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Betreuungssache: Prüfung der Qualifikation des Sachverständigen durch das Gericht
Ergibt sich die Qualifikation des Sachverständigen nicht ohne Weiteres aus seiner Fachbezeichnung als Arzt, ist seine Sachkunde vom Gericht zu prüfen und in der Entscheidung darzulegen. Hierfür genügt regelmäßig die tatrichterliche Feststellung, dass der beauftragte Sachverständige Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie ist (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2015, XII ZB 381/15, FamRZ 2016, 456).
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des [X.] vom 19. Januar 2015 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
[X.]: 5.000 €
I.
Die 1929 geborene Betroffene wendet sich gegen die Anordnung ihrer Betreuung.
Die Betroffene leidet an Demenz. Anfang des Jahres 2014 erteilte sie ihrem [X.], dem Beteiligten zu 2, eine Vorsorgevollmacht.
Nach Anhörung der Betroffenen und Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Amtsgericht der anwaltlich vertretenen Betroffenen eine Berufsbetreuerin für folgende [X.] bestellt: Gesundheitsfürsorge einschließlich der Entscheidung über die Zustimmung zur ärztlichen Heilbehandlung und auch operativen Eingriffen, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Geltendmachung von Ansprüchen, Leistungen der Kranken- und der Pflegekasse, Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten, Widerruf von Vollmachten und Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post. Ferner hat das Amtsgericht hinsichtlich der Vermögenssorge einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Das [X.] hat die Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich diese mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Nach Auffassung des [X.]s liegen die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung gegen den Willen der Betroffenen vor. Wie dem Gutachten des Sachverständigen, eines auf dem Gebiet der Psychiatrie erfahrenen Arztes, zu entnehmen sei, leide die Betroffene an einer fortschreitenden hirnorganischen Leistungseinbuße im Sinne einer vaskulären Demenzerkrankung mit ausgeprägten Denkstörungen, einem verlangsamten Denkablauf, Verlusten im Kurz- und Langzeitgedächtnis mit vollkommen eingeschränkten bis erloschenen Hirnleistungen einschließlich des formalen Denkens und dem Erfassen von komplexen Vorgängen. Sie verfüge über keine Alltagskompetenz mehr. Die Geschäftsfähigkeit sei danach nicht mehr gegeben. Die freie Willensbildung sei bis auf einen natürlichen Willen eingeschränkt.
Einer Anhörung durch die Kammer habe es nicht bedurft. Die Betroffene sei erst am 28. Oktober 2014 vom [X.] in ihrer Wohnung angehört worden. Angesichts der bei ihr vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei mit einer Besserung der körperlichen und intellektuellen Defizite in keinem Fall mehr zu rechnen. Zudem sei es nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht mehr möglich, sich mit ihr über die Betreuungsangelegenheiten zu verständigen. Es sei daher anzunehmen, dass die Betroffene sich in einem weiteren Anhörungstermin ebenso wenig wie bisher inhaltlich zu den zur Entscheidung stehenden Fragen würde äußern können.
Die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts sei zum Schutz der Betroffenen erforderlich, um der Betreuerin rechtlich die Möglichkeit einzuräumen, das Konto zu überwachen und zu intervenieren, insbesondere zu verhindern, dass der Beteiligte zu 2 seine Mutter finanziell ausnutze. In der Vergangenheit seien bereits regelmäßig Geldbeträge von ihrem Konto abgeflossen, ohne dass diese Beträge für die Betroffene selbst verwandt worden seien, wie die Ermittlungen des Amtsgerichts ergeben hätten.
Die Auswahl der Betreuerin sei nicht zu beanstanden, insbesondere komme es wegen seines Verhaltens nicht in Betracht, den Beteiligten zu 2 zum Betreuer zu bestellen, auch wenn die Betroffene diesem eine - wenn auch unwirksame - Vorsorgevollmacht erteilt habe.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung stand.
a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde brauchte das [X.] die Betroffene nicht erneut anzuhören.
aa) Gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG kann das Beschwerdegericht von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
bb) So liegt der Fall hier. Der Amtsrichter hat die Betroffene am 28. Oktober 2014 angehört und die Anhörung umfangreich protokolliert. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde beschränkt sich der [X.] nicht auf Feststellungen zur Sehschwäche der Betroffenen. Dort heißt es vielmehr unter anderem, dass die Betroffene kaum richtig begreife, worum es gehe und was um sie herum geschehe. Sie habe sich laufend wiederholt, immer wieder nachgefragt, den Sachverständigen und den [X.] offenbar für Angehörige des [X.] gehalten und unzweifelhaft erkennen lassen, dass sie nichts mehr sehe. Wenn das [X.] bei dieser Sachlage unter anderem unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen davon ausgeht, dass sich die Betroffene in einem weiteren Anhörungstermin ebenso wenig wie bisher inhaltlich zu den zur Entscheidung stehenden Fragen würde äußern können, ist das von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht auch einer Verwertung des vom Amtsgericht eingeholten Sachverständigengutachtens nichts im Wege.
aa) Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 FamFG soll der in einem Betreuungsverfahren mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Sachverständige Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein. Ergibt sich die Qualifikation nicht ohne Weiteres aus der Fachbezeichnung des Arztes, ist seine Sachkunde vom Gericht zu prüfen und in der Entscheidung darzulegen (Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2015 - [X.] 381/15 - FamRZ 2016, 456 Rn. 14 mwN).
