BT-Drucksache 14/4914

zu dem Antrag der Abg. Christina Schenk, Ulla Jelpke, Sabine Jünger weiterer Abg. und Frakt. der PDS -14/2620- Rehabilitierung und Entschädigung für die strafrechtliche Verfolgung einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen zwischen Erwachsenen in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik

Vom 6. Dezember 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4914
14. Wahlperiode 06. 12. 2000

Beschlussempfehlung und Bericht

des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Christina Schenk, Ulla Jelpke, Sabine Jünger,
Dr. Evelyn Kenzler, Heidemarie Lüth, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der PDS
– Drucksache 14/2620 –

Rehabilitierung und Entschädigung für die strafrechtliche Verfolgung
einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen zwischen
Erwachsenen in der Bundesrepublik Deutschland und der
Deutschen Demokratischen Republik

A. Problem

Die zurzeit des Nationalsozialismus verschärften strafrechtlichen Vorschriften
der §§ 175 und 175a (R)StGB, die einvernehmliche gleichgeschlechtliche se-
xuelle Handlungen Erwachsener mit Strafe bedrohten, galten in der Deutschen
Demokratischen Republik bis 1950 und in der Bundesrepublik Deutschland bis
1969 fort. Die Sonderbehandlung von Homosexualität im Strafrecht wurde in
der Deutschen Demokratischen Republik 1988 und in der Bundesrepublik
Deutschland erst 1994 vollständig aufgehoben.

Der Antrag zielt darauf ab, dass der Deutsche Bundestag sein Bedauern über
die Verletzung des entsprechenden Grundrechts der von Strafverfolgung in der
Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik
Betroffenen zum Ausdruck bringt und dass, soweit diesbezügliche Vorstrafen
noch heute im Bundeszentralregister eingetragen sind, diese unverzüglich zu
tilgen sind. Zusätzlich wird gefordert, dass den Betroffenen wegen der erlitte-
nen Grundrechtsverletzung und der Beeinträchtigung ihrer sozialen Existenz
eine einmalige angemessene Entschädigung gezahlt werde.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags.

Einstimmige Ablehnung gegen die Stimmen der Fraktion der PDS

Drucksache 14/4914 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/4914

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag – Drucksache 14/2620 – abzulehnen.

Berlin, den 29. November 2000

Der Rechtsausschuss

Dr. Rupert Scholz
Vorsitzender

Margot von Renesse
Berichterstatterin

Dr. Jürgen Gehb
Berichterstatter

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Christina Schenk
Berichterstatterin

Drucksache 14/4914 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Margot von Renesse, Dr. Jürgen Gehb,
Volker Beck (Köln), Jörg van Essen und Christina Schenk

I. Überweisung

Der Antrag der Fraktion der PDS – Drucksache 14/2620 –
wurde in der 96. Sitzung des Deutschen Bundestages am
24. März 2000 in erster Lesung beraten und dem Rechtsaus-
schuss federführend sowie dem Innenausschuss, dem Haus-
haltsausschuss, dem Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend und dem Ausschuss für Menschenrechte
und humanitäre Hilfe zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Innenausschuss hat den Antrag in seiner Sitzung vom
28. Juni 2000 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Fraktio-
nen der CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen der Frak-
tion der PDS beschlossen zu empfehlen, den Antrag abzu-
lehnen.

Der Haushaltsausschuss hat die Vorlage in seiner Sitzung
vom 11. Oktober 2000 beraten und mehrheitlich gegen die
Stimmen der Fraktion der PDS beschlossen zu empfehlen,
den Antrag abzulehnen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend hat die Vorlage in seiner 41. Sitzung am 28. Juni 2000
beraten und mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/
CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. gegen die
Stimmen der Fraktion der PDS beschlossen zu empfehlen,
den Antrag abzulehnen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat den Antrag in seiner 38. Sitzung am 17. Mai 2000
beraten und mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/
CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimme
der Fraktion der PDS und bei Abwesenheit der Fraktion der
F.D.P. beschlossen zu empfehlen, dem Plenum die Ableh-
nung des Antrags vorzuschlagen.

III. Beratung im Rechtsausschuss

Der Rechtsausschuss hat den Antrag in seiner 66. Sitzung
am 29. November 2000 abschließend beraten und mit den
Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN und F.D.P. gegen die Stimmen der Fraktion
der PDS beschlossen zu empfehlen, den Antrag abzulehnen.

Die Koalition stellte fest, dass dem Anliegen des Antrags
mit dem Bekenntnis in der Beschlussempfehlung zum An-
trag der Koalition auf Drucksache 14/2984 (neu) hinrei-
chend Rechnung getragen werde. Im Übrigen habe der An-
trag der Fraktion der PDS erhebliche rechtliche und
formale Mängel, so dass er nicht verabschiedet werden
könne. So fordere er z. B., dass noch im Bundeszentralre-
gister eingetragene Vorstrafen wegen einvernehmlicher
homosexueller Handlungen zwischen Erwachsenen getilgt
werden sollten. Nach § 46 Abs. 1 Ziffer 3 betrage die Til-
gungsfrist bei Straftaten nach den §§ 174 bis 180 zwanzig
Jahre; demnach sei hierzu eine Beschlussfassung nicht
mehr erforderlich. Die Forderung nach einer Entschädigung
von in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deut-
schen Demokratischen Republik verurteilten Homosexuel-
len sei insofern problematisch, dass mit den Strafrechts-
reformen von 1969 und 1973 auch anderes Verhalten
entkriminalisiert wurde, dass aus heutiger Sicht vom Per-
sönlichkeitsrecht erfasst wird.

Die Fraktion der PDS stellte fest, dass jegliche Strafverfol-
gung einvernehmlicher homosexueller Handlungen zwi-
schen Erwachsenen das Grundrecht auf sexuelle Selbstbe-
stimmung verletze und somit von Anfang an rechtswidrig
sei. Es ist aus ihrer Sicht daher nicht ausreichend, wenn der
Deutsche Bundestag lediglich bedauert, dass in der Bundes-
republik Deutschland bis 1969 die nationalsozialistische
Fassung des § 175 bei der Strafverfolgung einvernehmli-
cher sexueller Handlungen zwischen Erwachsenen zur An-
wendung kam. Da es sich hier um eine Menschenrechtsver-
letzung handele, sei eine Entschädigung der Opfer der
Homosexuellenverfolgung geboten. Mit der Verletzung an-
derer Persönlichkeitsrechte sei dieser Vorgang nicht gleich-
zusetzen. Die diesbezüglichen Vorstrafen seien entgegen
der Annahme der Mehrheit des Ausschusses nicht aus dem
Strafregister gelöscht, insoweit aufgrund nachfolgender an-
derweitiger Verurteilungen ihre automatische Tilgung
unterblieben sei.

Berlin, den 29. November 2000

Margot von Renesse
Berichterstatterin

Dr. Jürgen Gehb
Berichterstatter

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Christina Schenk
Berichterstatterin

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