BT-Drucksache 14/6540

Prävention und Bekämpfung von Frauenhandel

Vom 3. Juli 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

6540

14. Wahlperiode

03. 07. 2001

Antrag

der Abgeordneten Rudolf Bindig, Angelika Graf (Rosenheim), Hanna Wolf
(München), Brigitte Adler, Hermann Bachmaier, Dr. Hans-Peter Bartels,
Ingrid Becker-Inglau, Anni Brandt-Elsweier, Bernhard Brinkmann (Hildesheim),
Detlef Dzembritzki, Dieter Dzewas, Hans Forster, Lilo Friedrich (Mettmann),
Arne Fuhrmann, Renate Gradistanac, Kerstin Griese, Hans-Joachim Hacker,
Alfred Hartenbach, Reinhold Hemker, Frank Hempel, Ingrid Holzhüter,
Christel Humme, Karin Kortmann, Anette Kramme, Helga Kühn-Mengel,
Christine Lambrecht, Christine Lehder, Christa Lörcher, Winfried Mante,
Dirk Manzewski, Tobias Marhold, Heide Mattischeck, Dr. Jürgen Meyer (Ulm),
Volker Neumann (Bramsche), Christel Riemann-Hanewinckel, Margot von Renesse,
Marlene Rupprecht, Dr. Hermann Scheer, Dagmar Schmidt (Meschede),
Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Richard Schuhmann (Delitzsch), Erika Simm,
Rolf Stöckel, Joachim Stünker, Adelheid Tröscher, Hedi Wegener,
Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Prävention und Bekämpfung von Frauenhandel

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Menschenhandel bedeutet in erster Linie internationaler Frauenhandel. Mehr-
fach bereits hat sich der Deutsche Bundestag mit dieser modernen Form der
Sklaverei beschäftigt, einer elementaren Menschenrechtsverletzung an Mäd-
chen und Frauen. Obwohl durch die „Bundesweite Arbeitsgruppe Frauen-
handel“, in der Bundesministerien, Länder, Bundeskriminalamt (BKA) und
Nichtregierungsorganisationen vertreten sind, wichtige Informationen zusam-
mengetragen und Handlungsanstöße gegeben worden sind, werden die Pro-
bleme immer drängender. So ist Berlin an der Nahtstelle zwischen Ost und
West zur Drehscheibe des internationalen Geschäfts mit der Ware Frau gewor-
den. Kamen die Frauen vor dem Fall der Mauer vor allem aus den Ländern der
so genannten Dritten Welt, stammen jetzt 89 % aus den mittel- und osteuro-
päischen Staaten. Nach Angaben des Bundeskriminalamts verschiebt sich die
Herkunft der Frauen immer mehr nach Osten, von Polen und der Tschechischen
Republik nach Weissrussland, Russland und in die Ukraine, die mit über 20 %
die Spitzenposition hält. Überproportional hoch im Vergleich zur Bevölke-
rungszahl ist der Anteil an Frauen aus Litauen und Lettland. Insgesamt ist die
Altersgruppe der Frauen zwischen 18 und 25 Jahren von Menschenhandel be-
sonders stark betroffen.
Drucksache

14/

6540

– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Das Delikt Frauenhandel in konkrete Zahlen zu fassen, ist kaum möglich. Die
Schwierigkeiten beginnen mit der Definition. Die Vorschriften des Strafgesetz-
buchs unterscheiden zwischen Menschenhandel nach § 180b StGB und schwe-
rem Menschenhandel nach § 181 StGB. Strafrechtlich wird Frauenhandel
immer im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung gesehen, also mit Zwangs-
prostitution oder anderen erzwungenen Jobs im Sexgewerbe. Bestimmte
Formen von Heiratshandel und illegale Arbeit unter sklavereiähnlichen Bedin-
gungen fallen nicht grundsätzlich unter diese Definition von Menschenhandel,
obwohl Frauen seit 1992 durch das 26. Strafrechtsänderungsgesetz vor sexuel-
ler Ausbeutung auch außerhalb der Prostitution besser geschützt sind. Zweifel-
los aber handelt es sich um verschiedene Formen ein- und desselben Delikts;
Zwangsprostitution ist jedoch die vorherrschende Form. Immerhin werden
Frauen aus den mittel- und osteuropäischen Staaten fast ausschließlich für die
Prostitution angeworben. Um Frauenhandel statistisch besser erfassen und ef-
fektiver bekämpfen zu können, ist eine einheitliche Definition zumindest auf
EU-Ebene unverzichtbar.

