BT-Drucksache 14/7817

a) zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates -14/6477- Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung der für die Kostengesetze nach dem Einigungsvertrag geltenden Ermäßigungsgesetze für den Teil des Landes Berlin, in dem das Grundgesetz vor dem 3. Oktober 1990 nicht galt (Ermäßigungssatz-Aufhebungsgesetz Berlin - KostGErmAufhGBln) b) zu dem Antrag der Abg. Funke, Schmidt-Jortzig, van Essen, Gerhardt und der Fraktion der F.D.P. -14/3485- Ende der doppelten Benachteiligung für die Rechtsanwälte in den neuen Ländern

Vom 12. Dezember 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7817
14. Wahlperiode 12. 12. 2001

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates
– Drucksache 14/6477 –

Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung der für die Kostengesetze nach dem
Einigungsvertrag geltenden Ermäßigungsgesetze für den Teil des Landes
Berlin, in dem das Grundgesetz vor dem 3. Oktober 1990 nicht galt
(Ermäßigungssatz-Aufhebungsgesetz Berlin – KostGErmAufhGBln)

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Rainer Funke, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig,
Jörg van Essen, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP
– Drucksache 14/3485 –

Ende der doppelten Benachteiligung für die Rechtsanwälte in den neuen
Ländern

A. Problem
Der Einigungsvertrag hat für die Beitrittsgebiete einen Abschlag für Justiz-
gebühren und -entschädigungen vorgesehen, der zunächst 20 % betrug und
inzwischen auf 10 % abgesenkt wurde. Seit dem 1. Januar 2000 gilt § 78 der
Zivilprozessordnung in allen Bundesländern mit der Folge, dass die Rechtsan-
wältinnen und Rechtsanwälte aus den alten und den neuen Ländern vor allen
Amts- und Landgerichten postulationsfähig sind. Durch den fortbestehenden
Ermäßigungssatz werden die im Beitrittsgebiet domizilierenden Rechtsanwälte
belastet, weil sie für die gleiche Arbeit weniger Geld erhalten als die Kollegen
in Nichtbeitrittsgebieten.
zu a)
Der Gesetzentwurf des Bundesrates sieht vor, den Abschlag für das Beitrittsge-
biet Berlin zu beseitigen. In Berlin stelle sich der Gebührenabschlag auch als
Behinderung der Niederlassungsfreiheit der Rechtsanwälte dar, weil die Verle-
gung einer Kanzlei in den Beitrittsteil der Stadt nur bei Inkaufnahme von Ein-
nahmeverlusten möglich sei. Durch Zuzug und Vermischung der Bevölkerung
aus beiden Teilen der Stadt hätten sich die Lebensverhältnisse insgesamt ange-
glichen, so dass eine Entlastung des Beitrittsgebiets nicht mehr erforderlich sei.

Drucksache 14/7817 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

zu b)
Der Antrag der Fraktion der FDP sieht die vollständige Aufhebung des Gebüh-
renabschlags für die Anwaltschaft im gesamten Beitrittsgebiet vor. Zehn Jahre
nach der staatsrechtlichen Zusammenführung der alten und der neuen Länder
sei für die im Gebiet der neuen Bundesländer und in Berlin-Ost tätigen Rechts-
anwälte nicht mehr nachzuvollziehen, dass ihre Honorare nach der Bundes-
gebührenordnung für Rechtsanwälte noch immer um 10 % gegenüber den
normalen Sätzen reduziert werden müssen. Hinzu komme, dass auch die
Gegenstandswerte in den neuen Bundesländern geringer seien.

B. Lösung
Abschaffung der Abschläge auf Gebühren bzw. Entschädigungen nach dem
Gerichtskostengesetz, der Kostenordnung, dem Gesetz über Kosten der Ge-
richtsvollzieher, dem Gesetz über die Entschädigung der ehrenamtlichen Rich-
ter, dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen so-
wie der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte für das Beitrittsgebiet
Berlins.
Darüber hinaus hat der Rechtsausschuss einstimmig eine Entschließung ange-
nommen, wonach die Bundesregierung gebeten wird, gemeinsam mit den be-
troffenen Ländern zu prüfen, ob die Angleichung der Rechtsanwaltsgebühren
und Justizkosten im Zuge der in diesem Bereich geplanten Strukturreform er-
folgen könne.
zu a)
Annahme des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP
zu b)
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/CSU
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der
FDP und PDS

C. Alternativen
Abschaffung der Abschläge auf Gebühren bzw. Entschädigungen im gesamten
Beitrittsgebiet gemäß dem Antrag unter b).

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7817

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
a) den Gesetzentwurf – Drucksache 14/6477 – anzunehmen,
b) den Antrag – Drucksache 14/3485 – abzulehnen.

