Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.06.2022, Az. VIII ZB 44/22

8. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 4828

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Rechtsbeschwerdeverfahren gegen eine Räumungsvollstreckung bei Wohnraum: Einstweilige Einstellung der Vollstreckung wegen Wegfalls der Voraussetzungen eines vom Wohnraummieter erklärten Verzichts auf Vollstreckungsschutz


Tenor

Die Zwangsvollstreckung aus dem vor dem [X.] am 29. September 2021 geschlossenen [X.] wird bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe eingestellt, dass die Zwangsvollstreckung unzulässig bleibt, wenn die Beschwerdeführerin ab Juli 2022 die Zahlung der im Vergleich vereinbarten Bruttomiete an den Beschwerdegegner vornimmt.

Gründe

1

Das Rechtsbeschwerdegericht kann im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 570 Abs. 3 Halbs. 1, § 575 Abs. 5 ZPO auch die Vollziehung einer Entscheidung der ersten Instanz aussetzen, wenn hierdurch dem Rechtsbeschwerdeführer größere Nachteile drohen als dem Gegner, die Rechtsbeschwerde zulässig erscheint und die Rechtsmittel des Rechtsbeschwerdeführers nicht von vornherein ohne Erfolgsaussicht sind (Senatsbeschlüsse vom 4. Februar 2010 - [X.], [X.], 252 Rn. 1; vom 18. Mai 2010 - [X.], [X.] 2010, 1055; vom 15. November 2011 - [X.], [X.], 703 Rn. 1; vom 14. Februar 2012 - [X.], [X.], 158 Rn. 3; vom 28. September 2021 - [X.] 43/21, [X.], 57 Rn. 1 mwN). Entsprechendes gilt, wenn die Vollstreckung eines von der ersten Instanz protokollierten Räumungsvergleichs droht (§ 794a Abs. 1 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

2

Durch die Vollstreckung des Räumungsvergleichs würde der Beschwerdeführerin ein unwiederbringlicher Nachteil entstehen. Nach den von der Rechtsbeschwerde vorgelegten Unterlagen befürchtet der Beschwerdegegner zwar ebenfalls nicht unerhebliche Nachteile im Falle des vorläufigen Verbleibens der Beschwerdeführerin in der Wohnung. Jedoch überwiegen diese Nachteile nicht die von der Beschwerdeführerin zu vergegenwärtigenden Nachteile. Diese sieht sich einem nicht rückgängig machbaren Verlust der Mietwohnung ausgesetzt. Vor einem solchen Verlust ist sie einstweilen aufgrund ihrer durch die - mittels ärztlicher Atteste belegte - drei Monate nach Abschluss des Räumungsvergleichs erlittene Schussverletzung am Kopf hervorgerufenen und noch andauernden besonderen persönlichen und gesundheitlichen Situation zu schützen.

3

Der nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaften, frist- und formgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde ist in der Sache eine Erfolgsaussicht nicht abzusprechen. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde vor dem Hintergrund zugelassen, dass die Fragen, ob der in einem Räumungsvergleich erklärte Verzicht des Mieters auf [X.] (§ 794a Abs. 1, 2 ZPO) wirksam ist und ob er sich gegebenenfalls auch auf unvorhersehbare und unbekannte Härtegründe erstreckt, umstritten sind und höchstrichterlich noch keine Klärung erfahren haben (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2008 - [X.] 28/08, NJW-RR 2009, 422 Rn. 5). Angesichts dessen kann die Erfolgsaussicht der Rechtsbeschwerde derzeit nicht verneint werden.

4

Je nach Beurteilung dieser Rechtsfragen könnte - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - unter Umständen eine Unwirksamkeit des Verzichts auf [X.] aus § 313 BGB (Wegfall vorausgesetzter künftiger Umstände) in Betracht kommen. Denn die Beschwerdeführerin hat in der Beschwerdeinstanz Tatsachen vorgetragen, die es als nicht ausgeschlossen erscheinen lassen, dass die Geschäftsgrundlage aufgrund ihrer nachträglich eingetretenen und unvorhersehbaren gesundheitlichen Situation entfallen ist.

[X.]     

        

Dr. Bünger     

        

Kosziol

        

Wiegand     

        

Dr. Reichelt     

        

Meta

VIII ZB 44/22

03.06.2022

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Bremen, 10. Mai 2022, Az: 1 T 122/22

§ 570 Abs 3 ZPO, § 575 Abs 5 ZPO, § 794a Abs 1 ZPO, § 794a Abs 2 ZPO, § 313 BGB, § 535 BGB, §§ 535ff BGB, § 546 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.06.2022, Az. VIII ZB 44/22 (REWIS RS 2022, 4828)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4828

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII ZB 6/24 (Bundesgerichtshof)

Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde obliegt dem Kollegialorgan.


VIII ZB 43/21 (Bundesgerichtshof)

Räumungsvollstreckung: Aussetzung der Vollstreckung durch das Rechtsbeschwerdegericht


VIII ZB 90/22 (Bundesgerichtshof)

Zurückweisung einer Berufung durch Beschluss; Auslegung eines Wiedereinsetzungsantrags


VIII ZB 44/22 (Bundesgerichtshof)

Kostenentscheidung nach Erledigung in der Hauptsache


VIII ZB 44/22 (Bundesgerichtshof)


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.