Die Definition von Menschenhandel in Artikel 3 des – seit Dezember 2000 be-
reits von über 80 Staaten gezeichneten – Zusatzprotokolls zur Vorbeugung,
Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen-
und Kinderhandels zur UN-Konvention gegen transnationales organisiertes
Verbrechen kann als Richtschnur für eine Definition auf EU-Ebene dienen;
ebenso die Definition in Empfehlung Nr. R (2000) 11 des Europarates vom
19. Mai 2000 zu „Maßnahmen gegen den Handel mit Menschen zum Zwecke
der sexuellen Ausbeutung“.

Eine weitere Schwierigkeit ist die hohe Dunkelziffer, da Frauenhandel ein Kon-
trolldelikt ist, das meist erst bei Polizeirazzien sichtbar, nur selten aber von
Dritten oder den Betroffenen selbst angezeigt wird. Die 1999 im „Lagebild
Menschenhandel“ des BKA registrierten 801 Opfer von Menschenhandel –
darunter zwei Männer – spiegeln daher nur die Spitze des Eisbergs wider.
Nach Schätzungen von EU-Experten bringen Schlepper jährlich 120 000
Frauen nach Westeuropa.

Der bundesweite Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an
Frauen im Migrationsprozess e. V. (KOK) in Potsdam hat in seinem „Schatten-
bericht“ aus der Sicht von Nichtregierungsorganisationen eine kritische
Bestandsaufnahme des Frauenhandels in Deutschland erstellt. Experten aus
unterschiedlichen Bereichen sind sich darin einig, dass die Nachfrage nach
unterbezahlten Prostituierten bei weitem das gegenwärtige Angebot übersteigt.

Der Nachfrage im Westen steht eine Kombination von Armut und Perspektiv-
losigkeit in den Herkunftsländern gegenüber, ein zum Teil dramatisches Wohl-
standsgefälle von Osten gen Westen sowie falsche Vorstellungen vom Leben
und Arbeiten in Westeuropa. Meist sind es die Frauen, die besonders stark von
Arbeitslosigkeit betroffen sind. Deshalb erscheint ihnen eine befristete oder
dauerhafte Migration oft als einziger Ausweg zur Existenzsicherung für sich
und ihre Familien. Auf diese Weise geraten sie in die Fänge von Organisatio-
nen, die zunächst scheinbar seriös als Künstleragenturen, Arbeitsvermittlungen
oder Reisebüros auftreten aber häufig zu einem Netz international organisierter
Kriminalität gehören, das oftmals auch in den Waffen- und Drogenhandel ver-
strickt ist. Sind die Frauen erst einmal in der Bundesrepublik Deutschland,
werden sie, nachdem ihnen die Pässe abgenommen worden sind, an Bordelle
verkauft und in die Prostitution gezwungen, oftmals durch physische und psy-
chische Gewaltanwendung. Auch Frauen, die sich „freiwillig“ mit Prostitution
einverstanden erklärt hatten, rechneten nicht damit, unter sklavenähnlichen
Bedingungen leben und arbeiten zu müssen.

