Bundespatentgericht, Urteil vom 03.05.2011, Az. 4 Ni 55/09 (EU)

4. Senat | REWIS RS 2011, 7128

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "eigensicherer Signalgestalter für Coriolisdurchflussmesser und ein Verfahren zum Verarbeiten von Signalen für einen Coriolis-Strömungsmesser (europäisches Patent)" – zu Voraussetzungen einer offenkundigen Vorbenutzung – Übersendung eines Service-Handbuchs – Beweiskraft mangelbehafteter Urkunden


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 221 023

([X.] 35 789)

hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 2011 durch [X.], die Richterin Friehe sowie [X.]. [X.], Dipl.-Phys. [X.] und Dipl.-Ing. Veit

für Recht erkannt:

1. Das [X.] Patent 1 221 023 wird im Umfang der Patentansprüche 1 und 13 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] erteilten [X.] Patents 1 221 023 (Streitpatent). Die dem Streitpatent zugrundeliegende Erfindung betrifft einen eigensicheren Signalgestalter für [X.] und ein Verfahren zum Verarbeiten von Signalen für einen eigensicheren Signalgestalter für [X.]. Das Streitpatent wurde am 26. September 2000 unter Inanspruchnahme einer [X.] vom 15. Oktober 1999 angemeldet; seine Erteilung wurde am 1. August 2007 veröffentlicht. Es weist 20 Patentansprüche auf, von denen die Ansprüche 1 und 13 angegriffen sind. Diese lauten in der Verfahrenssprache Englisch:

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2

und in [X.] Übersetzung

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3

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Gegenstände der Ansprüche 1 und 13 des [X.] nicht patentfähig, insbesondere durch druckschriftlichen Stand der Technik sowie das vorbenutzte m-point-Messsystem der [X.] und [X.] neuheitsschädlich vorweggenommen, jedenfalls aber nahegelegt seien. Sie trägt hierzu vor, diese Messsysteme seien bereits in den 1990er Jahren vertrieben worden. Sie legt einen Untersuchungsbericht vom 23. April 2010 ([X.]) betreffend einen [X.] Z Messaufnehmer mit der [X.] XW 367473 vor, auf dessen [X.] sich das Datum „18.10.96“ befindet, und behauptet hierzu, dass diesen der hierzu als Zeuge benannte [X.] am 28. August 2009 von Mitarbeitern der [X.] erhalten habe.

4

Sie beruft sich unter anderem auf folgende Druckschriften:

5

NK 1: Prospekt [X.] flowtec m-point

6

NK 2: Endress + [X.] [X.]/Z procom [X.]/Z powerpack NA 6670/Z Durchflussmesstechnik Massedurchflussmesser Montage- und Betriebsanleitung

7

NK 3: Prospekt Honeywell

8

[X.]: Untersuchungsbericht eines m-point Massendurchflussmessers der [X.] + [X.] vom 23. April 2010

9

[X.]: [X.] flowtec  [X.]/Z [X.] [X.]/Z Durchfluss-Messtechnik Service-Handbuch D 06.90-30.5.1 mit handschriftlichen Zusätzen auf dem Deckblatt

Die Klägerin trägt weiter vor, es seien in [X.] und in den [X.] vor dem Prioritätsdatum des [X.] eine Vielzahl von m-point-[X.]n an nicht zur Geheimhaltung verpflichtete Dritte, nämlich an Kunden der Firmengruppe [X.] geliefert worden, jedenfalls auch an zum [X.] gehörende Firmen; dergleichen in den [X.] baugleiche [X.] mit der Bezeichnung [X.] durch die [X.] Fa. [X.] an nicht zur Geheimhaltung verpflichtete Kunden. Das Handbuch [X.], dessen Original in der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurde, nachdem eine vollständige Kopie desselben einfach und kopierte Auszüge mehrfach vorgelegt worden waren, stamme aus dem Besitz der [X.] in U… und sei dort in der „Eichwerkstatt“ der [X.] (nunmehr: [X.]) bereits 1991 eingetroffen. Es offenbare alle Merkmale von Patentanspruch 1 des [X.].

