Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.12.2021, Az. 1 C 60/20

1. Senat | REWIS RS 2021, 232

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Gegenstand

Ermessensfehlerhafte Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung


Leitsatz

Die Feststellung des Verlusts des Aufenthaltsrechts des drittstaatsangehörigen Ehegatten einer Unionsbürgerin aus Gründen der öffentlichen Ordnung erfordert eine Ermessensentscheidung, in der sich die Ausländerbehörde auch mit der substantiiert vorgetragenen Gefahr von Nachteilen im Herkunftsstaat unterhalb der Schwelle im Asylverfahren zu prüfender Nachteile (hier: erneute Bestrafung in seinem Herkunftsland) auseinandersetzt.

Tenor

Auf die Revision des [X.] werden die Urteile des [X.] vom 30. September 2020 und des [X.] vom 9. März 2020 geändert.

Die Verfügung der Beklagten vom 5. Juli 2018 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Instanzen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der Beklagten, dass er sein Freizügigkeitsrecht als Familienangehöriger von Unionsbürgern nach § 6 [X.]/[X.] verloren habe, sowie eine damit verbundene Abschiebungsandrohung.

2

Der 1966 geborene Kläger ist [X.] Staatsangehöriger. Er führte ab 1992 in [X.] erfolglos mehrere Asylverfahren durch. [X.] oder 2004 reiste er zuletzt erneut nach [X.] und stellte einen weiteren [X.], dessen Ablehnung durch Urteil des [X.] vom Oktober 2007 rechtskräftig bestätigt wurde. 2013 schloss der Kläger die Ehe mit seiner langjährigen Lebensgefährtin, einer [X.] Staatsangehörigen. Aus der Beziehung sind drei in den Jahren 2001, 2005 und 2013 geborene Kinder hervorgegangen.

3

Im Januar 2007 wurde der Kläger wegen gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Heroin) in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt. Im Januar 2014 wurde ihm eine für fünf Jahre gültige Aufenthaltskarte als Familienangehöriger von Unionsbürgern ausgestellt.

4

Im März 2016 kam der Kläger erneut in Untersuchungshaft. Mit Urteil vom Januar 2017 verurteilte ihn das [X.] wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und elf Monaten. Seine Strafhaft verbüßt der Kläger in der [X.], seit September 2019 im offenen Vollzug.

5

Im Oktober 2017 hörte das Migrationsamt der Beklagten den Kläger zu einer beabsichtigten Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts nach § 6 Abs. 1 [X.]/[X.] nebst Einziehung der Aufenthaltskarte, Ausreiseaufforderung, Abschiebungsandrohung und Anordnung der sofortigen Vollziehung an.

6

Mit Schreiben vom 5. Juli 2018 teilte der Senator für Inneres der Beklagten dem Kläger die Übernahme der Zuständigkeit als Ausländerbehörde in seiner Sache mit. Mit Verfügung vom selben Tage stellte er den Verlust des Rechts des [X.] auf Einreise und Aufenthalt im Sinne des [X.]/[X.] für die Dauer von vier Jahren fest (Ziff. 1), wies den Kläger auf seine Ausreisepflicht hin und drohte ihm ohne Fristsetzung unmittelbar aus der Haft die Abschiebung in die [X.] an (Ziff. 2). Für den Fall, dass zum Zeitpunkt der Haftentlassung eine Abschiebung nicht möglich sein sollte, drohte er dem Kläger die Abschiebung in die [X.] an, sofern er seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb eines Monats nach Entlassung nachkomme (Ziff. 3). Zur Begründung führte der Senator aus, die strafgerichtliche Verurteilung vom Januar 2017 und das im Urteil geschilderte Tatgeschehen ließen ein persönliches Verhalten erkennen, das die öffentliche Ordnung in erheblicher Weise gefährde. Das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln berge ein hohes Maß an Sozialschädlichkeit und sei im Bereich der [X.] zu verorten. Aufgrund verschiedener Gesichtspunkte sei die Annahme begründet, dass der Kläger nach [X.] auch zukünftig im [X.] durch einschlägige Straftaten auffallen werde. Die danach eröffnete Ermessensentscheidung falle zulasten des [X.] aus. Nur seine längerfristige Fernhaltung aus dem [X.] könne eine Gefährdung der hiesigen Sicherheit und Ordnung durch ihn verhindern. Zwar stellten seine Ehe und die familiäre Lebensgemeinschaft mit seinen Kindern gewichtige persönliche Belange dar. In der Abwägung überwiege jedoch das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung. Diese sei sowohl mit Art. 8 [X.] als auch mit Art. 3 Abs. 1 Europäisches Niederlassungsabkommen ([X.]) vereinbar. Es sei auch verhältnismäßig, die Dauer der [X.] auf vier Jahre zu befristen. Dauernde rechtliche Hinderungsgründe gemäß § 11 Abs. 2 [X.]/[X.] (a.F.) i.V.m. §§ 60 und 60a [X.] stünden der Abschiebung nicht entgegen. Dem Erlass der Abschiebungsandrohung stehe selbst das Vorliegen von [X.] und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gemäß § 11 Abs. 2 [X.]/[X.] (a.F.) i.V.m. § 59 Abs. 3 [X.] jedoch auch nicht entgegen.

7

Im Oktober 2018 wurde die Ehefrau des [X.] unter Beibehaltung ihrer [X.] Staatsangehörigkeit eingebürgert.

8

Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage machte der Kläger neben der Unzuständigkeit des [X.] unter anderem geltend, die mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot einhergehende Aufenthaltsbeendigung stelle eine unzulässige Doppelbestrafung dar. Ihm drohe gar eine "Dreifachbestrafung", weil bei Betäubungsmitteldelikten mit "[X.]bezug" eine erneute Strafverfolgung in der [X.] grundsätzlich in Betracht komme. Im Falle der Inhaftierung drohe ihm zudem mit Blick auf die Haftbedingungen in der [X.] eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 [X.].

9

Mit Urteil vom 9. März 2020 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte geltend gemacht, das Vorbringen zu einer ("Dreifach-")Bestrafung unter unmenschlichen Haftbedingungen in der [X.] könne allenfalls ein vom [X.] zu [X.] begründen. Ein solches stehe im vorliegenden Verfahren weder der Verlustfeststellung noch - mit Blick auf § 59 Abs. 3 [X.] - der Abschiebungsandrohung entgegen; zudem sei von einem solchen allein wegen einer etwaigen Doppelbestrafung auch nicht auszugehen.

Mit Urteil vom 30. September 2020 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts des [X.] für die Dauer von vier Jahren ab der Ausreise und die Androhung der Abschiebung in die [X.] seien formell und materiell rechtmäßig. Der [X.] sei nach § 1 Nr. 1, § 3 Abs. 4 [X.] für den Erlass des Bescheides sachlich zuständig. Diese Regelungen seien mit höherrangigem Recht vereinbar. Sie seien mit § 79 Abs. 3 BremPolG (in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Satz 2 [X.]) auf eine hinreichende gesetzliche Grundlage zurückzuführen. Der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig. Die Verlustfeststellung finde ihre Rechtsgrundlage in der - zumindest entsprechend anwendbaren - Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.]/[X.]. Die Umstände der Begehung der Straftaten, für die der Kläger in den Jahren 2007 und 2017 verurteilt worden sei, ließen ein persönliches Verhalten erkennen, das die Prognose rechtfertige, der Kläger werde mit hoher Wahrscheinlichkeit nach seiner Entlassung wieder mit Heroin handeln oder Heroin nach [X.] einführen. Diese aktuell fortbestehende Gefahr begründe eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Die erhöhten Anforderungen, die § 6 Abs. 4 und 5 Satz 1 und 3 [X.]/[X.] an eine Verlustfeststellung stellten, seien vorliegend nicht anwendbar, denn der Kläger habe kein Daueraufenthaltsrecht erworben. Die Beklagte habe ihr Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts sei auch mit Blick auf das nach Art. 8 [X.], Art. 7 GRC geschützte Familienleben nicht unverhältnismäßig. Ein Überwiegen des Bleibeinteresses ergebe sich auch nicht aus dem Vorbringen des [X.], ihm drohe in der [X.] eine erneute Verurteilung für die Lieferung von Heroin aus der [X.] nach [X.], für die er bereits vom [X.] verurteilt worden sei, sowie anschließend Haft unter unmenschlichen Bedingungen. Die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung könne im ausländerrechtlichen Verfahren vorliegend nicht geprüft werden. Der Kläger mache damit materiell Gründe für subsidiären Schutz geltend. Für dessen Prüfung ebenso wie für die Feststellung von [X.] wäre im Fall des [X.] allein das [X.] zuständig, weil der Kläger bereits in der Vergangenheit Asylanträge gestellt habe. Bis zu einer anderen Entscheidung des [X.]es sei die Beklagte an die im letzten Asylverfahren getroffene negative Feststellung gebunden, wonach zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse für die [X.] nicht bestünden. Die Feststellung eines solchen Abschiebungsverbots hätte im Übrigen lediglich zur Folge, dass der tatsächliche Aufenthalt des [X.] in [X.] nicht zwangsweise beendet werden dürfe, sie stehe aber der Verlustfeststellung - nach der neueren Rechtsprechung des [X.] zur Ausweisung - nicht entgegen. Allerdings sei in die Interessenabwägung bei einer Ausweisung oder Verlustfeststellung die drohende Beeinträchtigung von Belangen des Ausländers im Herkunftsstaat einzustellen, soweit sie unterhalb der Schwelle eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots liege. Bei Anwendung dieses Maßstabs - Unterstellung, dass die zielstaatsbezogenen Nachteile unterhalb der bezeichneten Schwelle verbleiben - stünde die Gefahr, dass der Kläger in der [X.] erneut bestraft und inhaftiert wird, der Verlustfeststellung nicht entgegen, auch wenn die Aufrechterhaltung der Kontakte zur Familie dadurch erschwert werde. Die Befristung der Dauer der Verlustfeststellung nach § 7 Abs. 2 Satz 5 [X.]/[X.] auf vier Jahre sei nicht zu beanstanden; Gleiches gelte für die Abschiebungsandrohung. Der Umstand, dass sich der Kläger mit seinem Vortrag, er befürchte in der [X.] unmenschliche Behandlung durch eine erneute Bestrafung und die dortigen Haftbedingungen, der Sache nach auf Gründe für die Gewährung subsidiären Schutzes berufe, führe nicht zur Entstehung einer Aufenthaltsgestattung und damit nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung. Zwar dürfte es sich insoweit um ein Asylgesuch im Sinne von § 13 Abs. 1 letzte Alt., Abs. 2 Satz 2 [X.] handeln. Eine Aufenthaltsgestattung würde jedoch erst entstehen, wenn das [X.] auf den nach § 71 Abs. 2 [X.] gestellten Folgeantrag gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] entscheiden würde, dass ein neues Asylverfahren durchgeführt wird. Das letzte bestandskräftig abgelehnte Asylverfahren des [X.] habe sich auch bereits auf die Gewährung subsidiären Schutzes bezogen.

