BT-Drucksache 14/8893

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -14/7025- Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - § 129b StGB (...StrÄndG)

Vom 24. April 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8893
14. Wahlperiode 24. 04. 2002

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 14/7025 –

Entwurf eines … Strafrechtsänderungsgesetzes – § 129b StGB (… StrÄndG)

A. Problem
Nach geltendem Recht sind die §§ 129, 129a StGB (Bildung einer kriminellen
oder terroristischen Vereinigung) nur auf Vereinigungen anwendbar, die zumin-
dest in Form einer Teilorganisation im Bundesgebiet bestehen (BGH St 30,
328, 329 f.). Die Gemeinsame Maßnahme der EU vom 21. Dezember 1998 ver-
pflichtet die Mitgliedstaaten der EU, die strafrechtliche Ahndung der Beteili-
gung an einer kriminellen Vereinigung in ihrem Hoheitsgebiet zu gewährleis-
ten, und zwar „unabhängig von dem Ort im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten,
an dem die Vereinigung ihre Operationsbasis hat oder ihre strafbaren Tätigkei-
ten ausübt“. Dies führt zur Notwendigkeit der Ausdehnung der §§ 129, 129a
StGB auf kriminelle oder terroristische Vereinigungen in den EU-Mitgliedstaa-
ten. Die jüngsten terroristischen Anschläge in den USA lassen eine Erstreckung
der genannten Vorschriften über die EU hinaus generell auf im Ausland tätige
kriminelle oder terroristische Vereinigungen erforderlich erscheinen, um den
internationalen Terrorismus effektiv zu bekämpfen.

B. Lösung
Einführung eines § 129b in das Strafgesetzbuch, demzufolge die §§ 129, 129a
StGB auch für Vereinigungen im Ausland gelten.
Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung der Beschlussempfehlung
mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
FDP gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Abwesenheit der
Fraktion der PDS

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 14/8893 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Gesetzentwurf – Drucksache 14/7025 – in der nachstehenden Fassung an-
zunehmen:

Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Novem-
ber 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch … wird wie folgt geändert:
1. In der Inhaltsübersicht zum siebten Abschnitt des besonderen Teils wird

nach der Angabe „§ 129a Bildung terroristischer Vereinigungen“ die Anga-
be 㤠129b Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Erwei-
terter Verfall und Einziehung“ eingefügt.

2. In § 129 Abs. 1 werden vor dem Wort „wirbt“ die Wörter „um Mitglieder
oder Unterstützer“ eingefügt.

3. In § 129a Abs. 3 werden vor dem Wort „wirbt“ die Wörter „um Mitglieder
oder Unterstützer“ eingefügt.

4. Nach § 129a wird folgender § 129b eingefügt:
㤠129b

Kriminelle und terroristische Vereinigungen
im Ausland; Erweiterter Verfall und Einziehung

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Be-
zieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Eu-
ropäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Gel-
tungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn
der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den
Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeri-
ums der Justiz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder all-
gemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf
eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Er-
mächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Ver-
einigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden
staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker
gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit
Absatz 1, sind die §§ 73d und 74a anzuwenden.“

5. § 138 Abs. 2 wird wie folgt gefasst:
„(2) Ebenso wird bestraft, wer von dem Vorhaben oder der Ausführung

einer Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 Satz 1 und
2, zu einer Zeit, zu der die Ausführung noch abgewendet werden kann,
glaubhaft erfährt und es unterlässt, der Behörde unverzüglich Anzeige zu er-
statten. § 129b Abs. 1 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.“

6. In § 139 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 wird die Angabe „(§ 129a)“ durch die Angabe
„(§ 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1)“ ersetzt.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8893

7. § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 wird wie folgt gefasst:
„5. Vergehen nach § 129 und 129a Abs. 3, jeweils auch in Verbindung mit

§ 129b Abs. 1, sowie von einem Mitglied einer kriminellen oder terro-
ristischen Vereinigung (§§ 129, 129a, jeweils auch in Verbindung mit
§ 129b Abs. 1) begangene Vergehen.“

Artikel 2
Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

Das Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom
9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch … wird wie folgt geän-
dert:
1. In § 74a Abs. 1 Nr. 4 wird nach der Angabe „§ 129“ die Angabe „ , auch in

Verbindung mit § 129b Abs. 1,“ eingefügt.
2. In § 120 Abs. 1 Nr. 6 wird nach der Angabe „§ 129a“ die Angabe „ , auch in

Verbindung mit § 129b Abs. 1,“ eingefügt.

Artikel 3
Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April
1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch …, wird wie folgt geän-
dert:
1. In § 100c Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e wird nach der Angabe „§ 129a“

die Angabe „ , jeweils auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1,“ eingefügt.
2. In § 103 Abs. 1 Satz 2, § 111 Abs. 1 Satz 1, § 138a Abs. 2 Satz 1 und Ab-

satz 5 Satz 1 sowie § 148 Abs. 2 Satz 1 wird nach der Angabe „§ 129a“
jeweils die Angabe „ , auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1,“ eingefügt.

3. In § 112 Abs. 3 Satz 1 wird nach der Angabe „§ 129a Abs. 1“ die Angabe
„ , auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1,“ eingefügt.