bb) Dem ist das [X.] gerecht geworden. Zwar weist die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hin, dass der Sachverständige ausweislich seines Gutachtens lediglich Facharzt für Innere Medizin ist. Nachdem aber bereits das Amtsgericht festgestellt hatte, dass der Sachverständige Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sei, hat das [X.] in der Sache ebenfalls ausgeführt, dass es sich bei dem Sachverständigen um einen auf dem Gebiet der Psychiatrie erfahrenen Arzt handele. Zwar vermag nach der Rechtsprechung des Senats der allgemein gehaltene Hinweis des Tatrichters auf den gerichtsbekannt sorgfältigen und kompetenten Sachverständigen, der ihm aus vielen Betreuungs- und Unterbringungsverfahren als sorgfältig arbeitend und fachkundig bekannt sei, den Nachweis der konkret erforderlichen Qualifikation nicht zu ersetzen (Senatsbeschluss vom 16. Mai 2012 - [X.] 454/11 - FamRZ 2012, 1207 Rn. 14). Anders als in jenem Fall hat das [X.] vorliegend jedoch - wenn auch knapp - festgestellt, dass es sich bei dem Sachverständigen um einen auf dem Gebiet der Psychiatrie erfahrenen Arzt handelt.
c) Ebenso geht die Rüge der Rechtsbeschwerde fehl, die Einrichtung einer Betreuung sei wegen Vorliegens einer Vollmacht nicht erforderlich.
aa) Ein Betreuer darf nur bestellt werden, soweit die Betreuerbestellung erforderlich ist (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 [X.]). An der Erforderlichkeit fehlt es, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Eine Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen. Anders kann es liegen, wenn Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmachterteilung oder am Fortbestand der Vollmacht bestehen, die geeignet sind, die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr und damit die Wahrnehmung von Rechten des Betroffenen durch den Bevollmächtigten zu beeinträchtigen (Senatsbeschluss vom 17. Februar 2016 - [X.] 498/15 - FamRZ 2016, 704 Rn. 12).
Ist die Unwirksamkeit der Vorsorgevollmacht indes positiv festgestellt, ist die Betreuung erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - [X.] 425/14 - FamRZ 2016, 701 Rn. 11 f. mwN).
bb) Zwar liegt eine auf den Beteiligten zu 2 lautende Vorsorgevollmacht der Betroffenen von Anfang 2014 vor. Nach den Feststellungen des [X.]s ist die Vollmacht jedoch unwirksam. In dem von der angefochtenen Entscheidung in Bezug genommenen Gutachten heißt es dazu, dass sich die intellektuellen - eine Geschäftsfähigkeit ausschließenden - Einschränkungen bei der Betroffenen in den zurückliegenden Jahren bei ihr schleichend und fortschreitend entwickelt hätten, aber in der heute vorgefundenen und geschilderten Ausprägung mit Sicherheit auch schon Anfang des Jahres 2014 vorgelegen hätten.
Damit kommt es auf die - vom [X.] ebenfalls verneinte - Frage, ob der Beteiligte zu 2 als Bevollmächtigter geeignet ist (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Februar 2016 - [X.] 498/15 - FamRZ 2016, 704 Rn. 12 mwN), nicht mehr an.
d) Schließlich sind auch die vom [X.] in Bezug genommenen Feststellungen des Sachverständigen, wonach die Betroffene nicht mehr in der Lage dazu ist, einen freien Willen zu bilden, von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
aa) Nach § 1896 Abs. 1a [X.] darf gegen den freien Willen des Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden. Wenn der Betroffene - wie hier - der Einrichtung einer Betreuung nicht zustimmt, ist neben der Notwendigkeit einer Betreuung stets zu prüfen, ob die Ablehnung durch den Betroffenen auf einem freien Willen beruht. Das fachärztlich beratene Gericht hat daher festzustellen, ob der Betroffene trotz seiner Erkrankung noch zu einer freien Willensbestimmung fähig ist (Senatsbeschluss vom 14. Januar 2015 - [X.] 352/14 - FamRZ 2015, 648 Rn. 10 mwN).
bb) Dem ist das [X.] gerecht geworden. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde beschränkt sich das Gutachten hinsichtlich der entsprechenden Feststellungen nicht allein auf die Defizite, die die Betroffene hinsichtlich ihres Sehvermögens hat. Vielmehr lässt sich ihm entnehmen, dass der Gutachter auch bei den von ihm durchgeführten Tests die jeweiligen Einzelaufgaben, die ein hinreichendes Sehvermögen voraussetzen, durch andere Einzelaufgaben ersetzt hat. Nach einer Gesamtschau ist der Sachverständige zu dem vom [X.] in Bezug genommenen Schluss gelangt, es fänden sich bei der Betroffenen ausgeprägte Denkstörungen, ein verlangsamter Denkablauf, Verluste im Kurz- und Langzeitgedächtnis mit vollkommen eingeschränkten bis erloschenen höheren Hirnleistungen einschließlich des formalen Denkens und dem Erfassen von komplexen Vorgängen.
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Klinkhammer Schilling Günter
Nedden-Boeger [X.]
Meta
13.07.2016
Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: ZB
vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 19. Januar 2015, Az: 8 T 16/15
§ 280 Abs 1 S 2 FamFG
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.07.2016, Az. XII ZB 46/15 (REWIS RS 2016, 8276)
Papierfundstellen: REWIS RS 2016, 8276
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
XII ZB 46/15 (Bundesgerichtshof)
XII ZB 385/16 (Bundesgerichtshof)
Betreuungssache: Qualifikation des mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragten Sachverständigen
XII ZB 581/15 (Bundesgerichtshof)
Betreuungssache: Zulässigkeit der Anhörung des Betroffenen durch beauftragtes Mitglied der Beschwerdekammer; Anforderungen an die Feststellungen …
XII ZB 581/15 (Bundesgerichtshof)
XII ZB 385/16 (Bundesgerichtshof)