Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.05.2010, Az. VIII B 272/09

8. Senat | REWIS RS 2010, 6333

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Gegenstand

NATO-Truppenstatut: Fehlen eines inländischen Wohnsitzes


Leitsatz

1. NV: Es ist hinreichend geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges oder Angehörige diese Mitglieds sich mit Erfolg darauf berufen können, sich "nur in dieser Eigenschaft" im Inland aufgehalten zu haben mit der Folge, dass das Fehlen eines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts fingiert wird.

2. NV: Die von der Rechtsprechung insofern verlangte Feststellung eines Rückkehrwillens verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in den Jahren 1991 bis 1997 unbeschränkt steuerpflichtig waren.

2

Der Kläger, [X.] Staatsangehöriger, leistete nach abgeschlossenem Hochschulstudium in den 1950er Jahren den Wehrdienst bei den [X.] [X.] u.a. in der [X.]. Dort lernte er auch seine zukünftige Ehefrau, die Klägerin, eine [X.] Staatsangehörige kennen. Nach seiner Entlassung aus der [X.] 1955 blieb der Kläger in [X.] und heiratete die Klägerin; diese nahm die [X.] Staatsbürgerschaft an. Der Kläger erhielt zunächst eine Anstellung bei der [X.] in [X.]; später wurde er von der [X.] als [X.] übernommen und machte in [X.] Karriere als …historiker. Die Töchter der Kläger haben [X.] Schulen und Colleges besucht und jeweils [X.] Staatsbürger geheiratet. Die Familien der Töchter leben in [X.]. Seit 1967 lebten die Kläger in [X.] in einem eigenen Einfamilienhaus. Sie waren jedoch nicht in [X.] gemeldet. In [X.] besitzen sie eine Wohnung in einer Altenwohnanlage. Diese Wohnung hat der Kläger 1989 von seinem Vater geerbt. Die Kläger nutzten die Wohnung zu Aufenthalten in [X.]. Die Kläger erzielten Einkünfte aus in [X.] angelegtem Kapitalvermögen. Ihre Einkommensteuererklärungen gaben sie in [X.] ab. Dort zahlten sie auch ihre Steuern vom Einkommen.

3

Nach einer Durchsuchung der Wohnräume der Kläger ging der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt), davon aus, dass die Kläger in [X.] unbeschränkt steuerpflichtig seien und setzte wegen der von den Klägern erzielten Kapitaleinkünfte Einkommensteuer fest. Die vom Kläger erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurden bei der Berechnung des Steuersatzes erhöhend berücksichtigt, blieben jedoch steuerfrei. Im Ausland gezahlte Steuern wurden angerechnet.

4

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) hat die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, der Senat habe nicht feststellen können, dass die Kläger in den Streitjahren entschlossen gewesen seien, nach Beendigung der Berufstätigkeit des [X.] in die [X.] zurückzukehren. Die inländische unbeschränkte Steuerpflicht könne deshalb nicht verneint werden. Gegen das Urteil, mit dem das [X.] die Klage abgewiesen hat, wenden sich die Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

5

Die Kläger haben nach eigenen Angaben zum … 2010 [X.] verlassen und sind in die [X.] zurückgekehrt, nachdem der 1930 geborene Kläger nun auf eigenen Antrag in den Ruhestand versetzt worden ist.

Entscheidungsgründe

6

II. [X.] ist nicht begründet. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) liegen nicht vor. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O).

7

1. Unstreitig hatten die Kläger ihren Wohnsitz im Inland (§ 8 der Abgabenordnung). Sie waren deshalb auch grundsätzlich im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes). Dagegen berufen sich die Kläger auf Art. [X.] 1 Satz 1 des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19. Juni 1951 --NATOTrStat-- ([X.] 1961, 1190). Nach dieser Vorschrift wird das Fehlen eines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts für die [X.]abschnitte fingiert, in denen sich ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges des [X.] "nur in dieser Eigenschaft" im [X.] aufhält. Dasselbe gilt nach Art. 68 Abs. 4 des [X.] vom 3. August 1959 ([X.] 1961, 1218) für Angehörige der Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges.

8

2. Der Kläger war unstreitig Mitglied des zivilen Gefolges der [X.]; die Klägerin Angehörige eines Mitglieds eines zivilen Gefolges. Streitig war allein, ob sich der Kläger "nur in dieser Eigenschaft" in [X.] aufgehalten hat. Die bei der Auslegung und Anwendung dieses Merkmals des [X.] zu beachtenden rechtlichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) hinreichend geklärt.

