichkeit der Individual-
beschwerde- und Untersuchungsverfahren vor dem UN-CEDAW-Ausschuss
geschaffen. Damit gibt es neben den Staatenberichten zwei zusätzliche Kont-
rollinstrumente für die Beachtung der Bestimmungen des Übereinkommens.
Einzelne Frauen oder Frauenverbände können nun – nach Ausschöpfung des
innerstaatlichen Rechtsweges – einen persönlichen Diskriminierungsfall vom
Ausschuss zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung auf UN-Ebene
überprüfen lassen.

Drucksache 15/599 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die Bundesregierung hat gemäß Artikel 18 des Übereinkommens die Ver-
pflichtung, alle vier Jahre dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zur Be-
ratung im CEDAW-Ausschuss einen Bericht vorzulegen. Dieser muss Aussa-
gen zu den zur Durchführung dieses Übereinkommens getroffenen Gesetzge-
bungs-, Gerichts-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen enthalten und die
diesbezüglichen Fortschritte aufzeigen.
Der von der Bundesregierung vorgelegte fünfte Staatenbericht zum CEDAW-
Übereinkommen baut auf dem Erstbericht auf und beschreibt die Entwicklung
der Gleichberechtigung in Deutschland seit 1998. Er ist eine aktualisierte Fas-
sung des vierten Staatenberichtes und macht die Weiterentwicklung der letzten
vier Jahre deutlich. Dabei werden die Erfolge der Gleichstellungspolitik in
Deutschland sichtbar, die alle Lebensbereiche von Frauen und alle Politikfelder
durchziehen.
Vieles von dem was der CEDAW-Ausschuss bei der Prüfung des vierten
CEDAW-Berichts von 1998 in seiner 464. und 465. Sitzung noch anmahnte, hat
die Bundesregierung seit 1998 umgesetzt.
Durch den Rechtsanspruch auf Teilzeit und das neue Elternzeitgesetz sind
wichtige Regelungen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Be-
ruf geschaffen worden, die zum Abbau stereotyper Rollen- und Aufgabenver-
teilung von Frauen und Männern beitragen.
Mit dem Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst fördert die Bundes-
regierung die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und verhindert Diskrimi-
nierung.
Zum Schutz von Frauen vor Gewalt hat die Bundesregierung das Gewalt-
schutzgesetz beschlossen und trägt damit zur weiteren gesellschaftlichen Äch-
tung von Gewalt gegen Frauen bei.
Den Bedenken des CEDAW-Ausschusses zur sozialen Lage von Migrantinnen
ist die Bundesregierung unter anderem durch die Änderung der ausländerge-
setzlichen Regelung zum eigenständigen Aufenthaltsrecht ausländischer Ehe-
frauen nachgekommen, durch das ausländische Ehepartnerinnen bereits nach
zwei Jahren ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhalten.
Den Empfehlungen des CEDAW-Ausschusses ist die Bundesregierung auch bei
der Verbesserung des Schutzes von Prostituierten gefolgt. Durch das „Gesetz
zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten“ sind
Prostituierte arbeits- und sozialrechtlich besser abgesichert.
Das neue Lebenspartnerschaftsgesetz stellt gleichgeschlechtliche Partnerschaf-
ten unter staatlichen Schutz und trägt so zum weiteren Abbau geschlechtsspezi-
fischer Diskriminierung bei.
Der erste Teil des fünften Staatenberichtes befasst sich mit den Lebensbedin-
gungen von Frauen in der Bundesrepublik Deutschland, während der zweite
Teil den Bestimmungen des Übereinkommens und ihrer Umsetzung gewidmet
ist. Vorangestellt ist eine ausführliche Stellungnahme der Bundesregierung zum
Prüfbericht des CEDAW-Ausschusses.
Die Menschenrechte von Frauen weltweit und national zu schützen muss einen
prominenten Platz auf der politischen Tagesordnung einnehmen. Der Deutsche
Bundestag begrüßt den Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen, den die Bundes-
regierung 1999 beschlossen hat. Die in ihm enthaltenen Maßnahmen sind zwi-
schenzeitlich umgesetzt bzw. auf den Weg gebracht. So ist am 1. Januar 2002
das Gewaltschutzgesetz zur Bekämpfung häuslicher Gewalt in Kraft getreten.
Es bedarf auch weiterhin der intensiven Kooperation aller staatlichen und
nichtstaatlichen Akteurinnen und Akteure auf nationaler und internationaler
Ebene mit dem Ziel, ein Klima zu schaffen, in dem Gewalt gegen Frauen kon-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/599

