Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.06.2013, Az. VI ZR 288/12

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5366

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[X.]UNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]
Verkündet am:

4. Juni 2013

[X.]öhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]GHZ:
nein
[X.]GHR:
ja
[X.]G[X.] § 826 (A, [X.])
Auf den Nachweis der konkreten Kausalität einer Kapitalmarktinformation für den Willensentschluss des jeweiligen Anlegers kann im Rahmen des [X.] des § 826 [X.]G[X.] auch dann nicht verzichtet werden, wenn eine Kapitalmarktinformation extrem unseriös ist. Eine "generelle" -
unabhängig von der Kenntnis des potentiellen Anlegers postulierte
-
Kausalität einer fal-schen Werbeaussage ist unter [X.] unvertretbar.

[X.]GH, Urteil vom 4. Juni 2013 -
VI [X.] -
O[X.]

LG [X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.]undesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
4.
Juni 2013
durch den Vorsitzenden [X.], die [X.] Zoll und [X.], die [X.]in [X.] und den [X.] Stöhr
für Recht erkannt:
Auf die Revision
der [X.]eklagten wird das Urteil des 5.
Zivilsenats des [X.] vom 21.
Mai 2012
aufgehoben.
Die [X.]erufung der
Klägerin
gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des [X.]s [X.]
vom 28. Juni
2011 wird [X.].
Die Klägerin
hat die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin
macht gegen die [X.]eklagte, eine Aktiengesellschaft nach tür-kischem Recht,
deliktische Schadensersatzansprüche wegen des Erwerbs von Anteilen an der [X.]eklagten
und an der [X.] S.A. 1929 mit Sitz in [X.] (künftig: Kombassan [X.])
geltend.
Die [X.]eklagte ist eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft, die mit Tochter-
und Schwestergesellschaften ihren
Sitz in [X.]/Türkei
hat. Sie ver-kaufte ab dem [X.]
in [X.] an Teile
der türkisch-stämmigen [X.]e-1
2
-

3

-

völkerung Firmenanteile, wobei sie
weitgehend aufgrund von Mund-zu-Mund-Propaganda
damit warb,
dass es sich um
eine mit islamischen
Glaubensgrund-sätzen konforme Alternative zu herkömmlichen, verzinslichen Geldanlagen handle. Der
frühere [X.]eklagte zu 2, der ehemalige Vorstandsvorsitzende [X.]., der auch als Vorstandsvorsitzender der Kombassan [X.] und der [X.] A.S.
auftrat,
instruierte in
Schulungen die Vermittler, die [X.] werben und den Verkauf der Anteile der [X.]eklagten in [X.] abwi-ckeln sollten;
die Interessenten sollten darüber informiert werden, dass die Teil-haberschaft an der [X.]eklagten jederzeit mit einer Frist von drei Monaten gekün-digt werden könne, die Anteile dann zurückgenommen
und der Anlagebetrag erstattet würden. In dringenden Fällen erfolge die
Rückabwicklung
sofort. Diese Information enthält auch ein vor dem 1. Januar 1994 verfasstes Rundschreiben in Form eines Geschäftsberichts des
Vorstandsvorsitzenden
[X.]. an die [X.] der [X.]eklagten. [X.]is in das Jahr 2001 wurden
Anteilskäufe
auf Verlangen der Teilhaber von der [X.]eklagten
rückabgewickelt.
Die Anteile
wurden
an andere Interessenten weiterverkauft oder von Tochterunternehmen der [X.]eklagten übernommen. Dann stellte die [X.]eklagte die Zahlung von Ausschüttungen und die Rückzahlung angelegter
Gelder ein.
Die Kombassan [X.] meldete im Jahr 2007 Insolvenz an.

