Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2009, Az. 5 StR 394/08

5. Strafsenat | REWIS RS 2009, 2427

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Nachschlagewerk: ja [X.]St : ja [X.] : ja StGB § 13 Abs. 1 Den Leiter der [X.] einer Anstalt des öffentlichen Rechts kann eine [X.] treffen, betrügerische Ab- rechnungen zu unterbinden. [X.], Urteil vom 17. Juli 2009 [X.] 5 StR 394/08

[X.]

5 StR 394/08 [X.] DES VO[X.]ES URTEIL vom 17. Juli 2009 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zum Betrug - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat auf Grund der Hauptverhand-lung vom 16. und 17. Juli 2009, an der teilgenommen haben: Vorsitzender [X.] Basdorf, [X.] Dr. Raum, [X.] Dr. Brause, [X.]in [X.], [X.] [X.]als beisitzende [X.], [X.]

als Vertreter der [X.]schaft, Rechtsanwältin als Verteidigerin, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, - 3 - am 17. Juli 2009 für Recht erkannt: Die Revision des Angeklagten [X.]gegen das Urteil des [X.] vom 3. März 2008 wird verworfen. Der Angeklagte [X.]trägt die Kosten seines Rechtsmit-tels. [X.] Von Rechts wegen [X.]
G r ü n d e 1 Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Beihilfe (durch Unterlassen) zum Betrug zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt und angeordnet, dass als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer 20 Tagessätze als vollstreckt gelten. Die umfassend eingelegte und mit for-mellen und materiellen Beanstandungen geführte Revision dieses Angeklag-ten bleibt erfolglos. [X.] Das [X.] hat folgende Feststellungen und [X.]rtungen getrof-fen: 2 1. Der Angeklagte war seit 1989 als Volljurist bei den [X.] (im Folgenden: [X.]) tätig und seit Anfang 1998 Leiter des [X.] sowie Leiter der Rechtsabteilung. [X.] und Ende 2002 war ihm zudem die [X.] unterstellt. Der [X.], einer Anstalt des öffentlichen Rechts, oblag in ihrem hoheitlichen [X.] - 4 - reich die Straßenreinigung mit Anschluss- und Benutzungszwang für die Ei-gentümer der [X.]. Die Rechtsverhältnisse waren zwar pri-vatrechtlich ausgestaltet; für die Bestimmung der Entgelte galten jedoch das Äquivalenz- und das Kostendeckungsprinzip als öffentlich-rechtliche Grund-sätze der Gebührenbemessung. Nach den Regelungen des [X.] Straßenreinigungsgesetzes hatten die Anlieger 75 % der angefallenen Kosten für die Straßenreinigung zu tra-gen; 25 % der Kosten verblieben beim [X.] (§ 7 Abs. 1). Die Aufwen-dungen der Reinigung für Straßen ohne Anlieger musste das [X.] im vollen Umfang tragen (§ 7 Abs. 6). Die Entgelte, die sich nach der Häufigkeit der Reinigung in vier Tarifklassen unterteilten, wurden für den [X.] auf der Grundlage einer Prognose der voraussichtlichen Aufwendungen fest-gesetzt. Die von Vorstand und Aufsichtsrat zu verabschiedende Tarifbestim-mung wurde durch eine Projektgruppe —[X.] vorbereitet, die der Angeklagte [X.]leitete. Infolge eines Versehens wurden bei der Berech-nung der Entgelte der [X.] 1999/2000 auch die Kosten für die [X.] zu 75 % einbezogen, für die es keine Anlieger gab; diese hätte das [X.] vollständig tragen müssen. Der Berechnungsfehler wurde in der [X.] bemerkt, aber nicht korrigiert. 4 Für die [X.] 2001/2002, den Tatzeitraum, wurde vom Gesamt-vorstand der [X.] eine neue Projektgruppe eingesetzt. Dieser gehörte der Angeklagte [X.]nicht mehr an. Sie wurde von dem früheren [X.]
geleitet, der im Stabsbereich tätig und dem Angeklagten [X.]unmittelbar unterstellt war. Der Angeklagte [X.]

