Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.09.2012, Az. I B 10/12

1. Senat | REWIS RS 2012, 3095

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Gegenstand

Unbeschränkte Steuerpflicht einer "technischen Fachkraft" nach NATO-Truppenstatut - Rückkehrwille


Leitsatz

1. NV: Eine "technische Fachkraft" i.S. des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut ist trotz Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie sich nur in dieser Eigenschaft im Inland aufhält; dies ist der Fall, wenn nach ihren gesamten Lebensumständen erkennbar ist, dass sie nach Beendigung ihres Dienstes in den Ausgangsstaat oder in ihren Heimatstaat zurückkehren wird (vgl. BFH-Urteil vom 9. November 2005 I R 47/04, BFHE 211, 500, BStBl II 2006, 374) .

2. NV: Der erforderliche feste Entschluss zur Rückkehr in den Ausgangsstaat oder Heimatstaat verlangt eine zeitliche Fixierung im Hinblick auf die Rückkehr nach Beendigung des Dienstes. Es genügt nicht, irgendwann nach Beendigung des Dienstes zurückkehren zu wollen, die Rückkehr muss vielmehr in einer gewissen zeitlichen Nähe zur Beendigung des Dienstes stehen .

Tatbestand

1

I. Die [X.]eteiligten streiten darüber, ob der Kläger und [X.]eschwerdeführer (Kläger) sich in den Streitjahren 2000 bis 2004 gemäß [X.]rt. [X.] 1 Satz 1 des [X.]bkommens zwischen den Parteien des [X.] über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19. Juni 1951 --N[X.]TOTrStat-- ([X.] 1961, 1190) i.V.m. [X.]rt. 73 Satz 1 des [X.] zu dem [X.]bkommen zwischen den Parteien des [X.] über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der [X.] stationierten ausländischen Truppen vom 3. [X.]ugust 1959 --N[X.]TOTrStatZ[X.]bk-- ([X.] 1961, 1218) ausschließlich in seiner Eigenschaft als technische Fachkraft in der [X.] ([X.]) aufgehalten hat und demgemäß nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen ist.

2

Der Kläger ist Staatsangehöriger der [X.] ([X.]). Von 1978 bis Ende 1999 war er Soldat bei den Streitkräften der [X.] und in dieser Funktion immer wieder in [X.] stationiert. Seit 1982 ist der Kläger mit der Klägerin, einer [X.] Staatsangehörigen, verheiratet. Im gleichen Jahr wurde die gemeinsame Tochter geboren. Unterbrochen durch einzelne versetzungsbedingte [X.]uslandsaufenthalte lebte der Kläger mit seiner Familie seit 1985 in [X.] ([X.]). Die Kläger erwarben dort im September 1999 ein Einfamilienhaus. Die Tochter besuchte während des [X.]ufenthalts in [X.] ausschließlich [X.] Schulen und nahm in [X.] auch ein Studium auf. Seit [X.]nfang der 90-er Jahre sind die Kläger aktive Mitglieder im örtlichen Tennisverein. Sie sind Eigentümer eines Hauses in den [X.], das in den Streitjahren vom Vater des [X.] bewohnt wurde. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hauses in [X.]. Der Kläger hat in den [X.] Geschwister, die Klägerin in [X.].

3

Nachdem der Kläger den Entschluss gefasst hatte, seine Tätigkeit als Leiter der militärischen [X.]usbildung an der [X.] ([X.]) aufzugeben und den Militärdienst zu beenden, nahm er mit Vertrag vom Dezember 1999 ein [X.]rbeitsverhältnis bei der [X.], einer Firma, die Dienstleistungen für die Streitkräfte der [X.] erbringt, auf. Er trat die Stelle im Januar 2000 an. Sein regelmäßiger Einsatzort war [X.] ([X.]), wobei er mehrmals im Monat Dienstreisen ins [X.] [X.]usland unternahm. [X.]ufgrund seiner Tätigkeit wurde dem Kläger der Status einer technischen Fachkraft nach [X.]rt. 73 Satz 1 N[X.]TOTrStatZ[X.]bk zuerkannt. Die Klägerin hatte bereits im Oktober 1999 eine neue [X.]rbeitsstelle in einem Reisebüro in [X.] angetreten.

4

Der [X.]eklagte und [X.]eschwerdegegner (das Finanzamt --F[X.]--) ging zunächst allein von einer unbeschränkten Steuerpflicht der Klägerin in [X.] aus. [X.]ufgrund von Feststellungen der [X.] bei der [X.] des Finanzamts C gelangte er zu der [X.]uffassung, dass der Kläger sich nicht ausschließlich aus beruflichen Gründen in [X.] aufhalte und deshalb auch er in [X.] unbeschränkt steuerpflichtig sei. Nachdem das F[X.] die Einkünfte des [X.] für die Jahre 2000 bis 2003 geschätzt hatte, gaben die Kläger Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2000 bis 2004 ab. Das F[X.] änderte daraufhin die Festsetzungen für die Jahre 2000 bis 2003 und setzte für das [X.] erstmalig Einkommensteuer fest.

5

Einspruch und Klage gegen die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre blieben erfolglos. Das Finanzgericht ([X.]) war aufgrund der [X.]eweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger sich eine neue [X.]rbeitsstelle in [X.] gesucht habe, die sich mit dem [X.]estreben auf Wiederbegründung des Wohnsitzes in [X.] vereinbaren ließ. Die [X.]ufnahme der Tätigkeit durch den Kläger bei der Firma [X.] stelle sich mithin als Folge des [X.] auf eine (erneute) Wohnsitzbegründung in [X.] im Raum [X.] dar. Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

Entscheidungsgründe

6

II. [X.] ist nicht begründet. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) liegen nicht vor. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O).

