BT-Drucksache 14/3382

Teilhabe von Gehörlosen und Ertaubten an der Informationsgesellschaft - Gleichberechtigten Zugang zum Fernsehen sichern

Vom 17. Mai 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3382
14. Wahlperiode 17. 05. 2000

Antrag
der Abgeordneten Doris Barnett, Silvia Schmidt (Eisleben), Klaus Brandner,
Peter Dreßen, Konrad Gilges, Walter Hoffmann (Darmstadt), Renate Jäger,
Anette Kramme, Angelika Krüger-Leißner, Ute Kumpf, Brigitte Lange, Erika Lotz,
Andrea Nahles, Leyla Onur, Renate Rennebach, Dr. Hansjörg Schäfer, Wilhelm
Schmidt (Salzgitter), Olaf Scholz, Wieland Sorge, Franz Thönnes, Dr. Peter Struck
und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Katrin Dagmar Göring-Eckardt, Volker Beck (Köln),
Grietje Bettin, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Teilhabe von Gehörlosen und Ertaubten an der Informationsgesellschaft –
Gleichberechtigten Zugang zum Fernsehen sichern

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Unsere Gesellschaft ist auch eine Informationsgesellschaft geworden. Die Teil-
habe am gesellschaftlichen Leben und vor allem auch am Berufsleben wird
mehr und mehr abhängig von einer Teilhabe an Informationen und an Kommu-
nikation. Hörgeschädigte Menschen werden in ihren Informationsmöglichkei-
ten stark eingeschränkt. Das Fernsehen als wichtiges elektronisches Medium ist
bzw. wäre besonders geeignet, die gehörlosen und ertaubten Menschen an den
aktuellen Informationen teilhaben zu lassen.

Als Informations- und Unterhaltungsmedium hat das Fernsehen die Aufgabe,
zumindest was seinen gebührenfinanzierten, öffentlich-rechtlichen Teil anbe-
langt, die Grundversorgung der Bevölkerung mit Informationen sicherzustellen
(Grundversorgung: Bildung, Kultur, Information und Unterhaltung).

Um den hörgeschädigten Menschen die Fernsehsendungen zugänglich zu
machen, müssen sie untertitelt bzw. von Gebärdensprache begleitet werden.
Bereits heute wird ein kleiner Teil des Fernsehprogramms der öffentlich-
rechtlichen Sender mit Untertiteln bzw. von Gebärdensprache begleitet aus-
gestrahlt. Dieser Anteil ist zu erhöhen.

Auch private Rundfunkbetreiber müssen angehalten werden, ihr Programm den
gehörlosen und ertaubten Menschen zugänglich zu machen. Schließlich finan-
zieren auch diese Menschen über die Werbung das private Fernsehprogramm.

Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf, sich gemein-
sam mit den Ländern dafür einzusetzen, dass

a) die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine jährlich steigende Zahl
von Sendeminuten untertiteln und eigene Sendungen für gehörlose Kinder
und Erwachsene in der Gebärdensprache anbieten,

Drucksache 14/3382 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
b) die Betreiber der privaten Rundfunkanstalten sich ebenfalls bei der Unter-
titelung geeigneter Sendungen engagieren und Sendungen in der Gebärden-
sprache ausstrahlen,

c) für den Fall, dass Gespräche scheitern, die Möglichkeit der Festlegung einer
Quote für die Ausstrahlung untertitelter Sendungen und ein Angebot von
Sendungen in Gebärdensprache im öffentlich-rechtlichen und privat-recht-
lichen Fernsehen geprüft wird.

Berlin, den 17. Mai 2000

Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

Begründung

Das Medium Fernsehen ist für die Informationsübermittlung trotz Internet nach
wie vor von herausragender Bedeutung. Es vermittelt nicht nur Informationen,
sondern bietet auch Unterhaltung. Von diesem Medium sind Gehörlose und
Ertaubte i. d. R. ausgeschlossen; sie können zwar das Bild wahrnehmen, den
Inhalt der gesprochenen Worte aber nicht verstehen, weil meistens Untertite-
lungen oder Übersetzungen durch Gebärdensprachdolmetscher fehlen. Unter-
titelungen sind nach Expertenaussagen technisch problemlos machbar. Insbe-
sondere bei wichtigen aktuellen, politischen Beiträgen und Diskussionsrunden
sollte nach Möglichkeit gleichzeitig ein Gebärdendolmetscher eingeblendet
werden können.

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten untertiteln zwar anerkennenswer-
terweise seit Jahren mit steigender Tendenz verschiedene Sendungen und auch
bei Sendungen mit Gebärdensprachdolmetschern gibt es kleine Fortschritte;
aber all diese Angebote reichen noch nicht aus.

In England gibt es eine gesetzliche Verpflichtung für alle Sender, ihr gesamtes
Programm zu einem bestimmten Prozentsatz untertitelt anzubieten. Eine solche
Verpflichtung gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Private Fern-
sehanbieter untertiteln überhaupt keine Sendungen, da nach ihrer Meinung
Hörgeschädigte in allererster Linie ältere Menschen seien und nicht ihrer Ziel-
gruppe entsprechen würden. Dieser Auffassung ist deutlich zu widersprechen.

Viele Videofilme werden heute schon untertitelt angeboten. Es ist aber notwen-
dig, ein Decodergerät zu besitzen, um die Untertitel auch auf dem Bildschirm
sichtbar werden zu lassen. Daher sollten die Videotheken angehalten werden,
generell auch Decoder zum Ausleihen bereitzuhalten. Damit würden für Gehör-
lose und Ertaubte auch Videotheken zu einer interessanten Quelle der Informa-
tion.

Der Kostenaufwand für Untertitelungen sinkt, je mehr Sendeminuten pro Jahr
tatsächlich untertitelt werden.

Wird die Umsetzung des Artikels 3 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes ernst ge-
nommen, dann gehört dazu auch, Gehörlosen und Ertaubten den Zugang zur
Informationsgesellschaft in allen sich darbietenden Formen, wo es technisch
machbar ist, zu ermöglichen.

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