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent 1 221 023 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] im Umfang der Patentansprüche 1 und 13 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Gegenstand des [X.] patentfähig und durch die behauptete, aber nicht nachgewiesene offenkundige Vorbenutzung, nicht vorweggenommen sei. Lediglich einige Merkmale von Patentanspruch 1 könnten vorbekannt sein.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der [X.] und [X.]. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und begründet, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Gegenstand des [X.] gegenüber dem Stand der Technik am [X.] nicht mehr neu war (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a und Art. 54 EPÜ).

II.

[X.] betrifft in Patentanspruch 1 einen eigensicheren Signalgestalter für [X.] und in Patentanspruch 13 ein Verfahren zum Verarbeiten von Signalen für einen [X.].

1. In der Beschreibungseinleitung des [X.] ist ausgeführt, dass bei bekannten [X.] ein [X.] verwendet werden müsse, um die [X.] an einen benachbarten [X.] anzuschließen. Dieses [X.] sei teuer. Außerdem stelle es ein Problem dar, die [X.] in einer explosiven Umgebung mit flüchtigem entzündbarem Material zu verwenden. Dies erfordere entweder konstruktive Maßnahmen wie die Umgebung der [X.] mit einem explosionssicheren Gehäuse oder die Ausbildung einer intrinsisch sicheren Vorrichtung.

Als Aufgabe der Erfindung bezeichnet es die Beklagte, die Notwendigkeit der Verwendung eines [X.]s zu beseitigen und die Möglichkeit bereitzustellen, die [X.] in einer explosiven Umgebung sicher verwenden zu können.

Zur Lösung schlägt das Streitpatent eine [X.] für einen Coriolis-[X.] mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 und ein Verfahren zum Verarbeiten von Signalen für einen Coriolis-[X.] mit den Merkmalen des Patentanspruchs 13, vor.

2. Patentanspruch 1 enthält folgende Merkmale:

M1 [X.] (20) für einen Coriolis-[X.] (5), die geeignet ist, intrinsisch sicher zu sein, wobei die genannte [X.] (20) umfasst:

[X.] Betriebsschaltung (210);

[X.] einen Signalverstärker (201), in dem die genannte Betriebsschaltung konfiguriert ist;

M4 eine Stromversorgung, die geeignet ist, Strom an die genannte [X.] und den genannten Signalverstärker zu liefern;

dadurch gekennzeichnet, dass

[X.] die genannte [X.] weiterhin umfasst: ein Host-System (200),

[X.] das von dem genannten Signalverstärker entfernt ist, in dem die Betriebsschaltung konfiguriert ist;

[X.] in der der genannte Signalverstärker (201) Strom von der genannten Stromversorgung (230) des genannten entfernten [X.] (200) über eine erste Leitung (211) und eine zweite Leitung (212) empfängt;

M8 in der die genannte Betriebsschaltung (210) in dem genannten Signalverstärker (201) ein [X.] in Reaktion auf den genannten Strom, der von der genannten Stromversorgung empfangen wird, erzeugt und das genannte [X.] an einen Treiber (104) gibt, der an zumindest einem Kanal (103A-103B) des genannten [X.] befestigt ist;

[X.] [X.] (220) in dem genannten Signalverstärker (201), die Eingangssignale von einem ersten Aufnahmesensor (105) und einem zweiten Aufnahmesensor (105') empfängt, die an dem genannten zumindest einen Kanal (103A-103B) befestigt sind, und die in Reaktion darauf Informationen erzeugt, die Eigenschaften einer Materials anzeigen, das durch den genannten zumindest einen Kanal (103A-103B) strömt, wobei der genannte Signalverstärker Ausgangssignale an das genannte entfernte Host-System (200) übermittelt, die die genannten Materialinformationen enthalten;

[X.] Schutzschaltung auf der [X.] (320) in dem genannten Signalverstärker (201), die verhindert, dass ein Strom oberhalb eines intrinsischen Sicherheitsschwellwerts von der genannten Schaltung in dem genannten Signalverstärker (201) den genannten Leitungen zugeführt wird, die den genannten Signalverstärker (201) mit dem genannten entfernten Host-System (200) verbinden;

[X.] und [X.]-Schutzschaltung (330) in dem genannten Signalverstärker (201), die es verhindert, dass Strom oberhalb des genannten intrinsischen Sicherheitsschwellwerts von der genannten Schaltung in dem genannten Signalverstärker (201) Leitungen zugeführt wird, die den genannten Signalverstärker (201) mit dem genannten Treiber (104) und dem genannten ersten Aufnahmesensor (105) und dem genannten zweiten Aufnahmesensor (105') des genannten [X.] verbinden.