Mit geschätzten 7 bis 13 Mrd. US-Dollar Jahresgewinn allein in Europa erweist
sich das Geschäft für die Menschenhändler als äußerst lukrativ; gering dagegen
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 –

Drucksache

14/

6540

ist die Gefahr, entdeckt und bestraft zu werden. Abhängigkeitsverhältnis und
illegaler Aufenthaltsstatus machen es den Frauen beinahe unmöglich, ihre Zu-
hälter anzuzeigen, und selbst wenn sie von der Polizei aufgegriffen werden,
schweigen sie aus Angst. In den meisten Fällen werden sie nicht als schutz-
bedürftige Opfer von Menschenhandel wahrgenommen, sondern als Täterin-
nen, die gegen das Ausländergesetz verstoßen haben, indem sie hier illegal,
d. h. ohne Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung arbeiten. Als Folge werden
sie abgeschoben, ehe die wahren Hintergründe geklärt sind und sie entscheiden
konnten, ob sie ggf. als Zeuginnen gegen die Menschenhändler aussagen wol-
len. Eine solche Entscheidung bedarf insbesondere bei traumatisierten Frauen
der längeren Vorbereitung. Aber selbst wenn sie nicht zu einer Aussage bereit
oder in der Lage sind, bleiben sie Opfer von Menschenrechtsverletzungen und
damit schutzbedürftig. Erfreulich in diesem Zusammenhang sind Fortbildungs-
maßnahmen für Polizei und Bundesgrenzschutz mit dem Ziel, dass den Frauen
mit größerer Sensibilität begegnet und Frauenhandel als solcher eher erkannt
wird.

Für die Strafverfolgungsbehörden sind Zeuginnen unverzichtbar, um die Struk-
turen der organisierten Kriminalität aufzudecken. Der Deutsche Bundestag
begrüßt deshalb die neue Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz, durch
die aufgegriffenen Opfern ein Abschiebeschutz von mindestens vier Wochen
gewährt wird. Die sofortige Abschiebung der Frauen ohne klärendes Gespräch,
ob sie möglicherweise Opfer von Frauenhandel sind, mag zwar für die Kom-
munen kostengünstig sein, mittelfristig ist sie aber kontraproduktiv. Wer sich
jedoch zu einer Zeugenaussage bereit erklärt und damit ein hohes Gefährdungs-
risiko auf sich nimmt, muss einen besseren Aufenthaltsstatus erhalten als nur
eine Duldung. Außerdem benötigen Opfer von Frauenhandel eine kompetente
Betreuung, denn die meisten sind durch ihre Erfahrungen in Deutschland trau-
matisiert.

Der Deutsche Bundestag begrüßt auch das von der „Bundesweiten Arbeits-
gruppe Frauenhandel“ entwickelte „Kooperationskonzept zwischen Fachbera-
tungsstellen und Polizei für den Schutz von Opferzeuginnen von Menschen-
handel“. Darin ist geregelt, dass die Polizei für den Schutz der Betroffenen und
die Fachberatungsstellen für deren Betreuung zuständig sind. Einige Bundes-
länder arbeiten bereits auf dieser Basis. Das Konzept soll immer dann greifen,
wenn die Opferzeuginnen nicht die Voraussetzung für die Aufnahme in die
polizeilichen Zeugenschutzprogramme erfüllen. Erfahrungsgemäß schaffen
dies nur sehr wenige Frauen. Um so wichtiger ist, dass das im Kooperations-
konzept vereinbarte Schutz- und Betreuungsprogramm auch dann erhalten
bleibt und umgesetzt wird, wenn das geplante „Gesetz zur Harmonisierung des
Schutzes gefährdeter Zeugen“ verabschiedet sein wird.

Das Angebot der Fachberatungsstellen ist umfangreich. Es umfasst von Bera-
tung über therapeutische Behandlung auch Prozessvorbereitung und -beglei-
tung, wenn die Frauen als Zeuginnen in Deutschland bleiben. Bislang können
die Kosten hierfür nur mühsam und unzureichend über öffentliche Leistungen
abgedeckt werden, z. B. nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Schutz- und
Betreuungsprogramme für Opferzeuginnen von Menschenhandel könnten je-
doch leicht aus beschlagnahmten Gewinnen der organisierten Kriminalität
finanziert werden. Mit ihrem Vorschlag, in den Bundesländern jeweils einen
Fonds zur Betreuung und Versorgung der Opfer von Menschenhandel einzu-
richten, weist die „Arbeitsgruppe Frauenhandel“ einen interessanten Weg. Ein
wichtiger Schritt ist auch der Erlass des Bundesministeriums für Arbeit und
Sozialordnung vom 1. Juni 2001, wonach Opferzeuginnen während ihres Auf-
enthaltes in Deutschland bis zum Prozess der Zugang zum Arbeitsmarkt er-
möglicht werden soll.
Drucksache

