Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.04.2010, Az. IX R 41/09

9. Senat | REWIS RS 2010, 7743

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Gegenstand

Bindung des BFH an Vertragsauslegung durch das FG - Kein Erwerb eines Rückübertragungsanspruchs bei bestandskräftiger Ablehnung der Restitution


Leitsatz

1. NV: Die Vertragsauslegung durch das FG bindet den Bundesfinanzhof nach § 118 Abs. 2 FGO nicht, wenn das FG den Vertrag rechtlich nicht richtig eingeordnet hat.

2. NV: Ist der Rückübertragungsanspruch des Restitutionsberechtigten in Bezug auf ein Grundstück nach § 4 VermG ausgeschlossen und bestandskräftig abgelehnt, so kommt ein Erwerb des Rückübertragungsanspruchs im Rahmen einer gütlichen Einigung (§ 31 Abs. 5 VermG) nicht mehr in Betracht.

3. NV: Zum Eigentumserwerb im Rahmen der Abwicklung der DDR-Bodenreform.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Erbengemeinschaft in der Rechtsform der GbR. Ihre Gesellschafter sind Erben nach einem Agrarindustriellen, dessen (landwirtschaftliches) Vermögen nach der [X.] [X.]esatzung in den [X.]odenfonds überführt worden war.

2

Das [X.] zur Regelung offener Vermögensfragen … ([X.]) erkannte die [X.]erechtigung der Klägerin nach § 1 Abs. 6 des [X.] ([X.]) an. Zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehörte auch eine Wirtschaftseinheit, die in den [X.]odenfonds fiel und aufgesiedelt wurde. Darunter befanden sich die Flurstücke … mit einer Größe von 1,9 ha, die als Ackerland genutzt und im Jahr 1965 [X.] zugeteilt wurden. Neben ihrem Eintrag im Grundbuch als Eigentümerin stand ein [X.]odenreformvermerk. Nach dem Tode der A (1991) wurde ihre Tochter, [X.], im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen und der [X.]odenreformvermerk gelöscht.

3

Das [X.] hatte durch [X.] vom 2. September 1994 die Rückübertragung des Grundstücks, um das es hier geht, gemäß § 4 Abs. 2 [X.] abgelehnt, da A redlich erworben habe. Zugleich wurde zugunsten der Klägerin ein Vorkaufsrecht nach § 20a [X.] eingetragen. Am 19. November 1995 wurde zugunsten des [X.] eine Auflassungsvormerkung eingetragen.

4

Mit notariellem Kaufvertrag vom 12. August des Streitjahres (1997) verkaufte [X.] auch das Grundstück, um das es hier geht, neben weiteren Flurstücken zu einem Preis von insgesamt 46.500 DM an die Klägerin. Diese wiederum verkaufte das Grundstück am 20. November 1997 für 392.300 DM.

5

Der [X.]eklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) unterwarf einen Veräußerungsgewinn von 370.970 DM (unstreitig) der Einkommensteuer. Die Klage hiergegen hatte Erfolg.

6

Das Finanzgericht (FG) würdigte den Kaufvertrag als gütliche Einigung zwischen der Klägerin als [X.]erechtigten und der Verfügungsberechtigten ([X.]) in Form eines Kaufvertrages. Denn das [X.] sei nicht durch den Ablehnungsbescheid abgeschlossen gewesen. Insbesondere mit der Eintragung der Auflassungsvormerkung habe der Anspruch der Klägerin trotz des Ablehnungsbescheids eine neue Qualität erhalten.

7

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.], die es auf die Verletzung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]uchst. a des Einkommensteuergesetzes i.d.[X.] (EStG) und des § 4 Abs. 2 [X.] stützt. Das [X.] sei bereits abgeschlossen gewesen. Die Klägerin habe das Grundstück von [X.] erworben und innerhalb des maßgeblichen Zeitraums wieder veräußert.

8

Das [X.] beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet, die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 [X.]bs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Indem das [X.] die Voraussetzungen für ein steuerbares Veräußerungsgeschäft verneint, verletzt es § 23 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]uchst. a EStG.

a) Nach § 22 Nr. 2 EStG steuerbare Spekulationsgeschäfte sind gemäß § 23 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]uchst. a EStG Veräußerungsgeschäfte über Grundstücke, bei denen der Zeitraum zwischen [X.]nschaffung und Veräußerung nicht mehr als zwei Jahre beträgt. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Klägerin erwarb das Grundstück von [X.] im [X.]ugust des [X.] und veräußerte es schon im November des [X.] mit einem zwischen den [X.]eteiligten unstreitigen Gewinn von 370.970 DM weiter. Damit erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 23 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]uchst. a EStG.

b) Der Kaufvertrag der Klägerin mit [X.] bildet die Grundlage für die [X.]nschaffung i.S. von § 255 [X.]bs. 1 des Handelsgesetzbuches. Es handelt sich dabei entgegen der [X.]uffassung des [X.] nicht um eine gütliche Einigung zwischen der Klägerin als [X.]erechtigten und der Verfügungsberechtigten ([X.]). Eine derartige [X.]uslegung des Kaufvertrags durch das [X.] bindet den [X.]undesfinanzhof ([X.]FH) nach § 118 [X.]bs. 2 [X.]O nicht. Das [X.] hat den Vertrag mit [X.]lick auf die Vorschriften des [X.] rechtlich nicht richtig eingeordnet (vgl. dazu Lange in [X.]/[X.]/[X.], § 118 [X.]O Rz 197, m.w.N.).