nahm selbst unregelmäßig an den Sitzungen der neuen Projektgruppe teil, die zunächst den [X.] aus der vergangenen [X.] beheben wollte. Auf [X.]isung des früheren Mitangeklagten [X.]

wurde dies jedoch unterlas-sen. Der Tarif, in dessen Berechnungsgrundlage auch die anliegerfreien Straßen einbezogen worden waren, wurde vom Vorstand und Aufsichtsrat der [X.] gebilligt, wobei jeweils die Tarife erläutert wurden, ohne jedoch die 5 - 5 - Entscheidungsträger auf die Einbeziehung der anliegerfreien Straßen [X.]. Der Angeklagte [X.], der um den Berechnungsfehler wusste, war bei der Sitzung des [X.] nicht anwesend. Bei der Sitzung des Aufsichtsrats führte er zwar Protokoll; eine weitere Beteiligung seiner-seits konnte das [X.] jedoch nicht feststellen. Der Angeklagte [X.]

unterrichtete auch in der Folgezeit weder seinen unmittelbaren Vorgesetz-ten, den Vorstandsvorsitzenden

D. , noch ein Mitglied des Aufsichtsrats. Die Senatsverwaltung genehmigte den Tarif. Dabei verpflichte-te sie die [X.] allerdings im [X.]ge einer Auflage zu einer Nachkalkulation. Auf der Grundlage des genehmigten Tarifs wurden von den Eigentümern der [X.] um insgesamt 23 Mio. Euro überhöhte Entgelte [X.], die auch überwiegend bezahlt wurden. 6 2. Das [X.] hat das Verhalten des vormaligen Mitangeklagten

[X.] im Blick auf die gesamte [X.] 2001/2002 als (einheitlichen) Betrug in mittelbarer Täterschaft gewertet. Der Angeklagte [X.]habe hierzu Beihilfe geleistet. Ein aktives Handeln des Angeklagten [X.], dem die falsche Tarifberechnung bekannt gewesen sei, lasse sich nicht zweifels-frei feststellen. Er habe sich jedoch der Beihilfe durch Unterlassen schuldig gemacht. Eine Garantenstellung im Sinne des § 13 StGB ergebe sich [X.], dass er als Leiter der Tarifkommission den [X.] in der [X.] Periode zu vertreten habe und dessen Behebung in der folgenden [X.] hätte veranlassen müssen. Zudem komme ihm als Leiter der [X.] eine Garantenstellung zu. In dieser Eigenschaft, zumal als Be-diensteter einer Anstalt des öffentlichen Rechts, sei er nämlich verpflichtet, die Einhaltung der gesetzlichen Regeln auch zum Schutz der Entgeltschuld-ner sicherzustellen. Da sich der Angeklagte [X.]

dem Handeln des [X.] Mitangeklagten [X.] untergeordnet habe, liege bei ihm lediglich ein [X.] vor. - 6 - I[X.] Die Revision des Angeklagten [X.]

ist unbegründet. 7 1. Die Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg. 8 a) Die Besetzungsrüge zeigt keinen Rechtsfehler auf. Wie der Senat im Beschluss vom 24. März 2009 ([X.], 342; hierzu [X.] [X.], 371) seine eigene Besetzung betreffend ausgeführt hat, ist Verletzter im Sinne des § 22 Nr. 1 i.V.m. § 338 Nr. 2 StPO nicht bereits ein Mieter, auf den [X.] abhängig von den vertraglichen Vereinbarungen [X.] die Reinigungsent-gelte umgelegt werden können. Entgegen der Auffassung der Revision [X.] auch der Umstand, dass der Vater des [X.]s [X.].