Patentanspruch 13 enthält folgende Merkmale:

N1 Ein Verfahren zum Verarbeiten von Signalen für einen Coriolis-[X.] (5), das geeignet ist, intrinsisch sicher zu sein, und das den Schritt umfasst:

N2 Erzeugen von Informationen, die Eigenschaften eines Materials anzeigen, das durch den genannten [X.] strömt, aus [X.]; dadurch gekennzeichnet, dass das genannte Verfahren die Schritte einschließt:

N3 Empfangen eines Stroms von einer Stromversorgung (230) in einem Signalverstärker (201) in einem entfernten Host-System (200), das von dem genannten Signalverstärker (201) entfernt ist, über eine erste Leitung (211) und eine zweite Leitung (212);

[X.] Verhindern, dass ein Strom oberhalb eines intrinsischen Sicherheitsschwellwerts von einer Schaltung des genannten Signalverstärkers (201) der ersten Leitung (211) und der zweiten Leitung (212) zugeführt wird;

N5 Erzeugen eines [X.]s aus dem genannten empfangenen Strom unter Verwendung einer Betriebsschaltung in dem genannten Signalverstärker (201);

N6 Eingeben des genannten [X.]s in einen Treiber (104), der an zumindest einem Kanal (103A-103B) des genannten [X.] befestigt ist;

[X.] Verhindern, dass Strom oberhalb des genannten intrinsischen Sicherheitsschwellwerts von der genannten Betriebsschaltung (210) Leitungen (341-342) zugeführt wird, die mit dem genannten Treiber 104) verbunden sind;

N8 Empfangen der genannten Eingangssignale durch eine [X.] (220) von einem ersten Aufnahmesensor (105) und einem zweiten Aufnahmesensor (105'), die an dem zumindest einen Kanal (103A-103B) des genannten [X.] befestigt sind;

[X.] Verhindern, dass Strom oberhalb des genannten intrinsischen Sicherheitsschwellwerts von der genannten [X.] (220) Leitungen zugeführt wird, die den genannten ersten Aufnahmesensor (105) und den genannten zweiten Aufnahmesensor (105') mit der genannten [X.] (220) verbinden;

[X.] Übermitteln von Ausgangssignalen, die die genannten Informationen enthalten, an das genannte entfernte Host-System (200);

N11 und Verhindern, dass Strom oberhalb des genannten intrinsischen Sicherheitsschwellwerts Leitungen (221) zugeführt wird, die die genannte [X.] (220) mit dem genannten entfernten Host-System (200) verbinden.

3. Diese Merkmale sind für den relevanten Fachmann sämtlich in der [X.] enthalten.

a) Der hier zuständige [X.] ist ein Dipl.-Ing. der Fachrichtung Elektrotechnik mit Erfahrungen in der Entwicklung von Strömungssensoren.

b) Die Entgegenhaltung [X.] ist ein [X.] für einen Durchfluss-Messaufnehmer [X.]/Z und einen Messumformer [X.] ZL 6070/Z der Firma E.+H.. Durch den Zusatz „/Z“ werden jeweils die eigensicheren Versionen gekennzeichnet (siehe [X.] [X.] in Standard-Version und Seite 27: [X.] in Ex-Version). Für den Fachmann ergeben sich daher aus den Schaltplänen die unterschiedlichen Ausgestaltungen der Elektronik in der Standard-Version und in der eigensicheren Version.

Aus der [X.] ist somit eine [X.] für einen Coriolis-[X.] bekannt (siehe Seite 29: [X.]), die geeignet ist, intrinsisch sicher zu sein (M1).

Die Elektronik umfasst eine Betriebsschaltung (siehe Schema Netzteil [X.] 10.4: Bereich [X.] und [X.]) und einen Signalverstärker (Messaufnehmer m-point, siehe Schema Verstärker/Rechner m-Point Ex 10.3 und Schema Netzteil [X.] 10.4), in dem die Betriebsschaltung konfiguriert ist ([X.] und [X.]), und eine Stromversorgung (siehe [X.] ZL 6070/Z, Seite 21: 4.5.3. Speisespannung für m-point), die geeignet ist, Strom an die [X.] und den Signalverstärker zu liefern (M4).