Mit seiner Revision rügt der Kläger u.a., der Senator für Inneres habe als unzuständige Behörde entschieden, denn die Bestimmungen der [X.] genügten nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Parlamentsvorbehalts und des [X.] aus Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG; es fehle bereits an einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Art. 80 Abs. 1 GG sei auch deshalb verletzt, weil mit der Zuständigkeitsbegründung des [X.] als oberste Landesbehörde das Widerspruchsverfahren in diesen Fällen faktisch abgeschafft werde. In materieller Hinsicht sei § 6 Abs. 1 [X.]/[X.] verletzt. Der Kläger wiederholt insoweit sein Vorbringen zur Gefahr einer unzulässigen Doppel- oder Dreifachbestrafung in der [X.] und zu dort drohenden unmenschlichen Haftbedingungen, die Art. 3 [X.] verletzten. Zwar gehe die nationale Rechtsprechung bei Ausweisungen davon aus, dass zielstaatsbezogene Gefahren ausschließlich gegenüber dem [X.] in einem Asylverfahren nach § 13 [X.] geltend zu machen sind. Für eine [X.] Recht unterliegende Verlustfeststellung könne dies aber nicht gelten. Über das in Art. 28 Abs. 1 der Freizügigkeitsrichtlinie ([X.] 2004/38/[X.]) erwähnte Tatbestandsmerkmal "Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat" seien auch zielstaatsbezogene Gefahren jeglicher Art zu berücksichtigen. Es verletze daher § 6 [X.]/[X.] und europäisches Recht, wenn das Berufungsgericht lediglich Benachteiligungen unterhalb der Schwelle des Art. 3 [X.] berücksichtige.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Die Einwände gegen die Zuständigkeit des [X.] könnten der Revision schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil eine landesrechtliche Verordnung nicht Gegenstand der Revision sein könne. Das Vorbringen des [X.], ihm drohe in der [X.] aufgrund einer Doppelbestrafung und der Haftbedingungen unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i.S.d. Art. 3 [X.], sei allein vom [X.] im Asylverfahren zu prüfen. Wegen der in § 42 Satz 1 [X.] angeordneten Bindungswirkung sei der Kläger insoweit darauf zu verweisen, einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens beim [X.] zu stellen. Der Ausländer habe gerade kein Wahlrecht zwischen einer Prüfung eines derartigen Vorbringens durch die Ausländerbehörde und einer solchen durch das [X.].

Der Vertreter des [X.] beteiligt sich am Verfahren; er unterstützt die Rechtsauffassung des [X.] und der Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet. Die Rechtsauffassung des [X.], die angefochtene Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts sei ermessensfehlerfrei erfolgt, verletzt [X.]undesrecht. Die Verlustfeststellung ist vielmehr wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig, weil die [X.]eklagte das Vorbringen des [X.] zu einer ihm in der [X.] möglicherweise drohenden [X.] in ihren Ermessenserwägungen nicht zumindest nachträglich berücksichtigt hat.

Maßgeblich für die rechtliche [X.]eurteilung der Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach dem Freizügigkeitsgesetz/[X.] ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 16. Juli 2015 - 1 [X.] 22.14 - [X.] 402.261 § 4a [X.]/[X.] Nr. 4 Rn. 11). Insbesondere die Gefahrenbeurteilung hat damit Umstände mit in den [X.]lick zu nehmen, die erst nach Erlass der Verfügung eingetreten sind ([X.], Urteile vom 17. April 2018 - [X.]/16 und [X.]/16 [[X.]:[X.]:[X.]:2018:256], [X.] - juris Rn. 89 ff. und vom 29. April 2004 - [X.]/01, [X.]/01 [[X.]:[X.]:[X.]:2004:262], [X.] und [X.] - juris Rn. 82). Etwas anderes gilt für Tatbestandsmerkmale, die - wie die Voraussetzungen des gesteigerten Ausweisungsschutzes nach § 6 Abs. 4 und 5 [X.]/[X.] - nach dem materiellen Recht bereits bei Verfügung der Verlustfeststellung vorliegen müssen (vgl. [X.], Urteil vom 17. April 2018 - [X.]/16 und [X.]/16 - juris Rn. 84 ff.; [X.], Urteil vom 16. Dezember 2020 - 11 S 955/19 -). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind zu beachten, wenn das [X.]erufungsgericht - entschiede es anstelle des [X.] - sie zu berücksichtigen hätte ([X.], Urteil vom 13. Dezember 2012 - 1 [X.] 20.11 - [X.] 402.242 § 55 [X.] Nr. 15 Rn. 15). Der revisionsgerichtlichen [X.]eurteilung zugrunde zu legen ist daher das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/[X.] - [X.]/[X.]) vom 30. Juli 2004 ([X.] 1950 <1986>), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur aktuellen Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes/[X.] und weiterer Vorschriften an das Unionsrecht vom 12. November 2020 ([X.] 2416), das am 24. November 2020 in [X.] getreten ist.

1. Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage gegen die Verlustfeststellung ist zulässig. Insbesondere bedurfte es nicht der vorherigen Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, weil der angefochtene Verwaltungsakt vom Senator des Innern in seiner Eigenschaft als oberste Landesbehörde erlassen worden ist (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO) und das [X.]erufungsgericht zudem diesen ohne revisionsrechtlich beachtlichen Rechtsfehler als zuständig gesehen hat.

2. Die Klage ist auch begründet. Zwar ist die angefochtene Verfügung vom 5. Juli 2018 in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden (2.1). Vom Kläger geht auch eine Gefahr aus, die in materieller Hinsicht unter [X.]erücksichtigung der konkret einschlägigen Gefahrenschwelle eine Verlustfeststellung aus Gründen der öffentlichen Ordnung grundsätzlich rechtfertigen kann (2.2). Die Verlustfeststellung der [X.]eklagten leidet jedoch an einem Ermessensfehler, der zu ihrer Aufhebung führt (2.3). Damit können auch die Folgeentscheidungen keinen [X.]estand haben (2.4).

2.1. Die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 [X.]/[X.] aus Gründen der öffentlichen Ordnung (§ 6 Abs. 1 [X.]/[X.]) wurde von der zuständigen [X.]ehörde erlassen (2.1.1). Sie ist auch im Übrigen formell rechtmäßig (2.1.2).

2.1.1 Die Rechtsauffassung des [X.]erufungsgerichts, der Senator für Inneres sei nach § 1 Nr. 1, § 3 Abs. 4 der Verordnung über die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden nach dem [X.] vom 28. November 2017 ([X.].G[X.]l. [X.], im Folgenden: [X.]AufenthZVO) für den Erlass des angefochtenen [X.]escheides zuständig, verletzt kein revisibles Recht.

a) Nach den bundesgesetzlichen Vorgaben fällt die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt gemäß § 6 [X.]/[X.] in die Zuständigkeit der Ausländerbehörde. Dies folgt sowohl aus § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] als auch mittelbar aus § 7 Abs. 1 [X.]/[X.]. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen [X.]estimmungen in anderen Gesetzen die Ausländerbehörden zuständig. Ausländerrechtliche [X.]estimmungen in anderen Gesetzen sind nach der Rechtsprechung des Senats insbesondere auch die Regelungen des Freizügigkeitsgesetzes/[X.]. Dem steht nicht entgegen, dass das [X.] gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 [X.] grundsätzlich keine Anwendung findet auf Ausländer, deren Rechtsstellung von dem Freizügigkeitsgesetz/[X.] geregelt ist. Denn dies gilt nach dem letzten Halbsatz der Vorschrift nur, soweit nicht "durch Gesetz etwas anderes bestimmt" ist. Eine solche anderweitige [X.]estimmung enthält § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.], weil diese Regelung sich mit dem Zusatz "und nach ausländerrechtlichen [X.]estimmungen in anderen Gesetzen" auch für den Anwendungsbereich des Freizügigkeitsgesetzes/[X.] Geltung beimisst (vgl. [X.], Urteil vom 28. Juni 2011 - 1 [X.] 18.10 - [X.]E 140, 72 Rn. 9 ff.).