an ei-nem in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisierten Fonds beteiligt ist, keinen Ausschlussgrund. Dieser Fonds ist selbst nicht Eigentümer. [X.] wird das Eigentum treuhänderisch von einer GmbH gehalten. Eine über den Fonds und die Treuhand doppelt vermittelte und nur indirekte Berührung der wirtschaftlichen Interessen des Vaters des [X.]s [X.]. ist [X.] wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat [X.] für einen Ausschluss nach § 22 Nr. 3 StPO nicht ausreichend. 9 b) Das [X.] hat den Antrag auf Vernehmung des Zeugen [X.]rechtsfehlerfrei zurückgewiesen. Die Verteidigung hat die Vernehmung die-ses Zeugen, der Nachfolger des Angeklagten als Leiter der [X.] war, zum Beweis für die Verhältnisse bei der [X.] und deren [X.] an den Vorstand beantragt. Das [X.] hat die beantragte [X.] abgelehnt, weil die Frage, wie die [X.] personell strukturiert war und welche Prüfaufträge dort abgearbeitet werden, für die Garantenstellung ohne Bedeutung ist. 10 Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Für die Frage einer aus dieser Stellung folgenden [X.] ist es unerheblich, ob die [X.] - 7 - nenrevision die Tarifbildung geprüft hat oder diese überhaupt aufgrund ihrer geringen personellen Ausstattung hätte prüfen können. Das [X.] hat nämlich die Garantenstellung nicht aus einer konkret erfolgten Prüfung der Tarife hergeleitet, sondern sie vielmehr darauf gestützt, dass der Angeklagte als Leiter der [X.] eine besondere Pflichtenstellung innehatte, eine betrügerische Tarifbildung zu verhindern. c) Ohne Erfolg rügt die Verteidigung, dass das [X.] nicht sämt-liche (ca. 170.000) Grundstückseigentümer als Zeugen über ihre jeweiligen Vorstellungen bei dem Erhalt der (rechtwidrig überhöhten) Abrechnungen der [X.] gehört hat. Die [X.] hat diesen Antrag als bloßen Beweisermitt-lungsantrag angesehen. 12 13 aa) Diese Auffassung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Verteidigung hat das [X.] diesen [X.] schon deshalb zu Recht nicht als einen nach § 244 Abs. 3 StPO zu be-scheidenden Beweisantrag angesehen, weil die Zeugen nicht mit Namen und vollständiger Anschrift genannt wurden. Dies ist aber erforderlich ([X.]St 40, 3, 7; Beschluss vom 28. Mai 2009 [X.] 5 StR 191/09 [X.] zur [X.] be-stimmt in [X.]R StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag). Eine Ausnahme gilt [X.] insoweit, als der Antragsteller außerstande ist, die vollständige [X.] zu benennen. Dies ist nicht ersichtlich. Abgesehen davon, dass der Angeklagte selbst in der Lage gewesen wäre, eine Reihe von [X.] mit vollständiger Adresse allein aus seinem Wissen zu bezeich-nen und schon dies nicht getan hat, ist nicht erkennbar, dass er diese Daten nicht über seine Arbeitgeberin hätte besorgen und dem [X.] vorlegen können. [X.]) Auch in der Sache hätte das [X.] der beantragten [X.] nicht nachkommen müssen. Bei einer im [X.]sentlichen auf eine Zahlungsanforderung beschränkten Erklärung reichte es [X.] wie der Senat in seinem Beschluss vom 9. Juni 2009 bezüglich des Mitangeklagten [X.] 14 - 8 - in derselben Sache bereits ausgeführt hat [X.] für einen Irrtum im Sinne des § 263 StGB aus, wenn sich die Empfänger in einer wenngleich allgemein gehaltenen Vorstellung befanden, dass die Tarifberechnung in Ordnung sei. Ein differenziertes Vorstellungsbild bei den einzelnen Empfängern der [X.] liegt hier fern. Insoweit weicht die Fallkonstellation im vorliegenden Fall von den von der Revision in Bezug genommenen Entscheidungen des [X.] ([X.]R StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 9, 11) ab, die von den Geschädigten individuell zu bearbeitende Rechnungen oder Überweisungen zum Gegenstand hatten. Diese Fälle unterscheiden sich von dem hier [X.] schon dadurch, dass die Entgeltforderung hier für den jeweiligen Grundstückseigentümer eine wirtschaftlich nicht sehr gewichtige und auch völlig unauffällige Erklärung darstellte. Bei dem einzelnen Empfänger konnte deshalb nur das von dem sachgedanklichen Mitbewusstsein umfasste [X.] entstanden sein, dass die Abrechnung jedenfalls nicht betrüge-risch sei. 15 cc) Dieses von ihm angenommene und im [X.]sentlichen normativ ge-prägte Vorstellungsbild der Empfänger hat das [X.] zudem erhärtet, indem es mehrere Zeugen einvernommen hat und in deren Aussagen dieses Ergebnis bestätigt fand. Angesichts dieses Befunds [X.] zumal mit Blick auf die abgeurteilte einheitliche Tat [X.] bedurfte es keiner weiteren Aufklärung durch die zusätzliche Vernehmung weiterer Zeugen. Dass das [X.] in den Urteilsgründen nur die Aussage von drei dieser Zeugen wiedergegeben hat, verstößt nicht gegen §§ 261, 267 Abs. 1 Satz 2 StPO. Das Tatgericht ist nicht gehalten, sämtliche Zeugenaussagen zu dokumentieren. 