Die [X.] umfasst weiterhin ein Host-System (Messumformer [X.] ZL 6070/Z), das von dem Signalverstärker entfernt ist (siehe [X.]. auf Seite 3), in dem die Betriebsschaltung konfiguriert ist ([X.], [X.]), in der der Signalverstärker Strom von der Stromversorgung des entfernten [X.] (siehe Seite 21: Zweileiterplatine des [X.] mit Speisespannung für m-point) über eine erste Leitung und eine zweite Leitung (siehe Seite 3, [X.].: 2-Draht Leiter) empfängt ([X.]), in der die Betriebsschaltung in dem Signalverstärker ein [X.] in Reaktion auf den Strom, der von der Stromversorgung empfangen wird, erzeugt und das [X.] an einen Treiber (siehe Schema Netzteil [X.] 10.4 und 10.4.4: Erregersteuerung) gibt, der an einem Kanal (siehe Seite 36, [X.]. mit [X.]) des [X.] befestigt ist.

Die [X.] umfasst weiterhin eine [X.] (siehe Schema Verstärker/Rechner m-Point Ex 10.3: Messverstärker) in dem Signalverstärker, die Eingangssignale von einem ersten Aufnahmesensor und einem zweiten Aufnahmesensor (siehe Seite 36: 2 Sensorköpfe) empfängt, die an dem einen Kanal befestigt sind ([X.]), und die in Reaktion darauf Informationen erzeugt, die Eigenschaften eines Materials anzeigen, das durch den einen Kanal strömt, wobei der Signalverstärker (Messaufnehmer m-point) Ausgangssignale an das entfernte Host-System (Messumformer [X.]) übermittelt, die die Materialinformationen enthalten (M8).

Gemäß [X.] wird eine Schutzschaltung auf der [X.] in dem Signalverstärker (m-point) beansprucht, die verhindert, dass ein Strom oberhalb eines intrinsischen Sicherheitsschwellwerts von der Schaltung in dem Signalverstärker den Leitungen zugeführt wird, die den Signalverstärker mit dem entfernten Host-System verbinden. Gemäß der [X.] weist die eigensichere Version (siehe Schaltplan 10.4) gegenüber der Standard-Version (siehe [X.]) im Bereich „Netzteil Gegentakt Konverter“ ein Trafomodul mpoint-Ex auf, welches in den Schaltplänen 10.5 und 10.4.2 näher dargestellt ist. Der [X.] vom mpoint Messaufnehmer zum [X.] Messumformer (siehe [X.] P3 in 10.4.2 und Ausgang UP, [X.] des [X.] in 10.5) weist als Schutzschaltung einen Widerstand [X.], drei Dioden [X.], [X.], [X.], drei [X.] [X.]6, [X.]7, [X.]8 und einen Widerstand [X.] auf. Die Dioden verhindern den Rückfluss von Strom in Richtung Hostsystem, die [X.] begrenzen die Spannung, die an dem [X.] anliegen kann, die Widerstände begrenzen den Strom und stellen damit eine Schutzschaltung gemäß [X.] dar (mit 3-facher Redundanz).

Gemäß [X.] wird eine [X.]-Schutzschaltung in dem Signalverstärker (m-point) beansprucht, die es verhindert, dass Strom oberhalb des intrinsischen Sicherheitsschwellwerts von der Schaltung in dem Signalverstärker Leitungen zugeführt wird, die den Signalverstärker mit dem Treiber und dem ersten und zweiten Aufnahmesensor des [X.] verbinden. Gemäß der [X.] weist die eigensichere Version (siehe Schaltplan 10.4.4) gegenüber der Standard-Version (siehe [X.].4) bei der [X.] drei [X.] [X.], [X.] und [X.] und neuen Widerstände [X.]2, [X.], [X.], [X.], [X.]3, [X.]8, [X.]9, [X.] und [X.] auf. Durch die Begrenzung der Spannung mit den Dioden und des Stroms zum Treiber (siehe [X.], [X.]) durch die Widerstände wird eine Schutzschaltung vom m-point Messaufnehmer zum Treiber gemäß [X.] realisiert. Die Schutzschaltung zu den Sensoren (siehe [X.] und [X.] in 10.4.4) gemäß [X.] ist bei der eigensicheren Version (siehe Schaltplan 10.4.4) gegenüber der Standard-Version (siehe [X.].4) ebenfalls realisiert, nämlich durch die Dioden [X.], [X.], [X.] und die Widerstände [X.]0, [X.], [X.]6, [X.]1, [X.], [X.]7 und [X.], [X.], [X.]4, [X.], [X.], [X.]5, die den Strom zu den Sensoren begrenzen.