14/

6540

– 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wesentlicher Bestandteil der Bekämpfung des Menschenhandels ist die Zusam-
menarbeit mit den Herkunftsländern. Laut BKA wurden Fortschritte beim Aus-
tausch von Informationen und operativen Erkenntnissen erzielt. Die Lösung
liegt jedoch nur zum Teil bei einer verbesserten länderübergreifenden Koopera-
tion von Polizei und Grenzschutz bzw. in einer verstärkten internationalen Zu-
sammenarbeit. Letztlich geht es darum, den Menschen eine Lebensperspektive
in ihrem Herkunftsland zu geben. Wohl wissend, dass dies ein langwieriger
Prozess ist, könnte die Bundesrepublik Deutschland über verstärkte wirtschaft-
liche Zusammenarbeit zumindest in jenen Regionen, die vom Menschenhandel
besonders betroffen sind, Lebensbedingungen verbessern und den Zwang zur
Migration verringern helfen. Die meisten in Deutschland aufgegriffenen Opfer
von Frauenhandel haben nicht geplant, dauerhaft hier zu bleiben. Deshalb ist es
sinnvoll, die lange Wartezeit der aussagebereiten Frauen in Deutschland für
eine Aus- oder Fortbildung zu nutzen, die ihnen eine Einkommensmöglichkeit
zu Hause eröffnet und sie vor erneuter Migration bewahrt. Darüber hinaus soll-
ten vorhandene Rückkehrerinnen-Programme auf die Hauptherkunftsländer
erweitert und nachhaltig gefördert werden.

Begrüßenswert in diesem Zusammenhang ist die im Rahmen des Stabilitäts-
pakts Südosteuropa unter Leitung der OSZE ins Leben gerufene Task Force on
Trafficking in Human Beings. Deren Erkenntnisse können genutzt werden,
übertragbare Maßnahmen zur Bekämpfung des Frauenhandels zu entwickeln.

Frauenhandel als globales Problem kann nicht in nationalem Rahmen gelöst
werden. Um so mehr Bedeutung kommt den Initiativen und Programmen auf
EU-Ebene zu. Das Europäische Parlament hat im Mai 2000 einen Antrag zur
Bekämpfung des Frauenhandels (A5-0127/2000) mit einer Vielzahl sinnvoller
Forderungen verabschiedet und zugleich daran erinnert, dass die Gemeinsame
Maßnahme vom Februar 1997 zur Bekämpfung des Menschenhandels und der
sexuellen Ausbeutung von Kindern nur mangelhaft umgesetzt worden ist. Ganz
im Sinne der deutschen Diskussion wird u. a. eine harmonisierte Begrifflichkeit
gefordert, die Entkriminalisierung der Opfer, Opfer- und Zeugenschutz und die
Beschlagnahmung von Einkünften aus kriminellen Aktivitäten. Zugleich wird
die Schlüsselrolle von Europol betont.

