BT-Drucksache 14/6211

Schiffssicherheit auf der Ostsee verbessern

Vom 1. Juni 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6211
14. Wahlperiode 01. 06. 2001

Antrag
der Abgeordneten Dr. Christine Lucyga, Annette Faße, Gerd Andres,
Dr. Hans-Peter Bartels, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Hans-Günter
Bruckmann, Dr. Michael Bürsch, Dr. Peter Danckert, Christel Deichmann,
Dr. Peter Eckardt, Sebastian Edathy, Norbert Formanski, Hans Forster, Arne
Fuhrmann, Monika Ganseforth, Günter Graf (Friesoythe), Monika Griefahn,
Iris Gleicke, Angelika Graf (Rosenheim), Hans-Joachim Hacker, Anke Hartnagel,
Klaus Hasenfratz, Hubertus Heil, Frank Hempel, Gustav Herzog, Monika Heubaum,
Reinhold Hiller (Lübeck), Iris Hoffmann (Wismar), Gabriele Iwersen, Jann-Peter
Janssen, Ilse Janz, Johannes Kahrs, Hans-Ulrich Klose, Volker Kröning, Konrad
Kunick, Detlev von Larcher, Götz-Peter Lohmann (Neubrandenburg), Dieter Maaß
(Herne), Dirk Manzewski, Lothar Mark, Heide Mattischeck, Ulrike Mehl, Volker
Neumann (Bramsche), Dr. Edith Niehuis, Dr. Rolf Niese, Leyla Onur, Manfred Opel,
Holger Ortel, Kurt Palis, Karin Rehbock-Zureich, Dr. Carola Reimann, Reinhold
Robbe, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Thomas Sauer, Siegfried Scheffler, Horst
Schild, Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Olaf Scholz, Dietmar Schütz (Oldenburg),
Brigitte Schulte (Hameln), Bodo Seidenthal, Wieland Sorge, Wolfgang Spanier,
Antje-Marie Steen, Rita Streb-Hesse, Joachim Stünker, Franz Thönnes, Hedi
Wegener, Wolfgang Weiermann, Reinhard Weis (Stendal), Inge Wettig-Danielmeier,
Dr. Margrit Wetzel, Heino Wiese (Hannover), Dr. Wolfgang Wodarg, Peter Zumkley,
Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Schiffssicherheit auf der Ostsee verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Am 29. März 2001 kollidierte in der Ostsee im Bereich der in internationalen
Gewässern zwischen dem dänischen Gedser und der vorpommerschen Halbin-
sel Darß liegenden Kadetrinne, der Tanker „Baltic Carrier“ mit dem zyprioti-
schen Massengutfrachter „Tern“. Die „Baltic Carrier“, ein moderner, erst im
Jahr 2000 in Dienst gestellter Doppelhüllentanker, wurde bei dieser Kollision
so stark beschädigt, dass ca. 2 700 Tonnen Schweres Heizöl ausgelaufen sind,
die größtenteils an der dänischen Küste angetrieben wurden und dort zwischen
30 und 50 km Küste verschmutzt haben.

Der Schifffahrtsweg Kadetrinne zwischen Deutschland und Dänemark ist eine
der meist befahrenen Routen in der Ostsee. Jährlich passieren etwa 55 000

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Schiffe das nur eine Seemeile breite und zwei Seemeilen lange Nadelöhr. Seit
1990 sind im Bereich der Kadetrinne etwa 20 Schiffe auf Grund gelaufen oder
kollidiert. Der jüngste Zusammenstoß des Tankers „Baltic Carrier“ und des
Frachters „Tern“ gilt dabei als einer der folgenschwersten Unglücksfälle.

Aufgrund der zunehmenden Schiffsverkehre hat sich das Gefahrenpotential an
Unfällen erhöht. Der Deutsche Bundestag begrüßt daher die Bemühungen der
Bundesregierung das bestehende Sicherheitskonzept für Nord- und Ostsee zu
verbessern.

Als Konsequenz aus der Havarie des Holzfrachters „Pallas“ vor der Insel
Amrum 1998 hat die Bundesregierung eine unabhängige Expertenkommission
„Havarie Pallas“ unter Leitung von Senator a. D. Claus Grobecker eingesetzt,
die 30 konkrete Vorschläge zur Verbesserung des bestehenden Sicherheits- und
Notfallkonzepts erarbeitet hat. Die Empfehlungen der Expertenkommission
werden zurzeit in einer interministeriellen Projektorganisation Maritime Not-
fallvorsorge unter Beteiligung der Küstenländer bewertet und umgesetzt.

