BT-Drucksache 14/9426

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -14/9001, 14/9238- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ordnungswidrigkeitenverfahrensrechts

Vom 12. Juni 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9426
14. Wahlperiode 12. 06. 2002

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksachen 14/9001, 14/9238 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ordnungswidrigkeitenverfahrenrechts

A. Problem
Bislang fehlen nähere Vorgaben, wie die mit dem Strafverfahrensänderungsge-
setz vom 2. August 2000 (BGBl. I S. 1253) in die Strafprozessordnung einge-
führten Regelungen zur Erteilung von Auskünften und Akteneinsicht, zur sons-
tigen Verwendung von Daten für verfahrensübergreifende Zwecke sowie zur
Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten in Dateien konkret im
Bußgeldverfahren anzuwenden sind. Außerdem enthält das Ordnungswidrig-
keitengesetz bislang keine Regelung zur Absicherung der elektronischen oder
optischen Aktenarchivierung durch die Verwaltungsbehörde nach Abschluss
des Verfahrens. Schließlich bedarf die für § 191a Abs. 2 GVG vorgesehene
Rechtsverordnungsermächtigung der Ausdehnung auf den Bereich des Buß-
geldverfahrens.

B. Lösung
Der Gesetzentwurf bestimmt die Maßgaben, mit denen die vorstehend genann-
ten Regelungen der Strafprozessordnung im Bußgeldverfahren anwendbar sind.
Dabei trägt der Entwurf zum einen den technischen Besonderheiten des Buß-
geldverfahrens gegenüber dem Strafverfahren Rechnung. Zum anderen wird
der im Ordnungswidrigkeitengesetz bereits geltende Regelungsstandard im
Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung fortgeschrieben,
wonach diesem Recht aufgrund der in der Regel geringeren Schwere von Ord-
nungswidrigkeiten teilweise mehr Raum einzuräumen ist als im Strafverfahren.
In Anlehnung an § 299a ZPO wird weiter bestimmt, wie Mitteilungen erteilt
werden können, wenn die Verwaltungsbehörde die Akten nach Abschluss des
Verfahrens auf einen Bild- oder anderen Datenträger übertragen hat; damit wird
zugleich die Zulässigkeit dieser Art der elektronischen oder optischen Archivie-
rung abgesichert. Schließlich wird in das OWiG eine Regelung aufgenommen,
die die geplante Verordnungsermächtigung des § 191a Abs. 1 GVG-E (vgl.
Artikel 20 Nr. 5 des Entwurfs eines OLG-Vertretungsänderungsgesetzes, Bun-
destagsdrucksache 14/9266, S. 21) auf den Bereich des Bußgeldverfahrens er-
streckt, um auch hier den Anspruch von blinden oder sehbehinderten Personen

Drucksache 14/9426 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

konkretisieren zu können, ihnen für sie bestimmte Schriftstücke in einer für sie
wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen.
Annahme des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der
Fraktion der PDS

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9426

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Gesetzentwurf – Drucksachen 14/9001, 14/9238 – mit folgenden Maßga-
ben, im Übrigen unverändert anzunehmen:
In Artikel 1 Nr. 4 ist § 49c wie folgt zu ändern:
a) In Absatz 2 Satz 2 sind die Wörter „die Verfolgung von Straftaten“ durch die

Wörter „Zwecke eines Strafverfahrens, Gnadenverfahrens oder der interna-
tionalen Rechts- und Amtshilfe in Straf- und Bußgeldsachen“ zu ersetzen.

b) In Absatz 3 sind die Sätze 2 bis 5 zu streichen.
c) Absatz 4 Satz 1 Halbsatz 1 wird wie folgt gefasst:

„§ 487 Abs. 1 Satz 1 der Strafprozessordnung ist mit der Maßgabe anzuwen-
den, dass die nach den Absätzen 1 bis 3 gespeicherten Daten den zuständi-
gen Stellen nur für die in Absatz 2 genannten Zwecke übermittelt werden
dürfen;“.

d) Absatz 4 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„§ 487 Abs. 2 der Strafprozessordnung ist mit der Maßgabe anzuwenden,
dass die Übermittlung erfolgen kann, soweit sie nach diesem Gesetz aus den
Akten erfolgen könnte.“

e) Absatz 5 wird wie folgt gefasst:
„Soweit personenbezogene Daten für Zwecke der künftigen Verfolgung

von Ordnungswidrigkeiten gespeichert werden, darf die Frist im Sinne von
§ 489 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 der Strafprozessordnung bei einer Geldbuße von
mehr als 250 Euro fünf Jahre, in allen übrigen Fällen des § 489 Abs. 4 Satz 2
Nr. 1 bis 3 der Strafprozessordnung zwei Jahre nicht übersteigen.“

Berlin, den 12. Juni 2002

Der Rechtsausschuss
Hermann Bachmaier
Stellvertretender Vorsitzender

Alfred Hartenbach
Berichterstatter

Ronald Pofalla
Berichterstatter

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Dr. Evelyn Kenzler
Berichterstatterin

Drucksache 14/9426 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Alfred Hartenbach, Ronald Pofalla, Volker Beck (Köln),
Jörg van Essen und Dr. Evelyn Kenzler

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf – Drucksa-
che 14/9001 – in seiner 236. Sitzung am 16. Mai 2002 in
erster Lesung beraten und zur Beratung dem Rechtsaus-
schuss überwiesen.

