Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.07.2020, Az. AK 17/20

3. Strafsenat | REWIS RS 2020, 11372

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:220720BAK17.20.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 17/20

vom
22. Juli 2020
in dem Strafverfahren
gegen

wegen
mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und seiner Verteidiger am 22.
Juli 2020 gemäß §§
121, 122 [X.] be-schlossen:

Die Untersuchungshaft hat [X.].
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem [X.] übertragen.

Gründe:
I.
Der Angeschuldigte ist am 2.
Januar 2020 aufgrund Haftbefehls des
Ermittlungsrichters des [X.] vom 27.
November 2019 (6
BGs 125/19) in der Fassung des [X.] vom 5.
Dezember 2019 (6
BGs
129/19) festgenommen worden und befindet sich aufgrund dieses [X.] in Verbindung mit dem Änderungsbeschluss vom 3.
Januar
2020 (6
BGs
3/20) seither ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe sich im Zeitraum von April 2018 bis Juni 2019 in F.

und anderen Orten der Bundesrepublik
[X.] als Mitglied einer Vereinigung im Ausland beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§
211 StGB) oder Totschlag (§
212 StGB) zu begehen, strafbar gemäß §
129a Abs.
1 Nr.
1, §
129b Abs.
1 StGB. Der Angeschuldigte habe als [X.] der Arbeiterpartei 1
-
3
-
[X.]s (Partiya [X.]; nachfolgend: [X.]) und ihrer Teilstruk-turen in [X.] das [X.]-Gebiet "F.

"
sowie die [X.]-Region "H.

"
geleitet
und habe auf die [X.]-Region "S.

"
(gemeint: "S.

/R.

")
bezogene Weisungs-
und Kontrollbefugnisse wahrgenommen.
Mit Anklageschrift vom 11.
Mai 2020 hat der [X.] am 18.
Mai 2020 die öffentliche Klage gegen den Angeschuldigten zum Oberlan-desgericht Koblenz erhoben. Die Anklage legt ihm in tatsächlicher Hinsicht über den Haftbefehlsvorwurf hinaus zur Last, sich bereits ab Juni 2017, vor allem in Sa.

, mitgliedschaftlich für die [X.] betätigt zu haben. Bis April 2018 habe er
als [X.] das [X.]-Gebiet "Sa.

"
geleitet.
II.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1.
Gegenstand des besonderen Haftprüfungsverfahrens ist der [X.] vollzogene -
berichtigte und geänderte
-
Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vom 27.
November 2019, zu dessen Anpassung oder Erweiterung nur das gemäß §
126 Abs.
2 Satz
1 [X.] zuständige [X.] befugt ist. Die Haftprüfung ist grundsätzlich auf den in dem Haftbefehl erhobenen Vorwurf beschränkt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28.
Juli 2016 -
AK
41/16, juris Rn.
9; vom 11.
Januar 2017 -
AK
67/16, juris Rn.
22).
Dem Haftprüfungsgericht ist es jedenfalls verwehrt, anhand der [X.] die im Haftbefehl umschriebene prozessuale Tat auszutauschen oder den 2
3
4
-
4
-
Haftbefehl über diese hinaus in tatsächlicher Hinsicht zu erweitern (s. [X.], [X.] vom 6.
Dezember 2017 -
AK
63/17, [X.], 53, 54).
In welchem Umfang eine Befugnis des [X.] bestehen kann, den im Haftbefehl geschilderten Lebenssachverhalt innerhalb der nämli-chen prozessualen Tat zu ergänzen, bedarf keiner Entscheidung; denn auf eine Anpassung des im vorgelegten Haftbefehl erhobenen Vorwurfs in tatsächlicher Hinsicht kommt es hier nicht an. Zwar legt die Anklage dem Angeschuldigten auch zur Last, als [X.] in einem früheren Zeitraum eine weite-re Organisationseinheit der [X.] geleitet zu haben, nämlich von Juni 2017 bis April 2018 das [X.]-Gebiet "Sa.

". Jedoch trägt der ursprüngliche Vor-wurf, der Angeschuldigte sei von April 2018 bis Juni 2019 als ([X.] für das [X.]-Gebiet "F.

"
sowie für die [X.]-Regionen "H.

"
und "S.

/R.

