Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.03.2015, Az. 4 B 45/14

4. Senat | REWIS RS 2015, 13941

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Gegenstand

Begriff der Splittersiedlung; Außenbereich und Landschaftsschutzgebiet


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 22. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 40 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

Der Verwaltungsgerichtshof hat in der angefochtenen Entscheidung die Genehmigungsfähigkeit des klägerischen Vorhabens aus bauplanungsrechtlichen Gründen verneint. Dieses verstoße gegen § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 [X.]auG[X.], weil es die Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lasse ([X.] Rn. 27). Werde - dem Vortrag des [X.] folgend - "nur" von einer Verfestigung einer Splittersiedlung ausgegangen, ändere sich am Ergebnis der bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit des klägerischen Vorhabens nichts, weil sich dieses dem vorhandenen [X.]estand nicht deutlich unterordne ([X.] Rn. 28). Ausweislich der Entscheidungsgründe soll dabei jeder dieser Gründe die Entscheidung selbständig tragen. Ist die vorinstanzliche Entscheidung aber auf mehrere selbständig tragende [X.]egründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser [X.]egründungen ein Revisionszulassungsgrund dargelegt wird und vorliegt (stRspr; vgl. nur [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 28. Januar 2014 - 4 [X.] 50.13 - juris Rn. 2 m.w.N.). Denn ist nur bezüglich einer [X.]egründung ein Zulassungsgrund gegeben, dann kann diese [X.]egründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 9. September 2009 - 4 [X.]N 4.09 - Zf[X.]R 2010, 67 = juris Rn. 5). Vorliegend scheitert die [X.]eschwerde daran, dass jedenfalls in [X.]ezug auf die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, das Vorhaben des [X.] lasse die Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten, Zulassungsgründe nicht gegeben sind.

3

1. Die Sache hat keine rechtsgrundsätzliche [X.]edeutung.

4

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des [X.]undesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, so bereits [X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91>; siehe auch [X.]eschluss vom 1. Februar 2011 - 7 [X.] 45.10 - juris Rn. 15). Daran fehlt es hier.

5

a) Die [X.]eschwerde hält zunächst folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:

Nach welchen Kriterien ist der [X.]egriff "Splittersiedlung" in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 [X.]auG[X.] auszulegen bzw. wann zerfällt eine [X.]ebauung im Außenbereich in mehrere Splittersiedlungen bzw. in einzelne Gebäude außerhalb einer Splittersiedlung?

Ist bei § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 [X.]auG[X.] zu unterscheiden zwischen einer "im Zusammenhang bebauten Splittersiedlung" und einer "nicht im Zusammenhang bebauten Splittersiedlung"?

Finden die [X.]egriffe des "[X.]ebauungszusammenhangs" oder der "[X.]aulücke" bei § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 [X.]auG[X.] Anwendung?

Kann die Anwendung der einzelnen [X.] des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 [X.]auG[X.] - Entstehung, Erweiterung und Verfestigung - davon abhängen, ob eine Splittersiedlung im Zusammenhang bebaut ist?