Die EU-Kommission hat zwischenzeitlich den Entwurf eines Rahmenbeschlus-
ses insbesondere zur Harmonisierung des Strafrechts bei Menschenhandel
vorgelegt, der derzeit im Rat diskutiert wird. Einen wichtigen Beitrag zur
Bekämpfung des Menschenhandels leisten die EU-Programme STOP und
DAPHNE. Begrüßenswert ist, dass geplant ist, das 1996 zunächst auf fünf
Jahre angelegte STOP-Programm bis Ende 2002 zu verlängern. Es dient der
Sensibilisierung von Verwaltungen, Justiz und Polizei. DAPHNE ist ein bis
Ende 2003 angelegtes Aktionsprogramm über vorbeugende Maßnahmen zur
Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen. Es fördert
Projekte von Nichtregierungsorganisationen, eröffnet aber auch die Förderung
von öffentlichen Einrichtungen, wenn diese einen wichtigen Beitrag zur Be-
kämpfung von Gewalt leisten.

Die Bundesrepublik Deutschland hat eine Vielzahl von internationalen Ver-
trägen unterzeichnet, die sich mit der Bekämpfung des Frauenhandels befassen,
so – um nur die zwei wichtigsten zu nennen – 1979 die UN-Konvention zur Be-
seitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen (CEDAW) mit seinem
speziell auf Frauenhandel bezogenen Artikel 6, sowie 2000 die UN-Konvention
gegen transnationales organisiertes Verbrechen mit dem Zusatzprotokoll zur
Vorbeugung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere
des Frauen- und Kinderhandels.

Auch die Aktionsplattform der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking im Jahre
1995, die 2000 auf der UN-Sondersitzung „Women 2000“ in New York bekräf-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 –

Drucksache

14/

6540

tigt wurde, ruft zu einer Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung des Frauen-
handels auf.

Zur wirksamen Bekämpfung von Frauenhandel bei gleichzeitiger Hilfe für die
Opfer geht es nunmehr um ein Bündel praxis- und problemnaher Regelungen in
Bund und Ländern, die auch für die Europäische Union richtungsweisend sein
könnten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

im Rahmen der finanzpolitischen Leitlinien





für eine Definition von Frauenhandel einzutreten, die neben Zwangsprostitu-
tion auch Heiratshandel und Arbeitsverhältnisse unter sklavereiähnlichen
Bedingungen umfasst;





sich dafür einzusetzen, dass der mit dem 26. Strafrechtsänderungsgesetz be-
absichtigte Schutz von Frauen vor sexueller Ausbeutung auch über Zwangs-
prostitution hinaus in der Praxis stärker berücksichtigt wird und Straftaten
nachhaltig verfolgt werden;





weiterhin dafür einzutreten, die strafbewehrte Definition von Menschen-
handel auf Zwangsarbeit auszudehnen, wie dies im Dezember 2000 von der
EU-Kommission in einem Entwurf für einen Rahmenbeschluss des Rates
zur Bekämpfung des Menschenhandels vorgeschlagen worden ist;





sich in Bund und Ländern dafür einzusetzen, dass die für die Bekämpfung
von Frauenhandel zuständigen Einrichtungen, wie z. B. Bundeskriminalamt
und Landeskriminalämter, auf diese Aufgabe einen Schwerpunkt legen;





die Bundesländer in allen Maßnahmen zu bestärken, die dazu beitragen, dass
Betroffene von Menschenhandel trotz ihrer Verstöße gegen Vorschriften des
Ausländerrechts nicht als Täterinnen, sondern als schutzbedürftige Opfer be-
handelt werden;





die Bundesländer darin zu unterstützen, dass sie alle in einheitlicher Weise
gegenüber Opfern von Frauenhandel vorgehen und – entsprechend den am
7. Oktober 2000 in Kraft getretenen Verwaltungsvorschriften – eine Frist zur
freiwilligen Ausreise von mindestens vier Wochen gewähren sowie über die
Möglichkeit informieren, sich durch spezielle Beratungsstellen betreuen und
helfen zu lassen;





den Bundesländern, in denen es keine Beratungsstellen gibt, zu empfehlen,
geeignete Träger zu ermutigen und zu unterstützen;





für die bundesweite Übernahme und Umsetzung des von der „Arbeitsgruppe
Frauenhandel“ erarbeiteten „Kooperationskonzepts zwischen Fachbera-
tungsstellen und Polizei für den Schutz von Opferzeuginnen von Menschen-
handel“ einzutreten;





