Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.05.2011, Az. IV ZR 17/10

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6297

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 17/10
vom

25. Mai
2011

in dem Rechtsstreit

nachträglicher Leitsatz

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

AVB Rechtsschutzversicherung (hier §
3 Abs.
1
c ARB 94/2000)

Eine Auseinandersetzung über Ausgleichsansprüche gemäß §
906 Abs.
2 Satz
2 BGB wegen bergbaubedingter Erschütterungen fällt nicht unter den Risikoausschluss für "[X.]" i.S. von §
3 Abs.
1
c ARB 94/2000.

[X.], Beschluss vom 25. Mai 2011 -
IV ZR 17/10 -
LG [X.]

AG Lebach

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsit-zende Richterin
Dr. [X.], die
Richter Wendt, [X.], [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller

am
25. Mai 2011

beschlossen:

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 14.
Zivilkammer
des [X.] in Saar-brücken
vom 22.
Dezember
2009 als unzulässig zu ver-werfen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung und sie im Übrigen durch Beschluss nach §
552a ZPO [X.].

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bin-nen

eines Monats.

Gründe:

[X.] Die Klägerin zu
1
unterhält bei der Beklagten eine [X.], in der ihr Ehemann, der Kläger zu
2, mitversichert ist und der die [X.] 2000 zugrunde liegen. Danach gewährt die Beklagte den Klägern Versicherungsschutz unter anderem für die Wahrnehmung 1
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rechtlicher Interessen aus dinglichen Rechten, die Grundstücke, [X.] oder Gebäudeteile zum Gegenstand haben. Weiter enthalten die Be-dingungen einen dem §
3 Abs.
1c ARB 94/2000 entsprechenden [X.], wonach kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit Berg-bauschäden an Grundstücken und Gebäuden besteht.

Die Kläger begehren von der Beklagten Deckungsschutz für eine beabsichtigte Klage gegen die

AG, mit der sie [X.] gemäß §
906 Abs.
2 Satz
2 BGB wegen bergbaubedingter Erschüt-terungen geltend machen wollen, die ihr Grundstück beeinträchtigen. Ferner verlangen sie Erstattung vorgerichtlich angefallener Anwaltskos-ten.

Die Beklagte hat sich auf den Risikoausschluss nach §
3 Abs.
1c [X.] 2000 berufen.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Hiergegen [X.] sich die Beklagte mit ihrer Revision, mit der sie weiterhin Klageab-weisung erstrebt.

I[X.] Die Revision ist unzulässig, soweit die als Nebenforderung gel-tend gemachten Anwaltskosten betroffen sind. Das Berufungsgericht hat bezüglich dieses abtrennbaren Teils des Streitgegenstandes die Beru-fung als unzulässig angesehen. Damit setzt sich die Revision nicht [X.], so dass es insoweit an der notwendigen Begründung gemäß §
551 Abs.
3 Nr.
2 ZPO fehlt
und die Revision gemäß §
552 ZPO zu verwerfen ist.
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II[X.] Im Übrigen sind die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Revision gemäß §
552a ZPO erfüllt.

1. Ein Zulassungsgrund ist nicht gegeben.

Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von §
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 ZPO zu. Dafür genügt es nicht, dass eine Ent-scheidung von der Auslegung einer Klausel in Allgemeinen Versiche-rungsbedingungen
abhängt. Erforderlich ist vielmehr, dass deren Ausle-gung über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder in den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist,
die tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsstreits nicht nur für die Vermögensinteressen der Parteien, sondern auch für die [X.] von besonderer Bedeutung sind (vgl. Senatsbeschluss vom 10.
Dezember 2003 -
IV ZR 319/02
-
r+s 2004, 166 unter [X.]) und die Rechtssache damit eine Rechtsfrage im konkreten Fall als entschei-dungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig aufwirft und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwick-lung und Handhabung des Rechts berührt ([X.], Beschluss vom 27.
März 2003 -
V [X.], [X.]Z 154, 288, 291).

Dass diese Voraussetzungen hinsichtlich der
allein im Streit [X.] Frage, ob die Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs gemäß §
906 Abs.
2 BGB für vom Bergbau ausgehende Erschütterungen unter die Ausschlussklausel des §
3 Abs.
1c ARB 94/2000 fällt, erfüllt sein könnten, ist nicht
ersichtlich.

2. Die Revision hat auch in der Sache keinen Erfolg. Das [X.] hat richtig entschieden.
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a) Die Geltendmachung eines Anspruchs aus §
906 Abs.
2 Satz
2 BGB ist eine Wahrnehmung dinglicher Rechte, da
dieser Anspruch Aus-fluss des Eigentums am Grundstück ist. Die Interessenwahrnehmung aus dinglichen Rechten umfasst Ansprüche aller Art, die aus dem dinglichen Recht entstehen können (Senatsurteil vom 5.
Februar 1992 -
IV ZR 94/91, für den Schadensersatzanspruch aus §
823 Abs.
1 BGB). [X.] wendet sich
die Revision nicht.

b) [X.] nach §
3 Abs.
1c [X.] 2000 greift nicht ein.