"
tätig gewesen, bereits für sich gesehen die Fortdauer der
Untersuchungshaft.
2.
Der Angeschuldigte ist der ihm im Haftbefehl vom 27.
November 2019 vorgeworfenen Tat dringend verdächtig.
a)
Im Sinne eines dringenden Tatverdachts ist von folgendem Sachver-halt auszugehen:
[X.])
Die [X.] wurde 1978 unter anderem von [X.] in der [X.] als Kaderorganisation mit dem Ziel gegründet, einen kurdischen National-st[X.]t unter ihrer Führung zu schaffen. Zur Verwirklichung dieses Plans initiierte die [X.] verschiedene Organisationen, die mehrfach ihre Bezeichnung wech-selten. So besteht seit 2007 -
unter dieser Bezeichnung
-
die "Koma Civakên [X.]"
("Vereinigte Gemeinschaften [X.]", im Folgenden: [X.]), die 5
6
7
8
-
5
-
auf einen st[X.]tsähnlichen "konföderalen"
Verbund der kurdischen Siedlungsge-biete in der [X.], in [X.], im [X.] und im [X.] zielt und dabei umfangreiche st[X.]tliche Attribute beansprucht wie Parlament, Gerichtsbarkeit, Armee und St[X.]tsbürgerschaft.
Die [X.] ist, ebenso wie die [X.], auf die Person [X.] aus-gerichtet. Daneben vollzieht sich die Willensbildung innerhalb der Organisation etwa über den "Kongra Gele [X.]"
(KONGRA GEL -
"Volkskongress [X.]") und den [X.]-Exekutivrat. Die Führungskader folgen grundsätzlich dieser Willensbildung und setzen die getroffenen Entscheidungen um. Zur Überprüfung haben sie den Kadern [X.] regelmäßig Be-richt über ihre Tätigkeit zu erstatten.
Fester Bestandteil der Strukturen der [X.]/[X.] sind auch die "[X.] Gel"
("Volksverteidigungskräfte", fortan: [X.]), die nach dem Willen der Führung handeln. Sie betrachten im Rahmen der von ihnen vorgenomme-nen "Selbstverteidigung"
einen [X.] als legitimes Mittel. Die [X.] [X.] vor allem im Südosten der [X.] mittels Sprengstoff und Waffen [X.] gegen [X.] Soldaten sowie Polizisten, wobei sie eine Vielzahl von ihnen verletzten oder töteten. Die [X.] bekannten sich seit der Aufkündigung eines "Waffenstillstands"
zum 1.
Juni 2004 zu über hundert Anschlägen.
Das Präsidium des Exekutivrats der [X.] erklärte, nachdem [X.] aus der Haft heraus eine Friedensbotschaft verlesen und zu einer ge-waltfreien politischen Lösung des Konflikts aufgerufen hatte, ab dem 23.
März 2013 eine Feuerpause. In der Folge verübten die [X.] zwar deutlich weniger Anschläge, ohne dass damit aber eine Abkehr von der Ausrichtung der [X.] auf die Begehung von Tötungsdelikten verbunden gewesen wäre; viel-mehr enthielt die Erklärung bereits den Vorbehalt, dass im Fall von Angriffen 9
10
11
-
6
-
von dem "Recht auf Selbstverteidigung"
Gebrauch gemacht und Vergeltung geübt werde.
Nachdem der "Friedensprozess"
im Juli 2015 endgültig zum Erliegen [X.] war, kam es in der Folge zu Gefechten mit den [X.]n Streitkräf-ten, die ihrerseits mit massiver militärischer Gewalt vorgingen. In diesen [X.] spielte die "[X.] revolutionäre Jugendbewegung"
(YDGH -
Yurtsever Devrimci Genclik Hareketi), die sich mit den [X.] der [X.] zusammenschloss, eine bedeutsame Rolle. Parallel [X.] nahmen die Anschläge der [X.], bei denen Angehörige der [X.]n Si-cherheitskräfte, aber auch Zivilisten getötet oder verletzt wurden, wieder erheb-lich zu.
Der Schwerpunkt der Strukturen und das eigentliche Aktionsfeld der [X.] liegen in den von [X.] bevölkerten Gebieten in der [X.], in [X.], im [X.] und im [X.]. Zahlreiche -
regelmäßig nur auf die Unterstützung der politischen und militärischen Auseinandersetzung mit dem [X.]n St[X.]t ausgerichtete
-
Aktivitäten betreibt die [X.] indes auch in [X.] und anderen Ländern [X.]. Dazu bediente sie sich bis Juli 2013 der "[X.] a [X.]"
("Kurdische Demokratische Gesellschaft", im Folgenden: [X.]), die die Direktiven der [X.]-Führung umzusetzen hatte und namentlich dazu diente, die in [X.] lebenden [X.] zu organisieren. Entsprechend den Vorgaben des 10.
[X.]-Kongresses vom Mai 2013 zur Neustrukturierung der [X.] in Eu-ropa benannte sich der [X.] Dachverband [X.]-naher Vereine "Konfö-deration der kurdischen Vereine in [X.]"
([X.]) im Juli 2013 in "[X.] der [X.] in [X.]"
([X.]) um. Unter der Bezeichnung [X.] werden nicht nur die Strukturen des [X.], son-dern auch diejenigen der [X.] fortgeführt.
12
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-
7
-
Unterhalb der Führungsebene war und ist [X.] in Organisationseinhei-ten verschiedener Ebenen eingeteilt. In [X.] gab es seit 2002 die drei Sektoren ("saha") "Süd", "Mitte"
und "Nord"; seit 2012 ist der Sektor "Süd"
in die Sektoren "Süd
1"
und "Süd
2"
aufgeteilt. [X.] wurden in den vier Sek-toren neun Regionen ("eyalet") mit insgesamt 31
Gebieten ("bölge") gebildet. Für jede Organisationseinheit wird von der Führung mindestens ein [X.] eingesetzt; Sektoren, Regionen und Gebiete werden in der Regel von einem durch die Organisation alimentierten, professionellen Führungskader ge-leitet. Die Organisationseinheiten stellen der [X.] Finanzmittel bereit, rekrutie-ren Nachwuchs für den Guerillakampf und betreiben Propaganda. Dabei haben sie die Vorgaben der [X.]führung umzusetzen und ihr über die Erfüllung
ihrer Aufgaben regelmäßig Bericht zu erstatten.
bb)
Nachdem der Angeschuldigte bereits ab Ende Juni 2017 unter dem Decknamen "