Welche [X.]ehörden Ausländerbehörden im Sinne des [X.]es (und des Freizügigkeitsgesetzes/[X.]) sind, hat der [X.]undesgesetzgeber nicht selbst bestimmt. Die [X.]estimmung, welche konkreten ([X.] als Ausländerbehörden anzusehen sind, fällt deshalb gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG in die Regelungskompetenz der Länder (vgl. näher [X.], [X.]eschluss vom 2. Dezember 2021 - 1 [X.] 38.21 - Rn. 6; [X.], in: GK-[X.], § 71 Rn. 6 ff.). In welcher Rechtsform sie diese [X.]estimmungen treffen, ist zuvörderst eine Frage des (nicht revisiblen) Landesrechts. Geschieht dies - wie in [X.]en - durch Rechtsverordnung, unterliegt es allerdings revisionsgerichtlicher Überprüfung, ob diese auf eine verfassungsgemäße gesetzliche Verordnungsermächtigung im [X.]undes- oder Landesrecht zurückzuführen ist, die Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt (zur [X.]indung auch der Landesgesetzgebung an den in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Grundsatz vgl. [X.], [X.]eschluss vom 5. Januar 2000 - 6 P 1.99 - [X.]E 110, 253 <255 f.>; [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 20. Oktober 1981 - 1 [X.]vR 640/80 - juris Rn. 62).

Daran gemessen begründet § 1 Nr. 1, § 3 Abs. 4 [X.]AufenthZVO in Einklang mit [X.]undesrecht für die streitgegenständliche Verlustfeststellung (und damit zusammenhängende Folgeentscheidungen) die Zuständigkeit des [X.] für Inneres. § 1 [X.]AufenthZVO legt die Ausländerbehörden im Sinne des § 71 Abs. 1 [X.] für den - aus den Stadtgemeinden [X.]en und [X.]erhaven bestehenden - Stadtstaat [X.]en und deren örtlichen Wirkungsbereich fest: Ausländerbehörden sind danach 1. für die Freie Hansestadt [X.]en der Senator für Inneres nach Maßgabe des § 3, 2. für die Stadtgemeinde [X.]en das Migrationsamt und 3. für die Stadtgemeinde [X.]erhaven der Magistrat der Stadt [X.]erhaven. Die - gegenständlich beschränkte - Zuständigkeit des [X.] für Inneres erstreckt sich nach § 3 Abs. 4 [X.]AufenthZVO unter anderem auf "Feststellungen des Verlusts des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/[X.] sowie weitere ausländerrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen (...), die im Zusammenhang mit der [X.]eendigung des Aufenthalts stehen oder der Sicherung der Ausreise dienen".

Diese Zuständigkeitsbestimmung beruht auf einer hinreichend bestimmten Verordnungsermächtigung im [X.]ischen Polizeigesetz ([X.]PolG); es kann deshalb auf sich beruhen, ob vorliegend auch die ([X.] in § 71 Abs. 1 Satz 2 [X.] einschlägig ist. Nach § 79 Abs. 3 [X.]PolG a.F. und dem wortgleichen § 141 Abs. 3 [X.]PolG in der am 8. Dezember 2020 in [X.] getretenen aktuellen Fassung des [X.] ([X.].G[X.]l. S. 1486, 1568) kann der Senat durch Rechtsverordnung den Polizeibehörden Aufgaben übertragen, die sich aus [X.]undesgesetzen ergeben, welche die Länder als eigene Angelegenheiten oder im Auftrage des [X.]undes auszuführen haben. In dieser Regelung hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage (auch) für die in § 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 4 [X.]AufenthZVO getroffene Zuständigkeitszuweisung an den Senator für Inneres gesehen. Die dem Senator für Inneres damit zugewiesene gegenständlich beschränkte Zuständigkeit kann der Gefahrenabwehr zugeordnet werden; das gilt jedenfalls für die hier ergangene Verlustfeststellung aus Gründen der öffentlichen Ordnung gemäß § 6 [X.]/[X.]. [X.]ei dem Senator für Inneres handelt es sich auch um eine Polizeibehörde im Sinne des [X.]ischen Polizeigesetzes.

Weitergehende [X.]estimmtheitsanforderungen sind an die Verordnungsermächtigung - auch unter dem Gesichtspunkt des Parlamentsvorbehalts - hier nicht zu stellen, weil es sich lediglich um eine Übertragung von Zuständigkeiten handelt, die als solche keine spezielle Grundrechtsrelevanz aufweist. Die weitergehende Interpretation des [X.], der den die Zuständigkeit des [X.] begründenden Normen offenbar (auch) eine materielle Eingriffsbefugnis entnimmt, ist [X.]. Von einem solchen Verständnis, dem wegen der in materieller Hinsicht abschließenden Regelungen des Freizügigkeitsgesetzes/[X.] und des [X.]es [X.]undesrecht entgegenstünde, sind ersichtlich auch weder das Oberverwaltungsgericht noch die [X.]eklagte ausgegangen.

b) Die die Zuständigkeit des [X.] für Inneres begründenden Normen des Landesrechts verstoßen nicht deshalb gegen [X.]undesrecht, weil sie nach der für den Senat bindenden Auslegung des Landesrechts durch das [X.]erufungsgericht eine zusätzliche Zuständigkeit des [X.] begründen, die zu derjenigen der kommunalen Ausländerbehörde im Sinne einer Doppelzuständigkeit hinzutritt. Das [X.]erufungsgericht hat ausführlich dargelegt, dass hiergegen nach der konkreten Handhabung, die sowohl negative Kompetenzkonflikte als auch widersprüchliche Entscheidungen vermeidet, keine rechtsstaatlichen [X.]edenken bestehen ([X.] ff.; vgl. auch [X.], Urteil vom 5. Mai 1998 - 1 [X.] 17.97 - [X.]E 106, 351 <355>).

c) Die Zuweisung der Zuständigkeit an den Senator für Inneres als oberste Landesbehörde ist auch nicht deshalb mit [X.]undesrecht unvereinbar, weil gegen dessen Entscheidungen gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO kein Vorverfahren stattfindet. § 84 Abs. 2 [X.] ist dadurch nicht verletzt, selbst wenn diese Vorschrift auf Verlustfeststellungen nach dem Freizügigkeitsgesetz/[X.] Anwendung finden sollte. Denn § 84 Abs. 2 [X.] regelt lediglich die Wirkung von Widerspruch und Klage im Falle von Ausweisungen und sonstigen Verwaltungsakten, die die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beenden. Damit ist keine Aussage darüber verbunden, dass gegen Ausweisungen in jedem Fall ein Widerspruch statthaft sein soll ([X.], [X.]eschluss vom 2. Dezember 2021 - 1 [X.] 38.21 - Rn. 8). Das Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), das allein einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz verlangt, ist ebenfalls nicht tangiert.

Eine zusätzliche Nachprüfung in einem behördlichen Verfahren ist auch nicht von Unionsrechts wegen vorgeschrieben. Art. 31 der Richtlinie 2004/38/[X.] und des Rates vom 29. April 2004 ([X.], im Folgenden [X.] 2004/38/[X.]) bestimmt, dass die [X.]etroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit einen "Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer [X.]ehörde" des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können müssen. Wie die Formulierung "gegebenenfalls" zeigt, ist es den Mitgliedstaaten freigestellt, ob sie zusätzlich zu dem verpflichtend vorgegebenen gerichtlichen Rechtsbehelf auch noch einen vorgeschalteten behördlichen Rechtsbehelf vorsehen. Ein "Vier-Augen-Prinzip" ist damit anders als noch nach der Vorgängerregelung nicht mehr verbindlich vorgeschrieben (vgl. etwa Dienelt, in[X.]/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 6 [X.]/[X.] Rn. 104 ff.).

d) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge des [X.], der Senator für Inneres habe sein ihm durch § 3 Abs. 4 [X.]AufenthZVO hinsichtlich der Inanspruchnahme der Zuständigkeit eingeräumtes "[X.]" nicht ausgeübt. Das [X.]erufungsgericht hat die Norm dahin ausgelegt, dass die Formulierung "kann" in § 3 Abs. 4 [X.]AufenthZVO lediglich eine Entscheidungskompetenz einräume, da sie in einer Zuständigkeitsverordnung stehe und keine materiellen [X.]efugnisse verleihe. An diese Auslegung irrevisiblen Rechts ist der Senat gebunden; unabhängig davon ist diese ohne Weiteres nachvollziehbar.

