BT-Drucksache 14/3

zu dem Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, B90, F.D.P. und PDS - Drs. 14/1 - Weitergeltung von Geschäftsordnungsrecht

Vom 26. Oktober 1998


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/3 vom 26.10.1998

Änderungsantrag der Fraktion der PDS zu dem Antrag der Fraktionen
SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS - Drucksache 14/1 -
Weitergeltung von Geschäftsordnungsrecht =

26.10.1998 - 3

14/3

Änderungsantrag
der Abgeordneten Monika Balt, Dr. Dietmar Bartsch, Petra Bläss, Maritta
Böttcher, Eva-Maria Bulling-Schröter, Roland Claus, Heidemarie Ehlert,
Dr. Heinrich Fink, Dr. Ruth Fuchs, Fred Gebhardt, Wolfgang Gehrcke-
Reymann, Dr. Klaus Grehn, Dr. Barbara Höll, Carsten Hübner, Ulla
Jelpke, Sabine Jünger, Gerhard Jüttemann, Dr. Evelyn Kenzler, Dr. Heidi
Knake-Werner, Rolf Kutzmutz, Heidi Lippmann-Kasten, Ursula Lötzer,
Heidemarie Lüth, Dr. Christa Luft, Angela Marquardt, Manfred Müller
(Berlin), Kersten Naumann, Rosel Neuhäuser, Christine Ostrowski, Petra
Pau, Dr. Uwe-Jens Rössel, Christina Schenk, Gustav-Adolf Schur, Dr.
Ilja Seifert, Dr. Winfried Wolf, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der
PDS
zu dem Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
F.D.P. und PDS
- Drucksache 14/1 -
Weitergeltung von Geschäftsordnungsrecht