Die Klägerin
erwarb
in den Jahren 2000/2001
Anteilsscheine an der [X.]e-klagten
und an der Kombassan [X.]. Sie sieht sich durch das der [X.]e-klagten zuzurechnende Verhalten des früheren [X.]eklagten zu 2 darüber ge-täuscht,
dass es sich um eine sichere Geldanlage in der Art eines Darlehens oder einer Anleihe mit einer Garantie für die Rückforderung des Kapitals [X.]. Die Klägerin verlangt so gestellt zu werden, als hätte sie die Kapitalanlagen nicht getätigt.
3
-

4

-

Nach Rücknahme der Klage gegen den [X.]eklagten zu 3 hat das [X.] am 14. Oktober 2010 Versäumnisurteil gegen die [X.]eklagte und den [X.] [X.]eklagten zu 2 erlassen. Gegen den [X.]eklagten zu 2 ist das [X.] rechtskräftig geworden. Die [X.]eklagte hat dagegen Einspruch eingelegt. Nach einer [X.]eweisaufnahme durch die Vernehmung des Ehemannes und des [X.] der Klägerin als Zeugen hat das [X.] das Versäumnisurteil auf-gehoben und die Klage abgewiesen. Auf die [X.]erufung der
Klägerin
hat das [X.] unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils
das Ver-säumnisurteil vom 14. Oktober 2010 gegen die [X.]eklagte wieder hergestellt.
Mit der vom [X.]erufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die [X.]eklagte die Zu-rückweisung der [X.]erufung und die Wiederherstellung des klagabweisenden erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:
I.
Das [X.]erufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit [X.] Ge-richte für deliktische Ansprüche der
Klägerin
bejaht. Es
hat
unter Anwendung [X.] Rechts der
Klägerin
einen
Anspruch
auf Schadensersatz
nach
den §§
826, 31 [X.]G[X.] und §
830 [X.]G[X.] analog gegen die [X.]eklagte zugesprochen
und dies -
wie folgt
-
begründet:
Organe der [X.]eklagten, namentlich der frühere Vorstandsvorsitzende [X.].,
hätten daran mitgewirkt, dass die [X.]eklagte und weitere Konzernunternehmen, wie die Kombassan [X.] und die [X.] S.A., erkennbare -
teilweise sogar selbst bewirkte und vergrößerte
-
Informationsdefizite systema-tisch im Interesse des gesamten Konzerns gemeinschaftlich dafür ausgenützt 4
5
6
-

5

-

hätten, im Wege des [X.] unter der türkisch-stämmigen [X.]evölkerung in [X.] reihenweise hohe Summen zu Gunsten des eige-nen Unternehmens oder anderer Konzernunternehmen einsammeln zu lassen.
Ein solches Verhalten erfülle die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sitten-widrigen Schädigung. Weil die [X.]eklagte durch das Verhalten der gemeinsamen Vorstände, die zugleich für verschiedene Konzernunternehmen handelten, bei diesem unzulässigen Vertrieb gemeinsame Sache u.a. mit der [X.] gemacht und den gleichartigen Vertrieb der anderen [X.] gefördert habe, sei ihr das Verhalten ihres Vorstands zu Gunsten [X.] Konzernunternehmen -
hier der Kombassan [X.]
-
entsprechend §
830 Abs.
1 [X.]G[X.] i.V.m. §
31 [X.]G[X.] zuzurechnen, was zu einer eigenen Haftung nach §
826 [X.]G[X.] führe. Zu den für eine
Anlageentscheidung wesentlichen und damit aufklärungspflichtigen Umständen gehörten vor dem Hintergrund des ak-tienrechtlichen Rücknahmeverbots die besonderen Risiken des Rück-
oder Weiterverkaufs von Aktien nicht börsennotierter Unternehmen. Deshalb sei es innerhalb des von den Organen der [X.]eklagten ins Werk gesetzten [X.] erforderlich gewesen, Anleger über die [X.]esonderheit der
[X.]eteiligung an einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft -
gleich in welcher Form
-
zu in-formieren, dass
den geworbenen Anlegern
-
anders als bei einer herkömmli-chen Sparanlage
-
kein rechtlich gesicherter Anspruch auf Rückzahlung ihres
investierten Kapitals
zustehe.
Dass
es sich nicht um ein bei [X.]anken erhältliches
Finanzprodukt gehandelt habe
und die Geschäfte außerhalb einer [X.]ank abge-schlossen worden seien, ändere am Informationsdefizit der Anleger und an ih-rem Schutzbedürfnis nichts. Das Vertriebssystem der [X.]eklagten sei darauf [X.] gewesen, systematisch von der unvollständigen Informationslage der Anleger zu profitieren
und eine teilweise selbst geschaffene, jedenfalls aber erkennbar falsche Erwartungshaltung der Anleger bezüglich der erheblichen Frage der rechtlichen Absicherung einer Kündigungsmöglichkeit
auszunutzen. -