4. In § 153c Abs. 1 wird in Nummer 3 der Punkt durch ein Komma ersetzt und
folgende Nummer 4 angefügt:
„4. wenn in den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung

mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches die Vereinigung nicht oder
nicht überwiegend im Inland besteht und die im Inland begangenen Be-
teiligungshandlungen von untergeordneter Bedeutung sind oder sich auf
die bloße Mitgliedschaft beschränken.“

5. In § 443 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 wird nach der Angabe „100“ die Angabe „ , den
§§ 129 oder 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1,“ eingefügt.

Artikel 4
Änderung des Strafvollzugsgesetzes

In § 29 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Strafvollzugsgesetzes vom 16. März 1976
(BGBl. I S. 581, 2088, 1977 I S. 436), das zuletzt durch Artikel 8f des Gesetzes
vom 2. August 2000 (BGBl. I S. 1253) geändert worden ist, wird nach der An-
gabe „129a“ jeweils die Angabe „ , auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1,“
eingefügt.

Drucksache 14/8893 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Artikel 5
Änderung anderer Gesetze

(1) Das Artikel 10-Gesetz vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zu-
letzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I
S. 361) wird wie folgt geändert:
1. In § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchstabe a wird das Wort „und“ durch das Wort

„bis“ ersetzt.
2. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a wird wie folgt gefasst:

„a) Straftaten nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, sowie
den §§ 146, 151 bis 152a oder § 261 des Strafgesetzbuches,“.

(2) In § 20 Abs. 1 Satz 1 des Vereinsgesetzes vom 5. August 1964 (BGBl. I
S. 593), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I
S. 61) geändert worden ist, wird die Angabe „§ 129 des Strafgesetzbuches“
durch die Angabe „den §§ 129 bis 129b des Strafgesetzbuches“ ersetzt.

(3) Das Bundeskriminalamtgesetz vom 7. Juli 1997 (BGBl. I S. 1650), zu-
letzt geändert durch Artikel 10 des Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I
S. 361), wird wie folgt geändert:
1. In § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a wird nach der Angabe „§ 129a“ die

Angabe „ , auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1,“ eingefügt.
2. In § 32 Abs. 4 Satz 5 wird nach der Angabe „§ 129a“ die Angabe „ , auch in

Verbindung mit § 129b Abs. 1,“ eingefügt.
(4) In § 2 Abs. 2 Nr. 7 des AZR-Gesetzes vom 2. September 1994 (BGBl. I

S. 2265), das zuletzt durch Artikel 13 des Gesetzes vom 9. Januar 2002
(BGBl. I S. 361) geändert worden ist, wird nach der Angabe „§ 129 oder
§ 129a“ die Angabe „ , jeweils auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1,“ einge-
fügt.

(5) In § 31 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgeset-
zes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 300-1, veröffent-
lichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom
27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) geändert worden ist, wird in den Halbsätzen 1
und 2 nach der Angabe „§ 129a“ jeweils die Angabe „ , auch in Verbindung mit
§ 129b Abs. 1,“ eingefügt.

Artikel 6
Änderung von Rechtsverordnungen

(1) In § 1 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur
Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) vom 28. Juli 1966
(BGBl. I S. 457) werden nach der Angabe „96a“ das Komma gestrichen und
die Angabe „§ 128 oder 129 des Strafgesetzbuches“ durch die Angabe „oder
den §§ 129 bis 129b des Strafgesetzbuches, jeweils“ ersetzt.

(2) Abschnitt I Nummer 21 der Anlage der AZRG- Durchführungsverord-
nung vom 17. Mai 1995 (BGBl. I S. 695), zuletzt geändert durch Artikel 16 des
Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361) wird wie folgt geändert:
a) In Spalte A wird bei dem Buchstaben c nach der Angabe „§ 129“ die Anga-

be „ , auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, “ eingefügt.
b) In Spalte A wird bei dem Buchstaben d nach der Angabe „§ 129a“ die Anga-

be „ , auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, “ eingefügt.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/8893

Artikel 7
Rückkehr zum einheitlichen Verordnungsrang

Die auf Artikel 6 beruhenden Teile der dort geänderten Rechtsverordnungen
können auf Grund der jeweils einschlägigen Ermächtigungen durch Rechtsver-
ordnung geändert werden.

Artikel 8
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 24. April 2002

Der Rechtsausschuss
Dr. Rupert Scholz
Vorsitzender

Dr. Jürgen Meyer (Ulm)
Berichterstatter

Joachim Stünker
Berichterstatter

Volker Kauder
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Dr. Evelyn Kenzler
Berichterstatterin

Drucksache 14/8893 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Joachim Stünker,
Volker Kauder, Jörg van Essen und Dr. Evelyn Kenzler

I. Zum Beratungsverfahren
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf der
Drucksache 14/7025 in seiner 192. Sitzung am 11. Oktober
2001 in erster Lesung beraten und zur federführenden Bera-
tung dem Rechtsausschuss und zur Mitberatung dem Innen-
ausschuss und dem Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf – Drucksache
14/7025 – in seiner 95. Sitzung am 24. April 2002 beraten
und mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und PDS beschlossen zu empfehlen, den Ge-
setzentwurf in der Fassung der Ausschussdrucksache 120
des Rechtsausschusses anzunehmen.
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union hat den Gesetzentwurf – Drucksache 14/7025
– in seiner 95. Sitzung am 24. April 2002 die Vorlage bera-
ten und mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/CSU,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und PDS beschlossen
zu empfehlen, den Gesetzentwurf in der Fassung der Aus-
schussdrucksache 120 des Rechtsausschusses anzunehmen.

