Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2014, Az. VI ZR 465/13

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2229

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI ZR 465/13
Verkündet am:

14. Oktober 2014

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
14. Oktober
2014
durch den
Vorsitzenden [X.], die Richterin [X.], [X.], die
Richterin von [X.] und den Richter
Offenloch
für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.] zu 1 wird das Urteil des 13. Zivil-senats des [X.] vom 14. Okto-ber
2013
aufgehoben.
Die Sache
wird
zur
neuen
Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der
Revision,
an das Berufungsgericht [X.].
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger macht gegen die Beklagte
zu 1
(künftig: die Beklagte), eine Aktiengesellschaft nach [X.] Recht, deliktische Schadensersatzansprü-che wegen des Erwerbs eines Zertifikats
der [X.]
S.
A. 1929 mit Sitz in [X.] (künftig: [X.]) geltend. Über das Vermögen der [X.]
wurde im Jahr 2007 das [X.] eröffnet.
Die Beklagte
ist eine Gesellschaft der [X.], zu der auch die [X.]
gehörte.
Der am Revisionsverfahren nicht betei-1
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3

-

ligte Beklagte zu

2 war
Vorstandsvorsitzender
beider Gesellschaften.
Am 7.
Januar
2000
unterzeichnete
der Kläger
eine Vertragsurkunde, nach deren Inhalt er bei der [X.]
einen Betrag von 20.000
DM [X.]. Für das Zertifikat erhielt er Anteilsscheine der [X.]
und einer anderen Aktiengesellschaft, die -
ebenso wie die Beklagte
-
zur [X.] gehört.

Der Kläger behauptet, die Beklagte sei der Mutterkonzern der [X.]. Der Anlagevermittler S., der
als Mitarbeiter der [X.] auf-getreten
sei, habe ihn sowohl darüber getäuscht, dass eine
Rückzahlungsga-rantie für das
angelegte Kapital innerhalb von drei Monaten nach einer
Kündi-gung der Anlage nicht gegeben sei,
als auch darüber,
dass
er sich
nicht
an der [X.] beteilige. Eine Beteiligung an der [X.]
habe
er nicht zeichnen wollen. Er
verlangt,
so gestellt zu werden, als hätte er die Kapi-talanlage nicht getätigt.
Das [X.] hat der Klage gegen die Beklagte stattgegeben.
Die Be-rufung der
[X.]
hat das [X.] zurückgewiesen und die Revi-sion zugelassen. Die Beklagte
verfolgt mit
der Revision
ihr Begehren auf [X.] weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit [X.] Ge-richte für deliktische Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte bejaht. Es hat unter Anwendung [X.] Rechts den vom [X.] dem Kläger zugebil-ligten Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz gemäß §
823 Abs.
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4

-

BGB
i.V.m.
§
263
Abs.
1, §
13 Abs.
1, § 25 Abs.
1 Alt. 2 bzw. §
26
StGB, §§
31, 830 BGB
Zug um Zug gegen Rückübertragung der nach Seriennummern be-zeichneten Aktien bejaht
und dies -
wie folgt
-
begründet:
Die Beklagte habe es trotz einer sie treffenden Garantenpflicht unterlas-sen, den Kläger darüber aufzuklären, dass ihm tatsächlich kein durchsetzbarer Anspruch auf Rückgabe der erworbenen Aktien gegen Rückzahlung des [X.] innerhalb von drei Monaten nach Kündigung zustehe. Der Zeuge
S. habe
glaubhaft ausgeführt, dass gerade die Rückgabemöglichkeit in allen Bera-tungsgesprächen ein wesentlicher Punkt gewesen sei. Dies werde durch den
Inhalt eines Rundschreibens des Vorstandsvorsitzenden [X.] bestätigt. Darauf, dass dem Kläger weiter erklärt worden sei, dass nur die Möglichkeit einer [X.] der Anlage über einen Weiterverkauf gemeint gewesen sei, habe sich die Beklagte nicht berufen.
Die Beklagte habe aufgrund eines zwischen ihr und dem Kläger bestehenden (vor)vertraglich begründeten Vertrauensverhältnisses im Sinne einer Garantenstellung gemäß §
13 Abs.
1 StGB diesbezüglich eine Aufklärungspflicht getroffen. Sie könne sich nicht darauf berufen, dass tatsäch-lich nicht sie, sondern nur die [X.]
gegenüber dem Klä-ger aufgetreten sei. Auch wenn mehrere "[X.]"
existier-ten, habe die Beklagte nach ihrem Auftreten nach außen nicht hinreichend zwi-schen den einzelnen Gesellschaften unterschieden. Sie
argumentiere selbst damit, dass trotz des rechtlichen Rücknahmeverbots der Aktien durch die [X.] durch andere Gesell-schaften der [X.] gesichert gewesen sei.
Auch der Zeuge S. habe in einem Parallelverfahren bestätigt, dass es für ihn keinen Unterschied zwischen den einzelnen Firmen gegeben habe. Zwar habe der Kläger eine An-lage bei der [X.]
erworben, ihm seien jedoch -
unstreitig
-
zur Erfüllung der Verpflichtung zumindest teilweise Aktien der [X.] übergeben worden.
Bei dieser Sachlage wäre es grob rechtsmiss-6
-

