Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.04.2011, Az. VII ZR 209/07

7. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7794

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Gegenstand

AGB eines Architektenvertrages: Klauselkontrolle der Einschränkung der Aufrechnung gegen Honoraransprüche


Leitsatz

Die von einem Architekten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Architektenvertrages verwandte Klausel

"Eine Aufrechnung gegen den Honoraranspruch ist nur mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung zulässig"

ist gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 9. November 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung restlichen Architektenhonorars aus eigenem und abgetretenem Recht seines Vaters in Anspruch. Im April 1996 schlossen er und sein Vater einerseits und die Beklagten andererseits einen "[X.] für Gebäude" betreffend den Neubau eines Einfamilienhauses. Gegenstand des Vertrages sind die Leistungsphasen 2 bis 9 gemäß § 15 Abs. 2 HOAI a.F. Die dem Architektenvertrag beigefügten "Allgemeine(n) Vertragsbestimmungen zum [X.] ([X.])" lauten in § 4 Nr. 4.5:

"Eine Aufrechnung gegen den Honoraranspruch ist nur mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung zulässig."

2

Nachdem die Beklagten auf die dritte Abschlagsrechnung keine Zahlungen erbracht hatten, kündigten der Kläger und sein Vater mit Schreiben vom 23. Dezember 1998 den Architektenvertrag.

3

Die Beklagten rechnen gegenüber der Honorarforderung mit Schadensersatzansprüchen wegen mangelhafter Planung und Bauüberwachung auf. Diese Mängel der [X.] hätten zu [X.], Rissbildungen und Feuchtigkeit im Kellerbereich geführt.

4

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 65.824,33 € nebst Zinsen zu zahlen. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Es hat einen Honoraranspruch in Höhe von 59.286,85 € für begründet erachtet, gegen den die Beklagten allerdings mit diesen Betrag übersteigenden Schadenersatzansprüchen wirksam aufgerechnet hätten. Auf die Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 59.286,85 € nebst Zinsen zu zahlen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision möchten die Beklagten die Zurückweisung der Berufung erreichen.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

6

Auf das Rechtsverhältnis der Parteien sind die bis 31. Dezember 2001 geltenden Rechtsvorschriften anwendbar (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

7

Das Berufungsgericht hat die Aufrechnung der Beklagten mit Schadensersatzansprüchen gegen die rechnerisch unstreitige Resthonorarforderung des [X.] in Höhe von 59.286,85 € für unzulässig erachtet. Ihr stehe das [X.] in § 4 Nr. 4.5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu dem vorgenannten Architektenvertrag entgegen. Diese Klausel sei wirksam. Sie sei weder intransparent noch benachteilige sie die Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Sie verstoße auch nicht gegen § 11 Nr. 3 [X.] oder § 11 Nr. 2b [X.]. Soweit nach der Entscheidung des [X.] vom 23. Juni 2005 ([X.], [X.], 274) [X.]e dann nicht zur Geltung kommen könnten, wenn sie den Auftraggeber zwängen, eine mangelhafte oder unfertige Leistung in vollem Umfang zu vergüten, obwohl ihm Gegenansprüche in Höhe der [X.] oder Fertigstellungskosten zustünden, läge diese Situation nicht vor. Es stehe gerade nicht fest, dass den Beklagten die zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche zustünden, weil diese Ansprüche weder unstreitig seien noch Entscheidungsreife bestehe.

8

Der Rechtsstreit sei im Übrigen, was die Honorarforderung des [X.] angehe, entscheidungsreif. Frühere Einwendungen hätten die Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 5. Februar 2004 fallengelassen und damit, wie das [X.] zutreffend ausgeführt habe, den geltend gemachten Honoraranspruch unstreitig gestellt.

II.

9

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, dass das Berufungsgericht den Rechtsstreit für entscheidungsreif gehalten hat, soweit es um die Honorarforderung des [X.] ging. Denn die Begründetheit der Klageforderung (vorbehaltlich der Frage ihres Erlöschens durch Aufrechnung) stand durch die Entscheidung des [X.]s bereits rechtskräftig fest.