III. Beratung im federführenden Ausschuss
Der Rechtsausschuss hat in seiner 104. Sitzung am 7. No-
vember 2001 eine öffentliche Anhörung durchgeführt, an
der folgende Sachverständige teilgenommen haben:
Ottmar Breidling Vorsitzender Richter am Oberlan-

desgericht Düsseldorf
Dr. Eckart von Bubnoff Nußloch
Dr. Rolf Gössner Rechtsanwalt, Bremen
Heinz Haumer Präsident des Bayerischen Landes-

kriminalamtes, München
Dr. Florian Jeßberger Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Volker Krey Universität Trier
Armin Nack Richter am Bundesgerichtshof,

Karlsruhe
Christian Schmidt- Leitender Oberstaatsanwalt, Mün-
Sommerfeld chen
Strafverteidigervereini- Berlin
gung Organisationsbüro
Norbert Weise Generalstaatsanwalt, Koblenz
Hinsichtlich der Ergebnisse der Anhörung wird auf das Pro-
tokoll der 104. Sitzung des Rechtsausschusses mit den an-
liegenden Stellungnahmen der Sachverständigen verwiesen.
Der Rechtsausschuss hat die Vorlage auf der Drucksache
14/7025 in seiner 125. Sitzung am 24. April 2002 abschlie-
ßend beraten.

Die Fraktion der CDU/CSU stellte folgenden Änderungs-
antrag:
1. In Artikel 1 wird folgende Nummer 2 eingefügt:

2. Dem § 129 wird folgender Absatz 7 angefügt:
„(7) In den Fällen der Absätze 1, 3 und 4 sind die

§§ 73d und 74a anzuwenden.“
2. In Artikel 1 wird folgende Nummer 3 eingefügt:

3. Dem § 129a wird folgender Absatz 8 angefügt:
„(8) In den Fällen der Absätze 1 bis 3 sind die

§§ 73d und 74a anzuwenden.“
3. In Artikel 1 wird folgende Nummer 4 eingefügt:

4. In § 261 Abs. 1 Satz 2 wird Nummer 2 wie folgt ge-
fasst:
„2. Vergehen nach

a) § 129a Abs. 3, auch in Verbindung mit
§ 129b,

b) § 332 Abs. 1, auch in Verbindung mit Abs. 3,
und § 334,

c) § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Betäubungsmit-
telgesetzes und § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Grund-
stoffüberwachungsgesetzes,“

4. Die bisherige Nummer 2 des Artikels 1 wird Artikel 1
Nummer 5.

5. Artikel 2 wird wie folgt gefasst:
Artikel 2

Änderung der Strafprozessordnung
In § 112a der Strafprozessordnung in der Fassung der

Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074,
1319), zuletzt geändert durch …, wird an Absatz 1 fol-
gender Satz angefügt:
„Ein Haftgrund besteht ferner, wenn der Beschuldigte
dringend verdächtigt ist, eine Straftat nach § 129a
Abs. 3, auch in Verbindung mit § 129b des Strafgesetz-
buches begangen zu haben, und bestimmte Tatsachen die
Gefahr begründen, dass er vor rechtskräftiger Aburtei-
lung eine in § 129a Abs. 1 des Strafgesetzbuches ge-
nannte Straftat begehen werde, die Haft zur Abwendung
der drohenden Gefahr erforderlich und eine Freiheits-
strafe von mehr als einem Jahr zu erwarten ist.“

6. Artikel 3 wird wie folgt gefasst:
Artikel 3

Einschränkung von Grundrechten
Das Recht auf Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2

Satz 2 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe dieses
Gesetzes eingeschränkt.

7. Der bisherige Artikel 2 wird Artikel 4.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/8893

Begründung
1. Zu Artikel 1 Nr. 2 und 3 (§ 129 Abs. 7 StGB – neu –;

§ 129a Abs. 8 StGB – neu –)
Es ist geboten, die Anordnung des Erweiterten Verfalls
(§ 73d StGB) und der Dritteinziehung (§ 74a StGB) in
Fällen des § 129 Abs. 1, 3 und 4 StGB sowie des § 129a
Abs. 1 bis 3 StGB zu ermöglichen. Ziel ist es, den terro-
ristischen Organisationen so effizient wie möglich den
finanziellen Nährboden zu entziehen. Daher ist es folge-
richtig, den Anwendungsbereich des Erweiterten Verfalls
und der Dritteinziehung, die der Gewinnabschöpfung
namentlich bei Straftaten der Organisierten Kriminalität
dienen, auf diese Fälle auszudehnen.

2. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB)
Der Katalog für Vortaten der Geldwäsche enthält u. a.
Verbrechen nach § 129a Abs. 1 und 2 StGB. Dieser
Katalog wird um das Vergehen der Unterstützung und
Werbung für terroristische Vereinigungen nach § 129a
Abs. 3 StGB ergänzt. Das Geldwaschen stellt den
Schnittpunkt von illegalen Erlösen aus Straftaten und le-
galem Finanzkreislauf dar und ist deshalb für die Straf-
verfolgungsbehörden ein wichtiger Ansatzpunkt, um in
die Strukturen terroristischer und organisierter Krimina-
lität einzudringen und von diesem Schnittpunkt aus
Transaktionen zurückzuverfolgen.