2.1.2 Der [X.]escheid ist auch im Übrigen formell rechtmäßig. Die nach § 6 Abs. 8 Satz 1 [X.]/[X.] regelmäßig erforderliche Anhörung des [X.]etroffenen, hier des [X.], ist mit Schreiben des [X.] der Stadtgemeinde [X.]en vom 6. Oktober 2017 erfolgt. Da der Senator für Inneres das - durch dieses Anhörungsschreiben in Gang gesetzte - Verlustfeststellungsverfahren mit der Anzeige seiner Übernahme in dem Stadium übernommen hat, in dem es sich befand, brauchte er den Kläger nicht erneut selbst anzuhören. Der - vom Kläger vermissten - Anhörung seiner Ehefrau bedurfte es nach den zutreffenden Ausführungen des [X.]erufungsgerichts nicht.

2.2 Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Verlustfeststellung liegen vor, namentlich geht vom Kläger eine Gefahr aus, die in materieller Hinsicht unter [X.]erücksichtigung der konkret einschlägigen Gefahrenschwelle eine Verlustfeststellung aus Gründen der öffentlichen Ordnung grundsätzlich rechtfertigt.

Rechtsgrundlage für die Verlustfeststellung ist § 6 i.V.m. § 12a [X.]/[X.]. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]/[X.] kann der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 unbeschadet des § 2 Abs. 7 und des § 5 Abs. 4 [X.]/[X.] nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Art. 45 Abs. 3, Art. 52 Abs. 1 A[X.]V) festgestellt und die [X.]escheinigung über das Daueraufenthaltsrecht oder die Aufenthaltskarte oder [X.] eingezogen werden. Diese Regelung findet auf den Kläger mit [X.]lick auf seine Kinder möglicherweise schon unmittelbar, jedenfalls aber entsprechende Anwendung, wie § 12a [X.]/[X.] in der Fassung des Gesetzes zur aktuellen Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes/[X.] und weiterer Vorschriften an das Unionsrechts vom 12. November 2020 ([X.] 2416) nunmehr ausdrücklich bestimmt. Denn er ist Ehegatte und damit Familienangehöriger einer [X.], die von ihrem Recht auf Freizügigkeit nach Art. 21 A[X.]V nachhaltig Gebrauch gemacht hat (zur entsprechenden Anwendung der Richtlinie 2004/38/[X.] auf diese Fallkonstellation siehe bereits [X.], Urteil vom 14. November 2017 - [X.]-165/16 [[X.]:[X.]:[X.]:2017:862], [X.] - Rn. 61).

2.2.1 Die im Freizügigkeitsgesetz/[X.] selbst normierten Tatbestandsvoraussetzungen für eine Verlustfeststellung ergeben sich im Streitfall aus § 6 Abs. 1 und 2 [X.]/[X.] (a); denn ein gesteigerter Ausweisungsschutz nach § 6 Abs. 4 oder 5 [X.]/[X.] kommt dem Kläger nicht zu (b). Ob ergänzend auch die erhöhten Voraussetzungen, die § 53 Abs. 4 [X.] an die Ausweisung von Asylantragstellern stellt, auf den Kläger Anwendung finden, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung (c).

a) Gründe der öffentlichen Ordnung, die nach § 6 Abs. 1 [X.]/[X.] eine Verlustfeststellung rechtfertigen, erfordern eine gegenwärtige, tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (§ 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 [X.]/[X.]). Die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung genügt damit für sich allein nicht, um eine Verlustfeststellung zu begründen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 [X.]/[X.]). Es dürfen nur im [X.]undeszentralregister noch nicht getilgte strafrechtliche Verurteilungen und diese nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt.

b) Auf die in § 6 Abs. 4 oder 5 [X.]/[X.] normierten gesteigerten Anforderungen an die vom [X.] ausgehende Gefahr kann sich der Kläger nicht berufen, weil er die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt. Nach § 6 Abs. 4 [X.]/[X.] darf eine Verlustfeststellung nach Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts nur aus schwerwiegenden Gründen getroffen werden. Hat der [X.]etroffene seinen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im [X.]undesgebiet gehabt, erfordert eine Verlustfeststellung zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit (§ 6 Abs. 5 [X.]/[X.]). Diese Schutzstufe baut auf der vorangegangenen auf und setzt deshalb ebenfalls den Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts voraus (vgl. [X.], Urteil vom 17. April 2018 - [X.]/16 und [X.]/16 - juris Rn. 60 f.). Danach genießt der Kläger einen gesteigerten Ausweisungsschutz weder nach § 6 Abs. 4 noch nach § 6 Abs. 5 [X.]/[X.], weil er - wie das [X.]erufungsgericht rechtsfehlerfrei entschieden hat - im [X.]undesgebiet kein Daueraufenthaltsrecht erworben hat. Der drittstaatsangehörige Familienangehörige einer Unionsbürgerin erwirbt nach § 4a Abs. 1 Satz 1 [X.]/[X.], Art. 16 Abs. 2 [X.] 2004/38/[X.] ein Daueraufenthaltsrecht, wenn er sich seit fünf Jahren mit dem Unionsbürger ständig rechtmäßig im [X.]undesgebiet aufgehalten hat. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) dürfen Zeiträume der Verbüßung einer Freiheitsstrafe für die Zwecke des Erwerbs eines Daueraufenthaltsrechts nicht berücksichtigt werden. Diese unterbrechen zudem die erforderliche Kontinuität des - mindestens fünfjährigen - Aufenthalts (vgl. [X.], Urteil vom 16. Januar 2014 - [X.]-378/12 [[X.]:[X.]:[X.]:2014:13], [X.] - juris Rn. 17 ff., 28 ff.). Diesen Zeiträumen hat das [X.]erufungsgericht folgerichtig Zeiträume einer Untersuchungshaft gleichgestellt, sofern diese anschließend in eine Strafhaft mündet, weil der [X.]etroffene zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde. In Anwendung dieser Maßstäbe und auf der Grundlage der vom [X.]erufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, hat sich der Kläger weder im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des [X.]erufungsgerichts noch gar bereits bei Erlass der angefochtenen Verfügung fünf Jahre lang ununterbrochen "mit" seiner Ehefrau (und den gemeinsamen Kindern) rechtmäßig in [X.] aufgehalten.

c) Der Senat kann im Ergebnis offenlassen, ob die erhöhten Anforderungen, die § 53 Abs. 4 [X.] an die Ausweisung von Asylantragstellern stellt, auf den Kläger Anwendung finden. Nach dieser Vorschrift kann ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, nur unter der [X.]edingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder (gemeint offensichtlich: und) ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes abgeschlossen wird. Liegt - wie angesichts des zwischenzeitlich innegehabten Aufenthaltsrechts hier - keine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung (mehr) vor (Nr. 2), darf von der [X.]edingung nur abgesehen werden, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3 eine Ausweisung rechtfertigt (Nr. 1).

aa) Es spricht viel dafür, dass dieser besondere Ausweisungsschutz für Asylbewerber nach der [X.] des § 11 Abs. 14 [X.]/[X.] auch auf freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen anwendbar ist. Zwar schließt § 11 Abs. 1 [X.]/[X.] die Anwendung der allgemeinen Vorschriften des [X.]es für diesen Personenkreis grundsätzlich aus; zu den Normen, die auf diesen gleichwohl Anwendung finden, zählt § 53 [X.] nicht. Soweit § 53 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 [X.] für eine (bedingungslose) Ausweisung eine Gefahrenschwelle festlegt, die höher liegt als diejenige, die für eine Verlustfeststellung bei freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen von Unionsbürgern ohne Daueraufenthaltsrecht sonst gilt (dazu näher unten), handelt es sich bei dem so bewirkten besonderen Ausweisungsschutz aber um eine Vorschrift, die eine günstigere Rechtsstellung vermittelt als das Freizügigkeitsgesetz/[X.]. Dem steht nicht entgegen, dass bei der im Rahmen der [X.] vorzunehmenden vergleichenden [X.]etrachtung auf die jeweilige Rechtsstellung im Ganzen abzustellen ist und nicht einzelne Merkmale isoliert betrachtet werden dürfen. Denn bei Nichterfüllung der qualifizierten Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 [X.] wäre auch eine sich insgesamt nach den §§ 53 ff. [X.] richtende Ausweisung nicht zulässig, sofern der [X.]etroffene einen Asylantrag gestellt hat.

bb) Ob der Kläger im Sinne von § 53 Abs. 4 [X.] einen "Asylantrag gestellt" hat und der besondere Ausweisungsschutz somit eingreift, lässt der Senat offen. Ein Asylgesuch und damit einen Asylantrag im materiellen Sinne (vgl. § 13 Abs. 1 [X.]) hat der Kläger jedenfalls geäußert, wovon auch das [X.]erufungsgericht ausgegangen ist. Denn er hat sich mit seiner Klage hinreichend substantiiert auf die Gefahr der Einleitung eines erneuten Strafverfahrens nebst Inhaftierung in der [X.] und eine in der Haft zu befürchtende unmenschliche oder erniedrigende [X.]ehandlung im Sinne von Art. 3 [X.] berufen. Damit hat er sinngemäß Schutz vor Abschiebung in einen Staat begehrt, in dem ihm nach seinem Vorbringen ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 [X.] droht (§ 13 Abs. 1 [X.]); ein solches materielles Asylgesuch kann auch gegenüber der Ausländerbehörde geäußert werden. Einen förmlichen Asylantrag, bei dem es sich angesichts der vorangegangenen Asylverfahren um einen Folgeantrag handelt, hat er hingegen nach den dafür zwingend zu beachtenden Vorgaben des § 71 Abs. 2 [X.] bisher nicht gestellt. Eine Asylantragstellung im Sinne des § 53 Abs. 4 [X.] läge daher nur vor, wenn dafür - grundsätzlich und auch bei einem Asylfolgebegehren - bereits das materielle Asylgesuch im Sinne des § 13 [X.] genügte und bei einem Asylfolgebegehren damit (erst recht) auch nicht weitergehend zu verlangen wäre, dass das [X.]undesamt bereits positiv entschieden hat, dass ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist. Diese im Einzelnen umstrittenen Fragen sind vorliegend nicht entscheidungserheblich, weil § 53 Abs. 4 [X.] der Verlustfeststellung selbst dann nicht entgegensteht, wenn der Kläger als Asylantragsteller im Sinne dieser Vorschrift zu behandeln sein sollte, weil er die Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 [X.] für eine bedingungslose Ausweisung bzw. Verlustfeststellung von Asylbewerbern erfüllt (dazu im Einzelnen unter 2.2.2 b). Eine solche Verlustfeststellung setzt voraus, dass "ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3 eine Ausweisung rechtfertigt." Dies ist hier im Ergebnis der Fall.

