Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2011, Az. V ZB 16/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 9635

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[X.]BESCHLUSS V ZB 16/11 vom 9. Februar 2011 in der [X.]- 2 - Der [X.] hat am 9. Februar 2011 durch [X.] Dr. [X.], [X.] Schmidt-Räntsch und [X.] und die Richterinnen Dr. Brückner und [X.] beschlossen: Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt [X.] bewilligt. Die Vollziehung der durch Beschluss des [X.] vom 10. Dezember 2010 angeordneten und mit Be-schluss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 20. Januar 2011 aufrecht erhaltenen Sicherungshaft wird einstweilen ausgesetzt. Gründe: [X.] Der Betroffene, ein algerischer Staatsangehöriger, hält sich sei 1990 mit Unterbrechungen im [X.] auf. Seine Anträge auf Gewährung von Asyl blieben ohne Erfolg. Mit Verfügung vom 3. September 2008, ihm zugestellt am 5. September 2008, wies die Beteiligte zu 2 den Betroffenen nach § 53 Nr. 1 [X.] aus dem [X.] aus, weil er straffällig geworden war, und [X.] zugleich seine Abschiebung nach [X.]. Der Betroffene war nach [X.] Entlassung aus der Strafhaft im Oktober 2009 aus Sicht der [X.] - 3 - hörde unbekannten Aufenthalts und wurde von der Polizei am 9. Dezember 2010 in [X.] festgenommen. 2 Auf den von der [X.] [X.] in [X.] in [X.] für die [X.] Ludwigshafen gestellten und allein auf den [X.] nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] gestützten Antrag hat das [X.] die Haft zur Sicherung der Abschiebung für die Dauer von längstens drei Monaten und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Die da-gegen gerichtete Beschwerde hat das [X.] ohne persönliche Anhörung des Betroffenen zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde wendet sich der Betroffene gegen die Beschlüsse der Vorinstanzen und beantragt zunächst die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe sowie die vorläufige Aussetzung des [X.]. I[X.] Das Beschwerdegericht meint, der Antrag auf Anordnung der Siche-rungshaft sei mangels hinreichender Begründung zwar unzulässig. Die [X.] habe jedoch im Beschwerdeverfahren mit Wirkung für die Zukunft die erforderlichen Angaben nachgeholt. Die Beteiligte zu 2 sei zuständige Auslän-derbehörde, das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft mit der Abschiebung liege nunmehr vor, und neben dem Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] sei auch der Haftgrund nach Nr. 5 gegeben. Von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen habe es abgesehen, weil keine zusätzlichen [X.] zu erwarten seien. 3 - 4 - II[X.] 4 1. Der Aussetzungsantrag ist zulässig. Er ist in entsprechender Anwen-dung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft (siehe nur Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - [X.], Rn. 8 juris; Beschluss vom 18. August 2010 - [X.], [X.] 2010, 440). 2. Er ist auch begründet. 5 [X.] hat über die beantragte einstweilige An-ordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Er-folgsaussichten des Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für den Betrof-fenen gegeneinander abzuwägen. Die Aussetzung der Vollziehung einer Frei-heitsentziehung, die durch das Beschwerdegericht bestätigt worden ist, wird danach regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - [X.], Rn. 10, juris; Beschluss vom 18. August 2010 - [X.], [X.] 2010, 440). So liegt es hier. Die Entscheidung des [X.] wird aller Voraussicht nach rechtlicher Nachprüfung nicht standhalten, weil die Feststellungen schon die Annahme eines Haftgrunds nicht tragen. 6 a) Die Voraussetzungen für eine Inhaftierung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] sind nicht festgestellt. 