3. Zu Artikel 2 (§ 112a Abs. 1 Satz 2 StPO – neu –)
Die Möglichkeit des geltenden Rechts, potenzielle
Selbstmordattentäter (sog. „Schläfer“) zu inhaftieren,
sind begrenzt. Auch wenn einem „Schläfer“ die Unter-
stützung einer terroristischen Vereinigung nach § 129a
Abs. 3 StGB (ggf. in Verbindung mit § 129b StGB) nach-
gewiesen wird, kann es bei sozial integriert lebenden
Personen vielfach am Vorliegen eines Haftgrundes feh-
len. Es wäre aber unerträglich, wenn das Selbstmordat-
tentat eines „Schläfer“ nur deshalb nicht verhindert
werden könnte, weil das strafprozessuale Instrumenta-
rium dafür fehlt. Der neue § 112a Abs. 1 Satz 2 StPO-E
schließt diese Gesetzeslücke.
Während die Haftgründe der Fluchtgefahr und der Ver-
dunkelungsgefahr dem Zweck dienen, die Durchführung
eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und
die spätere Strafvollstreckung sicherzustellen, geht der
geltende § 112a StPO darüber hinaus. Als Haftgrund
wird der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straf-
taten, die Wiederholungsgefahr, also letztlich ein prä-
ventiver Gesichtspunkt als ausreichend angesehen. Das
Bundesverfassungsgericht hat die Aufnahme des Haft-
grundes der Wiederholungsgefahr in die Strafprozess-
ordnung nicht beanstandet. Dem Gericht erschien es
zweckmäßiger, den Schutz der Bevölkerung vor Wieder-
holungstätern den bereits mit der Aufklärung der began-
genen Straftat befassten Strafverfolgungsbehörden und
damit dem Richter anzuvertrauen als der Polizei
(BVerfGE 19, 342 <348, 349>; 35, 185).
Der vorgeschlagene § 112a Abs. 1 Satz 2 StPO-E regelt
einen Fall, bei dem eine vergleichbare Situation vorliegt.
Eine Inhaftierung kann – wie bei allen Fällen der

§§ 112, 112a StPO – nur erfolgen, wenn der Beschul-
digte einer Straftat dringend verdächtigt ist und die Ver-
hältnismäßigkeit gewahrt ist. Anders als beim geltenden
§ 112a StPO soll Haftgrund allerdings nicht die Gefahr
der Wiederholung dieser Straftat sein, sondern die erst-
malige Begehung einer anderen schweren Straftat, näm-
lich einer der in § 129a Abs. 1 StGB genannten Strafta-
ten. Es handelt sich insoweit um einen Haftgrund der
„Eskalationsgefahr“, mit dem verhindert werden soll,
dass schwerste Straftaten, deren Begehung Ziel der ter-
roristischen Vereinigung ist (§ 129a Abs. 1 StGB), ver-
wirklicht werden. Bei einer solchen Konstellation sollte
ebenso wie bei dem Haftgrund der Wiederholungsgefahr
eine vorbeugende Verwahrung (Sicherungshaft) möglich
sein. Wegen des engen Sachzusammenhangs mit dem
Strafverfahren ist es sachgerecht, diese Sicherungshaft
als strafprozessuale Eingriffsmaßnahme in der StPO zu
regeln. Der Bundesgesetzgeber kann dabei seine Kom-
petenz kraft Sachzusammenhangs bzw. seine Annexkom-
petenz in Anspruch nehmen, um einen wirksamen Schutz
vor Straftätern, die terroristische Vereinigungen unter-
stützen oder für sie werben und bei denen die Gefahr
schwerster Straftaten besteht, zu gewährleisten, da
durch eine Ausweitung der Befugnisse der Strafverfol-
gungsbehörden eine effektive Verbesserung erreichbar
ist.
Die Dauer der Haft nach dem neuen § 112 Abs. 1 Satz 2
StPO ist – wie in den bisher geltenden Fällen des § 112a
StPO – grundsätzlich auf ein Jahr begrenzt (§ 122a
StPO).

4. Zu Artikel 3 (Einschränkung von Grundrechten)
Mit der Vorschrift wird dem in Artikel 19 Abs. 1 Satz 2
GG enthaltenen Zitiergebot Rechnung getragen.

Dieser Änderungsantrag wurde mit den Stimmen der Frak-
tionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen
die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU, bei Abwesenheit
der Fraktion der PDS abgelehnt.
Die Fraktion der CDU/CSU stellte ferner den Antrag, in
§ 129b Abs. 1 StGB in der Fassung der Beschlussempfeh-
lung (Artikel 1 Nr. 4) den letzten Satz zu streichen.
Dieser Antrag wurde mit den Stimmen der Fraktionen SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktion der CDU/CSU bei Enthaltung der Fraktion der
FDP und Abwesenheit der Fraktion der PDS abgelehnt.
Die Fraktion der FDP erklärte, sie trage den Text in der Be-
gründung zu Artikel 6 Nr. 2 und 3 – „Damit soll insbeson-
dere verdeutlicht werden, dass die werbende Tätigkeit von
sog. Solidaritätsbüros nicht vom Merkmal des Werbens er-
fasst wird.“ – nicht mit, da er in dieser Allgemeinheit falsch
sei.
In seiner Schlussabstimmung beschloss der Rechtsaus-
schussmit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNENund FDP gegen die Stimmen der Fraktion der
CDU/CSU bei Abwesenheit der Fraktion der PDS zu emp-
fehlen, den Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussemp-
fehlung anzunehmen.