Somit sind alle Merkmale im Patentanspruch 1 aus der [X.] bekannt.

c) Der nebengeordnete Patentanspruch 13 weist die entsprechenden Verfahrensmerkmale zu den Vorrichtungsmerkmalen im Patentanspruch 1 auf. Gemäß dem Patentanspruch 1, [X.] und [X.] wurden jedoch Schutzschaltungen beansprucht, die im Signalverstärker angeordnet sind, um den Strom zu dem Host-System, dem Treiber und den [X.] zu begrenzen. Gemäß den Verfahrensschritten [X.], [X.], [X.] und [X.] wird aber beim Anspruch 13 lediglich beansprucht, dass der Strom zum Host, zu dem Treiber und zu den [X.] begrenzt wird, ohne den Ort einer diese Funktion erfüllenden Schaltung anzugeben. Der Verfahrensanspruch beansprucht demnach eine weiter gefasste Lehre als der Vorrichtungsanspruch, aber alle Verfahrensmerkmale sind ebenfalls aus der [X.] bekannt.

4. Die [X.] stellt auch relevanten Stand der Technik dar, denn sie ist im Jahr 1991 offenkundig geworden.

a) Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist der [X.] zunächst davon überzeugt, dass das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte [X.]/Z [X.] ZL 6070/Z Durchfluss-Messtechnik [X.] D 06.90-30.5.1 mit (unter anderem) der handschriftlichen Aufschrift „[X.] 1991“ im Jahr 1991 von der [X.] der [X.] zur Verfügung gestellt wurde.

Dies steht zur Überzeugung des [X.]s fest aufgrund der Aussage des [X.], der in den neunziger Jahren als [X.] in der [X.] tätig war und erklärt hat, das ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegte [X.] aufgrund der handschriftlichen Anmerkungen zu erkennen, die er selbst darauf geschrieben habe, und die folgende Bedeutung gehabt hätten: die Aufschrift „[X.]“ bezeichne die Werkstatt, in der er seinerzeit tätig gewesen sei, die Angabe „1991“ das Jahr, in dem das [X.] dorthin gelangt sei.

Der [X.] glaubt dem [X.]. Er hat insgesamt eine ruhige und sachliche Aussage gemacht und dabei auch offen angegeben, wenn er sich an bestimmte Umstände nicht mehr erinnern konnte (z. B. daran, wer konkret ihm das Handbuch übergeben hat). Er hat keine Veranlassung, falsche Angaben zu machen. Insbesondere hat er keine Beziehung zu den Parteien des Verfahrens; selbst aus dem Unternehmen, für das er seinerzeit tätig war, ist er vor etwa 10 Jahren altersbedingt ausgeschieden. Er behauptet nicht aus der Erinnerung von 1991, dass er das [X.] im Jahr 1991 erhalten habe, sondern bezieht sich darauf, dass er selbst die Handschrift, in der die Notizen „[X.] 1991“ verfasst sind, als seine Handschrift wiedererkennt und die Bedeutung der von ihm gefertigten Notizen kennt. Er kann auch zur Bedeutung der weiteren handschriftlichen Notizen auf dem [X.] konkrete Angaben machen, so unter anderem, dass die Nummer neben der handschriftlich aufgebrachten [X.] „[X.]“ seine Telefonnummer und Herr P… sein damaliger Vorgesetzter war.

b) Durch das Übersenden an die Fa. [X.] ist das [X.] [X.] auch offenkundig geworden. Nach ständiger Rechtsprechung wird eine Vorrichtung bereits dadurch offenkundig, dass eine vorbehaltlose Lieferung der Vorrichtung an einen Dritten erfolgt. Denn wenn keine Geheimhaltungspflicht vereinbart und eine Geheimhaltung auch sonst nicht zu erwarten ist, ist in der Regel davon auszugehen, dass mit der Lieferung die Kenntnis von der Erfindung der Öffentlichkeit preisgegeben und die jedenfalls nicht fern liegende Möglichkeit geschaffen worden ist, dass beliebige Dritte von ihr Kenntnis nehmen konnten ([X.], 747 ff. - Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem).

