BT-Drucksache 14/7354

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -14/7026- Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes

Vom 7. November 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7354
14. Wahlperiode 07. 11. 2001

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 14/7026 –

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes

A. Problem
Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 VereinsG (sog. Religionsprivileg) findet das Vereins-
gesetz auf Religionsgemeinschaften und Vereinigungen, die sich die gemein-
schaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen, im Rahmen des
Artikels 140 des Grundgesetzes (GG) i. V. m. Artikel 137 der Deutschen Ver-
fassung vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung, WRV), keine
Anwendung. Das 1964 als Ausführungsgesetz zu Artikel 9 GG erlassene Ver-
einsgesetz klammert auf diese Weise Religionsgemeinschaften und Welt-
anschauungsvereinigungen aus seinem Anwendungsbereich aus.
Das Vereinsgesetz lässt daher bisher keine Verbotsmöglichkeiten gegen extre-
mistische Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu, während gegen
sonstige Vereine nach § 3 VereinsG mit Verbotsverfügungen vorgegangen wer-
den kann. Bei Parteien kann das Bundesverfassungsgericht die Verfassungs-
widrigkeit feststellen. Die seit Schaffung des Vereinsgesetzes gesammelten
Erfahrungen zeigen jedoch, dass ein Bedürfnis besteht, gegen Vereinigungen,
deren Zwecke oder Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen, sich gegen die
verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung
richten, auch dann auf eindeutiger Rechtsgrundlage ein Verbot aussprechen zu
können, wenn es sich um Religionsgemeinschaften handelt.

B. Lösung
Ersatzlose Streichung der betroffenen Vorschrift.
Annahme des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen eine Stimme der
Fraktion der PDS

Drucksache 14/7354 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

C. Alternativen
Beibehaltung des bisherigen Zustandes.

D. Kosten
Keine

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7354

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Gesetzentwurf auf Drucksache 14/7026 anzunehmen.

Berlin, den 7. November 2001

Der Innenausschuss
Ute Vogt (Pforzheim)
Vorsitzende

Sebastian Edathy
Berichterstatter

Dr. Hans-Peter Uhl
Berichterstatter

Cem Özdemir
Berichterstatter

Dr. Max Stadler
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Drucksache 14/7354 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Sebastian Edathy, Dr. Hans-Peter Uhl, Cem Özdemir,
Dr. Max Stadler, Ulla Jelpke

I. Zum Verfahren
1. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde in der

192. Sitzung des Deutschen Bundestages am 11. Okto-
ber 2001 an den Innenausschuss federführend und an
den Rechtsausschuss mitberatend überwiesen.

2. Der Rechtsausschuss hat in seiner 103. Sitzung am
7. November 2001 mit den Stimmen der Fraktionen
SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
FDP bei Enthaltung der Fraktion der PDS empfohlen,
dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

3. Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner
72. Sitzung am 7. November 2001 abschließend beraten
und ihm mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/
CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen
eine Stimme der Fraktion der PDS zugestimmt.

II. Zur Begründung
Die Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
haben sich auf die Begründung in Drucksache 14/7026
bezogen.
Insbesondere sehen sie in der Regelung keinen Eingriff in
die grundgesetzlich geschützte Freiheit der Religionsaus-
übung. Es gehe darum, solche Vereine zu verbieten, die
unter dem Deckmantel der Religion extremistische Aktivi-
täten betreiben.
Die Fraktion der CDU/CSU hat dem Gesetzentwurf zuge-
stimmt. Sie spricht sich grundsätzlich für die Möglichkeit
aus, extremistische Religionsgemeinschaften zu verbieten,

und sieht in dieser Änderung des Vereinsgesetzes ebenfalls
keinen Eingriff in die Religionsfreiheit.
Seitens der Fraktion der FDP ist unter Hinweis auf die
Entscheidung des 1. Senats des Bundesverwaltungsgerichts
vom 23. März 1971 (BVerwG 37, 344), wonach ein Verbot
bereits möglich war, die Frage der Notwendigkeit einer sol-
chen Regelung angesprochen worden. Sie trägt den Gesetz-
entwurf aber letztlich mit, da er jedenfalls für eine Klarstel-
lung der Rechtslage sorgt. Die Fraktion der FDP hat weiter
darauf hingewiesen, dass durch die Neuregelung die Be-
weislast, die bisher der Staat trägt, auf den betroffenen Ver-
ein verlagert wird; sie hält dies für richtig.
Die Fraktion der PDS, die den Gesetzentwurf abgelehnt
hat, hat die Eile, mit der die Änderung des Vereinsgesetzes
betrieben wurde, gerügt, und – ebenso wie die Fraktion der
FDP – die Durchführung einer Anhörung beantragt. Der
Ausschuss hat diesen Antrag mehrheitlich abgelehnt. In der
Sache hat sie darauf hingewiesen, dass u. a. der Berliner
Kardinal Sterzinsky davor gewarnt hat, zu schnell das Reli-
gionsprivileg zu streichen. Die Fraktion der PDS hat die
Gefahr gesehen, dass Religions- oder Weltanschauungsge-
meinschaften, die nicht den Status einer Körperschaft des
öffentlichen Rechts besitzen, pauschal in den Generalver-
dacht des Extremismus gestellt werden. Zudem hält sie es
für fraglich, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, eine
Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft als „Auslän-
derverein“ im Sinne des § 14 Abs. 1 VereinsG zu verbieten.
Auch sie hat unter Hinweis auf die Entscheidung des Bun-
desverwaltungsgerichts aus 1971 die Frage nach der Not-
wendigkeit für die von der Bundesregierung vorgeschlagene
Streichung gestellt.
Berlin, den 7. November 2001
Sebastian Edathy
Berichterstatter

Dr. Hans-Peter Uhl
Berichterstatter

Cem Özdemir
Berichterstatter

Dr. Max Stadler
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

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