6

-

Insofern komme das Verhalten der [X.]eklagten im Unwert einer aktiven [X.] gleich, die ohne weiteres als sittenwidrig anzusehen sei. Der Vorstand der [X.]eklagten habe über gezielte Mund-zu-Mund-Propaganda Fehlvorstellun-gen über die unternehmerische [X.]eteiligung in den gut vernetzten Kreisen der türkisch-stämmigen Minderheiten in [X.] verbreitet. Soweit Anteile an der Kombassan [X.] verkauft worden seien, habe
Ziff. 10 der dem [X.] zugrunde liegenden Geschäftsbedingungen eine Rücktrittsmöglichkeit nach vorausgegangener Kündigung ausdrücklich vorgesehen. Ein solcher Rücktritt sei nach luxemburgischem Recht aber nicht ohne weiteres möglich, sondern an verschiedene [X.]edingungen geknüpft, wie sich aus Art.
49-2 des luxemburgischen Gesetzes
vom 10. August 1915 über die Handelsgesellschaf-ten ergebe. Diesen engen [X.]eschränkungen trügen die Geschäftsbedingungen der Kombassan [X.] nicht Rechnung, weil -
scheinbar
-
jedem Anleger eine freie Kündigungsmöglichkeit eingeräumt werde. Soweit die Kombassan-Gesellschaften -
gerichtsbekannt
-
die Rückgabemöglichkeit durch die Einschal-tung anderer Konzernunternehmen organisiert gehabt hätten, handele es sich um freiwillige Weitervermittlungen ohne Rechtsanspruch, die keinen gesicher-ten Ausstieg ermöglichten. Das Versprechen der jederzeitigen [X.] für Aktien der [X.]eklagten sei objektiv falsch, da es mit dem insoweit maßgebenden [X.] Recht unvereinbar sei. Unabhängig davon, ob der [X.] nur mit der Kombassan [X.] oder auch
mit der [X.]eklagten zustande gekommen sei, müsse die [X.]eklagte für den daraus entstandenen Schaden der Klägerin analog §
830 Abs.
1 Satz
1 [X.]G[X.] einstehen, weil sie zu-sammen mit der Kombassan [X.] das als unzulässig erachtete [X.] unterhalten und genutzt habe. Auch der frühere Vorstandsvorsit-zende [X.]. habe stets verkündet, es gebe nur eine Kombassan.
Die
Klägerin, die zwar nicht individuell beraten worden
sei, hätte ohne die
allgemein bekannten Zusagen über die Rückgabemöglichkeit der Anteile ihr
7
-

7

-

Geld nicht bei der [X.]eklagten und der Kombassan [X.] investiert. Das Verhalten des Vorstands der [X.]eklagten erfülle das Merkmal der Sittenwidrigkeit, weil der Vertrieb systematisch
und
planmäßig auf gezielte Fehlinformation [X.] gewesen sei.
Der Verzicht auf sachgerechte Informationsmittel habe dem massenhaften Absatz der Unternehmensanteile unter Umgehung nahelie-gender [X.]edenken der Anleger gedient. Dies
sei in dem [X.]ewusstsein einer mög-lichen Schädigung der Anleger geschehen, weil die Rückkaufsmöglichkeit we-der rechtlich noch wirtschaftlich abgesichert gewesen sei.
Der Schaden der Klägerin bestehe im Erwerb von nicht ihren [X.]edürfnissen entsprechenden Un-ternehmensanteilen. Die [X.]eklagte habe nach §
31 [X.]G[X.] für das Verhalten ihrer Organe einzustehen.