7

1. a) Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch [X.] ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des [X.] ([X.]), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen. Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des [X.] für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der [X.] bislang noch nicht auseinandergesetzt hat. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen ([X.]-Beschluss vom 19. Januar 2006 VIII B 114/05, [X.]/NV 2006, 709, m.w.N.).

8

b) Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Soweit die Kläger die Rechtsfrage als klärungsbedürftig ansehen, welche Kriterien dafür ausschlaggebend sind, dass sich eine technische Fachkraft "nur in dieser Eigenschaft" i.S. von Art. [X.] 1 Satz 1 NATOTrStat im Inland aufhält und insbesondere, ob ein sog. "[X.]" bereits zeitlich fixiert sein muss oder ob es genügt, wenn aufgrund objektiver Tatsachen feststeht, dass die technische Fachkraft nach Beendigung ihrer Tätigkeit zurückkehrt, ist eine Klärungsbedürftigkeit nicht dargetan. Die bei der Auslegung und Anwendung dieses Merkmals des [X.] zu beachtenden rechtlichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des [X.] hinreichend geklärt. Eine erneute Klärung der Rechtsfrage ist nicht geboten.

9

aa) Nach Art. [X.] 1 Satz 1 NATOTrStat wird das Fehlen eines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts für die Zeitabschnitte fingiert, in denen sich ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges des [X.] "nur in dieser Eigenschaft" im [X.] aufhält. Dasselbe gilt nach Art. 68 Abs. 4 [X.] auch für Angehörige der Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges. Entsprechend dem Wortlaut der Bestimmung greift die Fiktion nicht ein, wenn sich eine Person auch aus anderen Gründen im Inland aufhält (vgl. Senatsurteil vom 9. November 2005 [X.], [X.]E 211, 500, [X.], 374). Die Ausnahme von der unbeschränkten Steuerpflicht kann deshalb nur bejaht werden, wenn anhand von Indizien festgestellt werden kann, dass die betreffende Person in dem maßgeblichen Zeitraum fest entschlossen war, nach Beendigung ihres Dienstes in den Ausgangs- oder in ihren Heimatstaat zurückzukehren (vgl. Senatsurteile in [X.]E 211, 500, [X.], 374; vom 22. Februar 2006 I R 17/05, juris; [X.]-Beschlüsse vom 26. Mai 2010 VIII B 272/09, [X.]/NV 2010, 1819; vom 28. Februar 2008 VIII B 129/07, [X.]/NV 2008, 973; vom 2. Oktober 2008 VI B 132/07, [X.]/NV 2009, 21).

bb) Die Frage, ob der sog. "[X.]" während des Aufenthalts in [X.] bereits zeitlich fixiert sein muss oder ob es genügt, wenn aufgrund objektiver Tatsachen feststeht, dass die technische Fachkraft nach Beendigung ihrer Tätigkeit zurückkehrt, stellt sich insoweit --entgegen der Auffassung der [X.] nicht. Der erforderliche feste Entschluss, nach Beendigung ihres Dienstes in den Ausgangs- oder in ihren Heimatstaat zurückzukehren, verlangt eine zeitliche Fixierung im Hinblick auf die Rückkehr nach der Beendigung des Dienstes. Es genügt dagegen nicht, irgendwann nach Beendigung des Dienstes zurückkehren zu wollen, die Rückkehr muss vielmehr in einer gewissen zeitlichen Nähe zur Beendigung des Dienstes stehen. Im Wesentlichen ist dies eine Frage tatsächlicher Art, die von der zuständigen Finanzbehörde bzw. dem [X.] als Tatsacheninstanz zu beantworten ist (Senatsurteile vom 24. Februar 1988 I R 69/84, [X.]E 153, 30, [X.] 1989, 290; vom 24. Februar 1988 I R 70/84, juris; Senatsbeschluss vom 18. Oktober 1994 I B 27/94, [X.]/NV 1995, 735). Maßgeblich sind die Lebensumstände des jeweiligen [X.], nicht das spätere Verhalten des Betreffenden, das jedoch indiziell herangezogen werden darf. Die Beweislast hierfür trifft den Steuerpflichtigen (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2008, 973).

cc) Im Ergebnis wenden sich die Kläger gegen die Würdigung des [X.], die sie für unzutreffend halten. Sie werfen damit aber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, denn das Rechtsmittel der Revision dient nicht der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des [X.]-Urteils im Einzelfall. An die tatsächliche Würdigung des [X.] wäre der [X.] auch im Rahmen einer Revision grundsätzlich gebunden (§ 118 Abs. 2 [X.]O).

2. Die Kläger haben ferner geltend gemacht, eine Entscheidung des [X.] sei zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative [X.]O), indes weder eine schlüssige Divergenzrüge erhoben noch einen sog. qualifizierten [X.] dargetan (zu den Voraussetzungen im Einzelnen vgl. [X.]-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, [X.]/NV 2006, 799). Sinngemäß wird vorgetragen, dass die Grundsätze der Entscheidung [X.] auf den vorliegenden Fall nicht richtig angewandt worden seien. Damit werden wiederum nur Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend gemacht und kein Zulassungsgrund dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung relevant sein können; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten. Gleiches gilt hinsichtlich einer behaupteten unzulänglichen Beweiswürdigung, die revisionsrechtlich ebenfalls dem materiellen Recht zuzuordnen ist ([X.]-Beschluss in [X.]/NV 2006, 799).

Meta

I B 10/12

18.09.2012

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 9. Dezember 2011, Az: 3 K 1929/07, Urteil

Art 10 Abs 1 NATOTrStat, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, Art 73 S 1 NATOTrStatZAbk, § 8 AO, § 1 EStG 2002, § 1 EStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.09.2012, Az. I B 10/12 (REWIS RS 2012, 3095)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3095

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