"
als [X.] mit den Leitungsaufgaben des
[X.]-Gebiets "Sa.

"
betraut gewesen war, übernahm er ab Anfang April
2018 die Leitung des [X.]-Gebiets "F.

"
und übte zugleich eine gebiets-
übergreifende Führungsfunktion aus. Diese umfasste in erster Linie die Verant-wortlichkeit für die aus den [X.]-Gebieten "F.

", "M.

"
und "G.

"
bestehende [X.]-Region "H.

", erstreckte sich aber auch auf Aufgaben, welche auf die aus den [X.]-Gebieten "Sa.

", "Ma.

"
und "D.

"
zu-
sammengesetzte [X.]-Region "S.

/R.

"
bezogen waren.
Auf die Arbeit der anderen Gebietsverantwortlichen in den Regionen "H.

"
und "S.

/R.

"
sowie [X.] und Aktivisten in seinem Zuständigkeitsbereich nahm der Angeschuldigte bestimmenden Ein-14
15
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-
8
-
fluss. Er stand mit ihnen in regelmäßiger persönlicher und telefonischer Verbin-dung, koordinierte ihre Arbeit, gab ihnen Anweisungen und ließ sich über die Entwicklung in den Räumen und Gebieten Bericht erstatten. Er selbst war ge-genüber der [X.]führung berichtspflichtig und hatte die von dort erteilten Weisungen zu befolgen. Er informierte die [X.]führung in regelmäßigen Ab-ständen über die wesentlichen Vorgänge in den beiden Regionen und reiste zu Treffen mit ihnen in die [X.] oder nach [X.]. Neben persönlichen und telefonischen Kontakten fand der Austausch von Anweisungen, Informatio-nen und Berichten über vereinigungsinterne Internetpostfächer statt.
Im Rahmen von [X.] und Versammlungen war der Angeschuldigte damit befasst, die ihm nachgeordneten Personen im Vorfeld dieser Ereignisse zu informieren, auf die Erledigung anfallender Arbeiten hin-zuwirken und eine möglichst hohe Beteiligung zu gewährleisten. Ferner koordi-nierte er die Sammlung von "Spendengeldern", bemühte sich darum, potentielle "Spender"
zu Zahlungen
zu veranlassen, und vermittelte Reisen [X.] zur [X.]führung.
b)
Hinsichtlich der außer[X.]n terroristischen Vereinigung [X.] und ihrer Teilstrukturen in [X.] ergibt sich der dringende Verdacht aus [X.] [X.], die in [X.] dargestellt sind, sowie aus öffentlichen Verlautbarungen der Vereinigung. Diese [X.] und Verlautbarungen waren bereits Grundlage zahlreicher Verurteilungen von Kadern der [X.] durch verschiedene Oberlandesgerichte.
Bezüglich der Funktion des Angeschuldigten als [X.] und seiner mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen beruht der dringende Verdacht insbesondere auf den Ergebnissen der Telekommunikationsüberwa-chung (Gespräche und [X.]), daneben auf weiteren Beweismitteln, 17
18
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-
9
-
so der Auswertung von sichergestellten Datenträgern und schriftlichen Unterla-gen. Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen sind an drei dem Ange-schuldigten zuzuordnenden Mobilfunkanschlüssen und zwei ihm [X.] durchgeführt worden. Hinzu kommen Erkenntnisse aus insgesamt acht verfahrensfremden Überwachungsmaßnahmen an Mobil-funkanschlüssen und -endgeräten. Nach Aktenlage wird die dem Angeschuldig-ten angelastete mitgliedschaftliche Betätigung durch eine hohe Anzahl schriftli-cher und verschriftlichter Telekommunikationskontakte sowie zahlreiche Urkun-den und Augenscheinobjekte belegt.
Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] und vor allem das in der Anklage-schrift des [X.]s im Einzelnen dargelegte wesentliche Ergeb-nis der Ermittlungen.
c)