II.
Die Revision ist begründet.
1. Das [X.]erufungsgericht hat zutreffend seine Zuständigkeit aus dem be-sonderen [X.] des §
32 ZPO hergeleitet
(Senatsurteil vom 23.
März 2010 -
VI
ZR 57/09, [X.], 910 Rn.
8 ff.). Auch richtet sich
nach dem am Gerichtsstand geltenden [X.]
Recht, ob das der Klage zugrunde gelegte,
von der
Klägerin
behauptete Geschehen als unerlaubte Handlung [X.] ist (Senatsurteil vom 23. März 2010 -
VI
ZR 57/09, aaO Rn.
12
f. [X.]).
2. Das [X.]erufungsgericht
hat zu Unrecht einen Anspruch der
Klägerin
ge-gen die [X.]eklagte auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schä-digung gemäß §§
826, 31
[X.]G[X.], §
830 [X.]G[X.] analog
bejaht. Die Revision
rügt
mit Recht, dass das [X.]erufungsgericht den dem Streitfall zugrunde liegenden Tatsa-8
9
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8

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chenstoff nicht umfassend in den [X.]lick genommen hat und der
vorgenommenen
Würdigung
eine "generalisierende"
[X.]etrachtungsweise ohne konkreten [X.]ezug auf den Streitfall zugrunde liegt

286 ZPO, Art.
103 Abs.
1 GG).
Zwar ist die Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer [X.]eweisaufnahme nach §
286 ZPO Sache des [X.]. Er hat nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche [X.]e-hauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. An dessen [X.] ist das Revisionsgericht nach §
559 ZPO gebunden. [X.] ist lediglich zu überprüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den [X.]eweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen [X.] oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Juni 2009 -
VI
ZR 261/08, [X.], 1406 Rn.
5 [X.]; und Senatsurteile vom 6.
Juli 2010 -
VI
ZR 198/09, [X.], 1220 Rn.
14; vom 19. Oktober 2010 -
VI
ZR 241/09, [X.], 223 Rn.
10).
Dies ist hier nicht der Fall.
a)
Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass konkrete Anhaltspunkte für die vom [X.]erufungsgericht angenommene Erwartungshaltung, die für den Kauf der Anteile durch die Klägerin bestimmend gewesen sein soll, im Streitfall nicht gegeben sind. Solche trägt die Klägerin nicht vor und hat das [X.]erufungs-gericht auch nicht festgestellt. Die Klägerin hat zwar behauptet, durch die An-gaben des früheren [X.]eklagten zu 3
zu der Anlageentscheidung bestimmt [X.] zu sein. Das [X.] hat es aber auf der Grundlage der [X.]eweisauf-nahme nicht für erwiesen erachtet, dass sich der frühere [X.]eklagte zu 3 gegen-über der Klägerin vor deren Anlageentscheidung über die Sicherheit der Geld-anlage und die Garantie der Rückforderbarkeit des Anlagekapitals überhaupt äußerte und er mit der Klägerin Kontakt hatte.

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9

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b) [X.]ei der [X.]eurteilung des Verhaltens der [X.]eklagten als sittenwidrig lässt das [X.]erufungsgericht die [X.]esonderheiten außer [X.]etracht,
die darin bestehen,
dass es sich bei den von der [X.]eklagten verkauften Anteilen um eine religiösen Grundsätzen folgende
Anlageform handelt, die im Inland von der [X.]eklagten al-lerdings in nicht herkömmlicher Weise
mit großem Erfolg
vertrieben wurde (vgl. hierzu Senatsurteil vom 23. März 2010 -
VI
ZR 57/09, aaO Rn.
15 ff.). Es wertet die Geschäfte der [X.]eklagten einseitig aus heutiger Sicht. Maßgeblich für die [X.]eurteilung ist aber das Verhalten der [X.]eklagten zum
Anlagezeitpunkt. Danach stellt sich
unter den Umständen des Streitfalls
das Verhalten des Vorstands der [X.]eklagten
nicht
als
sittenwidrig
dar.