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-

bräuchlich, wollte sich die Beklagte nunmehr -
jedenfalls was die Zurechnung des Verhaltens der aufgetretenen Verkäufer und auch des Verhaltens ihres [X.] Vorstandsvorsitzenden angehe
-
gegenüber einem Anleger auf die (möglicherweise gegebene) rechtliche Selbständigkeit der einzelnen [X.] berufen. Der Zeuge S. sei satzungsmäßiger Vertreter der [X.] gewesen, da er nach mündlicher Beauftragung für den ihm übertrage-nen örtlichen Bereich die Aktien der [X.] bzw. der Firmen der [X.] vertrieben habe. Auch wenn ihm und seinen Mitarbeitern eine
Täuschung nicht bewusst und sie gutgläubig
gewesen seien, hafte die Beklagte aus Anstiftung bzw. mittelbarer
Täterschaft kraft überlegenen Wissens ihres Vorstandsvorsitzenden, der zweifellos Organ der [X.] sei. Der [X.] infolge seines Irrtums das Zeichnungszertifikat der [X.]

S.
A.
erworben
und dadurch in Höhe des [X.] einen Schaden
erlit-ten. Dieser
liege darin, dass eine Rückzahlung nicht gesichert gewesen sei und er deshalb ein "aliud"
erworben habe.

II.
Die Revision ist begründet.
1.
Mit Recht macht die
Revision
geltend,
dass
das Berufungsgericht oh-ne hinreichenden Rückhalt in den tatsächlichen Feststellungen des Berufungs-urteils
der [X.] die
Verletzung einer Aufklärungspflicht aufgrund einer Ga-rantenstellung gegenüber dem Kläger anlastet

286 ZPO). Auf der Grundlage der im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen kann ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis, das eine zur Aufklärung verpflichtende Garantenstellung der [X.] gegenüber dem Kläger begründen könnte, nicht angenommen werden.
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8
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6

-

Eine Aufklärungspflicht aufgrund eines zwischen ihr und dem Kläger [X.] (vor)vertraglich begründeten Vertrauensverhältnisses kommt
schon deshalb nicht in Betracht, weil nicht festgestellt ist, dass die Beklagte mit
dem Kläger aus Anlass des [X.] überhaupt in Kontakt getreten ist. Nach den Angaben des Klägers vor dem [X.], die der Zeuge S. bestätigte, kannte der Kläger den Zeugen S., auf dessen Angaben der Kläger den Vorwurf der Täuschung stützt, nicht. Hinzukommt, dass der Zeuge S. -
nach seinen ei-genen Angaben
-
im Jahr 2000 nicht Mitarbeiter der [X.], sondern der [X.]
war.

Eine
Verantwortlichkeit der [X.] für das Geschäft des Klägers mit
der [X.]
lässt sich auch nicht damit begründen, dass
dem Kläger für das erworbene Zertifikat Aktien der [X.] zugewiesen wor-den
seien. Nach dem Urteilsausspruch des [X.]s hat der Kläger Anteils-scheine an der [X.] nicht erhalten. Danach
wurden ihm Anteilsscheine an der [X.]
und einer anderen Gesellschaft der [X.], nämlich der [X.], [X.] isletmeleri [X.] Sirketi
zugewiesen. Darauf weist die Revision zutreffend hin.
2. Die Haftung der [X.] lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Zeuge S. bzw. dessen Mitarbeiter als "satzungsmäßige Vertreter"
der [X.] aufgetreten seien. Die im Berufungsurteil hierzu getroffene Feststel-lung,
dass dem Zeugen S. der Vertrieb der Aktien der [X.] bzw. der Fir-men der [X.] im Großraum
H.
unterstanden habe,
findet keine Stütze im Inhalt der Verhandlungen und der Beweisaufnahme (§
286 ZPO). Das macht die Revision mit Recht geltend. Nach
dem
in der öffentlichen Sitzung des [X.]s am 29. August 2012 protokollierten Wortlaut der Aussage des Zeugen S.
ist dieser für die
[X.]
tätig gewesen. Er
selbst hat zwischen den einzelnen Gesellschaften der [X.] nicht un-9
10
11
-