bei den Bundesländern dafür einzutreten, dass Zeuginnen, die Mut bewiesen
und zur Aufdeckung und Zerschlagung organisierter Kriminalität beige-
tragen haben, nach Abschluss des Verfahrens nicht nur Abschiebeschutz
erhalten, sondern auch ein Bleiberecht erhalten können, wenn sie bei der
Rückkehr in ihr Herkunftsland erheblich gefährdet sind;





die Bundesländer darin zu bestärken, dass schwer traumatisierten Frauen
– analog zur Regelung bei Flüchtlingen – Abschiebeschutz während einer
therapeutischen Behandlung gewährt wird;





dafür einzutreten, dass die betroffenen Frauen während ihres Aufenthalts in
Deutschland die Chance zu einer Aus- und Weiterbildung erhalten;
Drucksache

14/

6540

– 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode





den Vorschlag der „Arbeitsgruppe Frauenhandel“ zu unterstützen, dass die
Bundesländer Mittel für die Betreuung der Opfer von Menschenhandel zur
Verfügung stellen, aus denen sämtliche Kosten für die Zeit ihres Aufenthalts
inklusive der Rückkehr abgedeckt werden;





sich dafür einzusetzen, dass Maßnahmen der Gewinnabschöpfung konse-
quent umgesetzt werden, und die Bundesländer darin zu bestärken, einen
Teil der abgeschöpften Vermögenswerte für die kostendeckende Betreuung
und Unterstützung der Opfer von Menschenhandel bereitzustellen;





zu prüfen, ob der Bundesweite Koordinierungskreis gegen Frauenhandel
und Gewalt an Frauen (KOK) über die Anschubfinanzierung hinaus finanzi-
elle Unterstützung durch den Bund erhalten kann;





mit den wichtigsten Herkunftsstaaten verstärkt gegen den Frauenhandel zu-
sammenzuarbeiten, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen speziell für Frauen
anzuregen, auf eine engere Kooperation zwischen staatlichen und nichtstaat-
lichen Stellen hinzuwirken und auf eine innenpolitische Lösung des Pro-
blems in den Herkunftsländern zu drängen;





ihren Einfluss geltend zu machen, dass in den EU-Beitrittsländern der
Gender Mainstreaming-Ansatz des Amsterdamer Vertrages unterstützt und
umgesetzt wird;





zu prüfen, mit welchen Maßnahmen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit
potenziellen Migrantinnen und ihren Familien bzw. Rückkehrerinnen am
ehesten eine wirtschaftliche Perspektive in ihrem Land geboten werden
kann, und entsprechende Projekte zu fördern;





in den deutschen Auslandsvertretungen in den Herkunftsländern die Wirk-
samkeit des Informations- und Aufklärungsangebots über den Frauenhandel
zu überprüfen und ggf. neue Instrumente zu entwickeln;





ihren Einfluss geltend zu machen, dass Mittel des Stabilitätspakts Südost-
europa für geeignete Programme zur Prävention und Bekämpfung von Frau-
enhandel zur Verfügung gestellt werden;





die deutsche Öffentlichkeit gezielt über Frauenhandel als Menschenrechts-
verletzung aufzuklären;





sich dafür einzusetzen, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur
Bekämpfung des Frauenhandels intensiviert wird;





die zahlreichen Anregungen des zitierten EU-Antrags dahin gehend zu über-
prüfen, inwieweit sie auf die Problemlage in Deutschland übertragen werden
können und welche Vorschläge umgesetzt werden sollten, sowie aktiv für
die umfassende Beachtung dieser Forderungen im Rahmen der Schlussfol-
gerungen von Tampere einzutreten;





die UN-Konvention gegen transnationales organisiertes Verbrechen und das
Zusatzprotokoll zur Vorbeugung, Bekämpfung und Bestrafung des Men-
schenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels rasch zu ratifi-
zieren.

Berlin, den 3. Juli 2001

Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.