BT-Drucksache 14/9725

Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Vom 4. Juli 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9725
14. Wahlperiode 04. 07. 2002

Antrag
der Abgeordneten Christine Ostrowski, Monika Balt, Dr. Dietmar Bartsch,
Wolfgang Bierstedt, Petra Bläss, Maritta Böttcher, Eva Bulling-Schröter,
Heidemarie Ehlert, Dr. Heinrich Fink, Dr. Ruth Fuchs, Wolfgang Gehrcke,
Dr. Klaus Grehn, Dr. Bärbel Grygier, Uwe Hiksch, Dr. Barbara Höll, Carsten Hübner,
Ulla Jelpke, Sabine Jünger, Gerhard Jüttemann, Dr. Evelyn Kenzler, Rolf Kutzmutz,
Heidi Lippmann, Ursula Lötzer, Dr. Christa Luft, Heidemarie Lüth, Pia Maier,
Angela Marquardt, Manfred Müller (Berlin), Kersten Naumann, Rosel Neuhäuser,
Petra Pau, Dr. Uwe-Jens Rössel, Christina Schenk, Gustav-Adolf Schur,
Dr. Ilja Seifert, Dr. Winfried Wolf, Roland Claus und der Fraktion der PDS

Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Der Bundestag wolle beschließen:
Der 14. Deutsche Bundestag empfiehlt dem 15. Deutschen Bundestag, einen
Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes zur Untersu-
chung von verbundenen Kredit- und Immobilienkaufverträgen in den Jahren
von 1990 bis 2002, bei denen Verbraucherinnen und Verbraucher wirtschaftlich
stark geschädigt wurden, einzurichten.

I.
Der Ausschuss sollte klären,
1. welche Art von Verflechtungen es bei der Vorbereitung und Durchführung

verbundener, darlehensfinanzierter Immobilienkaufverträge, für die private
Anleger mit Steuervorteilen geworben wurden, zwischen Kreditinstituten
und Vertriebsorganisationen und in gewissem Umfang auch im Zusammen-
wirken mit Notaren zum Nachteil der Verbraucherinnen und Verbraucher
gab;

2. welcher Schaden den Verbraucherinnen und Verbrauchern, die die entspre-
chenden Finanzdienstleistungen in Anspruch genommen haben, sowie den
beteiligten Kreditinstituten und deren Anlegern aus überteuerten, darlehens-
finanzierten Immobilienkaufverträgen entstanden ist;

3. ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dadurch die öffentlichen Haushalte
durch Minderung von Steuereinnahmen, durch soziale Leistungen an
Geschädigte oder durch die Beanspruchung der Zivilgerichte und der Straf-
justiz belastet werden;

4. ob und mit welchem Ergebnis die zuständigen Behörden ihrer Aufsichts-
und Ermittlungspflicht nachgekommen sind;

5. wie Verbraucherinnen und Verbraucher im Bereich der Finanzdienstleistun-
gen, bei Kredit- und Immobilienkaufverträgen sowie bei Versicherungsver-
trägen wie z. B. zur privaten Altersvorsorge künftig durch gesetzliche Rege-
lungen vor wirtschaftlichen Schädigungen wirksamer geschützt werden
können.

Drucksache 14/9725 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

II.
Dem Verfahren des Untersuchungsausschusses sollten die Regeln zugrunde
gelegt werden, die im Gesetz zur Regelung des Rechtes der Untersuchungs-
ausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz) vom
19. Juni 2001 festgelegt sind.

Berlin, den 3. Juli 2002
Roland Claus und Fraktion

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9725

Begründung
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es nach Angaben der Verbraucher-
schutzverbände ca. 300 000 geschädigte Verbraucherinnen und Verbraucher,
denen aus verbundenen Finanzierungs- und Immobilienkaufverträgen ein Scha-
den von ca. 9,2 Mrd. Euro entstanden ist. Das Ausmaß der wirtschaftlichen
Schäden und das Leid der Geschädigten, von denen viele vor dem persönlichen
und finanziellen Ruin stehen, darf von der Bundesregierung und vom Gesetzge-
ber nicht hingenommen werden. Es muss wirkungsvoll zum Schutz der Ver-
braucherinnen und Verbraucher gehandelt werden. Parlament und Regierung
sind in der Pflicht, entstandenen Schaden für die betroffenen Verbraucherinnen
und Verbraucher zu mildern und derartige Schädigungen für die Zukunft auszu-
schließen.
Die mit dem Gesetz zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsan-
wälte vor den Oberlandesgerichten im Juni 2002 beschlossenen Regelungen
sind eine erste Reaktion des Gesetzgebers zum Schutz der Verbraucherinnen
und Verbraucher bei Immobiliengeschäften. Sie reichen allerdings nicht aus,
und sie gelten außerdem nur für künftig abzuschließende Rechtsgeschäfte. Die
bereits geschädigten Verbraucherinnen und Verbraucher werden dadurch nicht
geschützt bzw. unterstützt.
Bislang müssen die Geschädigten trotz der staatlichen, steuerlichen Förderung
der von ihnen erworbenen Anlagemodelle allein für die Folgen vermutlich un-
lauterer Vertriebs- und Geschäftsmethoden einiger Finanz- und Vertriebsinsti-
tute aufkommen, nachdem sie ihr gesamtes privates Kapital eingesetzt und um-
fangreiche Kreditverpflichtungen eingegangen sind. Vor den Zivilgerichten
müssen sie nachweisen, dass die Vertriebs- und Bewertungsmethoden der wirt-
schaftlich und rechtlich besser ausgestatteten Finanzinstitute nicht den Tat-
sachen entsprachen bzw. dass die Käuferinnen und Käufer solcher Anlagen
vorsätzlich getäuscht wurden. Diese Prozesslast können die meisten, juristisch
und finanziell ohnehin am Ende ihrer Möglichkeiten nicht tragen. Die Finanz-
institute und die aus den versteckten und übermäßig hohen Provisionen finan-
zierten Vertriebsorganisationen tragen nicht zur Aufklärung bei, vermutlich um
der Verantwortung und Haftung zu entgehen.
In den betroffenen Fällen ist das Recht auf Schutz der wirtschaftlichen Interes-
sen der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht gewahrt worden. Ihnen wur-
den Informationen über den wirklichen Wert und damit die Risiken der ihnen
angebotenen, vermittelten und verkauften Finanzdienstleistungen und Immobi-
lien vorenthalten und damit ihre wirtschaftlichen Interessen schwer geschädigt.
Deshalb ist zu klären, ob die entsprechenden staatlichen Behörden, so das
Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen, ihrer Aufsichtspflicht nach-
gekommen sind.
Aus diesen Gründen hat der Deutsche Bundestag das Recht zur Bildung eines
Untersuchungsausschusses zur Erhebung von Beweisen in öffentlicher Ver-
handlung. Zielrichtung muss es einerseits sein, den Betroffenen durch eine
gründliche Sachverhaltsaufklärung zu helfen. Andererseits sollen im Unter-
suchungsausschuss die Möglichkeiten herausgearbeitet werden, wie der Staat
gesetzgeberisch und exekutiv die Verbraucherinnen und Verbraucher künftig
wirksamer schützen kann. Diese Ergebnisse sollten dann umgehend in Gesetz-
gebungsverfahren einfließen.

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