Ein Urteil, das das ursprüngliche Bestehen der Klageforderung und der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung bejaht, enthält insoweit zwei prozessual selbständige Elemente des Streitstoffs. Dementsprechend kann die Überwälzung des Streitstoffs in die Rechtsmittelinstanz (Devolution) auf jedes der beiden Elemente beschränkt werden. Die Devolution eines solchen abtrennbaren Teils des Streitstoffs setzt die Einlegung eines Rechtsmittels (oder eines Anschlussrechtsmittels) durch die beschwerte Partei voraus. Anderenfalls verbleibt dieser Teil des Streitstoffs in der Vorinstanz, wird rechtskräftig und gelangt nicht in die nächste Instanz ([X.], Urteil vom 3. November 1989 - [X.], [X.]Z 109, 179, 189).

Die Beklagten haben ausweislich des Berufungsurteils gegen die landgerichtliche Entscheidung keine Anschlussberufung eingelegt; dies wird auch von der Revision nicht geltend gemacht. Eine Aberkennung der Klageforderung unabhängig von den zur Aufrechnung gestellten Forderungen kommt daher nicht in Betracht.

2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, eine Aufrechnung gegen den Honoraranspruch des [X.] sei durch § 4 Nr. 4.5 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Einheits-Architektenvertrag ausgeschlossen.

a) Zu Recht ist das Berufungsgericht noch davon ausgegangen, dass etwaige Schadensersatzansprüche der Beklagten nur im Wege der Aufrechnung geltend gemacht werden können; eine Verrechnung mit der [X.] des [X.] findet nicht statt. Die Verrechnung ist kein gesetzlich vorgesehenes Rechtsinstitut in den Fällen, in denen sich nach der Gesetzeslage Werklohn und Anspruch wegen Nichterfüllung oder andere Ansprüche wegen Schlechterfüllung des Vertrages aufrechenbar gegenüber stehen. In diesen Fällen sind die vertraglichen oder gesetzlichen Regelungen zur Aufrechnung anwendbar ([X.], Urteil vom 23. Juni 2005 - [X.], [X.], 274, 278). Diese vom [X.] bereits für einen Werkvertrag unter Vereinbarung der VOB/B entschiedenen Grundsätze finden ebenso auf einen Architektenvertrag Anwendung, der als Werkvertrag zu qualifizieren ist.

b) Rechtsfehlerhaft bejaht das Berufungsgericht dagegen die Wirksamkeit von § 4 Nr. 4.5 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen. Diese Bestimmung ist entgegen einer vielfach in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte vertretenen Auffassung ([X.], [X.], 1643, 1645 m.w.N.) gemäß § 9 Abs. 1 [X.] unwirksam. Denn sie benachteiligt den Vertragspartner des verwendenden Architekten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

aa) Eine solche Benachteiligung liegt vor, wenn der Besteller durch das Verbot der Aufrechnung in einem Abrechnungsverhältnis eines Werkvertrages gezwungen würde, eine mangelhafte oder unfertige Leistung in vollem Umfang zu vergüten, obwohl ihm Gegenansprüche in Höhe der [X.] oder Fertigstellungskosten zustehen (vgl. [X.], Urteil vom 23. Juni 2005 - [X.], [X.], 274, 279; [X.], [X.], 665; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], AGB-Recht, 10. Aufl., § 309 Nr. 3 BGB Rn. 7 m.w.N.; Kessen, [X.], 1691, 1693 ff.). Denn hierdurch würde in das durch den [X.] von Leistung und Gegenleistung in für den Besteller unzumutbarer Weise eingegriffen.

Die synallagmatische Verknüpfung der [X.] mit der Forderung auf mangelfreie Erfüllung des Vertrages findet zunächst ihren Ausdruck in einem Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers im Falle einer mangelhaften oder nicht fertig gestellten Leistung, § 320 Abs. 1 BGB. Der Besteller kann sich im Prozess mit dem Leistungsverweigerungsrecht verteidigen mit der Folge, dass die [X.] ganz oder teilweise nicht durchsetzbar ist. Dies kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ausgeschlossen werden (§ 11 Nr. 2a [X.], § 309 Nr. 2a BGB). Es wäre ein nicht hinnehmbares Ergebnis, wenn eine aus dem Leistungsverweigerungsrecht erwachsene auf Zahlung gerichtete Gegenforderung dazu führen würde, dass der Werklohn nunmehr durchsetzbar ist (vgl. [X.], Urteil vom 24. November 2005 - [X.], [X.]Z 165, 134, 137).