sequent geächtet und verfolgt wird und Regelungen in Kraft treten können, die
Frauen wirksam vor allen Formen von Gewalt schützen und jede Form von ge-
schlechtsspezifischer Diskriminierung effektiv verfolgen und verhindern.
Im Mittelpunkt des fünften Berichtes steht die Weiterentwicklung der Gleich-
stellung von Frauen und Männer in allen gesellschaftlichen Bereichen in
Deutschland. Diese konnte in den vergangenen vier Jahren mit vielfältigen
Maßnahmen vorangebracht werden.
Um die Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Arbeitswelt mit
Nachdruck voranzubringen, hat die Bundesregierung in der letzten Legislatur
das Programm „Frau und Beruf“ gestartet. Kernstück ist die Integration der
Gleichstellungspolitik als durchgängige Aufgabe in alle Politikfelder und Auf-
gabenbereiche im Sinne des Gender Mainstreaming. Viele der Maßnahmen des
Programms sind erfolgreich umgesetzt oder auf den Weg gebracht worden und
werden kontinuierlich weitergeführt.
Nach wie vor verteilt sich die Arbeit – Familienarbeit, bürgerschaftliches Enga-
gement und Erwerbsarbeit – in unserer Gesellschaft jedoch noch unterschied-
lich auf die Geschlechter. Diese geschlechtsspezifische Arbeitsteilung bedingt
unterschiedliche Erwerbsverläufe mit den daraus resultierenden individuellen
und gesellschaftlichen Folgen.
Ein wesentliches Hemmnis für die Gleichstellung von Frauen und Männern in
der Arbeitswelt ist das fehlende Angebot an Kinderbetreuungsplätzen für unter
dreijährige Kinder und Ganztagsschulen. Der Deutsche Bundestag begrüßt die
von der Bundesregierung gestarteten Initiativen zum quantitativen und qualita-
tiven Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen und appelliert an die dafür zustän-
digen Länder und Kommunen, auch ihrerseits den Ausbau von Kinderbetreu-
ung zu intensivieren.
Der CEDAW-Ausschuss kritisiert die immer noch bestehenden Einkommens-
unterschiede zwischen Männern und Frauen in Deutschland. Er wertet diese als
ein Anzeichen für das Fortbestehen indirekter Diskriminierung von Frauen in
der Arbeitswelt. Diese Ungleichbehandlung im Entgeltbereich gilt es aufzuhe-
ben. Auch wenn der Grundsatz der Lohngleichheit im deutschen Recht eindeu-
tig verankert ist, ist die reale Situation dadurch gekennzeichnet, dass Frauen
durchschnittlich 75,8 % des Bruttoverdienstes von Männern erzielen. Im Jahr
2001 waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 86,4 % der abhängig
Teilzeitbeschäftigten Frauen. Auch gibt es immer noch eine Diskrepanz zwi-
schen der Qualifikation von Frauen und ihrer Stellung im Beruf. Sie sind selte-
ner als gleich qualifizierte Männer in leitenden Positionen vertreten bzw. in hö-
heren Hierarchieebenen anzutreffen. Eine umfassende Bestandsaufnahme und
Ursachenanalyse hat die Bundesregierung mit ihrem Bericht zur Berufs- und
Einkommenssituation von Frauen und Männern im April 2002 vorgelegt. Die
erforderlichen Schlüsse müssen nun daraus gezogen werden. Gleicher Lohn für
gleichwertige Arbeit muss zur selbstverständlichen Leitlinie in der tariflichen
und betrieblichen Praxis werden. Im europäischen Recht haben Artikel 141
EG-Vertrag (Amsterdamer Vertrag) und die Entgeltgleichheitsrichtlinie 75/117/
EWG besondere Bedeutung hinsichtlich des Anspruchs auf Entgeltgleichheit.
Artikel 141 ist Gemeinschaftsgrundrecht. Die Richtlinie 75/117/EWG konkreti-
siert den im Amsterdamer Vertrag enthaltenen Grundsatz der Entgeltgleichheit.
Diese Rechtsnormen sind für nationalstaatliches Recht verbindlich. Auch wenn
die Bundesregierung keine unmittelbaren Regelungsmöglichkeiten in Lohnfra-
gen hat, da dies Sache der Tarifparteien ist, so kann sie durch ein Bündel von
Maßnahmen, durch die Schaffung von entsprechenden Rahmenbedingungen in
Gesellschaft und Arbeitswelt zur Herstellung von Lohngleichheit beitragen.
Die Vorreiterrolle, die der Bund bei der Gleichstellung bereits durch das Bun-
desgleichstellungsgesetz für die Bundesverwaltung übernommen hat und die
über die Fraktionsgrenzen hinweg im Deutschen Bundestag begrüßt wurde,