6

Diese Fragen, die trotz unterschiedlicher Formulierungen inhaltlich identisch sind, führen, soweit auf sie überhaupt in verallgemeinerungsfähiger Form geantwortet werden kann, nicht zur Zulassung der Revision. Der in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 [X.]auG[X.] verwendete [X.]egriff der "Splittersiedlung" ist in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt. Danach ist eine Splittersiedlung eine Ansammlung von baulichen Anlagen, die zum - wenn auch eventuell nur gelegentlichen - Aufenthalt von Menschen bestimmt sind ([X.]VerwG, Urteil vom 9. Juni 1976 - 4 C 42.74 - [X.]uchholz 406.11 § 35 [X.][X.]auG Nr. 128 = juris Rn. 15); das schließt gewerbliche Anlagen ein ([X.]VerwG, Urteil vom 18. Februar 1983 - 4 C 19.81 - [X.]VerwGE 67, 33 <38>). Der Charakter einer Ansiedlung als Splittersiedlung ergibt sich dabei vor allem aus der Entgegensetzung zum Ortsteil ([X.]VerwG, Urteil vom 3. Juni 1977 - 4 C 37.75 - [X.]VerwGE 54, 73 <76>; ebenso Urteile vom 10. November 1978 - 4 C 24.78 - [X.]uchholz 406.11 § 35 [X.][X.]auG Nr. 154 = juris Rn. 23 und vom 18. Mai 2001 - 4 C 13.00 - [X.]uchholz 406.11 § 35 [X.]auG[X.] Nr. 347 = juris Rn. 13). Während unter einem Ortsteil jeder [X.]ebauungszusammenhang zu verstehen ist, der nach der Zahl der vorhandenen [X.]auten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist ([X.]VerwG, Urteile vom 6. November 1968 - 4 C 31.66 - [X.]VerwGE 31, 22 <26 f.> und vom 3. Dezember 1998 - 4 C 7.98 - [X.]uchholz 406.11 § 34 [X.]auG[X.] Nr. 193 [X.]), ist eine Splittersiedlung eine bloße Anhäufung von Gebäuden (vgl. zuletzt [X.]VerwG, Urteil vom 19. April 2012 - 4 C 10.11 - [X.]uchholz 406.11 § 35 [X.]auG[X.] Nr. 386 Rn. 19). Auch Splittersiedlungen können nach Art des § 34 Abs. 1 [X.]auG[X.] "im Zusammenhang bebaut" sein ([X.]VerwG, Urteil vom 3. Juni 1977 - 4 C 37.75 - [X.]VerwGE 54, 73 <76>); sie müssen es aber nicht. Die Splittersiedlung ist folglich dadurch gekennzeichnet, dass ihr mangels einer angemessenen ([X.]au-)Konzentration das für die Annahme eines Ortsteils notwendige Gewicht fehlt und sie damit Ausdruck einer unorganischen Siedlungsstruktur ist ([X.]VerwG, Urteil vom 18. Mai 2001 - 4 C 13.00 - [X.]uchholz 406.11 § 35 [X.]auG[X.] Nr. 347 = juris Rn. 13). Ob diese Voraussetzungen, von denen sich der Verwaltungsgerichtshof hat leiten lassen ([X.] Rn. 24), im Einzelfall erfüllt sind, entzieht sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung.

7

b) Die weiteren, in ihrem Sinngehalt mindestens schwer erfassbaren Fragen,

ob für die [X.] des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 [X.]auG[X.] - "Erweiterung" und "Verfestigung" - nur auf den tatsächlich vorhandenen Gebäudebestand abzustellen ist, oder

ob bei der Auswahl der [X.] des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 [X.]auG[X.] - "Erweiterung" und "Verfestigung" - rechtliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen sind,

sind auf die Fragestellung zum Tatbestandsmerkmal der Erweiterung zu reduzieren, weil die Erwägung des Verwaltungsgerichtshofs, das Vorhaben des [X.] lasse die Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten, die Entscheidung selbständig trägt.

8

Auf die erste Frage ist zu antworten, dass eine Splittersiedlung erweitert wird, wenn sie räumlich ausgedehnt wird ([X.]VerwG, Urteil vom 3. Juni 1977 - 4 C 37.75 - [X.]VerwGE 54, 73 <76 f.>). Das setzt ihre Existenz voraus. Die zweite Frage hat den Hintergrund, dass der nördliche Teil des [X.]augrundstücks ebenso wie die weitere unbebaute Umgebung durch eine Landschaftsschutzverordnung mit einem [X.]auverbot belegt sein soll. Sie stellt sich nicht, weil das Vorhaben des [X.] am vorgesehenen Standort wegen des weitgehenden Verlusts der [X.]ausubstanz wie ein Neubau zu behandeln ist und die aus den drei Wohnhäusern auf den Grundstücken [X.]. 1359/4, 1359/2 und 1359/6 bestehende Splittersiedlung vergrößert. Auf die [X.]ebaubarkeit der Umgebung der vom Vorhaben in Anspruch genommenen Fläche kommt es nicht an.