aa) Die Qualifizierung eines Verhaltens als sittenwidrig ist eine Rechts-frage, die der uneingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht unter-liegt (Senatsurteile vom 25. März 2003 -
VI
ZR 175/02, [X.]GHZ 154, 269, 274
f. [X.]; vom 13. Juli 2003 -
VI
ZR 136/03, VersR
2004, 1273, 1275
und vom 19.
Oktober 2010 -
VI
ZR 248/08, juris Rn.
12 f.). Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl
aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr. seit [X.], 114, 124). In diese rechtliche [X.]eurteilung ist einzubezie-hen, ob es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, [X.]eweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist ([X.]GH, Urteile vom 6. Mai 1999 -
VII
ZR 132/97, [X.]GHZ 141, 357, 361 [X.]; vom 19. Juli 2004 -
II
ZR 402/02, [X.]GHZ 160, 149, 157; vom 14. Mai 1992 -
II
ZR 299/90, [X.], 1184, 1186 [X.] und vom 19. Juli 2004 -
II
ZR 217/03, NJW 2004, 2668, 2670). Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn [X.] einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht, aber auch einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädi-gende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der 13
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-

10

-

allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" [X.] verwerflich machen (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2010 -
VI
ZR 124/09, [X.], 1659 Rn.
12 und -
vom selben Tag -
VI
ZR 248/08, juris Rn.
13 jeweils [X.] und vom 20. November 2012 -
VI
ZR 268/11, [X.], 200 Rn.
25).
Ein [X.] Unwerturteil rechtfertigt das Verhalten der [X.]eklagten gegenüber der Klä-gerin nicht.
[X.]) Nach den getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Organe der [X.]eklagten von vornherein in dem [X.]ewusstsein einer möglichen Anlegerschädigung systematisch Gelder einsammeln wollten und deshalb eine an den [X.]edürfnissen der Anleger ausgerichtete und anlage-gerechte Information unterlassen haben, um möglichst unter Ausnutzung der Unkenntnis der Anleger viele Geschäftsanteile an bestimmte [X.]evölkerungskrei-se abzusetzen.
Hierfür spricht nicht
schon, dass die [X.]eklagte inzwischen keine Gewinne mehr ausschüttet und die bei ihr angelegten Gelder nicht zurückzahlt. Die [X.]eklagte verfolgt nach ihrer Satzung einen wertneutralen Geschäftszweck und das Ziel, mit den [X.] Gewinne durch unterschiedliche unter-nehmerische [X.]eteiligungen zu erwirtschaften (vgl. hierzu Senatsurteil vom 23.
März 2010 -
VI
ZR 57/09, aaO Rn.
26 und 29
ff.). Auch die Klägerin stellt nicht in Frage, dass das Unternehmen der [X.]eklagten heute noch besteht. Sie selbst hat den Firmensitz in [X.] mehrmals zusammen mit ihrem Ehemann aufgesucht. [X.]ei einer
unternehmerischen [X.]eteiligung muss allerdings mit [X.] bis zum Totalverlust des Kapitals gerechnet werden, wenn mangels wirt-schaftlichen Erfolgs Gewinnausschüttungen nicht
in Frage kommen und Inte-ressenten für die Übernahme der [X.]eteiligung
wegen der wirtschaftlichen Miss-erfolge
des Unternehmens fehlen.
[X.]) Entgegen der [X.]eurteilung des [X.]erufungsgerichts haftet die [X.]eklagte rechtlich nicht
allein dafür, dass sich die Klägerin falsche Vorstellungen über 15
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-