Vorliegend ist nicht die Lieferung der Vorrichtung zur Überzeugung des [X.]s nachgewiesen, sondern die Lieferung des [X.]s, das die Beschreibung sämtlicher Details der Vorrichtung enthält. Hierfür kann aber nichts anderes gelten als für die Lieferung der Vorrichtung selbst; im Gegenteil ist es für den Fachmann einfacher, die Details der Vorrichtung aus dem [X.] zu entnehmen, als wenn er die Vorrichtung selbst begutachten und die Merkmale aus dieser schließen muss.

Das Handbuch wurde mit der Übersendung an die [X.] einem Dritten über- lassen, denn auch wenn es sich bei ihr um einen großen Kunden handelte, ist sie im Verhältnis zu [X.] Dritte. Die Lieferung des [X.]s erfolgte auch ohne Bedingungen, insbesondere ohne eine Geheimhaltungsvereinbarung. Auch dies hat der Zeuge [X.] glaubhaft erklärt; im Übrigen wird eine Geheimhaltungsvereinbarung von der Beklagten ausdrücklich nicht behauptet. Das hat ihr anwaltlicher Vertreter in der mündlichen Verhandlung klargestellt.

Aufgrund der Aussage des [X.] steht weiter zur Überzeugung des [X.]s fest, dass bestimmungsgemäß die Mitarbeiter der [X.] wie auch die Mitarbeiter der Elektronikwerkstatt, darüber hinaus aber auch andere Mitarbeiter der [X.] bzw. [X.] und auch Besucher durchaus Zugang zu dem [X.] [X.] und damit Gelegenheit hatten, von den das Streitpatent vorwegnehmenden Details Kenntnis zu nehmen. Denn der Zeuge [X.] hat ausgesagt, dass er [X.] mehrerer Messgerätehersteller zur Verfügung hatte und diese offen zugänglich waren. Auch insoweit glaubt der [X.] dem [X.], der mit seiner diesbezüglichen Schilderung die allgemeine Praxis dargestellt hat, wie sie zu seiner Zeit in der Reparaturwerkstatt geübt wurde.

Es bestand auch durchaus Veranlassung, dass die Personen, die Zugang zu dem [X.] [X.] hatten, darunter Ingenieure der Elektronikwerkstatt, sich über Einzelheiten des in der [X.] beschriebenen, die Merkmale des [X.] vorwegnehmenden m-point-Durchflussmessers zu unterhalten, und zwar nicht nur untereinander, sondern auch mit anderen Fachleuten. Gerade der Umstand, dass diese Gestaltung Jahre später zu Gegenstand einer Patentanmeldung gemacht wurde, unterstreicht ihre Eignung, das Interesse insbesondere der in der Elektronikwerkstatt tätigen Ingenieure zu wecken. Damit bestand aber nicht nur die Möglichkeit, sondern auch eine konkrete Veranlassung, dass über die Eichwerkstatt und die Elektronikwerkstatt der Fa. [X.] hinaus die Kenntnis von den Merkmalen des [X.]/Z einer unbestimmten Anzahl weiterer Fachleute bekannt und damit offenkundig wurden.

c) Der [X.] ist aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Original des [X.]s vollständig 1991 in die Eichwerkstatt der Fa. [X.] gelangt ist, obgleich es nunmehr teilweise aufgetrennt ist und somit die theoretische Möglichkeit bestünde, dass Seiten entnommen, hinzugefügt oder ausgetauscht sein könnten. Soweit der anwaltliche Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung unter Berufung auf § 419 ZPO ausgeführt hat, die Beschädigung des [X.]s mache dieses als Beweismittel unbrauchbar, ist dies aus der angegebenen Vorschrift nicht herzuleiten. Vielmehr hat das Gericht nach freier Überzeugung zu entscheiden, welche Auswirkungen äußere Mängel auf die Beweiskraft haben.