2. Die Revision des Angeklagten zeigt auch mit der Sachrüge keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. 16 a) Soweit die Revision die strafrechtliche Würdigung der Haupttat als Betrug in mittelbarer Täterschaft angreift, verweist der Senat auf seine Ent-scheidung, die er am 9. Juni 2009 im [X.] gegen den [X.] [X.] getroffen hat. Die Ausführungen der Verteidigung geben dem Senat keinen Anlass zu weiteren Ausführungen im Hinblick auf die [X.] oder zum Nichtvorliegen der speziel-len Strafvorschriften der §§ 352, 353 StGB. Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist bei dem Angeklagten auch die Kenntnis von der Haupttat belegt. Nach den Feststellungen des [X.]s wurde der Angeklagte nämlich durch den ihm direkt unterstell-ten [X.]darüber in Kenntnis gesetzt, dass [X.] den Fehler so —[X.] lassen wollefi. Im Übrigen führte der Angeklagte bei der entscheidenden Sitzung des Aufsichtsrats Protokoll, in der die unrichtig berechneten Tarife von [X.] vorgestellt und vom Aufsichtsrat schließlich gebilligt wurden. 18 19 b) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug hält im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand. Das [X.] hat bei dem [X.] zu Recht eine Garantenstellung bejaht. 20 aa) Allerdings ergibt sich diese nicht schon daraus, dass der Ange-klagte die Tarifkommission für die vorherige (nicht verfahrensgegenständli-che) Abrechnungsperiode geleitet hatte. Zwar unterlief dieser von ihm [X.] bereits der Fehler, dass die anliegerfreien Grundstücke in den Tarif einbezogen wurden. Eine Garantenstellung folgt hieraus jedoch nicht. In Betracht käme insoweit eine Garantenstellung aus der tatsächlichen Herbeiführung einer Gefahrenlage ([X.]). Ein (pflichtwidriges) [X.] begründet aber nur dann eine Garantenstellung, wenn es die nahelie-gende Gefahr des Eintritts des konkret untersuchten, tatbestandsmäßigen Erfolgs verursacht ([X.]R StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 14; [X.] NJW 1999, 69, 71, insoweit in [X.]St 44, 196 nicht abgedruckt; [X.] NStZ 2000, 583). Eine solche nahe Gefahr bestand hier nicht. Der Umstand, dass die vorherige [X.] fehlerbehaftet war, bedeutet nämlich nicht, dass 21 - 10 - sich dieser Fehler auch in die nächste [X.] hinein fortsetzt. Dies gilt jedenfalls, sofern nicht [X.] wofür hier nichts festgestellt ist [X.] eine gesteigerte Gefahr bestand, dass die zunächst unerkannt fehlerhafte Berechnungsgrund-lage ohne erneute sachliche Prüfung der neuen Festsetzung ohne weiteres zugrunde gelegt würde. Vielmehr wird in der nächsten [X.] der Tarif uneingeschränkt neu bestimmt. Schon die ausschließliche Verantwortlichkeit der neuen Tarifkommission steht deshalb der Annahme einer Garantenstel-lung aus [X.] entgegen (vgl. [X.], Strafrecht [X.] 2003 S. 773). Zwar mag eine gewisse, eher psychologisch vermittelte Gefahr bestehen, zur [X.] des einmal gemachten Fehlers diesen zu wiederholen. Ein solcher motivatorischer Zusammenhang reicht jedoch nicht für die Begründung einer Garantenstellung aus. Der neue Tarif wird auf der Grundlage der hierfür maßgeblichen Rahmendaten selbständig festgesetzt. Seine Festsetzung er-folgt ohne Bindung an den Berechnungsmaßstab der Vorperioden, dessen Fehlerhaftigkeit nicht einmal zwangsläufig hätte aufgedeckt werden müssen. Auch ohne Eingreifen des Angeklagten wäre der Fehler nicht automatisch in die folgende [X.] eingeflossen. Dies zeigt sich im Übrigen auch dar-in, dass die neue Tarifkommission bereits von sich aus diesen Fehler nicht wiederholen wollte, sondern hierzu erst durch die Einflussnahme des vorma-ligen Mitangeklagten [X.] veranlasst wurde. [X.]) Dagegen hat das [X.] zu Recht aus der Stellung des [X.] [X.]als Leiter der Rechtsabteilung und der [X.] eine Garantenstellung hergeleitet. 