Werthaltigkeit und Rückgabemöglichkeit der von ihr gekauften Anteile gemacht hat. [X.]esondere Umstände, die darüber hinaus das Urteil der Sittenwidrigkeit begründen könnten, hat das [X.]erufungsgericht nicht festgestellt und sind auch nicht vorgetragen.
(1) Mangels einer vom [X.]erufungsgericht durchgeführten [X.]eweisaufnah-me ist auf der Grundlage der für das [X.]erufungsgericht vom [X.] bindend festgestellten Tatsachen

529 Abs.
1 Nr.
1 ZPO)
nicht erwiesen, dass ein Vermittler im Auftrag der [X.]eklagten oder ein Mitglied des Vorstands gegenüber der
Klägerin vor dem Kauf der Anteile beratend tätig geworden ist. Eine Anla-geberatung hat die Klägerin
nicht in Anspruch genommen.
(2) Entgegen der Auffassung des [X.]erufungsgerichts hat die [X.]eklagte nicht ein
Informationsdefizit der
Klägerin
vorsätzlich ausgenutzt, um diese
zu schädigen. Dies
kann nach den Umständen des Streitfalls nicht angenommen werden.
Dass zum fraglichen Anlagezeitpunkt in den Jahren 2000/2001 auf-grund der wirtschaftlichen Situation und der starken Nachfrage nach den Antei-len der [X.]eklagten nicht damit gerechnet werden musste, einem Rücknahmever-langen eines Anlegers in einem absehbaren [X.]raum künftig nicht mehr nach-kommen zu können, stellt
auch das [X.]erufungsgericht nicht in Frage. Es lastet der [X.]eklagten an, dass das Fehlen eines Rechtsanspruchs nicht offengelegt wurde. Dieses Versäumnis begründet allerdings nicht die Haftung wegen sit-tenwidrigen Verhaltens. Die Revision weist
mit Recht
darauf hin, dass entgegen der Auffassung des [X.]erufungsgerichts der im Anlagezeitraum der Klägerin tat-sächlich erfolgte Rückerwerb von [X.]eteiligungen durch Schwester-
und Tochter-unternehmen sowie die Vermittlung des Weiterverkaufs an andere Anleger da-gegen sprechen,
dass frühere
Zusagen
durch den Vorstand der [X.]eklagten die Gutgläubigkeit der Anleger mit dem Ziel
bewirken sollten, deren Gelder trotz des sich abzeichnenden Verlustes zu erlangen. Soweit das [X.]erufungsgericht 17
18
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unterstellt, dass der Vorstand der [X.]eklagten durch die Rückkäufe bewusst die rechtliche Unverbindlichkeit verschleierte und eine Politik der Desinformation betrieb, um die Erwartungshaltung der Anleger für den Zweck der Einwerbung hoher Kapitalbeträge auszunutzen, sind eine solche Absicht stützende Tatsa-chen nicht festgestellt und von der Klägerin nicht vorgetragen (§
286 ZPO).
(3) Das [X.]erufungsgericht
qualifiziert
irrigerweise die
Zusage
des Vor-stands der [X.]eklagten, die Anteile zurückzunehmen, als rechtlich
verbindliche
Garantie. Dass die [X.]eklagte gegenüber den Anlegern rechtlich unbedingt für die Rücknahme der Anteile und die Rückgabe des Kapitals einstehen wollte und sich als Garant verpflichtete, stets, also auch künftig,
die Gefahr der wert-entsprechenden Veräußerlichkeit der Anteile zu übernehmen
(st. Rspr., vgl. [X.]GH, Urteil vom 13. Juni 1996 -
IX
ZR 172/95, NJW 1996, 2569, 2570 [X.]), kann nicht aufgrund der nach ihrem Inhalt nicht präzise feststellbaren und jahre-lang zurückliegenden Äußerungen des früheren Vorstandsvorsitzenden [X.]. in den Schulungen der
Vermittler angenommen werden. Auch die Auslegung des Inhalts eines Rundschreibens
des Vorstands [X.]., auf das sich das [X.]erufungsge-richt für seine [X.]eurteilung stützt,
lässt im entsprechenden
Passus die Ausle-gung als
rechtliche Garantie
jedenfalls für künftige Anleger nicht zu.
Gegen ein solches Verständnis spricht schon, dass der betreffende Abschnitt als Teil eines wahrscheinlich im Jahr 1993 erstellten Geschäftsberichts
an die damaligen An-leger
in türkischer Sprache
gerichtet ist.
Nach der Übersetzung heißt es unter der Überschrift "Sehr wichtig"
unter
lit. d):
"Wie Sie wissen, mussten Gesellschafter, die von der [X.] zu-rücktreten wollten, früher einen Monat vorher einen entsprechenden Antrag ein-reichen. Diese Frist wurde im Interesse unserer Firma und unserer Gesellschaf-ter auf 3 Monate erhöht worden. Jedoch soll dies nicht missverstanden werden. 19
20
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13