Die Auslegung des in ihr enthaltenen Begriffs der [X.] an Grundstücken und Gebäuden i.S. von §
3 Abs.
1c ARB 94/2000 rich-tet sich danach, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse die Klausel bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkenn-baren Sinnzusammenhangs
verstehen muss (vgl. Senatsurteil vom 23.
Juni 1993 -
IV ZR 135/92, [X.]Z 123, 83, 85).

aa) Ein solcher Versicherungsnehmer wird zunächst vom Wortlaut der Bedingung ausgehen, wobei für ihn ein Sprachgebrauch des tägli-chen Lebens, nicht etwa eine Terminologie, wie sie in bestimmten Fach-kreisen üblich ist (vgl. [X.] in [X.]/[X.], VVG 28.
Aufl. [X.]. III Rn.
9 m.w.N.),
maßgebend ist. Verbindet allerdings die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff, ist anzu-nehmen, dass darunter auch die Versicherungsbedingungen nichts [X.] verstehen wollen. Dies trifft indes nicht
für den auch in der [X.] verwendeten Begriff von "Schäden"
zu, der nicht eindeutig in den Bereich der Rechtssprache verweist, weil es dort keinen
in seinen 11
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Konturen
eindeutig festgelegten Schadenbegriff gibt
(vgl. Senatsurteil vom 11.
Dezember 2002 -
IV ZR
226/01,
[X.]Z 153, 182, 186 zum "Schadensersatz"). Die Reichweite der Klausel wird deshalb [X.] nicht durch den Begriff des Bergschadens im Sinne der Legaldefinition des §
114 BBergG bestimmt.

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] sind [X.] eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungs-nehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im [X.] hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (Senatsbeschluss vom 24.
Juni 2009 -
IV ZR 110/07, [X.], 1617 Rn.
10 m.w.N.).

Dies zugrunde gelegt,
wird der durchschnittliche Versicherungs-nehmer von "[X.]"
nur ausgehen, wenn sich diese in Form von unmittelbaren Sachschäden in bleibender Weise "an"
seinem Eigen-tum oder sonstigen dinglichen Recht manifestiert haben und mittelbare Beeinträchtigungen durch vom Bergbau ausgehende Emissionen nicht als von der Klausel erfasst ansehen.
Denn sowohl in der Rechtssprache als auch im allgemeinen Sprachgebrauch werden unmittelbare Schäden
an einem Recht oder Rechtsgut selbst und mittelbare Beeinträchtigungen (Vermögensfolgeschäden) unterschieden (Senatsurteil vom [X.] 2002, aaO [X.]). Somit legt schon der Wortlaut der Klausel es na-he, nur mit Substanzbeeinträchtigungen verbundene
Schäden unter den Begriff der "[X.]"
im Sinne der Ausschlussklausel zu fassen.

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cc) Zu einem anderen Ergebnis gelangt der durchschnittliche Ver-sicherungsnehmer auch dann nicht, wenn er den Sinn und Zweck der Klausel in den Blick nimmt.
Insoweit wird er erkennen, dass der [X.] jedenfalls für Kostenrisiken nicht einstehen will, die sich aus [X.] wegen Substanzschäden infolge von Bergbaumaß-nahmen ergeben, zum einen weil dieses Risiko nur schwer überschaubar ist, zum anderen weil eine nur kleine, regional begrenzte Anzahl von Versicherungsnehmern von diesem Risiko betroffen ist. Dass die weit überwiegende Zahl der niemals gefährdeten Versicherungsnehmer
mit ihren Beiträgen auch dieses Risiko deckt, ist nicht der Sinn der Risiko-gemeinschaft (Harbauer/[X.], Rechtsschutzversicherung 8.
Aufl. §
3 ARB 2000 Rn.
31; [X.], NJW-RR 2005, 397; vgl. ferner Senatsurteil vom 19.
Februar 2003 -
IV ZR 318/02, [X.], 454 zur so genannten Baurisikoklausel).

Dass dies aber
in gleicher Weise für Auseinandersetzungen über Ausgleichsansprüche wegen duldungspflichtiger Immissionen gelten soll, erschließt sich ihm nicht. Beeinträchtigungen durch Immissionen sind nicht allein bergbautypisch. Die Duldungspflicht, Einwirkungen wie die Zuführung unwägbarer Stoffe oder Erschütterungen nach §
906 Abs.
1 BGB hinnehmen zu müssen, trifft viele Grundstückseigentümer in der Nachbarschaft landwirtschaftlicher, gewerblicher oder industrieller [X.].
Von diesem Risiko ist keineswegs nur eine regional begrenzte Anzahl von Versicherungsnehmern betroffen. Es ist deshalb auch unter 17
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Berücksichtigung des Zwecks der Klausel für den durchschnittlichen Ver-sicherungsnehmer
nicht ersichtlich, dass das Risiko der [X.] über hieraus resultierende Ausgleichsansprüche vom Deckungs-schutz ausgenommen sein soll.

Dr. [X.] [X.][X.]

[X.] Dr. Brockmöller
Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme

erledigt worden.

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.12.2008 -
3A [X.]/08 -

LG [X.], Entscheidung vom 22.12.2009 -
14 [X.]/09 -

Meta

IV ZR 17/10

25.05.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.05.2011, Az. IV ZR 17/10 (REWIS RS 2011, 6297)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6297

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 17/10

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