Drucksache 14/8893 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

IV. Zur Begründung der Beschlussempfehlung
Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches)
Zu den Nummern 2 und 3 (§§ 129, 129a StGB)
Die Auslegung der Tathandlung Werben hat in der Praxis zu
erheblichen Schwierigkeiten geführt. Im Blick auf das
Grundrecht aus Artikel 5 Abs. 1 GG stellen die Gerichte
hohe Anforderungen an die Annahme strafbarer Sympathie-
oder Unterstützungswerbung; nur Äußerungen mit werbend
auffordernder Tendenz, die eindeutig auf die Stärkung oder
auf die Unterstützung einer bestimmten Vereinigung ange-
legt sind, sollen danach in den Bereich des Strafbaren fallen.
Ob diese, im Einzelfall oft wenig greifbaren Voraussetzun-
gen vorliegen, muss durch eine wertende Gesamtbetrach-
tung aller maßgeblichen Faktoren ermittelt werden. Die
Rechtsprechung der Obergerichte orientiert sich stark an
den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls und ist schon
deshalb wenig geeignet, den Strafverfolgungsbehörden und
Tatrichtern, aber auch den einzelnen Bürgern eine verlässli-
che Richtschnur an die Hand zu geben. Durch die Erweite-
rung der §§ 129, 129a StGB werden sich diese Schwierig-
keiten verschärfen. Bereits jetzt ist abzusehen, dass die
Abgrenzung organisationsbezogener und deshalb strafbarer
Meinungsäußerungen von primär humanitär, politisch o. Ä.
motivierten Bekundungen bei ausländischen Organisationen
außerordentlich problematisch sein kann.
Die Tathandlung des Werbens soll deshalb auf das gezielte
Werben um Mitglieder und um Unterstützer beschränkt
werden. Die Sympathiewerbung, der die Rechtsprechung
einen vergleichsweise geringen Unrechtsgehalt zuweist
(vgl. BGHSt 33, 16 <18>), kann hingegen ohne Einbuße
für bedeutsame Rechtsgüter aus dem Tatbestand ausge-
schieden werden. Die Werbung um Mitglieder zielt auf die
Gewinnung von Personen, die bereit sind, sich mitglied-
schaftlich in die Organisation der Vereinigung einzufügen.
Die Werbung um Unterstützer richtet sich entweder auf die
Anstiftung zu einer konkreten Beihilfehandlung oder auf
die Gewinnung von Anhängern, die zu einer über den Ein-
zelfall hinausgehenden Zusammenarbeit, etwa als Quartier-
geber oder Nachrichtenmittler, bereit sind. Die Tathand-
lung kann sich als gezielter öffentlicher Aufruf auf eine
Vielzahl nicht näher bestimmter Personen, etwa auf eine
Versammlung beziehen, sie kann sich aber auch als indivi-
duelle Werbemaßnahme an einen Einzelnen richten. Ein
Werbeerfolg wird nicht vorausgesetzt; auch der erfolglose
Versuch, andere zum Beitritt oder zur Unterstützung einer
kriminellen oder terroristischen Organisation zu bestim-
men, wird erfasst.
Der Änderungsvorschlag verfolgt das Anliegen, die in ih-
rem Wortlaut zu weit gefasste Tathandlung auf einen klar
umgrenzten und in der strafrechtlichen Praxis auch anwend-
baren Gehalt zurückzunehmen. Die Änderung räumt psy-
chische Hindernisse, die der kritischen Berichterstattung
über wirklich oder vermeintlich rechtswidrige Zustände im
In- und Ausland entgegenstehen mögen, beiseite, indem sie
werbende Meinungsäußerungen umfassend und zweifels-
frei vom strafrechtlichen Risiko freistellt. Damit soll insbe-
sondere verdeutlicht werden, dass die werbende Tätigkeit
von sog. Solidaritätsbüros nicht vom Merkmal des Werbens
erfasst wird.