Dabei kann die umstrittene Frage offenbleiben, auf welchen Maßstab diese - nur scheinbar klare - Vorschrift verweist. Nach einer verbreiteten Auffassung handelt es sich bei dem Verweis auf Absatz 3 um ein Redaktionsversehen: Der Gesetzgeber habe den Anpassungsbedarf offenkundig übersehen, der sich durch das [X.] zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15. August 2019 ([X.] 1294) aus der Einfügung der neuen Regelungen ergeben habe, die in Absatz 3a für die - zuvor in Absatz 3 mitbehandelten - anerkannten Asylberechtigten und Flüchtlinge und für die subsidiär Schutzberechtigten (erstmals) in Absatz 3b nunmehr jeweils besondere [X.] bestimmen. Für den Regelfall eines unbeschränkten Asylantrags wird daher angenommen, dass § 53 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 [X.] in der Sache weiterhin auf die - nunmehr in Abs. 3a geregelten - Voraussetzungen für die Ausweisung eines anerkannten Asylberechtigten oder Flüchtlings verweist, weil nicht erkennbar sei, dass der Gesetzgeber die herkömmliche ausweisungsrechtliche Gleichbehandlung von Asylbewerbern mit anerkannten Asylberechtigten und Flüchtlingen habe aufheben wollen (so etwa [X.], Urteil vom 15. April 2021 - 12 S 2505/20 - juris Rn. 105 ff. [nicht rechtskräftig]; [X.], in[X.]/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 53 Rn. 103; anders [X.], Ausländerrecht, Stand Oktober 2021, § 53 [X.] Rn. 248 f.). Doch selbst wenn es sich bei dem Verweis auf Absatz 3 um ein solches Redaktionsversehen handelte, wäre die einschlägige Gefahrenschwelle im vorliegenden Fall jedenfalls nicht § 53 Abs. 3a [X.], sondern § 53 Abs. 3b [X.] zu entnehmen, dessen Voraussetzungen hier erfüllt sind (s.u.). Der Kläger macht mit seinem Asylgesuch offensichtlich und eindeutig keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung geltend, sondern beruft sich lediglich auf Gründe, die subsidiären Schutz zu begründen geeignet sind. In einem solchen Fall gibt es jedenfalls keinen Grund, ihn wie einen anerkannten Flüchtling zu behandeln, weil eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft danach nicht in [X.]etracht kommt.

Nach § 53 Abs. 3b [X.] darf ein Ausländer, der die Rechtsstellung eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Abs. 1 [X.] genießt, nur ausgewiesen werden, wenn er eine schwere Straftat begangen hat oder er eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der [X.]undesrepublik [X.] darstellt. Mit dieser durch das [X.] zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15. August 2019 ([X.] 1294) neu geschaffenen Regelung hat der Gesetzgeber den Ausweisungsschutz subsidiär Schutzberechtigter entsprechend der Regelung des § 53 Abs. 3a [X.] ausgestalten wollen, und zwar "entsprechend der Vorgaben der Richtlinie ([X.]) 2011/95/[X.] auf etwas niedrigerem Niveau" ([X.]T-Drs. 19/10047 [X.]). [X.] Orientierungspunkt waren für den Gesetzgeber dabei erklärtermaßen die Gründe, aus denen der subsidiäre Schutzstatus gemäß Art. 19 Abs. 3 [X.]uchst. a i.V.m. Art. 17 Abs. 1 [X.]uchst. b [X.] 2011/95/[X.] beendigt werden kann, nämlich dann, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der [X.]etroffene "b) eine schwere Straftat begangen hat" oder "d) eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält." Der unionsrechtlich vorgesehenen Abstufung des Schutzniveaus zwischen Flüchtlingen gemäß Absatz 3a - für die die Gesetzesbegründung zuvor auf die sich aus Art. 33 Abs. 2 [X.] Flüchtlingskonvention und Art. 14 Abs. 4 [X.]uchst. b [X.] 2011/95/[X.] ergebenden Vorgaben verweist - und subsidiär Schutzberechtigten entspreche es, bei subsidiär Schutzberechtigten einen etwas niedrigeren Maßstab anzulegen ([X.]T-Drs. 19/10047 [X.]).

Zu dem für Flüchtlinge geltenden [X.] nach § 53 Abs. 3a [X.] wird allerdings mit beachtlichen Gründen auch die Auffassung vertreten, die dort definierten Anforderungen seien entgegen der [X.]egründung des Gesetzentwurfs nicht mit den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 4 [X.]uchst. b [X.] 2011/95/[X.] gleichzusetzen, die denjenigen für eine Durchbrechung des Refoulementverbots entsprechen (vgl. Art. 21 Abs. 2 [X.] 2011/95/[X.], Art. 33 Abs. 2 GFK, § 60 Abs. 8 [X.]), sondern kohärent mit denen nach Art. 24 Abs. 1 [X.] 2011/95/[X.], wonach zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung eine Ausweisung gestatteten (so etwa [X.], Urteil vom 15. April 2021 - 12 S 2505/20 - juris Rn. 110 ff.; Revision anhängig unter 1 [X.] 20.21). Wäre dieser Auslegung zu folgen, könnte Entsprechendes auch für § 53 Abs. 3b [X.] zu prüfen sein, weil der Maßstab, den Art. 24 Abs. 1 [X.] 2011/95/[X.] für die Verweigerung (und der Sache nach auch die Aufhebung) eines Aufenthaltstitels bei anerkannten Flüchtlingen bestimmt, nach Art. 24 Abs. 2 [X.] 2011/95/[X.] in gleicher Weise auch für subsidiär Schutzberechtigte gilt. Die damit aufgeworfene Frage, ob die Voraussetzungen des § 53 Abs. 3b [X.] ("wenn er eine schwere Straftat begangen hat oder er eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der [X.]undesrepublik [X.] darstellt") im Einklang mit Art. 17 Abs. 1 [X.]uchst. b [X.] 2011/95/[X.] auszulegen sind oder aber im Einklang mit Art. 24 Abs. 2 [X.] 2011/95/[X.], bedarf anlässlich des vorliegenden Falles aber ebenfalls keiner Entscheidung. Denn in der Person des [X.] liegen die Voraussetzungen der einen wie der anderen Vorschrift vor (siehe dazu 2.2.2).

Die - bei [X.] Verständnis des § 53 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 [X.] - hier auch in Frage kommende Gefahrenschwelle des § 53 Abs. 3 [X.] wäre ebenfalls überschritten, weshalb offenbleiben kann, ob sie die Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 [X.]/[X.] überhaupt übersteigt. Ebenso wenig bedarf dann der Klärung, ob dem Kläger als [X.] Staatsangehörigen ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht zusteht und er (auch) deshalb unter § 53 Abs. 3 [X.] fällt.