Berlin, den 12. Dezember 2001

Der Rechtsausschuss
Dr. Rupert Scholz
Vorsitzender

Christine Lambrecht
Berichterstatterin

Andrea Voßhoff
Berichterstatterin

Dr. Norbert Röttgen
Berichterstatter

Hans-Christian Ströbele
Berichterstatter

Rainer Funke
Berichterstatter

Dr. Evelyn Kenzler
Berichterstatterin

Drucksache 14/7817 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Christine Lambrecht, Andrea Voßhoff, Dr. Norbert
Röttgen, Hans-Christian Ströbele, Rainer Funke und Dr. Evelyn Kenzler

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 14/6477 in seiner 190. Sitzung am 27. September
2001 in erster Lesung beraten und zur alleinigen Beratung
an den Rechtsausschuss überwiesen.
Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 14/
3485 in seiner 141. Sitzung am 8. Dezember 2000 in erster
Lesung beraten und zur federführenden Beratung an den
Rechtsausschuss sowie zur Mitberatung an den Innenaus-
schuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie so-
wie den Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder
überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
Der Innenausschuss hat den Antrag auf Drucksache 14/
3485 in seiner 53. Sitzung am 7. März 2001 beraten und mit
den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der FDP und
PDS bei Stimmenthaltung der Mitglieder der Fraktion der
CDU/CSU beschlossen zu empfehlen, den Antrag abzuleh-
nen.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat den
Antrag in seiner 47. Sitzung am 14. Februar 2001 beraten
und mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, FDP und PDS beschlossen zu empfehlen, den
Antrag abzulehnen.
Der Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder
hat den Antrag in seiner 53. Sitzung am 24. Januar 2001 be-
raten und mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/CSU
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktionen der FDP und PDS beschlossen zu empfehlen,
den Antrag abzulehnen.

III. Beratung und Beratungsergebnis im feder-
führenden Rechtsausschuss

Der Rechtsausschuss hat die Vorlagen in seiner 69. Sitzung
am 17. Januar 2001, in seiner 75. Sitzung am 7. März 2001
sowie abschließend in seiner 109. Sitzung am 12. Dezember
2001 beraten.
Der Rechtsausschuss nahm in der abschließenden Beratung
einstimmig folgenden Entschließungsantrag an:
Der Rechtsausschuss bittet die Bundesregierung,
gemeinsam mit den betroffenen Ländern zu prüfen, ob im
Zuge der Strukturreform der Rechtsanwaltsgebühren eine
(stufenweise) Aufhebung der im Einigungsvertrag für die
Justizkosten und Rechtsanwaltsgebühren vorgesehenen Er-
mäßigungssätze erfolgen kann.
Die Fraktion der CDU/CSU führte aus, dass der Gesetz-
entwurf eine Abkehr von der Gerechtigkeitsvorstellung des
Einigungsvertrages beinhalte. Dem Einigungsvertrag liege
die Auffassung zugrunde, dass Rechtsanwälte, deren Ver-

dienst sich aufgrund einer vom Staat festgesetzten Gebüh-
renordnung berechne, nicht besser gestellt sein sollten als
Beschäftigte im öffentlichen Dienst, deren Gehälter im Bei-
trittsgebiet einem Abschlag unterlägen. Wolle man von die-
ser, dem Einigungsvertrag zugrunde liegenden Bewertung
abweichen, müsse dies flächendeckend für alle neuen Län-
der geschehen. Die im Gesetzentwurf des Bundesrates hin-
gegen vorgesehene Insellösung für das Beitrittsgebiet im
Land Berlin verstoße gegen Artikel 3 des Grundgesetzes
und sei daher abzulehnen. Sowohl das Land Berlin als auch
die Bundesregierung räumten ein, dass in Berlin die Anglei-
chung der wirtschaftlichen Lebensverhältnisse noch nicht
erfolgt sei. Nur gleiche wirtschaftliche Lebensverhältnisse
im gesamten Land Berlin könnten aber eine Ungleichbe-
handlung des Beitrittsgebiets im Land Berlin gegenüber den
übrigen Beitrittsgebieten rechtfertigen.
Die Koalitionsfraktionen vertraten ebenfalls die Auffas-
sung, dass eine Anhebung der Gebührensätze für Rechtsan-
wälte ohne eine Anhebung der Gehälter der im öffentlichen
Dienst Beschäftigten in den neuen Bundesländern dem
Grundgedanken des Einigungsvertrages widerspreche. Hin-
sichtlich einer auf das Land Berlin begrenzten Sonderrege-
lung wurden jedoch keine Bedenken gesehen. Die beson-
dere Situation in Berlin, wo sogar innerhalb eines
Straßenzuges unterschiedliche Rechtsanwaltsgebühren gel-
ten könnten, rechtfertige die Ungleichbehandlung gegen-
über den neuen Ländern. In Berlin-Mitte entstünden einer
Anwaltskanzlei vergleichbare, wenn nicht sogar höhere
Kosten als in manchen Bereichen im Westteil der Stadt.
Dementsprechend wirke der Abschlag sich im Ostteil Ber-
lins besonders investitionshemmend aus. Vor dem Hinter-
grund des Entschließungsantrags, der auf eine baldige An-
gleichung der Rechtsanwaltsgebühren auch in den neuen
Ländern ziele, könne dem Gesetzentwurf des Bundesrates
und damit einer Vorreiterrolle Berlins zugestimmt werden.
Die Fraktion der FDP erklärte, dass sie eine Insellösung
nur für Ostberlin für nicht zweckmäßig halte. Die Anglei-
chung der Gebühren nur für im Ostteil Berlins niedergelas-
sene Rechtsanwälte und nicht für Rechtsanwälte, die ihre
Kanzlei beispielsweise in Potsdam eröffnet haben, könne
nicht gerechtfertigt werden. Die Kosten einer Rechtsan-
waltskanzlei seien nicht nur im Ostteil Berlins, sondern im
gesamten Beitrittsgebiet genauso hoch wie in den westli-
chen Bundesländern.
Die Fraktion der FDP stellte daher folgenden Änderungsan-
trag:
Der Rechtsausschuss möge beschließen:
1. In der Bezeichnung des Gesetzes werden die Worte „des

