Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.07.2016, Az. XII ZB 46/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 8254

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:BGH:2016:130716BXIIZB46.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 46/15

vom

13. Juli 2016

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
FamFG § 280 Abs. 1 Satz 2
Ergibt sich die Qualifikation des Sachverständigen nicht ohne Weiteres aus sei-ner Fachbezeichnung als Arzt, ist seine Sachkunde vom Gericht zu prüfen und in der Entscheidung darzulegen. Hierfür genügt regelmäßig die tatrichterliche Feststellung, dass der beauftragte Sachverständige Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie ist (im [X.] an Senatsbeschluss vom 16.
Dezem-ber 2015 -
XII
ZB
381/15
-
FamRZ 2016, 456).
BGH, Beschluss vom 13. Juli 2016 -
XII ZB 46/15 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 13.
Juli 2016
durch die [X.]
Dr.
[X.],
Schilling, Dr.
Günter
und
Dr.
[X.] und die [X.]in Dr.
Krüger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen
gegen den Beschluss der 8.
Zivilkammer des [X.] vom 19.
Januar 2015 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. [X.] werden nicht erstattet.
[X.]: 5.000

Gründe:
I.
Die 1929 geborene Betroffene wendet sich gegen die Anordnung ihrer Betreuung.
Die Betroffene leidet an Demenz. Anfang des Jahres
2014 erteilte sie ih-rem [X.], dem Beteiligten zu
2, eine Vorsorgevollmacht.
Nach Anhörung der Betroffenen und Einholung eines [X.] hat das Amtsgericht der anwaltlich vertretenen Betroffenen eine Be-rufsbetreuerin für folgende [X.] bestellt: Gesundheitsfürsorge ein-schließlich der Entscheidung über die Zustimmung zur ärztlichen Heilbehand-1
2
3
-
3
-
lung und auch operativen Eingriffen, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Geltendmachung von Ansprüchen, Leistungen der Kranken-
und der Pflegekasse, Rechts-/Antrags-
und Behördenangelegenhei-ten, Widerruf von Vollmachten und Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post. Ferner hat das Amtsgericht hinsichtlich der Vermögenssorge einen Einwil-ligungsvorbehalt angeordnet. Das [X.] hat die Beschwerde der Be-troffenen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich diese mit ihrer Rechtsbe-schwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Nach Auffassung des [X.]s liegen die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung gegen den Willen der Betroffenen vor. Wie dem Gutachten des Sachverständigen, eines auf dem Gebiet der Psychiatrie erfah-renen Arztes, zu entnehmen sei, leide die Betroffene an einer
fortschreitenden
hirnorganischen
Leistungseinbuße im Sinne einer vaskulären Demenzerkran-kung mit ausgeprägten Denkstörungen, einem verlangsamten Denkablauf, Ver-lusten
im Kurz-
und Langzeitgedächtnis mit vollkommen eingeschränkten bis erloschenen Hirnleistungen einschließlich des formalen Denkens und dem [X.] von komplexen Vorgängen. Sie verfüge über keine Alltagskompetenz mehr. Die Geschäftsfähigkeit sei danach nicht mehr gegeben. Die freie Willens-bildung sei bis auf einen natürlichen Willen eingeschränkt.
Einer Anhörung durch die Kammer habe es nicht bedurft. Die Betroffene sei erst am 28.
Oktober 2014 vom [X.] in ihrer Wohnung angehört worden. Angesichts der bei ihr vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigun-4
5
6
-
4
-
gen
sei mit einer Besserung der körperlichen und intellektuellen Defizite in kei-nem
Fall mehr zu rechnen. Zudem sei es nach den Ausführungen des Sachver-ständigen nicht mehr möglich, sich mit ihr über die Betreuungsangelegenheiten zu verständigen. Es sei daher anzunehmen, dass die Betroffene sich in einem weiteren Anhörungstermin ebenso wenig wie bisher inhaltlich zu den zur Ent-scheidung stehenden Fragen würde äußern können.
Die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts sei zum Schutz der Be-troffenen erforderlich, um der Betreuerin rechtlich die Möglichkeit einzuräumen, das Konto zu überwachen und zu intervenieren, insbesondere zu verhindern, dass der Beteiligte zu
2
seine Mutter finanziell ausnutze.
In der Vergangenheit seien bereits regelmäßig Geldbeträge von ihrem Konto abgeflossen, ohne dass diese Beträge für die Betroffene selbst verwandt worden seien, wie die Ermitt-lungen des Amtsgerichts ergeben hätten.
Die Auswahl der Betreuerin sei nicht zu beanstanden, insbesondere komme es wegen seines Verhaltens nicht in Betracht, den Beteiligten zu
2
zum Betreuer zu bestellen, auch wenn die Betroffene diesem
eine -
wenn auch un-wirksame
-
Vorsorgevollmacht erteilt habe.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung stand.
a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde brauchte das [X.] die Betroffene nicht erneut anzuhören.
aa) Gemäß §
68 Abs.
3 Satz
2 FamFG kann das Beschwerdegericht von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vor-genommen worden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen [X.] zu erwarten sind.
7
8
9
10
-
5
-
bb) So liegt der Fall hier.
Der
Amtsrichter
hat die Betroffene am 28.
Okto-ber 2014 angehört und die Anhörung umfangreich protokolliert. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde beschränkt sich der [X.] nicht auf Feststellungen zur Sehschwäche der Betroffenen. Dort heißt es viel-mehr unter anderem, dass die Betroffene kaum richtig begreife, worum es gehe und was um sie herum geschehe. Sie habe sich laufend wiederholt, immer [X.] nachgefragt, den Sachverständigen und den [X.] offenbar für [X.] des [X.] gehalten und unzweifelhaft erkennen lassen, dass sie nichts mehr sehe. Wenn das [X.] bei dieser Sachlage unter anderem unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen
davon aus-geht, dass sich die Betroffene in einem weiteren Anhörungstermin ebenso wenig
wie bisher inhaltlich zu den zur Entscheidung stehenden Fragen würde äußern können, ist das von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht auch einer Verwertung des vom Amtsgericht eingeholten Sachverständigengutachtens nichts
im Wege.
aa) Gemäß §
280 Abs.
1 Satz
2 FamFG soll der in einem Betreu-
ungsverfahren mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Sachver-
ständige Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie
sein. Ergibt sich die Qualifikation nicht ohne Weiteres aus der Fach-bezeichnung des Arztes, ist seine Sachkunde vom Gericht zu prüfen und in
der Entscheidung darzulegen (Senatsbeschluss vom 16.
Dezember 2015