9

c) Schließlich besteht auch in [X.]ezug auf die Fragen,

ob eine städtebaulich zu missbilligende Siedlungsentwicklung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 [X.]auG[X.] auch dann zu befürchten ist, wenn aufgrund von Rechtsnormen - hier Landschaftsschutzgebietsverordnung - eine weitere [X.]ebauung ausgeschlossen ist, oder

ob ein sonstiges Vorhaben die Verfestigung einer Splittersiedlung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 [X.]auG[X.] auch dann befürchten lässt, wenn es sich aufgrund der Rechtslage um das letzte verwirklichbare Vorhaben in einer Splittersiedlung handelt,

kein grundsätzlicher Klärungsbedarf. Das folgt bereits daraus, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat, die Landschaftsschutzgebietsverordnung stehe einer weiteren [X.]ebauung auf dem klägerischen Grundstück oder in dessen näherer Umgebung entgegen. Hieran wäre der Senat in einem Revisionsverfahren gebunden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO, vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 3. Juni 2014 - 4 CN 6.12 - [X.]VerwGE 149, 373 Rn. 24). Im Übrigen ist geklärt, dass ein bestehender Landschaftsschutz für eine Außenbereichsfläche kein Garant ist, der eine Vorbildwirkung für weitere [X.]ebauung, die aus der baurechtlichen Genehmigung eines [X.]auvorhabens entstehen kann, dauerhaft ausschlösse ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 2. September 1999 - 4 [X.] 27.99 - [X.]uchholz 406.11 § 35 [X.]auG[X.] Nr. 340 = juris Rn. 7).

2. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich, dass die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung u.a. des [X.]undesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.]uchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 und vom 13. Juli 1999 - 8 [X.] 166.99 - [X.]uchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 9). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Die [X.]eschwerde rügt, der Verwaltungsgerichtshof sei in seinem Urteil von den Entscheidungen des [X.]undesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 1976 - 4 C 42.74 - ([X.]uchholz 406.11 § 35 [X.][X.]auG Nr. 128) und vom 3. Juni 1977 - 4 C 37.74 - ([X.]VerwGE 54, 73) in entscheidungserheblicher Weise abgewichen. Es kann offenbleiben, ob die [X.]eschwerde den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt und ob der Vorwurf sachlich zutreffend ist. Denn in der Sache bezieht sich die [X.] ausschließlich auf den zweiten [X.]egründungsstrang des Urteils ("unerwünschte Verfestigung einer Splittersiedlung"). Da aber hinsichtlich der primären [X.]egründung des Verwaltungsgerichtshofs, das klägerische Vorhaben führe zu einer unerwünschten Erweiterung einer Splittersiedlung, Revisionszulassungsgründe nicht vorliegen, kann das Urteil nicht auf der geltend gemachten Divergenz beruhen (vgl. oben). Ergänzend sei lediglich angemerkt, dass der Senat im Urteil vom 18. Mai 2001 - 4 C 13.00 - ([X.]uchholz 406.11 § 35 [X.]auG[X.] Nr. 347 = juris Rn. 14) entschieden hat, dass es für die Frage der Unterordnung der hinzutretenden baulichen Anlage auf ihr Verhältnis zu der bereits vorhandenen Splittersiedlung ankomme. [X.] es sich bei dem hinzutretenden Vorhaben um ein Wohngebäude, so sei dieses Verhältnis grundsätzlich anhand der Zahl der Wohngebäude zu beurteilen. Zu dieser Rechtsprechung hat sich der Verwaltungsgerichtshof nicht in Widerspruch gesetzt.

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 B 45/14

17.03.2015

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 22. Mai 2014, Az: 1 B 14.196, Urteil

§ 37 Abs 3 S 1 Nr 7 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.03.2015, Az. 4 B 45/14 (REWIS RS 2015, 13941)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13941

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Referenzen
Wird zitiert von

5 A 760/15 HGW

5 A 1222/14

5 A 658/14

Au 4 K 18.1609

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