7

-

terschieden.
Für ihn
waren
alle Gesellschaften gleich.
Daraus ergibt sich
aller-dings noch nicht, dass
der Zeuge S. als satzungsmäßiger Vertreter der Beklag-ten oder Verrichtungsgehilfe bei Abschluss des [X.] mit dem Kläger aufgetreten
ist. Da die [X.]
eine rechtlich selbständige Gesellschaft
und nicht ein von der [X.] abhängiges Unternehmen [X.] ist, kann das
Verhalten ihrer
Mitarbeiter grundsätzlich der [X.] [X.] nicht zugerechnet werden.

Mit Recht rügt die Revision
hierzu, dass das Berufungsgericht den
Vor-trag der [X.] zur rechtlichen und wirtschaftlichen Selbständigkeit der [X.]
und der [X.] nicht berücksichtigt hat
(Art.
103 Abs.
1 GG). Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 15. September 2011 auf die fehlende Passivlegitimation hingewiesen, weil der Kläger offenbar [X.] der [X.]
über deren Mitarbeiter erworben habe. Sie hat geltend gemacht, dass sie nicht der Mutterkonzern der [X.] sei, in keiner rechtlichen und finanziellen Beziehung zur [X.]
stehe und nicht in den Vertrieb der Anteile eingebunden
gewesen
sei. [X.], die diesen Vortrag widerlegen würden, hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
3. Eine Haftung der [X.]
für die bei der [X.]
gezeichnete Anlage ist auch nicht
deshalb
anzunehmen, weil
der
Beklagte zu 2 zeitgleich Vorstandsvorsitzender der
anderen
Gesellschaften des [X.] war.
Die in §
31 BGB normierte haftungsrechtliche Zurechnung knüpft an die Fähigkeit des Organs an, für die juristische Person zu handeln (vgl. Se-natsurteile vom 13. Januar 1987 -
VI
ZR 303/85, [X.], 298, 299
f. und vom 8.
Juli 1986 -
VI
ZR 47/85, [X.], 148, 151). Die Einstandspflicht der juristi-schen Person setzt deshalb voraus, dass das Organ in dem ihm zugewiesenen Wirkungskreis handelt (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 1958 -
VI
ZR 12
13
-

8

-

114/57, [X.], 80, 81; vom 20. Februar 1979 -
VI
ZR 256/77, [X.], 523, 524; vom 8. Juli 1986 -
VI
ZR 47/85,
aaO, S. 151
f. und vom 13. Januar 1987 -
VI
ZR 303/85,
aaO, [X.]). Für ein
zum Schadensersatz verpflichten-des
Verhalten des Vorstandsvorsitzenden [X.], des ehemaligen [X.] zu
2,
muss die Beklagte mithin nur insoweit einstehen, als [X.] als ihr Organ gehandelt hat.
Daran ändert sich nichts, wenn der Vorstandsvorsitzende für eine andere juristische Person
-
wie die [X.]
-
gehandelt hätte, die zum selben Konzern gehörte. Umstände, aufgrund derer die Haftung der [X.] für die Erklärungen des [X.] umfassend und ohne Bezug auf einen eige-nen
geschäftlichen Kontakt mit dem Kläger im Streitfall begründet sein
könnte, sind nicht festgestellt.

-

9

-

III.
Danach war das Berufungsurteil aufzuheben. Die Sache ist zur
neuen
Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Galke
[X.]
Pauge

von [X.]
Offenloch

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.09.2012 -
307 [X.]/11 -

O[X.], Entscheidung vom 14.10.2013 -
13 U 29/13 -

14

Meta

VI ZR 465/13

14.10.2014

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2014, Az. VI ZR 465/13 (REWIS RS 2014, 2229)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2229

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 465/13

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