7 Zwar ist der Betroffene nach §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 2 [X.] aufgrund der bestandskräftigen Ausweisung vollziehbar ausreisepflichtig. Das stellt der Betroffene auch nicht in Abrede. Auch hat er seinen Aufenthaltsort gewechselt, ohne der Beteiligten zu 2 eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar war. § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] ist aber als zwingender [X.] ausgestaltet, der eine Gefahrenprognose nicht erfordert. Zeigt der [X.] - 5 - länder einen [X.] nach Ablauf der Ausreisefrist gegenüber der Ausländerbehörde nicht an, wird unwiderleglich vermutet, dass die [X.] ohne die Inhaftnahme erschwert oder vereitelt wird (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Juli 1993 - [X.], NJW 1993, 3069, 3070, zu § 57 Abs. 2 AuslG). Wegen dieser einschneidenden Folge muss die Ausländerbehörde in der Regel auf die Anzeigepflicht nach § 50 Abs. 5 [X.] und die mit einem Unterlas-sen der Anzeige des [X.]s verbundenen Folgen hinweisen (vgl. [X.], [X.] 2004, 118; [X.], [X.], 144; [X.], [X.] 2006, 376; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 61. Aktual. Dezember 2008, § 62 [X.] Rn. 44). Dass eine solche Belehrung erfolgt wäre, lässt sich weder den Feststellungen des [X.] noch den von der Behörde im Rahmen der Anhörung eingereichten Unterlagen entneh-men. Die Beteiligte zu 2 stützt sich insoweit offensichtlich nur auf die entspre-chende Bewährungsauflage. Letztere genügt der erforderlichen Belehrung schon deshalb nicht, weil sie weder Pflichten gegenüber der Ausländerbehörde enthält noch auf die ausländerrechtlichen Folgen einer unterlassenen Mitteilung über den Aufenthalt hinweist. Im Übrigen ist auch nicht festgestellt, dass der Betroffene der Bewährungsauflage gegenüber Bewährungshelfer und Gericht nicht nachgekommen ist. b) Ebenso wenig tragen die Feststellungen den Haftgrund gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 [X.], auf den das Beschwerdegericht die Inhaftierung jedenfalls nicht ohne vorherige Anhörung des Betroffenen stützen durfte. 9 Die persönliche Anhörung des Betroffenen ist nach § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG auch im Beschwerdeverfahren grundsätzlich zwingend vorgeschrieben; das Beschwerdegericht darf von ihr nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur absehen, wenn eine ordnungsgemäße persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung 10 - 6 - nicht zu erwarten sind (Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - [X.], [X.] 2010, 261; Beschluss vom 17. September 2010 - [X.], [X.] 2010, 441 f.). So verhält es sich hier nicht. Weil weder die [X.] noch das Amtsgericht diesen Haftgrund geprüft und angenommen ha-ben, hatte der Betroffene keine Gelegenheit zur persönlichen Stellungnahme zu der erstmals durch das Beschwerdegericht herangezogenen Entziehungsab-sicht. Zudem hat das Beschwerdegericht es nicht für glaubhaft erachtet, dass der Betroffene sich der Abschiebung nicht entziehen will. Diese Feststellung kann nur nach einer persönlichen Anhörung getroffen werden (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - [X.], [X.] 2010, 152, 153). Darüber hinaus hat das Beschwerdegericht verkannt, dass § 62 Abs. 2 Satz 3 [X.] nur auf den Haftgrund gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] anwendbar ist. Hinsichtlich des [X.] nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 [X.] hat nicht der Betroffene die Vermutung der Entziehungsabsicht 11 - 7 - zu widerlegen (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - [X.], aaO), sondern das Gericht hat nach § 26 FamFG die Umstände, aus denen sich die Entziehungsabsicht ergibt, zu ermitteln. [X.] [X.]Roth

Brückner [X.]
Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 10.12.2010 - 11 [X.]/10. B - [X.], Entscheidung vom 20.01.2011 - 2 [X.] -

Meta

V ZB 16/11

09.02.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2011, Az. V ZB 16/11 (REWIS RS 2011, 9635)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9635

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V ZB 211/10

V ZB 3/10

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