2.2.2 Nach diesen Maßstäben liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Verlustfeststellung vor, weil von dem Kläger eine diese grundsätzlich rechtfertigende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (a) und die Gefahrenschwelle des § 53 Abs. 3b [X.] überschritten ist (b).

a) Das [X.]erufungsgericht hat die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 und 2 [X.]/[X.] rechtsfehlerfrei bejaht. Der Kläger ist zweimal, nämlich in den Jahren 2007 und 2017, wegen schwerwiegender [X.]etäubungsmitteldelikte zu langjährigen Freiheitsstrafen von jeweils mehr als sieben Jahren verurteilt worden. [X.]eide Verurteilungen sind im [X.]undeszentralregister noch nicht getilgt bzw. zu tilgen. Das [X.]erufungsgericht hat die Verlustfeststellung auch nicht allein mit diesen strafgerichtlichen Verurteilungen begründet (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.]/[X.]). Es hat vielmehr auf der Grundlage der seiner Entscheidung zugrunde liegenden, das [X.]undesverwaltungsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen rechtsfehlerfrei näher ausgeführt, dass die Umstände der [X.]egehung dieser Straftaten ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das die Prognose rechtfertigt, dass der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit nach der Haftentlassung bzw. nach dem Erlass eines zur [X.]ewährung ausgesetzten Strafrests wieder mit Heroin handeln oder Heroin nach [X.] einführen werde. An dieser Prognose habe sich (auch) unter [X.]erücksichtigung des Zeitablaufs und des Verhaltens des [X.] im Vollzug sowie seiner familiären Verhältnisse im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des [X.]erufungsgerichts nichts geändert. An diese tatrichterliche Würdigung, auf die hinsichtlich der Einzelheiten [X.]ezug genommen werden kann, ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden; der Kläger hat sich dagegen auch nicht substantiiert gewandt und namentlich keine Verfahrensrüge erhoben.

b) An den weiteren in [X.]etracht kommenden, ggf. qualifizierten [X.] hat das [X.]erufungsgericht die vom Kläger ausgehenden Gefahren zwar nicht ausdrücklich gemessen. Die tatrichterlich getroffenen Feststellungen ermöglichen dem Senat hier aber auch die Subsumtion unter deren Voraussetzungen. Ist § 53 Abs. 3b [X.] einschlägig und im Einklang mit Art. 17 Abs. 1 [X.]uchst. b und d [X.] 2011/95/[X.] zu verstehen, ist erforderlich, dass der Ausländer eine schwere Straftat begangen hat oder er eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält. Anders als bei Art. 17 Abs. 1 [X.]uchst. b [X.] 2011/95/[X.] (vgl. dazu etwa [X.], Urteil vom 11. Dezember 2013 - 11 S 1770/13 - juris Rn. 82), der einen Ausschlussgrund wegen Unwürdigkeit regelt und insoweit auf das Ausweisungsrecht nicht unverändert übertragbar ist, bedarf es im Rahmen vom § 53 Abs. 3b [X.] aber auch in der Variante der bereits begangenen schweren Straftat der Feststellung einer Wiederholungsgefahr (so im Ergebnis zutreffend auch [X.]T-Drs. 19/10047, [X.]). Der Gerichtshof der [X.] hat zudem betont, dass der subsidiäre Schutz nicht pauschal über ein bestimmtes Strafmaß als "schwere Straftat" ausgeschlossen werden kann, sondern immer der Einzelfall zu würdigen ist ([X.], Urteil vom 13. September 2018 - [X.]-369/17 [[X.]:[X.]:[X.]:2018:713], [X.] - Rn. 55 f.). Danach ging vom Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der [X.]erufungsverhandlung aufgrund von ihm in der Vergangenheit begangener schwerer Straftaten, deretwegen er rechtskräftig verurteilt worden ist und deren Wiederholung wahrscheinlich ist, eine (auch hinreichend schwere) Gefahr für die Allgemeinheit i.S.v. Art. 17 Abs. 1 [X.]uchst. d [X.] 2011/95/[X.] aus. Die einzelfallbezogenen und konkreten Feststellungen des [X.]erufungsgerichts zu den von ihm begangenen [X.]etäubungsmittelstraftaten sowie der darin zum Ausdruck kommenden Verhaltensmuster und der Zukunftsprognose ([X.] f.) tragen auch die Feststellung der Voraussetzungen des § 53 Abs. 3b [X.]. Die Schwere dieser Gefahr ergibt sich dabei auch aus der vom [X.]erufungsgericht zu Recht hervorgehobenen Art der Straftaten und deren (auch) unionsrechtlicher [X.]ewertung, denn Art. 83 A[X.]V zählt den illegalen Drogenhandel zur besonders schweren Kriminalität (vgl. [X.], Urteil vom 23. November 2010 - [X.]-145/09 [[X.]:[X.]:[X.]:2010:708], [X.] - Rn. 46 f.).

Nichts anderes gilt für den Fall, dass der Gefahrenmaßstab des § 53 Abs. 3b [X.] mit demjenigen des Art. 24 Abs. 2 letzter Halbs. [X.] 2011/95/[X.] gleichzusetzen sein sollte. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zu der - im wesentlichen gleichlautenden - Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 [X.] 2004/83/[X.] hat der [X.]egriff der "zwingenden Gründe" im dort gemeinten Sinne eine weitere [X.]edeutung als der [X.]egriff der "stichhaltigen Gründe" in Art. 21 Abs. 2 [X.] 2004/83/[X.] (entspricht Art. 21 Abs. 2 [X.] 2011/95/[X.]). Die Schwelle des Art. 24 Abs. 2 [X.] 2011/95/[X.] liegt also jedenfalls niedriger als diejenige des Art. 21 Abs. 2 [X.] 2011/95/[X.], weil es anders als bei der letztgenannten Regelung nicht um eine Durchbrechung des Zurückweisungsverbots geht (vgl. [X.], Urteil vom 24. Juni 2015 - [X.]-373/13 [[X.]:[X.]:[X.]:2015:413] - Rn. 75). [X.]ei subsidiär Schutzberechtigten dürften im Übrigen Art. 3 [X.] und Art. 19 Abs. 2 GR[X.] einer Zurückweisung generell entgegenstehen. Im Gebrauch des Ausdrucks "zwingende Gründe" kommt allerdings zum Ausdruck, dass die [X.]eeinträchtigung (hier: der öffentlichen Ordnung) einen besonders hohen Schweregrad aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 24. Juni 2015 - [X.]-373/13 - Rn. 78, in Anlehnung an seine Rechtsprechung zu Art. 28 Abs. 3 [X.] 2004/38/[X.]). Gleichwohl spricht viel dafür, dass hieran geringere Anforderungen zu stellen sind als an die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 [X.]uchst. d [X.] 2011/95/[X.] für einen Ausschluss vom subsidiären Schutz. Denn die Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 2 letzter Halbs. [X.] 2011/95/[X.] ändert - anders als bei Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 [X.]uchst. a [X.] 2011/95/[X.] - wohl nichts daran, dass der [X.]etroffene weiterhin Schutzberechtigter im Sinne der Richtlinie ist (so für Art. 24 Abs. 1 [X.] 2011/95/[X.] [X.], Urteil vom 24. Juni 2015 - [X.]-373/13 - Rn. 95).

Auch "zwingende Gründe" im Sinne von Art. 24 Abs. 2 [X.] 2011/95/[X.] liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen hier jedenfalls vor, ohne dass abschließend geklärt werden muss, wie sich diese Schwelle zu derjenigen des Art. 17 Abs. 1 [X.]uchst. d [X.] 2011/95/[X.] verhält. Diese Feststellungen erlauben den Schluss, dass der Kläger mit [X.]lick auf die beiden Verurteilungen zu langjährigen Freiheitsstrafen wegen schwerer Straftaten, die Art der begangenen Delikte, die darin zum Ausdruck gekommene erhebliche kriminelle Energie und Rückfallgefahr sowie seine Persönlichkeit eine besonders schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne der [X.]-Rechtsprechung darstellt. Aus den genannten Erwägungen überschreitet die vom Kläger ausgehende Gefahr zudem jedenfalls auch die Schwelle des § 53 Abs. 3 [X.].

2.3 Die Verfügung der [X.]eklagten leidet jedoch an einem Ermessensfehler, der zu ihrer Aufhebung führt (§ 114 VwGO). Die gegenteilige Auffassung des [X.]erufungsgerichts ist mit § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]/[X.] unvereinbar.

2.3.1 Nach § 6 Abs. 1 [X.]/[X.] steht die Verlustfeststellung im pflichtgemäßen Ermessen (§ 40 [X.]VwVfG) der Ausländerbehörde, wie sich aus der Formulierung "kann" ergibt. Daran hat der nationale Gesetzgeber auch nach der Umgestaltung des nationalen [X.], das die Ausweisung jetzt als gerichtlich unbeschränkt überprüfbare Abwägungsentscheidung ausgestaltet hat, festgehalten. Der Vorrang des Unionsrechts steht dem nicht entgegen. Auch wenn das Unionsrecht in Gestalt der [X.] eine Ermessensentscheidung im Sinne von § 40 VwVfG nicht verlangt (vgl. Dienelt, in[X.]/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 6 [X.]/[X.] Rn. 22), hindert es den nationalen Gesetzgeber doch nicht daran, eine solche vorzusehen. Die - zwingend vorgegebene - Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 27 Abs. 2 [X.] 2004/38/[X.]) ist auch bei einer Ermessensentscheidung sichergestellt und insoweit voll gerichtlich überprüfbar. Eine rechtmäßige Ermessensentscheidung setzt in der Regel allerdings auch voraus, dass die [X.]ehörde den entscheidungserheblichen und für eine sachgemäße Wahrnehmung der Letztverantwortlichkeit maßgeblichen Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und in ihre Erwägungen eingestellt hat. Hat die [X.]ehörde wesentliche Umstände übersehen oder konnte sie diese noch nicht berücksichtigen und kommt es nicht zu einer Nachbesserung im gerichtlichen Verfahren nach § 114 Satz 2 VwGO, führt dies wegen Ermessensfehlgebrauchs zur Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung (vgl. [X.], in: [X.]/[X.], Verwaltungsrecht, Werkstand: 41. EL Juli 2021, § 114 VwGO Rn. 53).