Zu Nummer 4 (§ 129b – neu –)
§ 129b Abs. 1 Satz 1 StGB entspricht dem Regierungsent-
wurf, der insoweit unverändert übernommen werden soll.
Der neue Satz 2 beschränkt den persönlichen und räumli-
chen Geltungsbereich für Beteiligungshandlungen, die sich
auf Vereinigungen außerhalb der Mitgliedstaaten der euro-
päischen Union beziehen. Solche Taten können ferner nur
mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz ver-
folgt werden. Die Ermächtigung kann entweder für den
konkreten Einzelfall oder generell, auch in Bezug auf in der
Zukunft liegende Taten erteilt werden, sofern sich diese auf
eine bestimmte Vereinigung beziehen. Satz 5 enthält Hin-
weise für die Ausübung des Ermessens bei der Entschei-
dung über die Erteilung der Ermächtigung.
Die §§ 129, 129a StGB gelten in ihrer derzeitigen Fassung
nur für Vereinigungen, die zumindest eine Teilorganisation
in der Bundesrepublik Deutschland aufweisen. Sie sind auf
die Verhältnisse im demokratischen Rechtsstaat zugeschnit-
ten und berühren das Verhältnis zu anderen Staaten nicht
unmittelbar. Erfasst werden ausschließlich solche Taten, die
einen engen Bezug zum deutschen Hoheitsgebiet haben.
Die Ausdehnung des Geltungsbereichs der §§ 129, 129a
StGB über das Gebiet der Europäischen Union hinaus wird
dies ändern. Nunmehr können auch Verhaltensweisen be-
troffen sein, die ihre Wirkung vorwiegend im entfernten
Ausland entfalten. Spannungen können auch dann auftreten,
wenn es um die strafrechtliche Bewertung von sog. Befrei-
ungsbewegungen geht, d. h. von Vereinigungen, die sich
mit Verhältnissen auseinandersetzen, die dem Leitbild einer
freiheitlich demokratisch verfassten Staatsordnung zuwider-
laufen. Nach der deutschen Rechtsprechung verleiht das
Ziel, völker- oder menschenrechtlich anerkannte Rechtspo-
sitionen durchzusetzen, jedenfalls nicht ohne weiteres die
Befugnis zu gewaltsamem Vorgehen (BGH NJW 1966, 312;
2000, 3079; BVerfG NStZ 2001, 187). Vereinigungen, die
solche Ziele verfolgen, könnten deshalb gleichwohl als kri-
minell oder als terroristisch im Sinne der erweiterten
§§ 129, 129a StGB eingestuft werden, wenn sie zum Mittel
der Gewalt greifen. Durchgreifende Bedenken können einer
undifferenzierten Strafverfolgung auch dann entgegenge-
halten werden, wenn ein Prozess der Verständigung zwi-
schen den Beteiligten an einem bewaffneten Konflikt im
Ausland eingeleitet wurde, der Unterstützung oder zumin-
dest Respekt verdient. Auf der Ebene von Tatbestand oder
Rechtswidrigkeit können solche Fälle minderer Strafwür-
digkeit bzw. weichenden Strafbedürfnissen nicht mit der ge-
botenen Bestimmtheit ausgeschieden werden. Diese Fall-
gruppen auf den verfahrensrechtlichen Weg der Einstellung
zu verweisen, sollte schon deshalb nicht in Betracht gezo-
gen werden, weil dies eine Verlagerung der Verantwortung
auf die Staatsanwaltschaften und Gerichte zur Folge hätte,
die einem Sachverhalt, bei dem es auch um die (außen-) po-
litisch sinnvolle Handhabung der Strafrechtspflege gehen
kann, nicht angemessen wäre.
Beteiligungshandlungen in Bezug auf Vereinigungen, die
außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union be-
stehen, sollen nur dann von den §§ 129, 129a StGB erfasst
werden, wenn sie einen spezifischen Inlandsbezug aufwei-
sen. Dies erscheint unter dem Blickwinkel einer sinnvollen
Begrenzung der Strafbarkeit erforderlich, der einer ufer-
losen Ausdehnung deutschen Strafrechts Grenzen setzt. Ein

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/8893

solcher Inlandsbezug, der die Erstreckung deutschen Straf-
rechts rechtfertigt, liegt vor, wenn die Tat durch eine Tätig-
keit im Inland begangen wird oder wenn sich der Täter wäh-
rend der Tathandlung im Inland aufhält, ohne eine solche
Tätigkeit auszuüben. Zu denken ist etwa daran, dass das
Mitglied einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung
das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bereist und
hierbei nicht vereinigungsbezogen tätig wird. Außerdem
sollen die Fälle erfasst werden, in denen das Opfer einer
Straftat, die der Vereinigung zuzurechnen ist, Deutscher ist
oder auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ver-
letzt wird.
Der Entwurf sieht ferner vor, die Strafverfolgung von einer
Ermächtigung abhängig zu machen, wenn sich die Tat auf
eine Vereinigung bezieht, die nicht im Bereich der Europäi-
schen Union besteht. Das Ermächtigungserfordernis, das im
StGB auch für andere Tatbestände vorgesehen ist (vgl. § 90
Abs. 4, § 90b Abs. 2, § 97 Abs. 3, § 194 Abs. 4, § 353b
Abs. 4), erlaubt es, nicht strafwürdige Fälle auszuscheiden
und die Strafverfolgung auf schwerwiegende Sachverhalte
zu konzentrieren. Ferner kann auf die Durchführung eines
Verfahrens verzichtet werden, wenn dieses unverhältnismä-
ßige Nachteile mit sich bringen könnte. Die Ermächtigung
zur Strafverfolgung wird von der Staatsanwaltschaft von
Amts wegen eingeholt. In der Schwebezeit bis zu ihrer Er-
teilung oder Verweigerung sind nur die Maßnahmen zur
Strafverfolgung zulässig, die durch Gefahr im Verzug gebo-
ten sind. Zuständig für die Erteilung ist das Bundesministe-
rium der Justiz; eine Zuständigkeit der Bundesregierung als
Kollegialorgan konnte nicht in Betracht kommen, weil die
u. U. knappen Fristen in Haftsachen (vgl. § 130 StPO) eine
förmliche Befassung des Kabinetts nicht erlauben würden.
Die Ermächtigung soll auch für künftige Taten erteilt wer-
den können, die im Einzelnen noch nicht genau bestimmbar
sind, weil die Person des Täters, der Zeitpunkt der Bege-
hung oder die Tatmodalitäten nicht feststehen. Absatz 1
Satz 4 ordnet deshalb an, dass die Ermächtigung auf alle,
d. h. auch auf künftige Tathandlungen erstreckt werden
kann, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen.
Diese, vom bisherigen Recht abweichende Regelung erlaubt
es zum einen, den bürokratischen Aufwand gering zu hal-
ten. Zum anderen können Erkenntnisse, die auf internatio-
naler Ebene über terroristische Vereinigungen gewonnen
wurden, unmittelbar für die Strafverfolgung fruchtbar ge-
macht werden. Schließlich kann die Erteilung von gene-
rellen, auf bestimmte Vereinigungen bezogenen Ermächti-
gungen ein wichtiges Instrument zur internationalen
Koordination des Kampfes gegen den Terrorismus bilden.
Die Entscheidung über die Erteilung oder Verweigerung der
Ermächtigung ist gerichtlicher Nachprüfung entzogen.
Absatz 1 Satz 5 enthält Hinweise für die Ausübung des Er-
messens bei der Entscheidung über die Erteilung der Er-
mächtigung. Ausgangspunkt und Objekt der Bewertung
sind die Bestrebungen der Vereinigung. Als Maßstab wer-
den die Grundwerte einer die Würde des Menschen achten-
den staatlichen Ordnung sowie das Gebot des friedlichen
Zusammenlebens der Völker genannt. Der Rückgriff auf
fundamentale, innerhalb der Völkergemeinschaft allgemein
anerkannte Werte vermeidet es, die eigene verfassungs-
rechtliche Ordnung zum absolut gültigen Maßstab zu erhe-
ben. Einem Tatbestand, der sich die Bekämpfung des inter-
nationalen Terrorismus zum Ziel gesetzt hat, wäre solches