22 (1) Durch die Übernahme eines [X.] kann eine rechtliche Einstandspflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB begründet werden. Die [X.] einer Garantenstellung hieraus folgt aus der Überlegung, dass den-jenigen, dem Obhutspflichten für eine bestimmte Gefahrenquelle übertragen sind (vgl. [X.] aaO S. 712 ff.), dann auch eine —Sonderverantwortlichkeitfi für die Integrität des von ihm übernommenen Verantwortungsbereichs trifft (vgl. Freund in [X.] § 13 Rdn. 161). Es kann dahinstehen, ob 23 - 11 - der verbreiteten Unterscheidung von Schutz- und Überwachungspflichten in diesem Zusammenhang wesentliches Gewicht zukommen kann, weil die Überwachungspflicht gerade dem Schutz bestimmter Rechtsgüter dient und umgekehrt ein Schutz ohne entsprechende Überwachung des zu [X.] kaum denkbar erscheint (vgl. [X.]St 48, 77, 92). Maßgeblich ist die Bestimmung des Verantwortungsbereichs, den der Verpflichtete übernommen hat. Dabei kommt es nicht auf die Rechtsform der Übertragung an, sondern darauf, was unter Berücksichtigung des normativen Hinter-grunds Inhalt der Pflichtenbindung ist (vgl. [X.]St 43, 82). Die Rechtsprechung hat bislang in einer Reihe von Fällen Garanten-stellungen anerkannt, die aus der Übernahme von bestimmten Funktionen abgeleitet wurden. Dies betraf nicht nur hohe staatliche oder kommunale Repräsentanten, denen der Schutz von Leib und Leben der ihnen anvertrau-ten Bürger obliegt ([X.]St 38, 325; 48, 77, 91), sondern auch Polizeibeamte ([X.]St 38, 388), Beamte der Ordnungsbehörde ([X.] NJW 1987, 199) oder auch Bedienstete im Maßregelvollzug ([X.] NJW 1983, 462). Eine Garan-tenpflicht wird weiterhin dadurch begründet, dass der Betreffende eine ge-setzlich vorgesehene Funktion als Beauftragter übernimmt (vgl. [X.] NJW 1987, 2753, 2757; Böse NStZ 2003, 636), etwa als Beauftragter für Gewässerschutz (§§ 21a ff. [X.]), Immissionsschutz (§§ 53 ff. [X.]) oder Strahlenschutz (§§ 31 ff. [X.]). 24 Die Übernahme entsprechender Überwachungs- und Schutzpflichten kann aber auch durch einen Dienstvertrag erfolgen. Dabei reicht freilich der bloße Vertragsschluss nicht aus. Maßgebend für die Begründung einer Ga-rantenstellung ist vielmehr die tatsächliche Übernahme des [X.]. Allerdings begründet nicht jede Übertragung von Pflichten auch eine Garan-tenstellung im strafrechtlichen Sinne. Hinzutreten muss regelmäßig ein be-sonderes Vertrauensverhältnis, das den Übertragenden gerade dazu [X.], dem Verpflichteten besondere Schutzpflichten zu überantworten (vgl. [X.]St 46, 196, 202 f.; 39, 392, 399). Ein bloßer Austauschvertrag genügt 25 - 12 - hier ebenso wenig wie ein Arbeitsverhältnis ([X.]igend in [X.]. § 13 Rdn. 41). Im vorliegenden Fall kann nicht zweifelhaft sein, dass der Ange-klagte aufgrund des übernommenen Aufgabenbereichs eine Garantenstel-lung innehatte. Entgegen der Auffassung der Verteidigung und des [X.] beschränkte sich seine Einstandspflicht jedoch nicht nur dar-auf, Vermögensbeeinträchtigungen des eigenen Unternehmens zu unterbin-den, sondern sie kann auch die Verhinderung aus dem eigenen Unterneh-men kommender Straftaten gegen dessen Vertragspartner umfassen. (2) Der Inhalt und der Umfang der [X.] bestimmen sich aus dem konkreten Pflichtenkreis, den der Verantwortliche übernommen hat. [X.] ist auf die besonderen Verhältnisse des Unternehmens und den Zweck seiner Beauftragung abzustellen. Entscheidend kommt es auf die Zielrich-tung der Beauftragung an, ob sich die Pflichtenstellung des Beauftragten [X.] darin erschöpft, die unternehmensinternen Prozesse zu optimieren und gegen das Unternehmen gerichtete [X.] aufzudecken und zukünf-tig zu verhindern, oder ob der Beauftragte weitergehende Pflichten dergestalt hat, dass er auch vom Unternehmen ausgehende Rechtsverstöße zu bean-standen und zu unterbinden hat. Unter diesen Gesichtspunkten ist gegebe-nenfalls die Beschreibung des Dienstpostens zu bewerten. 26 Eine solche, neuerdings in Großunternehmen als —[X.] be-zeichnete Ausrichtung, wird im [X.] mittlerweile dadurch umge-setzt, dass so genannte —[X.] geschaffen werden (vgl. [X.]St 52, 323, 335; [X.], Corporate Compliance 2007 S. 2 ff.). Deren Aufgabengebiet ist die Verhinderung von Rechtsverstößen, insbesondere auch von Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden und diesem erhebliche Nachteile durch Haftungsrisiken oder Ansehensver-lust bringen können (vgl. [X.] in [X.] aaO S. 128 ff.). Derartige Be-auftragte wird regelmäßig strafrechtlich eine [X.] im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB treffen, solche im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten von [X.] zu [X.] - 13 - hindern. Dies ist die notwendige Kehrseite ihrer gegenüber der [X.] übernommenen Pflicht, Rechtsverstöße und insbesondere Straf-taten zu unterbinden (vgl. Kraft/[X.] CCZ 2009, 29, 32). Eine derart weitgehende Beauftragung ist bei dem Angeklagten nicht ersichtlich. Nach den Feststellungen war der Angeklagte als Jurist Leiter der Rechtsabteilung und zugleich Leiter der [X.]