II. Beratung im Rechtsausschuss
Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner
132. Sitzung am 12. Juni 2002 abschließend beraten und mit
den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tion der PDS beschlossen zu empfehlen, den Gesetzentwurf
mit den in der vorstehenden Beschlussempfehlung enthalte-
nen Maßgaben, im Übrigen unverändert anzunehmen.

III. Zur Begründung der Beschlussempfehlung
Im Folgenden werden lediglich die vom Rechtsausschuss
beschlossenen Änderungen gegenüber der ursprünglichen
Fassung des Gesetzentwurfs erläutert. Soweit der Aus-
schuss den Gesetzentwurf unverändert angenommen hat,
wird auf die jeweilige Begründung in der Drucksache 14/
9001, S. 7 ff. verwiesen.
Die Änderungen von § 49c Abs. 2, 3 und 4 OWiG-E ent-
sprechen im Wesentlichen den beiden Änderungsanträgen
Nr. 3, 4 und 5 des Bundesrates, wobei die Bundesregierung
in ihrer Gegenäußerung den Änderungsanträgen 3 und 5 zu-
gestimmt hatte. Die Änderung der Fristenregelung in § 49c
Abs. 5 OWiG-E soll der geringeren Bedeutung von Ord-
nungswidrigkeiten mit relativ niedriger Geldbuße Rech-
nung tragen, ohne dadurch das Ziel einer möglichst prakti-
kablen Gesamtregelung zu beinträchtigen.
Zu den Buchstaben a und c
Durch die Änderungen zu § 49c Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4
Satz 1 Halbsatz 1 OWiG-E werden u. a. die Zweckbestim-
mung und die Übermittlungsregelung besser aufeinander
abgestimmt. Die Formulierungen weichen lediglich redak-
tionell geringfügig von dem Regelungsvorschlag des Bun-
desrates ab. So wurde in Absatz 4 Satz 1 das Wort „Ein-
schränkung“ durch „Maßgabe“ ersetzt, nachdem die Vor-
schrift sich durch die in Absatz 2 genannten Zwecke eines
Strafverfahrens nun enger an die Vorgaben des § 487 Abs. 1
Satz 1 StPO anlehnt.
Zu Buchstabe b
Mit der Änderung von Absatz 3 wird einem zentralen An-
liegen des Bundesrates (Antrag Nr. 4 der Stellungnahme des
Bundesrates, Bundestagsdrucksache 14/9238) Rechnung
getragen. Trotz der von der Bundesregierung in ihrer Ge-
genäußerung vorgetragenen Bedenken erscheint es vertret-
bar, auf das Erfordernis einer Rechtsverordnung für die im
Regierungsentwurf umschriebenen gemeinsamen Dateien
zu verzichten. Auch ohne dieses Erfordernis bleibt es mate-
riell-rechtlich dabei, dass gemeinsame Dateien nur dann er-

richtet werden können, wenn dies zur ordnungsgemäßen
Aufgabenerfüllung erforderlich und unter Berücksichtigung
der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen angemessen
ist. Dies wird auch durch den neu gefassten Absatz 3 klar-
gestellt, der betont, dass natürlich vor allem solche Dateien
einer besonders sorgfältigen Prüfung bedürfen, die den Ge-
schäftsbereichen verschiedener Bundes- oder Landesminis-
terien angehören. Dass daraus nicht der Umkehrschluss ge-
zogen werden darf, bei anderen gemeinsamen Dateien
müssten diese allgemeinen datenschutzrechtlichen Kriterien
nicht erfüllt sein, wurde bereits in der Begründung des Re-
gierungsentwurfs hervorgehoben (Bundestagsdrucksache
14/9001, S. 16, linke Spalte oben). Allgemein kann gesagt
werden, dass je geringer die potentiellen Sachzusammen-
hänge zwischen den Zuständigkeitsbereichen der jeweiligen
Stellen sind, desto weniger wird die Errichtung einer ge-
meinsamen Datei zwischen diesen Stellen erforderlich und
angemessen sein.
Darüber hinaus ist anerkannt, dass auch gemeinsame Da-
teien durch Errichtungsanordnungen der beteiligten Stellen
entsprechend § 490 StPO zu regeln sind, sei es in Form ei-
ner gemeinsamen Errichtungsanordnung, sei es in Form ab-
gestimmter einzelner Errichtungsanordnungen der beteilig-
ten Stellen. In den Errichtungsanordnungen ist nach allge-
meinen datenschutzrechtlichen Grundsätzen – neben den in
§ 490 StPO genannten Punkten – die datenschutzrechtliche
Verantwortung zu regeln. Grundsätzlich gilt, dass verant-
wortliche Stelle im Sinne des § 3 Abs. 7 BDSG diejenige
Stelle ist, die die Daten in die gemeinsame Datei eingestellt
hat. Dies hat zur Folge, dass ein Zugriff auf Daten, die von
einer anderen Stelle eingestellt worden sind, im daten-
schutzrechtlichen Sinn als Übermittlung anzusehen ist und
nur insoweit erfolgen kann, soweit dies in der Errichtungs-
anordnung nach § 490 StPO unter Berücksichtigung von
Zweck und Inhalt der Speicherung im Einzelfall festgelegt
ist (Hilger, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 486,
Rn. 2, 7 u. 9).
Auch wenn durch den Verzicht auf das Erfordernis einer
Rechtsverordnung die Notwendigkeit der in Artikel 1 Nr. 6
enthaltenen Übergangsregelung gesunken ist, wird sie den-
noch beibehalten, um den Ländern umfassend Zeit zu ge-
währen, sich auf die Rechtslage einzustellen.