XII
ZB
381/15
-
FamRZ
2016, 456
Rn.
14 mwN).
bb) Dem ist das [X.] gerecht geworden. Zwar weist die Rechts-beschwerde zutreffend darauf hin, dass der Sachverständige ausweislich [X.] Gutachtens lediglich Facharzt für Innere Medizin ist. Nachdem aber bereits 11
12
13
14
-
6
-
das Amtsgericht festgestellt hatte, dass der Sachverständige Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sei, hat das [X.] in der Sache ebenfalls ausgeführt, dass es sich bei dem Sachverständigen um einen auf dem Gebiet der Psychiatrie erfahrenen Arzt handele. Zwar vermag nach der Rechtspre-chung des Senats der allgemein gehaltene Hinweis des Tatrichters auf den ge-richtsbekannt sorgfältigen und kompetenten Sachverständigen, der ihm aus vielen Betreuungs-
und Unterbringungsverfahren als sorgfältig arbeitend und fachkundig bekannt sei, den Nachweis der konkret erforderlichen Qualifikation nicht zu ersetzen (Senatsbeschluss vom 16.
Mai 2012

XII
ZB
454/11
-
FamRZ 2012, 1207 Rn.
14). Anders als in jenem Fall hat das [X.] vorliegend jedoch -
wenn auch knapp

festgestellt, dass es sich bei dem [X.] um einen auf dem Gebiet der Psychiatrie erfahrenen Arzt handelt.
c) Ebenso geht die Rüge der Rechtsbeschwerde
fehl, die Einrichtung ei-ner Betreuung sei wegen Vorliegens einer Vollmacht nicht erforderlich.
aa) Ein Betreuer darf nur bestellt werden, soweit die Betreuerbestellung erforderlich ist (§
1896 Abs.
2 Satz
1 BGB). An der Erforderlichkeit fehlt es, soweit
die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§
1896 Abs.
2 Satz
2 BGB). Eine Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines [X.] grundsätzlich entgegen. Anders kann es liegen, wenn Zweifel an der Wirk-samkeit der Vollmachterteilung oder am Fortbestand der Vollmacht bestehen, die geeignet sind, die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr und damit die Wahrnehmung von Rechten des Betroffenen durch den Bevollmächtigten
zu beeinträchtigen (Senatsbeschluss vom 17.
Februar 2016

XII
ZB
498/15

FamRZ
2016, 704 Rn.
12).