Da für die gerichtliche Überprüfung der Entscheidung über die Verlustfeststellung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des [X.] abzustellen ist (s.o.), trifft die Ausländerbehörde auch während des gerichtlichen Verfahrens - wie nach altem Recht bei der Ermessensausweisung - eine Pflicht zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihrer Verlustfeststellungsentscheidung und gegebenenfalls zur Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen ([X.], Urteil vom 15. November 2007 - 1 [X.] 45.06 - [X.]E 130, 20 Rn. 20 m.w.N.; siehe auch Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 [X.] 27.16 - [X.]E 157, 356 Rn. 23).

2.3.2 [X.]ei der Ermessensentscheidung über eine Verlustfeststellung sind neben den in § 6 Abs. 3 [X.]/[X.] ausdrücklich erwähnten Gesichtspunkten im Grundsatz auch Nachteile zu berücksichtigen, die den Ausländer im Herkunftsland erwarten. Dies gilt uneingeschränkt für solche Nachteile, die das Gewicht eines zielstaatsbezogenen [X.]s nicht erreichen, aber gleichwohl so erheblich sind, dass sie sich auf die durch Art. 7 GR[X.] und Art. 8 Abs. 1 [X.] geschützten [X.]elange des Ausländers auswirken können (a). Gefahren, die so schwerwiegend sind, dass sie die Voraussetzungen eines zielstaatsbezogenen [X.]s begründen, sind im Ausweisungsverfahren jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn für diese eine ausschließliche Prüfungszuständigkeit des [X.]undesamts für Migration und Flüchtlinge ([X.]undesamt) besteht (b).

a) Nach § 6 Abs. 3 [X.]/[X.], der Art. 28 Abs. 1 [X.] 2004/38/[X.] nahezu wortgleich umsetzt, sind bei der Entscheidung über die Verlustfeststellung insbesondere die Dauer des Aufenthalts des [X.]etroffenen in [X.], sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine [X.] und kulturelle Integration in [X.] und das Ausmaß seiner [X.]indungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Gefahren und Nachteile, die dem Ausländer im Herkunftsland drohen, werden dabei zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Ebenso wie bei der Ausweisung (§ 53 Abs. 2 [X.]) ist die Aufzählung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte aber nicht abschließend ("insbesondere"). Die Erwähnung der "[X.]indungen zum Herkunftsstaat" in § 6 Abs. 3 [X.]/[X.] (vgl. dazu auch [X.]MR, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 46410/99, [X.] - Rn. 58, sowie [X.], Urteil vom 8. Dezember 2011 - [X.]-371/08 [[X.]:[X.]:[X.]:2011:809], [X.] - Rn. 80), könnten darauf schließen lassen, dass die Ermessensentscheidung jedenfalls dann, wenn eine Abschiebung nicht von vornherein rechtlich ausscheidet, auch - ausgewählte - Folgen im Herkunftsstaat einzubeziehen hat und nicht etwa allein am Interesse des Ausländers am Verbleib in [X.] ausgerichtet werden kann. Zur - strukturell vergleichbaren - Ausweisung hat das [X.]undesverwaltungsgericht schon unter Geltung des Ausländergesetzes 1965 darauf hingewiesen, dass das private Interesse des Ausländers, sich nicht in einen (bestimmten) anderen Staat begeben zu müssen, sondern im [X.]undesgebiet verbleiben zu dürfen, aus sämtlichen Nachteilen resultiert, die mit der Ausweisung verbunden sind. In die Abwägung der für und gegen die Ausweisung sprechenden Gründe seien daher auch solche [X.]elange des Ausländers einzubeziehen, die keinen derart strikten rechtlichen oder verfassungsrechtlichen Schutz genießen, dass er unter [X.] Umständen vor ihnen bewahrt werden muss (vgl. [X.], Urteil vom 1. Dezember 1987 - 1 [X.] 29.85 - [X.]E 78, 285, 291).

Eine [X.]erücksichtigung der Folgen einer Ausweisung für den Ausländer im Herkunftsland unter dem Aspekt des Art. 8 [X.] erscheint dem Grunde nach auch nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]MR) geboten (vgl. [X.]MR, Urteile vom 20. Dezember 2018 - 18706/16, [X.]abucak/[X.] - Rn. 51 und vom 6. Februar 2001 - 44599/98, [X.]ensaid/[X.] - Rn. 46 ff.). Der [X.] geht ebenfalls ganz allgemein davon aus, dass die Folgen einer Ausweisung nicht nur für die Familienangehörigen, sondern auch für die betreffende Person bei der Entscheidung über eine Ausweisung zu berücksichtigen seien ([X.], Urteil vom 8. Dezember 2011 - [X.]-371/08 - Rn. 80). Selbst wenn nach aktueller Rechtslage weder im allgemeinen Ausweisungsrecht noch in § 6 [X.]/[X.] eine Regelung enthalten ist, nach der Duldungsgründe und [X.]e bei der Entscheidung über eine Ausweisung zu berücksichtigen sind (vgl. zuletzt § 55 Abs. 3 Nr. 3 [X.] in der bis 31. Dezember 2015 geltenden Fassung) und dies Zweifel begründen mag, ob diese Verpflichtung noch fortbesteht, ist an der älteren Rechtsprechung zur [X.]erücksichtigungspflicht von Nachteilen und Gefahren im Herkunftsland jedenfalls insoweit festzuhalten, als es um Nachteile geht, die unterhalb der Schwelle eines [X.]s verbleiben, sofern sie sich auf die durch Art. 7 GR[X.] und Art. 8 Abs. 1 [X.] geschützten [X.]elange des Ausländers auswirken können.

b) Geltend gemachte Gefahren im Herkunftsstaat, die die Schwelle zu einem zielstaatsbezogenen [X.] im Sinne von § 60 [X.] überschreiten, können hingegen im Rahmen der Ermessensentscheidung bzw. (bei der Ausweisung) der Interessenabwägung jedenfalls insoweit nicht berücksichtigt werden, als für das [X.] eine ausschließliche Prüfungszuständigkeit des [X.]undesamts für Migration und Flüchtlinge besteht und dieses ein solches Verbot bisher nicht festgestellt hat. Dies gilt insbesondere für zielstaatsbezogene Gefahren, die ihrer Art nach objektiv geeignet sind, eine Anerkennung als Asylberechtigter oder Flüchtling oder die Zuerkennung subsidiären Schutzes zu begründen. Denn nach der - vom [X.]erufungsgericht zutreffend zugrunde gelegten - Rechtsprechung des Senats ist ein Ausländer mit einem materiellen Asylbegehren, das nach § 13 [X.] i.d.[X.] zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/[X.] vom 28. August 2013 ([X.] 3474) seit dem 1. Dezember 2013 auch das [X.]egehren auf subsidiären Schutz umfasst, hinsichtlich aller [X.] und Schutzformen auf das Asylverfahren vor dem [X.]undesamt zu verweisen; er hat kein Wahlrecht zwischen einer Prüfung durch die Ausländerbehörde und einer Prüfung durch das [X.]undesamt (vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 2019 - 1 [X.] 30.17 - [X.] 402.251 § 29 [X.] Nr. 6 Rn. 22). Ein Ausländer ist daher nach aktueller Rechtslage schon dann - gemäß § 24 Abs. 2 [X.] auch hinsichtlich nationaler [X.]e - zwingend auf das Asylverfahren vor dem [X.]undesamt verwiesen, wenn er sich auf Gefahren beruft, die ihrer Art nach objektiv geeignet sind, subsidiären Schutz zu begründen. Hat er bereits erfolglos ein Asylverfahren durchgeführt, ist unabhängig davon die Ausländerbehörde zudem gemäß § 6 Satz 1 und § 42 Satz 1 [X.] an die in jenem Verfahren (zuletzt) getroffene Entscheidung des [X.]undesamts oder des [X.] gebunden. Diese [X.]indungswirkung kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch negativen Entscheidungen des [X.]undesamts zu (vgl. [X.], Urteile vom 7. September 1999 - 1 [X.] 6.99 - [X.] 402.240 § 53 AuslG Nr. 20, vom 21. März 2000 - 9 [X.] 41.99 - [X.]E 111, 77 <80 f.> und vom 27. Juni 2006 - 1 [X.] 14.05 - [X.]E 126, 192 Rn. 12). Auch bei nachträglicher erheblicher Änderung der Sachlage ist ausschließlich das [X.]undesamt zur Korrektur seiner einmal getroffenen Feststellungen befugt, und zwar unabhängig von dem Zeitraum, der seit der Erstentscheidung des [X.]undesamts verstrichen ist.

Die Ausländerbehörde ist deshalb im Ausweisungsverfahren an eine negative Entscheidung des [X.]undesamtes über [X.]e nach § 60 Abs. 2, 5 und 7 [X.] gebunden. Sie ist nach bisheriger Rechtsprechung auch nicht verpflichtet, das Ausweisungsverfahren auszusetzen, bis das [X.]undesamt eine aktuelle Entscheidung über einen [X.] oder ein Folgeschutzgesuch getroffen hat, sondern darf ihre Entscheidung (zunächst) auf der unterstellten, nicht notwendigerweise weiterhin zutreffenden tatsächlichen Grundlage treffen, dass kein zielstaatsbezogenes [X.] vorliegt. Wird später ein zielstaatsbezogenes [X.] festgestellt, kann der [X.]etroffene gegebenenfalls einen Antrag auf Wiederaufgreifen des [X.] stellen.