. Er war unmittelbar dem Vorstandsvorsitzenden unterstellt. Zwar gibt es zwischen dem Leiter der [X.] und dem so genannten —Compliance Officerfi regelmäßig er-hebliche Überschneidungen im Aufgabengebiet (vgl. [X.] aaO S. 139). Dennoch erscheint es zweifelhaft, dem Leiter der [X.] eines [X.] eine Garantenstellung auch insoweit zuzuweisen, als er im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB verpflichtet ist, Straftaten aus dem Unternehmen zu Lasten Dritter zu unterbinden. 28 29 Im vorliegenden Fall bestehen indes zwei Besonderheiten: Das hier tätige Unternehmen ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und die vom [X.] nicht unterbundene Tätigkeit bezog sich auf den hoheitlichen Be-reich des Unternehmens, nämlich die durch den Anschluss- und Benut-zungszwang geprägte Straßenreinigung, die gegenüber den Anliegern nach öffentlich-rechtlichen [X.] abzurechnen ist. Dies hat für die Eingrenzung der dem Angeklagten obliegenden Überwachungspflichten Be-deutung. Als Anstalt des öffentlichen Rechts war die [X.] den Anliegern ge-genüber zu gesetzmäßigen Gebührenberechnungen verpflichtet. Anders als ein privates Unternehmen, das lediglich innerhalb eines rechtlichen Rah-mens, den es zu beachten hat, maßgeblich zur Gewinnerzielung tätig wird, ist bei einer Anstalt des öffentlichen Rechts der Gesetzesvollzug das eigent-liche Kernstück ihrer Tätigkeit. Dies bedeutet auch, dass die Erfüllung dieser Aufgaben in gesetzmäßiger Form zentraler Bestandteil ihres —unternehmeri-schenfi Handelns ist. Damit entfällt im hoheitlichen Bereich die Trennung zwi-schen einerseits den Interessen des eigenen Unternehmens und anderer-seits den Interessen außenstehender Dritter. Dies wirkt sich auf die [X.] - gung der Überwachungspflicht aus, weil das, was zu überwachen ist, im [X.] und im hoheitlichen Bereich unterschiedlich ausgestaltet ist. Die Überwachungspflicht konzentriert sich auf die Einhaltung dessen, was Gegenstand der Tätigkeit des Dienstherrn ist, nämlich den gesetzmäßi-gen Vollzug der Straßenreinigung, der auch eine gesetzmäßige Abrechnung der angefallenen Kosten einschließt. Der konkrete Dienstposten des Ange-klagten umfasste die Aufgabe, die Straßenanlieger vor betrügerisch überhöh-ten Gebühren zu schützen, und begründete so auch eine entsprechende [X.]. Der Zuschnitt der vom Angeklagten zu übernehmenden [X.] ist dabei [X.] was das [X.] zutreffend ausgeführt hat [X.] vor dem [X.] seiner bisherigen Funktionen für die [X.] zu sehen. Dort galt er ins-besondere als Tarifrechtsexperte und als das —juristische Gewissenfi der [X.] ([X.], 10, 46). Die zusätzliche Übertragung der Leitung der [X.] ([X.], 22) war ersichtlich mit dieser Fähigkeit verbunden. Der dem [X.] unmittelbar unterstellte Angeklagte sollte gerade als Lei-ter der [X.] verpflichtet sein, von ihm erkannte Rechtsverstöße bei der [X.] zu beanstanden ([X.]), wobei die Beachtung der gesetzlichen Regelungen auch dem Schutz der Entgeltschuldner dienen soll-te ([X.]6). Auf dieser letztlich so ausreichenden Tatsachengrundlage durfte das [X.] den Schluss ziehen, dass es zum wesentlichen Inhalt des [X.] des Angeklagten gehören sollte [X.], StGB 56. Aufl. § 13 Rdn. 17), die Erhebung betrügerischer Reinigungsentgelte zu verhindern. 30 (3) Der Angeklagte war deshalb im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB ver-pflichtet, von ihm erkannte Fehler der Tarifberechnung zu beanstanden. Dies gilt unabhängig davon, ob sich diese zu Lasten seines Dienstherrn oder zu Lasten Dritter ausgewirkt haben. Sein pflichtwidriges Unterlassen führt dazu, dass ihm der Erfolg, den er hätte verhindern sollen, strafrechtlich zugerech-net wird (vgl. [X.] NJW 1987, 199). Insofern liegt [X.] wie das [X.] rechtsfehlerfrei ausgeführt hat [X.] Beihilfe gemäß § 27 Abs.1 StGB vor, weil 31 - 15 - der Angeklagte lediglich mit [X.] gehandelt und sich dem Haupt-täter [X.]
ersichtlich untergeordnet hat. Da der Angeklagte die betrüge-rische Handlung des Vorstands [X.]