Dafür, dass das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Original des [X.]s genau die Bestandteile enthält, die auch schon 1991, als es in der Eichwerkstatt der Fa. [X.] einging, enthalten waren, spricht zunächst, dass im Inhaltsverzeichnis genau die Seiten bzw. Zeichnungsnummern angegeben sind, die sich auch auf den Seiten bzw. Zeichnungen befinden.

Aufgrund der Vernehmung des Vertreters der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, Herrn Patentanwalt [X.] als Zeugen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dieser das noch zusammenhängende [X.] zur besseren Kopierbarkeit teilweise aufgetrennt hat. Seine diesbezüglichen Angaben sind glaubhaft, zumal diejenigen Teile nicht aufgetrennt sind, von denen der Zeuge, als er nur Auszüge zur Akte gereicht hat (vgl. seinen Schriftsatz vom 28. Juni 2010), keine Kopien vorgelegt hat. Die Angaben des [X.] sind glaubhaft, auch er hat in sehr sachlicher Weise ausgesagt und offen zum Ausdruck gebracht, wenn er sich an bestimmte Umstände nicht mehr erinnern konnte. Im [X.] seiner Aussage schildert er eigene Handlungen - nämlich, dass er im Bestreben, optimale Kopien zu erhalten, das [X.] aufgetrennt und die Kopien selbst gefertigt habe - die für einen Patentanwalt zwar eher ungewöhnlich sein mögen, aber gerade durch das offene Bekunden der Ungewöhnlichkeit dieser Vorgehensweise als glaubhaft erscheinen. Soweit seine Angaben zu einigen Punkten konkreter waren als die des [X.], ist zu berücksichtigen, dass seine Erinnerung nur ein Jahr zurückgehen musste, während die Angaben des [X.] zu Umständen erfolgten, die zwischen 10 und 20 Jahre zurückliegen.

Die Angaben des [X.] stehen auch nicht im Widerspruch zu denen des [X.]. Der Zeuge [X.] gibt an, dass er das Handbuch [X.] gelocht und auf einen Heftstreifen gelegt habe, weil solche Handbücher durch mehrere Hände gingen und deswegen durch den Gebrauch leicht zerfledderten - er hat also gerade nicht gesagt, dass er das Handbuch geheftet hat, weil es zerfleddert war. Der Zeuge [X.] bestätigt die Angaben des [X.], wenn er sagt, dass die [X.] schon vorhanden gewesen sei, als er das Handbuch erhielt. Soweit der Zeuge [X.] angegeben hat, das [X.] habe ihm damals komplett so vorgelegen wie am Sitzungstag im Gerichtssaal, schließt der [X.] daraus nicht, dass es sich im selben [X.] befunden hat wie heute. Denn selbst wenn der Zeuge [X.] es nicht teilweise auseinandergetrennt hätte, würde es sich kaum mehr in demselben Zustand befinden wie vor zwanzig oder auch nur vor zehn Jahren.

Der Zeuge [X.] hat das Handbuch auch nicht am Heftstreifen oder am Zustand erkannt, sondern einzig und allein an seiner Handschrift auf dem Deckblatt; er hat seine Angaben auch durch die weitere Angabe relativiert, es könne sein, dass er weiter angegeben hat, dass es sein könne, dass das vorliegende Exemplar beim Verlassen der [X.] am Buchrücken noch völlig verleimt gewesen sei; seinerzeit sei es aber üblich gewesen, solche Bücher durch Heftstreifen zusammenzuhalten. Der [X.] hat dies so verstanden, dass das Heften eine Vorsichtsmaßnahme war, um zu verhindern, dass Teile solcher [X.] verloren gingen.

5. Nach alledem gehörte das [X.] vor dem [X.] des [X.] zum Stand der Technik. Da es sämtliche Merkmale der Ansprüche 1 und 13 vorwegnimmt, waren diese wie beantragt für nichtig zu erklären.

[X.].

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 ZPO.

Meta

4 Ni 55/09 (EU)

03.05.2011

Bundespatentgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

§ 419 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 03.05.2011, Az. 4 Ni 55/09 (EU) (REWIS RS 2011, 7128)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7128


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X ZR 81/11

Bundesgerichtshof, X ZR 81/11, 15.01.2013.


Az. 4 Ni 55/09 (EU)

Bundespatentgericht, 4 Ni 55/09 (EU), 03.05.2011.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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