9

a) Entsprechend dem Wortlaut der Bestimmung greift die Fiktion nicht ein, wenn sich eine Person auch aus anderen Gründen im Inland aufhält (vgl. [X.]-Urteil vom 9. November 2005 [X.], [X.]E 211, 500, [X.], 374). Die Ausnahme von der unbeschränkten Steuerpflicht kann deshalb nur bejaht werden, wenn anhand von Indizien festgestellt werden kann, dass die betreffende Person in dem maßgeblichen [X.]raum fest entschlossen war, nach Beendigung ihres Dienstes in den Ausgangs- oder in ihren Heimatstaat zurückzukehren (vgl. [X.]-Urteile in [X.]E 211, 500, [X.], 374; vom 22. Februar 2006 [X.], juris; [X.]-Beschlüsse vom 28. Februar 2008 [X.]/07, [X.]/NV 2008, 973; vom 2. Oktober 2008 [X.], [X.]/NV 2009, 21).

b) Die Frage, ob der Aufenthalt ausschließlich auf dem Umstand der Mitgliedschaft bei einer [X.] oder einem zivilen Gefolge beruht, ist im Wesentlichen eine Frage tatsächlicher Art, die von der zuständigen Finanzbehörde bzw. dem [X.] als Tatsacheninstanz zu beantworten ist ([X.]-Urteile vom 24. Februar 1988 [X.], [X.]E 153, 30, [X.] 1989, 290; vom 24. Februar 1988 [X.]/84, juris; [X.]-Beschluss vom 18. Oktober 1994 [X.], [X.]/NV 1995, 735). Maßgeblich sind die Lebensumstände des jeweiligen [X.], nicht das spätere Verhalten des Betreffenden, das jedoch indiziell herangezogen werden darf. Die Beweislast hierfür trifft den Steuerpflichtigen (vgl. Senatsbeschluss in [X.]/NV 2008, 973).

c) Nach diesen Maßstäben hat das [X.] im Streitfall den [X.] der Kläger verneint. Diese Würdigung wird nicht schon dadurch widerlegt, dass die Kläger mittlerweile in die [X.] zurückgekehrt sind. Auch soweit die Kläger die Würdigung des [X.] für unzutreffend halten, werfen sie keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, denn das Rechtsmittel der Revision dient nicht der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des [X.]-Urteils im Einzelfall. An die tatsächliche Würdigung des [X.] wäre der [X.] auch im Rahmen einer Revision grundsätzlich gebunden (§ 118 Abs. 2 [X.]O).

3. Soweit die Kläger --gestützt auf ein Rechtsgutachten-- sinngemäß geltend machen, bei der Auslegung von Art. [X.] 1 Satz 1 NATOTrStat dürfe nicht auf den [X.] abgestellt werden, weil der Kläger als loyaler Beamter während seiner aktiven Dienstzeit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht seines Dienstherrn [X.] und einen davon abweichenden Willen gar nicht bilden könne, erfordert dieser Einwand keine Revision der bisherigen Rechtsprechung. Wie das [X.] zu Recht ausgeführt hat, ist der Einwand schon deshalb unerheblich, weil die Rechtsprechung auf die [X.] nach der Beendigung des aktiven Dienstes abstellt. Die Kläger haben selbst nicht behauptet, dass [X.] Beamte für die [X.] nach der Beendigung ihres aktiven Dienstverhältnisses den Willen, in die [X.] zurückzukehren, nicht bilden dürfen. Auch der völkerrechtliche Grundsatz der Organhoheit gebietet es nicht, bei der Auslegung von Art. [X.] 1 Satz 1 NATOTrStat von der Feststellung des [X.]s abzusehen. Die von den Klägern vorgeschlagene sehr enge Auslegung würde darauf hinauslaufen, dass Art. [X.] 1 Satz 1 NATOTrStat hinsichtlich der einschränkenden Voraussetzung, dass sich die Person "nur in dieser Eigenschaft" im Inland aufhalten muss, keinen eigenständigen Anwendungsbereich hätte. Dem kann nicht gefolgt werden.

Meta

VIII B 272/09

26.05.2010

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 7. Oktober 2009, Az: 7 K 98/06, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 118 Abs 2 FGO, Art 10 Abs 1 S 1 NATOTrStat, § 1 Abs 1 EStG 1990, § 1 Abs 1 EStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.05.2010, Az. VIII B 272/09 (REWIS RS 2010, 6333)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6333


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 BvR 1717/10

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1717/10, 13.04.2012.


Az. VIII B 272/09

Bundesfinanzhof, VIII B 272/09, 26.05.2010.


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