ohne weiteres durch die Unterrich-tung des Vorstandsvorsitzenden oder des Aufsichtsratsvorsitzenden hätte unterbinden können und ihm dies auch zumutbar war, hat sich der [X.] durch Unterlassen strafbar gemacht. Da er alle Umstände kannte, ist hier auch die subjektive Tatseite zweifelsfrei gegeben (vgl. [X.]St 19, 295, 299). Dies hat das [X.] in den Urteilsgründen zutreffend dargelegt. c) Entgegen der Auffassung des [X.] kommt bei dem Angeklagten keine Untreue gemäß § 266 StGB zu Lasten der [X.] in Betracht. Zwar trifft den Angeklagten eine Vermögensbetreuungspflicht ge-genüber seinem Dienstherrn. Es fehlt jedoch an einem Nachteil im Sinne des § 266 StGB. Der [X.] ist durch die betrügerische Tarifbildung ein Vorteil ent-standen, weil so höhere Reinigungsentgelte vereinnahmt wurden, als ihr nach der gesetzlichen Regelung zustanden. 32 Der [X.] erwägt die Möglichkeit eines solchen Nach-teils in den Ersatzansprüchen und Prozesskosten nach Aufdeckung des [X.]. Ein solcher Schaden ist aber nicht unmittelbar ([X.]St 51, 29, 33; [X.] NStZ 1986, 455, 456; [X.] 266 Rdn. 55). Er setzt nämlich mit der Aufdeckung der Tat einen Zwischenschritt voraus. Der für die [X.] notwendige [X.] hat aber auf der [X.] des vom Täter verwirklichten [X.] zu erfolgen. 33 d) Die Strafzumessung hält gleichfalls im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Die Bedenken gegen die vom [X.] vorgenomme-ne Schadensbewertung, die im Verfahren gegen den Angeklagten [X.] zu einer Aufhebung des Strafausspruchs in dem Senatsbeschluss vom 9. Juni 2009 geführt haben, bestehen hinsichtlich des Angeklagten [X.]34 - 16 - nicht. Ausweislich der Urteilsgründe hat das [X.] bei diesem Ange-klagten der Schadenshöhe ein geringeres Gewicht beigemessen. Entgegen der Auffassung der Verteidigung hat das [X.] sich mit der Motivlage des Angeklagten auseinandergesetzt. Es hat nämlich fest-gestellt, dass er sich aus falsch verstandener Loyalität dem Vorstand