In rechtlicher Hinsicht ist der haftbefehlsgegenständliche Vorwurf als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer
ausländischen terroristischen Vereini-gung (§
129a Abs.
1 Nr.
1, §
129b Abs.
1 Satz
1 und 2 StGB) zu beurteilen.
[X.])
Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand stellt die [X.] aufgrund ihrer Verbandsstruktur eine Vereinigung dar, bei der sich der Einzelne entsprechend den intern bestehenden Regeln dem Gruppenwillen unterordnet. Aufgrund ihrer Organisationsstruktur und des von ihr verfolgten übergeordneten gemeinsamen Interesses erfüllt sie den Vereinigungsbegriff nach der Legaldefinition des §
129 Abs.
2 StGB. Die [X.] ist angesichts des von ihr in Anspruch genommenen, indes nicht bestehenden "Selbstverteidigungsrechts"
und der durch ihre [X.] [X.] verübten Anschläge darauf ausgerichtet, Mord (§
211 StGB) oder Totschlag (§
212 StGB) zu begehen. Für die Anschläge besteht kein Rechtfertigungsgrund nach Völkervertrags-
oder Völkergewohnheitsrecht (s. 20
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-
10
-
[X.], Beschlüsse vom 6.
Mai 2014 -
3
StR
265/13, [X.], 274; vom 8.
Februar 2018 -
AK
3/18, [X.], 106).
-
11
-
bb)
Nach Aktenlage förderte der Angeschuldigte die Vereinigung nicht nur von außen, sondern, getragen von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am [X.], von innen, und nahm damit eine Stellung innerhalb der Organisation ein, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet (hierzu -
zum alten wie zum neuen Recht -
s. [X.], [X.] vom 28.
Juni 2018 -
StB 11/18, [X.], 369, 370
f.; vom 9.
Juni
2020 -
AK
12/20, juris Rn.
24, jeweils
mwN). Durch die mutmaßlichen Tätigkeiten, die der Angeschuldigte gleichzeitig als ([X.] für zwei [X.]-Regionen und ein -Gebiet ausübte, beteiligte er sich [X.] an der Vereinigung.
cc)
Die nach §
129b Abs.
1 Satz
2 und 3 StGB erforderliche Ermächti-gung zur strafrechtlichen Verfolgung
von Regional-
und Gebietsleitern der [X.] hat das [X.] am 6.
September 2011 erteilt.
3.
Neben dem dringenden Tatverdacht liegen die weiteren allgemeinen Voraussetzungen für die Anordnung und den Vollzug der Untersuchungshaft vor.
a)
Nach Ergreifung des flüchtigen Angeschuldigten ist der zunächst be-stehende Haftgrund der Flucht (§
112 Abs.
2 Nr.
1 [X.]) entfallen (s. [X.], [X.] vom 7.
März 2019 -
AK
5/19, juris Rn.
51). Allerdings ist seither -
wie der Ermittlungsrichter des [X.] in seinem Änderungsbeschluss vom 3.
Januar 2020 ausgeführt hat
-
der Haftgrund der Fluchtgefahr (§
112 Abs.
2 Nr.
2 [X.]) gegeben. Dies ergibt sich aus der Würdigung folgender Um-stände:
23
24
25
26
-
12
-
Der Angeschuldigte hatte sich aus Furcht vor Strafverfolgung wegen sei-ner Betätigung für die [X.] schon einmal in die [X.] abgesetzt. Bereits im Hinblick auf den haftbefehlsgegenständlichen Vorwurf hat er im Fall seiner Ver-urteilung mit einer ihn empfindlich treffenden Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Der Angeschuldigte hatte seine selbständige Tätigkeit als Imbissbetreiber Anfang 2016 aufgegeben. Jedenfalls seit April 2018 ist er über-haupt keiner Berufstätigkeit mehr nachgegangen. Als hochwahrscheinlich über einen längeren Zeitraum tätiger [X.] verfügt er mit demselben Grad der Wahrscheinlichkeit über zahlreiche Beziehungen innerhalb der [X.], die er unter Inanspruchnahme der entsprechenden Strukturen nutzen kann, um sich erneut zumindest ins [X.] Ausland abzusetzen und/oder unterzu-tauchen (zum notwendigen Beweismaß vgl. [X.], Beschluss vom 5.