Eine [X.]uslegung dieses Vertrags als "gütliche Einigung" ist schon deshalb nicht vertretbar, weil daran das [X.] hätte teilnehmen müssen (vgl. § 31 [X.]bs. 5 [X.]). Da der Restitutionsanspruch überdies bereits abgelehnt worden war, konnte es zu keiner gütlichen Einigung mehr kommen und es bedurfte eines Kaufvertrages, damit die Klägerin Eigentümerin des Grundstücks werden konnte.

aa) Zwar ist der Hoheitsakt der Rückübertragung nach dem [X.] kein [X.]nschaffungsgeschäft (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]FH-Urteil vom 22. Februar 2006 [X.]/04, [X.]FH/NV 2006, 1807, m.w.N.). Indes ist der Restitutionsanspruch der Klägerin bezogen auf dieses Grundstück mit [X.]escheid des [X.]es vom 2. September 1994 abgelehnt worden, weil die Verfügungsberechtigte [X.] nach § 4 [X.]bs. 2 [X.] redlich erworben hatte. Damit hatte die Klägerin nicht nach dem [X.] hoheitlich erworben, sondern erst aufgrund des Kaufvertrags mit [X.].

bb) Die [X.]uflassungsvormerkung, die zugunsten des [X.] eingetragen war, verlieh dem Restitutionsanspruch keine "neue Qualität", wie das [X.] meint. Sie hatte mit der Restitution nichts zu tun, sondern hing --wie die [X.]ezugnahme auf [X.]rt. 233 des Einführungsgesetzes zum [X.]ürgerlichen Gesetzbuch (EG[X.]G[X.]) erkennen lässt-- mit der Eigenschaft des Grundstücks als [X.]odenreformgrundstück zusammen. Solche Grundstücke sind nach [X.]rt. 233 §§ 11 ff. EG[X.]G[X.] nur eingeschränkt veräußer- und vererbbar (vgl. dazu [X.]/[X.]assenge, [X.]ürgerliches Gesetzbuch, 62. [X.]ufl., [X.]rt. 233 § 11 Rz. 1 ff. EG[X.]G[X.]; in späteren [X.]ufl. nicht mehr kommentiert). Wenn das [X.] die [X.]esitzwechselverordnung der DDR als maßgebend ansieht, wendet es implizit [X.]rt. 233 § 11 [X.]bs. 1 EG[X.]G[X.] an. Tatsächlich ist aber [X.]rt. 233 § 11 [X.]bs. 2 Satz 1 Nr. 1 EG[X.]G[X.] einschlägig. Nach dieser Vorschrift war, wovon zutreffend auch das [X.] im Teilabhilfebescheid ausgeht, die Erblasserin [X.] Volleigentümerin geworden, weil sie bei [X.]blauf des 15. März 1990 als noch lebende natürliche Person als Eigentümerin eingetragen war. Die Rechtsgrundlage für die [X.]uflassungsvormerkung zugunsten des [X.] findet sich in [X.]rt. 233 §§ 13, 13a EG[X.]G[X.]. Gesichert werden damit [X.]nsprüche von [X.]erechtigten [X.]. 233 § 12 [X.]bs. 1 EG[X.]G[X.] (z.[X.]. bisherige Nutzer als Zuweisungsempfänger aus der [X.]odenreform) auf unentgeltliche [X.]uflassung nach [X.]rt. 233 § 11 [X.]bs. 3 EG[X.]G[X.]. Da es einen [X.]erechtigten in [X.]ezug auf das Grundstück indes nicht gab [X.] bewirtschaftete es selbst), war die [X.]uflassungsvormerkung zu Unrecht eingetragen worden und das Land hatte deren Löschung bewilligt (s. § 6 des Kaufvertrags zwischen der Klägerin und [X.]).

2. Da das angefochtene Urteil diesen Maßstäben widersprechend einen Kaufvertrag als Erwerbsgrund verneint hat, ist es aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen. Das F[X.] hat den zwischen den [X.]eteiligten unstreitigen Veräußerungsgewinn zutreffend der [X.]esteuerung unterworfen.

Meta

IX R 41/09

13.04.2010

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 5. März 2009, Az: 5 K 861/05, Urteil

§ 22 Nr 2 EStG 1997, § 23 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a EStG 1997, § 4 VermG, § 31 Abs 5 VermG, Art 233 §§ 11ff BGBEG, Art 233 § 11 BGBEG, § 118 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.04.2010, Az. IX R 41/09 (REWIS RS 2010, 7743)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7743

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