Vom 7. Februar 2001
Deutscher Bundestag Drucksache 14/5242
14. Wahlperiode 07. 02. 2001
Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)
zu dem Antrag der Fraktion der PDS
– Drucksache 14/3065 –
Straffreiheit für Spionage zu Gunsten der Deutschen Demokratischen Republik
A. Problem
Der Antrag geht davon aus, dass zehn Jahre nach Herstellung der staatlichen
Einheit Deutschlands die Zeit herangereift sei, die strafrechtliche Verfolgung
von Spionen der DDR zu beenden und den Betroffenen eine angemessene sozi-
ale Existenz zu ermöglichen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 15. Mai 1995 habe die Ungleichbehandlung von Spionen der DDR noch
dadurch erhöht, dass zwar für hauptamtliche Mitarbeiter der Nachrichten-
dienste der DDR die Möglichkeit strafrechtlicher Verfolgung im Prinzip ver-
neint, die Strafbarkeit der Spionagetätigkeit anderer Personen aber bejaht wor-
den sei.
Mit dem vom Rechtsausschuss abgelehnten Antrag wird die Bundesregierung
aufgefordert, den Entwurf eines Gesetzes über Straffreiheit von Personen und
die Behebung von Ungerechtigkeiten gegenüber Personen, die zu Gunsten der
DDR und zum Nachteil der Bundesrepublik Deutschland Spionage betrieben
haben, vorzulegen. Unter bestimmten Bedingungen sollen Straffreiheit ge-
währt, Strafverfahren eingestellt oder nicht eingeleitet, Strafen erlassen und
Strafregistereintragungen getilgt werden; eine angemessene soziale Sicherung
der Betroffenen soll vorgesehen werden.
B. Lösung
Ablehnung des Antrags.
Einstimmige Ablehnung gegen die Stimmen der Fraktion der PDS
C. Alternativen
Wurden nicht erörtert.
D. Kosten
Wurden nicht erörtert.
Drucksache 14/5242 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Beschlussempfehlung
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag – Drucksache 14/3065 – abzulehnen.
Berlin, den 19. Januar 2001
Der Rechtsausschuss
Dr. Rupert Scholz
Vorsitzender
Winfried Mante
Berichterstatter
Norbert Geis
Berichterstatter
Volker Beck (Köln)
Berichterstatter
Jörg van Essen
Berichterstatter
Dr. Evelyn Kenzler
Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/5242
Bericht der Abgeordneten Winfried Mante, Norbert Geis, Volker Beck (Köln),
Jörg van Essen und Dr. Evelyn Kenzler
I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf der Bundes-
tagsdrucksache 14/3065 in seiner 114. Sitzung vom 6. Juli
2000 in erster Lesung beraten und zur federführenden Bera-
tung dem Rechtsausschuss sowie zur Mitberatung dem Aus-
schuss für Angelegenheiten der neuen Länder überwiesen.
II. Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses
Der Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder
hat in seiner 46. Sitzung vom 27. September 2000 mit den
Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN und des Vertreters der Fraktion der F.D.P.
gegen die Stimme des Vertreters der Fraktion der PDS be-
schlossen zu empfehlen, den Antrag abzulehnen.
III. Beratung im federführenden Ausschuss
Der Rechtsausschuss hat den Antrag in seiner 65. Sitzung
vom 15. November 2000 beraten und mit den Stimmen der
Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und F.D.P. gegen die Stimmen der Fraktion der PDS be-
schlossen zu empfehlen, den Antrag abzulehnen.
Die Fraktion der SPD machte deutlich, dass es ein Fehler des
Einigungsvertrages gewesen sei, die strafrechtliche Bewer-
tung der Spionage zu Gunsten der DDR nicht zu regeln. Der
Antrag leiste weder zur Aussöhnung und inneren Befrie-
dung einen Beitrag noch zur Aufarbeitung der Vergangen-
heit. Die erhobenen Forderungen stellten den Rechtsstaat in
Frage und inhumanes Handeln würde legitimiert werden. Es
sei nicht zu vertreten, eine Straffreiheit für die betroffenen
Personen auszusprechen, zumal die Straftaten häufig über
die reine Spionagetätigkeit hinausgegangen seien.
Die Fraktion der CDU/CSU erinnerte daran, dass es bei den
Verhandlungen zum Einigungsvertrag Überlegungen zu ei-
ner Amnestie gegeben habe, die aber auch später nicht mehr
weiterverfolgt worden seien. Inzwischen sei der Komplex
so gut wie abgeschlossen.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte, dass
man durchaus über eine Straffreiheit bei Spionage für die
DDR reden könnte, insoweit keine anderen Strafvorschrif-
ten und Rechte von Bürgern verletzt worden seien. Man
müsse in Rechnung stellen, dass die Strafverfolgung nur
durch die Auflösung der DDR möglich wurde und insofern
eine historisch einzigartige Situation entstanden sei. Der
vorgelegte Antrag sei aber undifferenziert und ungenau; so
fehle – und dies sei besonders fragwürdig – die Spezi-
fizierung der Entschädigungsforderungen. Auch müsse
zwischen reinen Spionagedelikten und damit zusammen-
hängenden z. T. schweren Straftaten gegen Personen unter-
schieden werden. Einer pauschalen Straffreiheit könne vor
dem Hintergrund der Schaffung eines Internationalen Straf-
gerichtshofes jedenfalls nicht zugestimmt werden.
Die Fraktion der F.D.P. erklärte, dass bei der Aufarbeitung
des selbst von der antragstellenden Fraktion nicht bestritte-
nen Unrechts, das durch hoheitliches Handeln in der DDR
entstanden sei, alle Regeln des Rechtsstaates eingehalten
worden seien. Es gebe daher keine sachliche, rechtliche
oder politische Rechtfertigung für den Antrag.
Die Fraktion der PDS betonte, der Antrag wie auch die An-
träge auf den Bundestagsdrucksachen 14/3066 und 14/3067
dienten der inneren Befriedung zehn Jahre nach der deut-
schen Einheit. Dies bedeute jedoch nicht, dass eine kritische
Auseinandersetzung mit der Problematik ausgeschlossen
werden solle.
Berlin, den 19. Januar 2001
Winfried Mante
Berichterstatter
Norbert Geis
Berichterstatter
Volker Beck (Köln)
Berichterstatter
Jörg van Essen
Berichterstatter
Dr. Evelyn Kenzler
Berichterstatterin