Landes Berlin“ durch die Worte „der Bundesrepublik
Deutschland“ ersetzt und die Kurzbezeichnung sowie
Abkürzung wie folgt gefasst: „(Bundesermäßigungs-
satzaufhebungsgesetz – BERmAufhG)“

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/7817

2. Artikel 1 wird wie folgt geändert:
a) In den Absätzen 1, 2 sowie 4 bis 6 werden in der

Überschrift jeweils die Worte „im Land Berlin“ so-
wie im Gesetzestext die Worte „des Landes Berlin“
gestrichen.

b) Der Absatz 3 wird wie folgt gefasst:
㤠20 des Gerichtsvollzieherkostengesetzes vom
19. April 2001 (BGBl. I S. 623), wird aufgehoben.“

Der Änderungsantrag wurde mit den Stimmen der Fraktio-
nen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ge-
gen die Stimmen der Fraktionen der FDP und PDS abge-
lehnt.
Die Fraktion der FDP gab im Hinblick auf den gemeinsam
getragenen Entschließungsantrag zu bedenken, dass eine
stufenweise Anhebung der Gebühren wegen der mehrfach
erforderlichen Anpassung von Vorschriften mit hohem Ver-
waltungs- und Kostenaufwand verbunden wäre.
Die Fraktion der PDS begrüßte den Antrag der FDP. Auch
ihres Erachtens sei zehn Jahre nach der Herstellung der
Deutschen Einheit ein derartiger Gebührenabschlag nicht
mehr zu rechtfertigen. Darüber hinaus sollten auch die Ab-
schläge auf die Gehälter aller übrigen Berufsgruppen aufge-

hoben werden. Tatsächlich seien die für andere Freiberufler
zunächst bestehenden Abschläge schon seit langem aufge-
hoben worden. Dies liege möglicherweise daran, dass die
Ermäßigung der Gebühren über das Instrument der Prozess-
kostenhilfe auch den Haushalten der Länder zugute komme.
Die Fraktion der PDS stimmte auch dem Gesetzentwurf des
Bundesrates zu. Gespräche mit Rechtsanwälten in den
neuen Ländern hätten ergeben, dass diese sich von einer
Angleichung der Gebühren im Land Berlin eine „Schnei-
senwirkung“ für ihre eigene Situation versprächen. Sicher-
lich werde nach dem Inkrafttreten der Sonderregelung für
das Land Berlin der Druck aus den neuen Bundesländern in
Richtung auf eine flächendeckende Angleichung der Ge-
bührenregelungen zunehmen.
In seiner Schlussabstimmung beschloss der Rechtsaus-
schuss mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der Fraktio-
nen der CDU/CSU und FDP, die Annahme des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 14/6477 zu empfehlen.
Er beschloss mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/
CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktionen der FDP und PDS, die Ablehnung des An-
trags auf Drucksache 14/3485 zu empfehlen.

Berlin, den 12. Dezember 2001
Christine Lambrecht
Berichterstatterin

Andrea Voßhoff
Berichterstatterin

Dr. Norbert Röttgen
Berichterstatter

Hans-Christian Ströbele
Berichterstatter

Rainer Funke
Berichterstatter

Dr. Evelyn Kenzler
Berichterstatterin

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