-

Für die normale Prozedur würden wir mit [X.] Erlaubnis niemanden bei einem "
Der Mitteilung liegt
ein Gesellschafterbeschluss zur bisher praktizierten Rücknahme zugrunde. Die Verlängerung der Kündigungsfrist von einem Monat auf drei Monate weist darauf hin, dass die Rücknahme von der [X.]eklagten nicht unveränderlich gehandhabt wurde, sondern durch die Versammlung der [X.] die Kündigungsfrist verlängert werden konnte.
Eine selbständige Garantie-zusage lässt sich aber nicht im Nachhinein einseitig zu Lasten des [X.]egünstig-ten verändern. Schon gar nicht lässt sich daraus entnehmen, dass allen
künfti-gen Anlegern gegenüber rechtlich gehaftet werden sollte.
c)
Nach den zugrunde liegenden Feststellungen kann dem Vorstand der
[X.]eklagten
auch ein [X.] nicht angelastet werden. Der Vorsatz, den die
Klägerin
als Anspruchstellerin
vorzutragen und zu beweisen hat (vgl. Senatsurteile vom 23. März 2010 -
VI
ZR 57/09, aaO Rn.
38 und vom 20. [X.] 2011 -
VI
ZR 309/10, [X.], 454 Rn.
8
[X.]), enthält ein "Wis-sens-" und ein "Wollenselement". Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss, im Fall des §
826 [X.]G[X.] also die Schädigung des Anspruchstellers, gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen [X.] haben. Die Annahme des bedingten Vorsatzes setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billi-gend in Kauf genommen hat. Dazu genügt es nicht, wenn die entsprechenden Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen. In einer solchen Situation ist lediglich ein [X.] gerechtfertigt (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 -
VI
ZR 309/10, aaO Rn.
10 [X.]). Vertraut der Täter darauf, der als möglich vorausgesehene (oder vorauszusehende) Erfolg werde nicht eintreten, und nimmt er aus diesem Grund die Gefahr in Kauf, liegt allenfalls bewusste Fahr-21
22
-