15
16
-
7
-
Ist die Unwirksamkeit der Vorsorgevollmacht indes positiv festgestellt,
ist die Betreuung erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 3.
Februar 2016

XII
ZB
425/14

FamRZ 2016, 701 Rn.
11
f. mwN).
bb) Zwar liegt eine auf den Beteiligten zu
2 lautende Vorsorgevollmacht
der Betroffenen
von Anfang 2014 vor.
Nach den Feststellungen des Landge-richts
ist die Vollmacht jedoch unwirksam.
In dem von der angefochtenen Ent-scheidung in Bezug genommenen Gutachten heißt es dazu, dass sich die [X.]

eine Geschäftsfähigkeit ausschließenden

Einschränkungen bei der Betroffenen in den zurückliegenden Jahren bei ihr schleichend und fortschrei-tend entwickelt
hätten, aber in der heute vorgefundenen und geschilderten Ausprägung mit Sicherheit auch schon Anfang des Jahres 2014 vorgelegen hätten.
Damit kommt es auf die

vom [X.] ebenfalls verneinte

Frage, ob der Beteiligte zu
2
als Bevollmächtigter geeignet ist
(vgl. Senatsbeschluss
vom 17.
Februar 2016

XII
ZB
498/15

FamRZ 2016, 704 Rn.
12 mwN), nicht mehr an.
d) Schließlich sind auch die vom [X.] in Bezug genommenen
Feststellungen
des Sachverständigen, wonach die Betroffene nicht mehr in der Lage dazu ist, einen freien Willen zu bilden, von Rechts wegen nicht zu bean-standen.
aa) Nach §
1896 Abs.
1a BGB darf gegen den freien Willen des [X.] ein Betreuer nicht bestellt werden. Wenn der Betroffene

wie hier

der Einrichtung einer Betreuung nicht zustimmt, ist
neben der Notwendigkeit einer Betreuung stets zu prüfen, ob die Ablehnung durch den Betroffenen auf einem freien Willen beruht. Das fachärztlich beratene Gericht hat daher festzustellen, ob der Betroffene trotz seiner Erkrankung noch zu einer freien Willensbestim-17
18
19
20
21
-
8
-
mung fähig ist (Senatsbeschluss
vom 14.
Januar 2015

XII
ZB
352/14

FamRZ 2015, 648 Rn.
10 mwN).
bb) Dem ist das [X.] gerecht geworden. Entgegen der [X.] beschränkt sich das Gutachten hinsichtlich der entsprechenden Feststellungen nicht allein auf die Defizite, die die Betroffene hinsichtlich ihres
Sehvermögens hat. Vielmehr lässt sich
ihm entnehmen, dass der Gutachter auch bei den von ihm durchgeführten Tests die jeweiligen [X.], die ein hinreichendes Sehvermögen voraussetzen, durch andere Einzelaufgaben ersetzt hat. Nach einer Gesamtschau ist der Sachverständige zu dem vom [X.] in Bezug genommenen Schluss gelangt, es
fänden sich bei der Betroffenen
ausgeprägte Denkstörungen, ein verlangsamter Denk-ablauf, Verluste im Kurz-
und Langzeitgedächtnis mit vollkommen einge-schränkten bis erloschenen höheren Hirnleistungen
einschließlich des formalen Denkens und dem Erfassen von komplexen Vorgängen.
22
-
9
-
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Be-deutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).

[X.]

Schilling

Günter

[X.]

Krüger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.12.2014 -
5 [X.] 377 -

LG [X.], Entscheidung vom 19.01.2015 -
8 T 16/15 -

23

Meta

XII ZB 46/15

13.07.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.07.2016, Az. XII ZB 46/15 (REWIS RS 2016, 8254)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8254

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 46/15 (Bundesgerichtshof)

Betreuungssache: Prüfung der Qualifikation des Sachverständigen durch das Gericht


XII ZB 385/16 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 581/15 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 289/16 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 581/15 (Bundesgerichtshof)

Betreuungssache: Zulässigkeit der Anhörung des Betroffenen durch beauftragtes Mitglied der Beschwerdekammer; Anforderungen an die Feststellungen …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XII ZB 46/15

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.