Oktober 2018 -
StB
43 u. 44/18, juris Rn.
37). Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass er sich, sollte er in Freiheit gelangen, dem weiteren Strafverfahren durch Flucht entziehen wird.
Die aufgeführten Umstände begründen zudem die Gefahr, dass die [X.] der Tat ohne die weitere Inhaftierung des Angeschuldigten vereitelt wer-den könnte, so dass die Fortdauer der Untersuchungshaft bei der gebotenen restriktiven Auslegung des §
112 Abs.
3 [X.] (vgl. [X.]/[X.], [X.], 63.
Aufl., §
112 Rn.
37 mwN) desgleichen auf den dort geregelten -
subsidiären
-
Haftgrund der [X.] gestützt werden kann.
b)
Eine -
auch bei verfassungskonformer Auslegung im Rahmen des §
112 Abs.
3 [X.] mögliche
-
Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§
116 [X.]) ist nicht erfolgversprechend. Unter den genannten Umständen kann der 27
28
29
-
13
-
Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als ihren Vollzug erreicht werden.
c)
Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht derzeit nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu [X.] Strafe (§
120 Abs.
1 Satz
1 [X.]).
4.
Die spezifischen Voraussetzungen des §
121 Abs.
1 [X.] für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor. Der besondere Umfang der Ermittlungen sowie deren besondere Schwierigkeit
haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft:
Die [X.] umfassen mittlerweile 107
Stehordner. Die Ermittlungen haben sich aufwendig gestaltet. Nach der Festnahme des Angeschuldigten sind insbesondere ein Mobiltelefon, ein [X.] und Schriftstücke ausgewertet worden. Überdies sind zahlreiche [X.] über [X.] erstellt worden, die bei den Telekommunikationsüberwa-chungsmaßnahmen aufgezeichnet worden waren; mit Schreiben vom 9.
April 2020 hat das [X.] dem [X.] den wesentlichen Teil dieser Niederschriften übersandt. Noch bevor die übrigen Protokolle vorge-legen haben, hat der [X.], um dem Anspruch des [X.] auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist effektiv Rechnung zu tragen, am 18.
Mai 2020 Anklage erhoben.
Der Vorsitzende des 2.
Strafsenats des Oberlandesgerichts hat am 19.
Mai 2020 die Zustellung der Anklageschrift und eine angemessene, [X.] nicht zu lange, Erklärungsfrist gemäß §
201 Abs.
1 [X.] bis zum 5.
Juni 2020 verfügt. Unter dem 18.
Juni 2020 hat er -
ohne dass sich der 2.
Strafsenat 30
31
32
33
-
14
-
im Hinblick auf den [X.] bereits zu einer Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens imstande gesehen hat oder hätte sehen müs-sen
-
die Akten zur besonderen Haftprüfung vorgelegt.
Nach alledem ist das Verfahren stets mit der in Haftsachen gebotenen Zügigkeit gefördert worden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ermittlungen zur Kadertätigkeit des Angeschuldigten von Juni 2017 bis April 2018 erhebliche Bedeutung für den Nachweis der mitgliedschaftlichen Beteiligung im [X.] Zeitraum von April 2018 bis Juni 2019 haben, auf den sich der im vor-gelegten Haftbefehl dargelegte dringende Verdacht bezieht. Dementsprechend erwähnt der Haftbefehl die vorausgegangene Leitung des [X.]-Gebiets "Sa.

"

auch in Ansätzen unter dem Gesichtspunkt der verdachtsbegründenden Be-weislage.
Spaniol
Paul
Berg
34

Meta

AK 17/20

22.07.2020

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.07.2020, Az. AK 17/20 (REWIS RS 2020, 11372)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11372

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