nicht angemessen. Durch das Erfordernis einer Abwägung
aller Umstände wird eine Gesamtbewertung gefordert. die
zu dem Ergebnis führen muss, dass die Bestrebungen ver-
werflich sind, d. h. einen erhöhten Grad der Missbilligung
verdienen. Dies kann unter Umständen dann zu verneinen
sein, wenn gewaltsamer Widerstand, z. B. einer Freiheitsbe-
wegung, auch unter Verstoß gegen strafrechtliche Normen
als verstehbare Reaktion auf staatliche Willkür erscheint.
Die Aufzählung der bei der Entscheidung in Betracht zu zie-
henden Gesichtspunkte ist nicht abschließend; bei der Ertei-
lung einer Ermächtigung für den Einzelfall wird etwa das
konkret verwirklichte Unrecht maßgebend ins Gewicht zu
fallen haben.
Die Beteiligung an Vereinigungen, deren Zwecke oder de-
ren Tätigkeit auf den unbefugten Vertrieb von Betäubungs-
mitteln gerichtet sind, bleibt weiterhin auch ohne Ermächti-
gung verfolgbar. Die speziellere Vorschrift des § 30b BtMG
geht der Neuregelung des § 129b Abs. 1 StGB vor.
Absatz 2 erklärt die insbesondere der Bekämpfung der orga-
nisierten Kriminalität dienenden Rechtsfolgen der § 73d
StGB (Erweiterter Verfall) und § 74a StGB (sog. Dritteinzie-
hung) für anwendbar. Bereits jetzt gilt über die allgemeinen
Bestimmungen der §§ 73 ff. StGB hinaus, dass – auch legal
erworbenes – Vermögen der Täter und Teilnehmer, das z. B.
zur Gründung oder Unterstützung einer kriminellen oder ter-
roristischen Vereinigung oder zur Vorbereitung oder Bege-
hung sonstiger Straftaten bestimmt war, eingezogen werden
kann (§ 74 Abs. 1, 2 Nr. 1 StGB); nicht dem Täter oder Teil-
nehmer gehörende Vermögensgegenstände können darüber
hinaus eingezogen werden, wenn die Gefahr besteht, dass sie
zur Begehung (weiterer) rechtswidriger Taten dienen werden
(§ 74 Abs. 1, 2 Nr. 2 StGB; vgl. BGH NStZ 1985, 262).
Künftig wird die sog. Dritteinziehung auch unter den erwei-
terten Voraussetzungen des § 74a StGB möglich sein. § 73d
StGB eröffnet die Möglichkeit, Erträge aus Straftaten auch
dann für verfallen zu erklären, wenn sie keiner konkreten Tat
zugeordnet werden können. Eine Erstreckung der Einzie-
hungsvorschriften auf sog. Beziehungsgegenstände ist hin-
gegen nicht erforderlich, weil derartige Sachen und Rechte,
die notwendige Gegenstände der Tathandlungen nach den
§§ 129 ff. StGB sein könnten, nicht ersichtlich sind. Ergänzt
wird die Regelung durch die Ergänzung des § 443 StPO, die
die Beschlagnahme des Vermögens des Beschuldigten zur
Sicherung des Verfahrens ermöglicht.
Zu Nummer 5
Es handelt sich um eine Folge der Erweiterung der §§ 129,
129a StGB auf Vereinigungen im Ausland. Die Ergänzung
passt die bereits bestehende strafbewehrte Anzeigepflicht an
die neue Rechtslage an und stellt sicher, dass auch die
Nichtanzeige der nunmehr strafbaren Tathandlungen in Be-
zug auf ausländische Vereinigungen mit Strafe bedroht ist.
Zu Nummer 6
Es handelt sich um eine Folgeänderung zu der Einfügung
des § 129b StGB.
Zu Nummer 7
Die Änderung des § 261 Abs. 1 StGB zielt darauf ab, § 129
StGB (Bildung krimineller Vereinigungen), § 129a Abs. 3