Aus diesen Gründen hat der [X.] bereits entschieden, dass ein Vorbehaltsurteil grundsätzlich nicht erlassen werden darf, wenn damit eine [X.] zugesprochen wird und zur Aufrechnung gestellte Ansprüche auf Zahlung der Mängelbeseitigungskosten oder der Fertigstellungsmehrkosten dem Nachverfahren vorbehalten werden. Dies würde nämlich zu einer vorübergehenden Aussetzung der Wirkung einer materiell-rechtlich begründeten Aufrechnung führen und hätte zur Folge, dass der Kläger einen Titel über eine Forderung erhält, die tatsächlich infolge der Aufrechnung nicht besteht. Diese Wirkung ist grundsätzlich nicht gerechtfertigt, wenn der Besteller gegenüber einer [X.] mit Ansprüchen aufrechnet, die dazu dienen, das durch den [X.] von Leistung und Gegenleistung herzustellen ([X.], Urteil vom 24. November 2005 - [X.], [X.]Z 165, 134; [X.], Urteil vom 27. September 2007 - [X.], [X.], 2052 = NZBau 2008, 55 = [X.] 2008, 39).

Ein [X.] führt in noch stärkerer Weise als ein Vorbehaltsurteil zu einer Auflösung der synallagmatischen Verbundenheit der genannten gegenseitigen Forderungen. Diese Wirkung wäre anders als bei einem Vorbehaltsurteil nicht nur vorübergehend, sondern sogar endgültig. Deshalb gilt hier erst recht, dass dies in den genannten Fällen nicht gerechtfertigt ist und den Besteller deshalb unangemessen benachteiligt.

bb) Auch in einem Architektenvertrag können dem Besteller wegen Mängeln der Leistung des Architekten Ansprüche auf Schadensersatz zustehen, die darin bestehen, die Kosten zur Beseitigung der Mängel des Architektenwerkes (etwa die Überarbeitung einer fehlerhaften Planung) oder die Fertigstellungsmehrkosten (etwa die notwendige Beauftragung eines weiteren Architekten mit denselben Leistungen) erstattet zu bekommen. Durch § 4 Nr. 4.5 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen wird die Aufrechnung mit jeder Forderung für unzulässig erklärt, es sei denn, sie ist unbestritten oder rechtskräftig festgestellt. Damit umfasst das [X.] auch derartige in einem engen synallagmatischen Verhältnis zur [X.] stehende Ersatzansprüche wegen Mängelbeseitigungskosten und Fertigstellungsmehrkosten. Die Klausel führt daher aus den dargelegten Gründen zu einer unangemessenen Benachteiligung des Bestellers.

Es kann dahinstehen, ob der Ausschluss der Möglichkeit der Aufrechnung mit Ansprüchen, die nicht auf die Fertigstellungsmehrkosten oder die Mängelbeseitigungskosten des Architektenwerkes gerichtet sind, zulässig wäre. Denn jedenfalls umfasst die Klausel alle Gegenansprüche unterschiedslos. Sie kann nicht hinsichtlich des Ausschlusses der Aufrechnung von unbedenklichen Gegenforderungen aufrechterhalten werden (vgl. Kessen, [X.], 1691, 1695 f.). Dies ist wegen des für Allgemeine Geschäftsbedingungen allgemein zu beachtenden Verbots einer geltungserhaltenden Reduktion (st. Rspr., vgl. zuletzt [X.], Urteil vom 8. Dezember 2010 - [X.], NJW 2011, 597 Rn. 16) unmöglich. Somit fehlt es in jedem Fall an einem wirksam vereinbarten Ausschluss der Aufrechnung auch insoweit, als es um solche Schadensersatzansprüche geht, wie sie hier von den Beklagten geltend gemacht werden.

cc) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, eine unangemessene Benachteiligung könne allenfalls angenommen werden, wenn die Gegenansprüche entscheidungsreif feststünden. Das trifft nicht zu. Vielmehr ist es dem Besteller in jedem Fall, in dem ihm die Gegenansprüche tatsächlich zustehen, unzumutbar, zunächst die volle [X.] zahlen zu müssen und auf die gesonderte Geltendmachung seiner Ansprüche verwiesen zu werden.

III.

Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden. Das Berufungsgericht hat die zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche nicht abschließend geprüft. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

[X.]                                Kuffer                                  [X.]

                  Halfmeier                               [X.]

Meta

VII ZR 209/07

07.04.2011

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 9. November 2007, Az: 9 U 102/06, Urteil

§ 9 Abs 1 AGBG, § 11 Nr 2 Buchst a AGBG, § 11 Nr 2 Buchst b AGBG, § 11 Nr 3 AGBG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.04.2011, Az. VII ZR 209/07 (REWIS RS 2011, 7794)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7794

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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