14

-

lässigkeit vor; dagegen nimmt der bedingt vorsätzlich handelnde Täter die Ge-fahr deshalb in Kauf, weil er, wenn er sein Ziel nicht anders erreichen kann, es auch durch das unerwünschte Mittel erreichen will (vgl. Senatsurteil vom 15.
Juli 2008 -
VI
ZR 212/07, [X.], 1407 Rn.
30 unter Verweis auf [X.]GH, Urteil vom 22. April 1955 -
5
StR 35/55, [X.]GHSt 7, 363, 370). Hinsichtlich der [X.]eweisführung kann sich im Rahmen des §
826 [X.]G[X.] aus der Art und Weise des sittenwidrigen Verhaltens, insbesondere dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers, die Schlussfolgerung ergeben, dass er mit [X.] gehandelt hat. Auch kann es im Einzelfall beweisrechtlich naheliegen, dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht. Allerdings kann der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht allein das Kriterium für die Frage sein, ob der Handelnde mit dem Erfolg auch einverstanden war. Vielmehr ist immer eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles erforderlich (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 -
VI
ZR 309/10, aaO Rn.
11, [X.]).
Erforderlich, aber auch ausreichend
ist danach im Streitfall für den be-dingten Vorsatz, dass der Vorstand der [X.]eklagten zum [X.]punkt des Erwerbs der Anteile durch die Klägerin
mit der Möglichkeit rechnete, dass diese durch sein Verhalten geschädigt würde und er dieses Ergebnis billigend in Kauf nahm (vgl. Senatsurteil vom 17.
September 1985 -
VI
ZR 73/84, [X.], 158, 159). Es kommt mithin darauf an, was der Vorstand der [X.]eklagten zu den für die Haftung maßgeblichen [X.]punkten gewusst und gewollt hat. Die Revision weist mit Recht darauf hin, dass [X.] erheblich ist, ob die Rücknahme und Weitergabe von [X.]eteiligungen an andere Interessenten möglich
gewesen und durchgeführt worden sind. Dies war bis ins Jahr 2001 unstreitig der Fall. [X.]
-

15

-

genstehende Umstände hat die für den Vorsatz darlegungs-
und beweispflichti-ge Klägerin
nicht vorgetragen. Unstreitig ist, dass die Wirtschaftskrise ab dem Jahr 2001
und eine negative Presseberichterstattung über Maßnahmen der tür-kischen Kapitalaufsicht mitursächlich für die Einstellung der Rückabwicklungen waren. Dafür dass der Vorstand der [X.]eklagten mit solchen Ereignissen rechnen musste, ist nichts festgestellt und
auch nichts vorgetragen.
d) Schließlich bestehen durchgreifende rechtliche [X.]edenken gegen die Ausführungen im [X.]erufungsurteil, mit denen das [X.]erufungsgericht
die Kausali-tät des Verhaltens der Organe der [X.]eklagten für den von der
Klägerin
geltend gemachten Schaden bejaht
hat.
Im Rahmen des Anspruchstatbestandes des § 826 [X.]G[X.] kann auf den Nachweis der konkreten Kausalität für den Willensentschluss des jeweiligen Anlegers selbst bei extrem unseriöser Kapitalmarktinformation nicht verzichtet werden und dementsprechend das enttäuschte allgemeine Anlegervertrauen auf die Erfüllung der in die Anlage gesetzten Erwartungen nicht ausreichend sein (vgl. zu fehlerhaften Ad-hoc-Meldungen [X.]GH, Urteil vom 3. März 2008 -
II
ZR 310/06, [X.], 1694 Rn.
16 [X.]; [X.], 196, 205). Eine "gene-relle"
-
unabhängig von der Kenntnis des potentiellen Anlegers postulierte
-
Kausalität einer falschen Werbeaussage erscheint unter [X.] unvertretbar. Im Sinne einer "Dauerkausalität"
würde sie auf unabsehbare [X.] jedem beliebigen Erwerber der Anteile zugutekommen, ohne dass dessen [X.] überhaupt berührt wäre (vgl. [X.]GH, Urteil vom 3. März 2008 -
II
ZR 310/06, [X.], 1694 Rn.
20). Eine dadurch bewirkte Ausdehnung der Haftung ist im Hinblick auf den schwer wiegenden Vorwurf der sittenwidri-gen Schädigung rechtlich unvertretbar.
24
25
-

16

-

Nach diesen Grundsätzen vermag die vom [X.]erufungsgericht angenom-mene allgemeine Erwartung der
Klägerin den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Vorstands der [X.]eklagten und der Schädigung nicht zu be-gründen.
Galke
Zoll
[X.]

[X.]
Stöhr

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.06.2011 -
12 [X.]/08 -

O[X.], Entscheidung vom 21.05.2012 -
5 [X.]/11 -

26

Meta

VI ZR 288/12

04.06.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.06.2013, Az. VI ZR 288/12 (REWIS RS 2013, 5366)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5366

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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