Unabhängig von den Arbeiten der Projektorganisation sind seit Anfang 1999
nach einer ersten Analyse des Unfallhergangs konkrete Verbesserungen am
Notfallkonzept für Nord- und Ostsee realisiert worden. Zu nennen sind hier ins-
besondere aus dem organisatorischen und technischen Bereich:

– die Überarbeitung der bestehenden Alarmpläne,

– das Aufstellen klarer Regeln zur Bestimmung der Vor-Ort-Einsatzleitung
(„On-Scene-Commander – OSC“),

– die Nachrüstung der Mehrzweckschiffe der Wasser- und Schifffahrtsverwal-
tung des Bundes mit hochfesten Schleppleinen,

– die Vereinbarung zwischen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des
Bundes und einem Privatunternehmen über die Bereitstellung von allwetter-
tauglichen Hubschraubern für Personal- und Materialtransporte im Seenot-
Einsatz,

– das Training von Hubschraubereinsätzen für Notfall-Personal,

– die am 1. Juli 2000 in Kraft getretene neue gemeinsame Dienstvorschrift
Küstenwache, mit der die Zusammenarbeit der Bundesvollzugsbehörden auf
See weiter gestrafft wurde,

– dauerhafte Stationierung des Sicherheitsschleppers Oceanic in der Nordsee.

Der Schwerpunkt liegt bei nationalen Maßnahmen, wie insbesondere der Ein-
richtung einer einheitlichen Einsatzstruktur („Havariekommando“). Die
Projektlenkung des Projekts Maritime Notfallvorsorge hat im Februar 2001 ein
Grobkonzept für das Havariekommando verabschiedet. Im Mittelpunkt der
zentralen Einsatzleitung ist ein „Maritimes Lagezentrum“ vorgesehen, das
24 Stunden in Bereitschaft ist. Der Leiter des Havariekommandos übernimmt
die Führung des Einsatzes und ist mit einem Durchgriffsrecht auf alle erforder-
lichen Einsatzkräfte ausgestattet.

Zwischen Deutschland und Dänemark ist die Zusammenarbeit bei der Schad-
unfallbekämpfung im DENGER-Plan geregelt. Das aktuelle Unglück hat
gezeigt, dass die Kooperation hier gut funktioniert.

Damit bei grenzüberschreitenden Meeresverschmutzungen durch Havarien in
Zukunft ein standardisiertes, automatisch ablaufendes Kommunikationsverfah-
ren der deutschen Einsatzleitung („Havariekommando“) mit den entsprechen-
den Stellen der Nachbarstaaten zur Verfügung steht, sind die einschlägigen
internationalen Übereinkommen für die Nord- und Ostsee sowie die bilateralen
Vereinbarungen mit den Niederlanden und Dänemark hinsichtlich der Alarm-
wege und Meldewege überprüft worden und werden, um das angestrebte stan-

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dardisierte, automatisch ablaufende Kommunikationsverfahren einzuführen,
entsprechend ergänzt.

Die Bundesregierung hat das Protokoll von 1996, Änderung des Übereinkom-
mens von 1976 über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen und das
Internationale Übereinkommen von 1989 über Bergung in nationales Recht
umgesetzt.

Der Deutsche Bundestag begrüßt ausdrücklich, die durch die Internationale
Seeschifffahrtsorganisation (IMO) weltweite verbindliche Einführung einer
Ausrüstungspflicht aller neuen Schiffe ab 1. Juli 2002 und aller vorhandenen
Schiffe bis spätestens 1. Juli 2007 mit einem Automatischen Schiffsidentifizie-
rungssystem (AIS-Transponder).

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

– die Arbeiten zur Umsetzung der Vorschläge der Grobecker-Kommission,
insbesondere die Einsetzung einer einheitlichen Einsatzstruktur („Havarie-
kommando“), weiterhin zügig voranzubringen;

– die Ostseeanliegerstaaten um Unterstützung zu bitten, um die bereits mit
Dänemark erörterten Maßnahmen zur Verlängerung des Tiefwasserweges
der Kadetrinne bei der IMO durchzusetzen und um eine bessere Kennzeich-
nung durch Seezeichen zu erreichen;

– dafür Sorge zu tragen, dass dauerhaft ausreichende Schlepperkapazität für
die Sicherheit in der Ostsee bereitsteht;

– bei den Ostseeanliegerstaaten für die zügige Einrichtung der landseitigen
Voraussetzungen für die Anwendung des AIS einzutreten sowie zusätzlich
die Einrichtung eines Weitbereichsradars für den Bereich der Kadetrinne
dringend zu prüfen;

– sich weiterhin konsequent zusammen mit den anderen Ostseeanliegerstaaten
in der IMO für die Einführung einer verbindlichen Lotsannahmepflicht und
Meldepflicht im schwierigen internationalen Seegebiet der Kadetrinne ein-
zusetzen.

Berlin, den 31. Mai 2001

Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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