Dieser Praxis steht Unionsrecht hier nicht entgegen. Die Verlustfeststellung nach § 6 [X.]/[X.] ist eine [X.]eschränkung des Einreise- und Aufenthaltsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne des Kapitels VI der Richtlinie 2004/38/[X.]. Selbst wenn sie nicht nur an Art. 27, sondern auch an Art. 28 [X.] 2004/38/[X.] zu messen sein sollte, ist Absatz 1 dieser Regelung doch keine Verpflichtung zur [X.]erücksichtigung auch zielstaatsbezogener [X.]e zu entnehmen. Art. 28 Abs. 1 [X.] 2004/38/[X.] dürfte zwar im Lichte von Art. 7 GR[X.] auszulegen sein, woraus das Gebot folgt, den Ausländer im Herkunftsland erwartende Nachteile bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Erreichen derartige Nachteile aber das Gewicht eines zielstaatsbezogenen [X.]s, so steht dies erst und nur einer Verpflichtung, in ein bestimmtes Land, in dem derart erhebliche Gefahren drohen, auszureisen sowie einer Abschiebung dorthin gemäß Art. 18, 19 Abs. 2 GR[X.] entgegen. Die Ausweisung ebenso wie die Verlustfeststellung nach [X.] Recht ist als solche indes auch dann, wenn hinsichtlich des Herkunftslandes ein [X.] besteht oder ungeprüft im Raum steht, noch keine nach Art. 19 Abs. 2 GR[X.] verbotene Ausweisung "in einen Staat", in dem eine unmenschliche oder erniedrigende [X.]ehandlung droht.

2.3.3 Nach diesen Maßstäben erweist sich die Entscheidung der [X.]eklagten als ermessensfehlerhaft, soweit diese die geltend gemachte Gefahr einer dem Kläger in der [X.] drohenden erneuten langjährigen Freiheitsstrafe bezüglich der Auswirkungen auf das durch Art. 7 GR[X.], Art. 8 Abs. 1 [X.] geschützte Familien- und Privatleben des [X.] nicht durch eine nachträgliche Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen berücksichtigt hat. Der Kläger hat sich im Klageverfahren hinreichend substantiiert auf die Gefahr berufen, dass gegen ihn in der [X.] ein neues Strafverfahren wegen der 2017 in [X.] abgeurteilten [X.]etäubungsmitteldelikte droht. Er hat darauf hingewiesen, dass das diesen Delikten zugrundeliegende Tatgeschehen (Einfuhr von Heroin aus der [X.]) einen eindeutigen [X.]ezug zur Republik [X.] aufweist und dass nach obergerichtlicher Rechtsprechung gerade bei [X.]etäubungsmitteldelikten mit [X.]bezug eine erneute Strafverfolgung in der [X.] grundsätzlich in [X.]etracht komme. Des Weiteren hat er auf Feststellungen in der Rechtsprechung hingewiesen, nach denen zwischen der [X.] und der [X.]undesrepublik [X.] ein regelmäßiger Strafnachrichtenaustausch stattfinde; jeder Staat unterrichte den anderen von [X.] dessen Staatsangehörige betreffenden strafrechtlichen (rechtskräftigen) Verurteilungen und nachfolgenden Maßnahmen, die in das Strafregister eingetragen worden seien.

Der Hinweis des [X.] auf den nur begrenzt geltenden, hier nicht einschlägigen Grundsatz "ne bis in idem" geht insoweit zwar fehl, als er hieraus ein zwingendes [X.] herleitet. Denn es gibt keine unions-, völker- oder verfassungsrechtlich zwingende Regel, nach der ein straffälliger Ausländer absolut davor geschützt werden muss, in der [X.] für eine bereits in [X.] abgeurteilte Straftat [X.] verurteilt zu werden und diese Strafe - gegebenenfalls auch ohne Anrechnung der im [X.]undesgebiet verbüßten - auch verbüßen zu müssen (vgl. [X.]erufungsgericht [X.]). Eine nach Art. 3 [X.] unzulässige unmenschliche oder erniedrigende [X.]estrafung dürfte erst dann vorliegen, wenn die den Ausländer im Herkunftsland erwartende Strafe mit [X.]lick auf eine Nichtanrechnung oder Nichtberücksichtigung der in der [X.]undesrepublik [X.] wegen derselben Tat erlittenen Strafe als unerträglich hart und unter jedem denkbaren Gesichtspunkt unangemessen erscheint (vgl. etwa [X.], [X.]eschluss vom 21. Januar 2020 - 6 L 1332/19.A - juris Rn. 30 ff.; [X.], Urteil vom 10. Juli 2002 - 13 S 1871/01 - juris Rn. 46; [X.], [X.]eschluss vom 22. Januar 2002 - 17 [X.] 519/01 - juris Rn. 4).

Eine (mögliche) [X.] ist allerdings auch unterhalb der Schwelle eines zwingenden [X.]s geeignet, sich auf die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das durch Art. 7 GR[X.], Art. 8 Abs. 1 [X.] geschützte Familien- und Privatleben des [X.] auszuwirken. Sie muss deshalb in die Ermessensentscheidung über die Verlustfeststellung einbezogen werden. Dies gilt nicht nur unter dem - vom [X.]erufungsgericht erwogenen - Gesichtspunkt, dass eine erneute Freiheitsstrafe dem Kläger die Aufrechterhaltung der Kontakte zu seiner Familie während der Dauer der verfügten Verlustfeststellung mit einem vierjährigen Einreiseverbot erschweren würde. Vielmehr wäre im Falle einer dem Kläger drohenden, vier Jahre (möglicherweise deutlich) übersteigenden Freiheitsstrafe neu zu bewerten, ob sich die Verlustfeststellung auch unter [X.]erücksichtigung der damit faktisch verlängerten Dauer der Familientrennung als verhältnismäßig und angemessen erwiese. Dies setzt zunächst voraus, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren aufzuklären, ob dem Kläger eine erneute Verurteilung in der [X.] tatsächlich droht, welches Strafmaß gegebenenfalls in [X.]etracht käme und inwieweit mit einer Anrechnung der in [X.] verbüßten Strafhaft zu rechnen wäre. Zur selbstständigen Prüfung dieser auf das Herkunftsland bezogenen Umstände ist die [X.]eklagte - gegebenenfalls unter Zuhilfenahme der Sachkunde des [X.]undesamtes - befugt und verpflichtet, wenn und weil sie die Schwelle einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung im Sinne des Art. 3 [X.] voraussichtlich nicht erreichen (vgl. auch [X.], Urteil vom 9. Juni 2009 - 1 [X.] 11.08 - [X.]E 134, 124 Rn. 22).

Die [X.]eklagte war mithin auf das erwähnte Klagevorbringen hin - mit [X.]lick auf die Pflicht zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihrer Verlustfeststellungsentscheidung - unter dem Aspekt des Art. 7 GR[X.], Art. 8 Abs. 1 [X.] gehalten, die Aufrechterhaltung der Verlustfeststellung zu überprüfen und ihre Ermessenserwägungen gegebenenfalls bis zum Abschluss der Tatsacheninstanzen entsprechend zu ergänzen. Diesen Anforderungen genügt die Reaktion der [X.]eklagten vorliegend nicht. Denn diese beschränkt sich auf den Hinweis im [X.]erufungsverfahren, das Vorbringen des [X.] sei [X.]falls geeignet, ein vom [X.]undesamt für Migration und Flüchtlinge zu prüfendes [X.] zu begründen, das nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei und auch nicht "per se" vorliege. Eigene Erwägungen des [X.]erufungsgerichts können unzureichende Ermessenserwägungen der [X.]ehörde insoweit nicht ersetzen.

2.4 Da die Verlustfeststellung mithin aufzuheben ist, entfällt die Grundlage für das auf vier Jahre befristete Einreiseverbot (§ 7 Abs. 2 [X.]/[X.]) und ist auch die auf § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.]/[X.] beruhende Abschiebungsandrohung als rechtswidrig aufzuheben. Damit bedarf hier keiner Entscheidung, ob der Kläger im Falle einer rechtmäßigen Verlustfeststellung - wie das [X.]erufungsgericht angenommen hat - ausreisepflichtig gewesen wäre (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.]/[X.]), oder ob das von ihm geäußerte materielle Asylgesuch einer Ausreisepflicht - etwa mit [X.]lick auf unionsrechtliche Vorgaben - entgegengestanden hätte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Meta

1 C 60/20

16.12.2021

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, 30. September 2020, Az: 2 LC 166/20, Urteil

§ 6 FreizügG/EU 2004, § 7 FreizügG/EU 2004, § 11 FreizügG/EU 2004, § 53 Abs 3 AufenthG 2004, § 53 Abs 3b AufenthG 2004, § 53 Abs 4 AufenthG 2004, § 60 AufenthG 2004, § 71 Abs 1 AufenthG 2004, § 6 AsylVfG 1992, § 42 AsylVfG 1992, § 68 VwGO, § 114 VwGO, Art 4 EUGrdRCh, Art 7 EUGrdRCh, Art 19 Abs 2 EUGrdRCh, Art 3 MRK, Art 1 Abs 1 MRK, Art 27 EGRL 38/2004, Art 28 EGRL 38/2004

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.12.2021, Az. 1 C 60/20 (REWIS RS 2021, 232)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 232

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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