Zu Buchstabe d
Die Änderung von § 49c Abs. 4 Satz 2 OWiG-E stellt si-
cher, dass die Befugnisse zur Übermittlung aus der Datei
nicht enger sind als die Befugnisse zur Übermittlung aus
den Akten; erfasst werden also auch die außerhalb der
§§ 49a und 49b OWiG-E geregelten Fälle der Aktenein-
sicht, wie z. B. das Akteneinsichtsrecht durch den Betroffe-
nen oder den Verletzten.

Zu Buchstabe e
Durch die Änderung von § 49c Abs. 5 OWiG-E wird für
vergleichsweise geringfügige Ordnungswidrigkeiten bis zu

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/9426

250 Euro die Überprüfungsfrist zur Löschung der Daten
nach § 489 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StPO nochmals auf 2 Jahre
verkürzt. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen,
dass bei solchen Ordnungswidrigkeiten eine längere Frist
weder im Hinblick auf die durch die Höhe der Geldbuße in-
dizierte Schwere des Regelverstoßes noch unter Berück-
sichtigung von gesetzlichen Tilgungsfristen in ähnlichen
Regelungsbereichen (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVG,
§ 153 Abs. 1 Nr. 1 GewO) angemessen erscheint. Um ande-
rerseits die Fristenregelung des § 49c Abs. 5 OWiG-E nicht
durch eine zu ausdifferenzierte Regelung für die Praxis nur
schwer handhabbar zu machen, ist vorgesehen, im Gegen-
zug in allen übrigen Fällen des § 489 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1
bis 3 StPO die Frist einheitlich auf 2 Jahre festzulegen.

Sonstiges
Zu den vom Bundesrat außerdem geforderten Änderungen
der StPO (Antrag Nr. 6 der Stellungnahme des Bundesrates)
stimmt der Ausschuss mit der Bundesregierung überein,
dass die damit verbundenen Fragen in diesem Verfahren
nicht mehr abschließend geklärt werden können, dass aber
beide Regelungsbereiche einer Klärung bedürfen. Der Aus-

schuss begrüßt daher, dass die Bundesregierung zu beiden
Punkten konkrete Schritte angekündigt hat:
– Zu dem Änderungsvorschlag zu § 474 Abs. 2 StPO hat

die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung bereits er-
läutert, warum ihr der von den Ländern vorgeschlagene,
pauschale Regelungsansatz nicht zielführend erscheint.
Sie wird daher stattdessen kurzfristig prüfen, ob und ggf.
für welche konkreten Fallkonstellationen eine Erweite-
rung der Auskunftsrechte, insbesondere für nationale
Behörden, angezeigt ist und wie einem solchen Bedarf
durch eine bereichsspezifische, normenklare und ver-
hältnismäßige Regelung Rechnung getragen werden
kann.

– Zu dem Änderungsantrag zu § 491 Abs. 2 StPO hat die
Bundesregierung auf die von ihr im April 2002 initiierte
Länderumfrage über die in der Praxis bestehenden An-
wendungsprobleme hingewiesen. Sobald hinreichend
aussagekräftige Ergebnisse dieser Umfrage vorliegen,
wird sie auf dieser Grundlage ggf. Regelungsvorschläge
unterbreiten, um zu verhindern, dass der Erfolg von Er-
mittlungshandlungen durch Auskünfte aus dem ZStV
gefährdet wird.

Berlin, den 12. Juni 2002
Alfred Hartenbach
Berichterstatter

Ronald Pofalla
Berichterstatter

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Dr. Evelyn Kenzler
Berichterstatterin

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