Drucksache 14/8893 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

StGB (Unterstützung terroristischer Vereinigungen, Wer-
bung für terroristische Vereinigungen) sowie den neuen
§ 129b StGB (kriminelle und terroristische Vereinigungen
im Ausland) in den Katalog der Vortaten einer nach § 261
StGB strafbaren Geldwäsche oder Verschleierung unrecht-
mäßig erlangter Vermögenswerte einzubeziehen.
Die in § 129a Abs. 1 StGB als Verbrechen eingestufte Grün-
dung einer terroristischen Vereinigung und die Beteiligung
an einer solchen Vereinigung wird bereits von § 261 Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 StGB – danach gehören sämtliche Verbrechen
zu den Vortaten der Geldwäsche – erfasst. Soweit sich die
erweiterte Nummer 5 wie bisher auf die von einem Mitglied
einer kriminellen Vereinigung begangenen Vergehen be-
zieht, werden zur Klarstellung – das heißt unbeschadet der
Tatsache, dass § 129 StGB Grundtatbestand zu § 129a StGB
ist – auch die von einem Mitglied einer terroristischen Ver-
einigung (§ 129a StGB) begangenen Vergehen genannt.
Diese Maßnahmen zielen darauf, eine finanzielle Unterstüt-
zung des Terrorismus so weit wie möglich auch mit den
Mitteln der Strafvorschriften gegen die Geldwäsche zu be-
kämpfen.
Zu Artikel 2 (Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes)
Zu den Nummern 1 und 2
Es handelt sich um Folgeänderungen, die durch die Einfü-
gung des neuen § 129b Abs. 1 StGB veranlasst sind.
Zu Artikel 3 (Änderungen der Strafprozessordnung)
Zu Nummern 1 bis 3
Es handelt sich um notwendige Folgeänderungen der Erwei-
terung des Geltungsbereichs der §§ 129, 129a StGB durch
die Einfügung des neuen § 129b StGB.
Zu Nummer 4
Die Erweiterung der §§ 129, 129a kann zur Folge haben,
dass Taten mit Schwerpunkt im Ausland, die deutsche Inte-
ressen u. U. nicht oder nur sehr geringfügig berühren, die
Strafverfolgungsbehörden befassen werden. Zu denken ist
insbesondere an den Fall, dass Mitglieder von Vereinigun-
gen, die von einer allgemeinen Ermächtigung erfasst wer-
den, nach außen hin nicht oder nur in geringem, innerstaatli-
che Belange nicht nennenswert berührendem Umfang tätig
werden. Solche Beteiligungshandlungen, die zwar im Inland
begangen werden, ihre strafrechtliche Wirkung aber vor-
nehmlich im Ausland entfalten, legen eine behutsame Er-
weiterung der Einstellungsvorschriften für Verfahren mit
Auslandsbezug nahe. Die Möglichkeit der Verfahrensein-
stellung nach § 153d StPO vermag dies nicht zu ersetzen.
Die Vorschrift setzt die Gefahr eines schweren Nachteils für
die Bundesrepublik Deutschland oder eine Gefährdung
überwiegender öffentlicher Interessen voraus. Auf die Be-

wältigung von Verfahren, die eher geringes Gewicht auf-
weisen, unter Umständen aber – etwa im Fall kollektiver
Selbstanzeigen – auch gehäuft auftreten können, ist sie nicht
zugeschnitten. Der Rückgriff auf § 153 StGB scheidet in
solchen Fällen schon deshalb aus, weil die mitgliedschaftli-
che Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung Verbre-
chen ist (§ 129a Abs. 1, § 12 Abs. 1 StGB). Die Einstellung
des Verfahrens soll ermöglicht werden, wenn sich die im In-
land begangenen Tathandlungen in untergeordneten Beiträ-
gen oder in der bloßen Mitgliedschaft erschöpfen. Unterge-
ordnete Beteiligungshandlungen in diesem Sinne sind etwa
die Entrichtung von Mitgliedsbeiträgen oder die Vornahme
einfacher Hilfsdienste; hat der Beschuldigte indessen Straf-
taten im Auftrag der Vereinigung im Inland begangen, wird
dies einer Einstellung des Verfahrens in aller Regel entge-
genstehen.
Zu Nummer 5
Die Ergänzung des § 443 Abs. 1 Nr. 1 StPO ermöglicht die
Anordnung der Vermögensbeschlagnahme gegen Beschul-
digte, denen eine Straftat nach den §§ 129, 129a auch in
Verbindung mit § 129b StGB zur Last gelegt wird. Hier-
durch wird verhindert, dass Mitglieder, Unterstützer und an-
dere an kriminellen oder terroristischen Vereinigungen be-
teiligte Personen ihr Vermögen während des Strafverfahrens
zu weiteren einschlägigen Straftaten verwenden oder es an-
deren zu diesem Zweck überlassen.
Zu Artikel 4 (Änderung des Strafvollzugsgesetzes)
Es handelt sich um Folgeänderungen der Erweiterung des
Geltungsbereichs der §§ 129, 129a StGB durch § 129b
StGB – neu –.
Zu Artikel 5 (Änderungen anderer Gesetze)
Es handelt sich um Folgeänderungen zu der Erweiterung
des Geltungsbereichs der §§ 129, 129a StGB durch § 129b
StGB.
Zu Artikel 6 (Änderungen von Rechtsverordnungen)
Es handelt sich um Folgeänderungen der geplanten Einfü-
gung des § 129b StGB.
Zu Artikel 7 (Rückkehr zum einheitlichen Verordnungs-

rang)
Die Vorschrift soll eine spätere Änderung der durch Arti-
kel 7 geänderten Verordnungen durch Rechtsverordnung
ermöglichen.
Zu Artikel 8 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

Berlin, den 24. April 2002
Dr. Jürgen Meyer (Ulm)
Berichterstatter

Joachim Stünker
Berichterstatter

Volker Kauder
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Dr. Evelyn Kenzler
Berichterstatterin

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