Drucksache 15/599 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

sollte auch bei dem Bemühen zur Herstellung von Lohngleichheit Signalwir-
kung entfalten können.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– im Laufe dieser Legislaturperiode dem Deutschen Bundestag einen Bericht

zur Lage der Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland vorzu-
legen,

– die Implementierung des Gender-Mainstreaming-Ansatzes sicherzustellen
und zur Regelpraxis der Politik der Bundesregierung zu entwickeln. Zur Un-
terstützung, Begleitung und Koordinierung der Maßnahmen ist ein Gender
Kompetenzzentrum einzurichten,

– die Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt weiterhin
in das Zentrum der Gesellschaftspolitik zu stellen, alle gesellschaftlichen
Akteurinnen und Akteure in ihren Gleichstellungsaktivitäten zu unterstützen
und auch weiterhin die hierfür erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen und
die entsprechenden Ressourcen sicherzustellen,

– die anstehenden Reformen zur Umgestaltung des Arbeitsmarktes und der
sozialen Sicherungssysteme unter besonderer Berücksichtigung der Ge-
schlechterperspektive vorzunehmen,

– die Auswirkungen der Steuerklasse V auf die Erwerbstätigkeit von Frauen
zu überprüfen mit dem Ziel, Diskriminierungen abzubauen,

– durch eine Überprüfung und ggf. Anpassung des Bundesangestelltentarifes
geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede auszuschließen und so tatsäch-
liche Lohngleichheit für Frauen im öffentlichen Dienst zu erreichen,

– im Rahmen der Mittelstandsoffensive der Bundesregierung Maßnahmen zur
Förderung von Existenzgründungen durch Frauen zu entwickeln, und die
bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Erweiterung des Berufsspektrums von
Mädchen und jungen Frauen, insbesondere in den IT-Berufen, fortzusetzen,

– die in der „Vereinbarung zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen
und Männern in der Privatwirtschaft“ vorgesehenen Maßnahmen und Akti-
vitäten gemeinsam mit der Wirtschaft weiterzuentwickeln und bis zum Ende
des Jahres 2003 eine Bilanz vorzulegen und ggf. die erforderlichen gesetz-
lichen Regelungen vorzubereiten,

– bis zum Jahresende 2003 mit der Umsetzung der Richtlinie zur Verwirk-
lichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen
hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum be-
ruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (Änderungs-
richtlinie 2002/73/EG zur Richtlinie 76/207/EWG), insbesondere hinsicht-
lich der Ausgestaltung einer nationalen Gleichstellungsstelle, zu beginnen,

– die Umsetzung der Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für
die Verwirklichung der Gleichstellung in Beschäftigung und Beruf (Richt-
linie 2000/78/EG) bis zum 2. Dezember 2003 sowie der Richtlinie zur An-
wendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse
oder der ethnischen Herkunft (Richtlinie 2000/43/EG) bis zum 19. Juli 2003
zügig voranzutreiben,

– den Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen unter Einbeziehung der Ergeb-
nisse der ersten repräsentativen Erhebung zu Auswirkungen, Formen und
Folgen von Gewalt gegen Frauen des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend fortzuschreiben,

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/599

– Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Integration von Migrantinnen
durchzuführen, insbesondere für die Verbesserung der Zugangsmöglichkei-
ten zum Ausbildungs-, Bildungs- und Beschäftigungssektor und der Alters-
und Gesundheitsvorsorge,

– das VN-Zusatzprotokoll „zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des
Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels“, A/55/383,
vom 15. November 2002 zügig zu ratifizieren und in nationales Recht umzu-
setzen.

Berlin, den 12. März 2003
Franz Müntefering und Fraktion
Katrin Dagmar Göring-Eckardt, Krista Sager und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.