Der Bundestag wolle beschließen:
Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages wird wie folgt geändert:
1. § 20 wird wie folgt geändert:
a) Folgender neuer Absatz 2 wird eingefügt:
"(2) Zur Wahrung der Minderheitenrechte von Fraktionen erfolgt die
Festlegung der Tagesordnung und der Reihenfolge der Tagesordnungspunkte
unter Berücksichtigung der sachgemäßen Erledigung und zweckmäßigen
Gestaltung der Beratung, der verschiedenen Parteirichtungen und
abweichender Meinungen sowie der Stärke der Fraktionen. Dabei ist
sicherzustellen, daß die Vorlagen der Mitglieder kleinerer Fraktionen
in angemessener Abfolge mit denen der größeren Fraktionen auf die
vorderen Plätze einer Tagesordnung gesetzt werden. Dabei hat der
Grundsatz des Minderheitenschutzes Vorrang."
b) Die bisherigen Absätze 2 bis 5 werden die Absätze 3 bis 6.
2. In § 35 Abs. 1 werden die Sätze 3 und 4 wie folgt gefaßt und ein
neuer Satz 5 angefügt:
"Auf Verlangen einer Fraktion kann einer ihrer Redner eine Redezeit bis
zu 30 Minuten in Anspruch nehmen. Beträgt die Redezeit für eine
Fraktion zu einem Tagesordnungspunkt mehr als 30 Minuten, so ist die
Redezeit auf mehrere Rednerinnen und Redner zu verteilen. Der Präsident
kann diese Redezeit über 30 Minuten hinaus nur verlängern, wenn der
Verhandlungsgegenstand oder der Verlauf der Aussprache dies erfordern."
3. § 69 Abs. 1 erhält folgende Fassung:
"(1) Die Beratungen der Ausschüsse sind grundsätzlich öffentlich. Der
Ausschuß kann im Einzelfall zur Wahrung der berechtigten Interessen von
Einzelpersonen sowie gesetzlich bestimmter Geheimhaltungspflichten,
insbesondere gemäß § 17 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages,
die Öffentlichkeit ausschließen. Der Beschluß des Ausschusses ist unter
Hinweis auf die anzuwendenden Bestimmungen zu begründen."
Bonn, den 26. Oktober 1998
Monika Balt
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva-Maria Bulling-Schröter
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Fred Gebhardt
Wolfgang Gehrcke-Reymann
Dr. Klaus Grehn
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Heidi Lippmann-Kasten
Ursula Lötzer
Heidemarie Lüth
Dr. Christa Luft
Angela Marquardt
Manfred Müller (Berlin)
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Christine Ostrowski
Petra Pau
Dr. Uwe-Jens Rössel
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert
Dr. Winfried Wolf
Dr. Gregor Gysi und Fraktion
Begründung
Zu Nummer 1 (§ 20 Abs. 2)
In der bisherigen Praxis des Deutschen Bundestages bei der Behandlung
der Vorlagen von kleineren Bundestagsfraktionen bzw. -gruppen im Rahmen
der Festlegung der Tagesordnung wurden den kleineren Fraktionen bzw.
der Gruppe in der Regel hintere Tagesordnungsplätze zugewiesen. Auch
damit ist erreicht worden, daß diesen Vorlagen im Parlament wie in der
Öffentlichkeit nur wenig Beachtung geschenkt wurde, diese
Zusammenschlüsse von Abgeordneten von einer Einflußnahme auf den
parlamentarischen Willensbildungsprozeß weitgehend ausgeschlossen
waren.
Diese Praxis widerspricht dem Wählerwillen und dem verfassungsrechtlich
garantierten Minderheitenschutz politischer Parteien und ihrer
Abgeordneten, wie er etwa in § 28 Abs. 1 GO-BT zum Ausdruck kommt.
Dieser Grundsatz schließt es aus, daß größere Parteien und Fraktionen
andere Parteien und Fraktionen an der aktiven parlamentarischen
Mitarbeit und Einflußnahme behindern.
Die Achtung des Wählerwillens findet in der Achtung der
parlamentarischen Tätigkeit der gewählten Abgeordneten ihren Ausdruck.
Diese Tätigkeit ist in entsprechender Weise vom Parlament zur Kenntnis
zu nehmen und zu würdigen.
Für die Behandlung der Vorlagen bei der Festsetzung der Tagesordnung
und der Reihenfolge der Tagesordnungspunkte bedeutet dies unter
Beachtung demokratischer Grundsätze die sachlich zu rechtfertigende
Behandlung der Vorlagen kleinerer Fraktionen auch auf vorderen Plätzen
der Tagesordnung, und zwar auch dann, wenn sie in ihrer politischen
Richtung eine Minderheitenmeinung darstellen. Es ist den kleineren
Fraktionen zu ermöglichen, ihre Minderheitenmeinung einem größeren
politischen Publikum zu präsentieren, um ihre Basis zu erweitern.
Dementsprechend ist es erforderlich, den kleineren Fraktionen
regelmäßig und wiederkehrend vordere Plätze für ihre Vorlagen zu
garantieren.
Zu Nummer 2 (§ 35 Abs. 1)
Die Begrenzung der Redezeit auf 30 Minuten für Mitglieder des Deutschen
Bundestages fördert die Lebendigkeit der Debatten. Ausnahmen sind
sicherlich möglich; Verlängerungen dieser Redezeit in Ausnahmefällen
sollen deshalb nicht ausgeschlossen werden.
Die Festlegung der Redezeit auf maximal 30 Minuten für einen Redner
ermöglicht auch, daß die Mitglieder kleinerer Fraktionen auch früher zu
Wort kommen.
Zu Nummer 2 (§ 69 Abs. 1)
Sämtliche parlamentarischen Aufgabenbereiche werden heutzutage in die
Ausschüsse verwiesen, die damit die wesentliche Arbeit des Deutschen
Bundestages leisten.
Die öffentlichen Debatten im Parlament erscheinen demgegenüber mehr und
mehr als rhetorisch gestaltete Grundsatzdebatten von Spezialisten
und/oder Spitzenpolitikern, die den tatsächlichen Willensbildungsprozeß
nur noch höchst unvollkommen und auch unvollständig widerspiegeln.
Tatsächlich findet damit der parlamentarische Entscheidungsprozeß
aufgrund der gegenwärtigen Rechtslage unter Ausschluß der
Öffentlichkeit statt.
Diese Situation widerspricht aber der Forderung und Vorstellung von der
Repräsentation des Parlamentes, dessen demokratischer Charakter von
seiner Publizität, nämlich von der Möglichkeit notwendiger Kritik und
Kontrolle, abhängt.
Die Bürgerinnen und Bürger erhalten gerade durch die Öffentlichkeit der
parlamentarischen Arbeit in den Ausschüssen Einblick in die Tätigkeit
und Fähigkeit der von ihnen gewählten Abgeordneten, deren Kontrolle und
Kritisierbarkeit durch deren Gewissensfreiheit im übrigen stark
eingeschränkt ist.
Entscheidend ist aber, daß die Bürgerinnen und Bürger Einblick in die
politischen Willensbildungsprozesse über Sachfragen gewinnen, die sie
erst zur eigenen Willensbildung und zu politischen Entscheidungen
befähigen. Die Öffentlichkeit ermöglicht ihnen auch eine bessere
Einschätzung, welche Interessen welche Abgeordneten vertreten.
Die Zulassung der Öffentlichkeit in den Ausschüssen wird die einzelnen
Abgeordneten veranlassen, die inhaltliche Arbeit der Ausschüsse zu
verbessern. Sie ermöglicht auch die Beteiligung - sachverständiger -
Bürgerinnen und Bürger an Gesetzgebungsvorhaben.
Sie wird auch zur Verbesserung der öffentlichen Berichterstattung über
die Arbeit des Parlamentes und über Gesetzgebungsvorhaben führen,
desgleichen auch zur besseren Einschätzung der tatsächlichen
politischen Arbeit der Parteien und deren weniger bekannten
Abgeordneten.
Aus all diesen Gründen muß der Ausschluß der Öffentlichkeit von
Ausschußsitzungen die Ausnahme bleiben und kann nur durch besondere
Umstände im Einzelfall, nicht allgemein, gerechtfertigt werden.

26.10.1998 nnnn

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