[X.] untergeordnet hat. 35 Ebenso wenig ist die für die rechtsstaatswidrige [X.] angesetzte Kompensation von 20 Tagessätzen zu beanstanden. Bei der vom [X.] rechtsfehlerfrei festgestellten Verfahrensverzögerung von zehn Monaten war dieser Abschlag ausreichend, jedenfalls nicht rechtsfeh-lerhaft. 36 37 Das [X.] war aus Rechtsgründen auch nicht gehalten, dem Angeklagten eine Strafrahmenverschiebung nach § 13 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zu gewähren. Die hierfür gegebene Begründung, dass er über Monate hinweg Gelegenheit gehabt hätte, den [X.], ist tragfähig. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte in der Aufsichtsratssitzung anwesend war und das Protokoll führ-te, in der die unzutreffend berechneten Tarife vorgestellt wurden. Die von der Revision vermisste Auseinandersetzung mit einer zusätz-lichen fakultativen Strafrahmenverschiebung nach § 17 Satz 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB war im vorliegenden Fall schon deshalb nicht erforderlich, weil sich der Angeklagte in keinem Verbotsirrtum befand. Es kommt nicht darauf an, dass der Angeklagte um die Strafbarkeit seines Verhaltens als Betrug wusste. Ein Verbotsirrtum ist bereits dann ausgeschlossen, wenn der Angeklagte die Rechtswidrigkeit seines Handelns (hier: seines Unterlassens) kennt ([X.]St 42, 123, 130; 52, 182, 190 f.; 52, 307, 313; [X.]R StGB § 11 Amtsträger 14). Dem Angeklagten war nach den Urteilsgründen nämlich klar, dass die Berechnung der Tarife unter Verstoß gegen das [X.] [X.] - 17 - reinigungsgesetz erfolgte und er schon aufgrund seines Dienstverhältnisses verpflichtet war, seinen unmittelbaren Dienstvorgesetzten, den [X.], zu unterrichten. Der vom [X.] festgesetzte Tagessatz in Höhe von 75 Euro ist rechtsfehlerfrei bestimmt (vgl. dazu eingehend Häger in [X.], 12. Aufl. § 40 Rdn. 54 ff.; ferner [X.] wistra 2008, 19). 39 [X.] Brause Schneider Dölp

Meta

5 StR 394/08

17.07.2009

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2009, Az. 5 StR 394/08 (REWIS RS 2009, 2427)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2427

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