Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.02.2014, Az. XII ZB 46/13

12. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7977

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Gegenstand

Vergütungsfestsetzung für den anwaltlichen Ergänzungspfleger: Nachträgliche rückwirkende Feststellung berufsmäßiger Amtsführung in einem Altfall


Leitsatz

Die nachträgliche rückwirkende Feststellung, dass ein Ergänzungspfleger die Pflegschaft berufsmäßig führt, kann auch in Altfällen, in denen das Bestellungsverfahren vor dem 1. September 2009 eingeleitet worden ist, nur im Bestellungsverfahren selbst und nicht im Vergütungsfestsetzungsverfahren getroffen werden (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 8. Januar 2014, XII ZB 354/13, juris und vom 9. November 2005, XII ZB 49/01, FamRZ 2006, 111).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 3 (Staatskasse) wird der Beschluss des 5. [X.] des [X.] vom 10. Januar 2013 aufgehoben.

Die Beschwerden der weiteren Beteiligten zu 2 gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts - Familiengericht - [X.] vom 16. Juni 2011 in der Form des [X.] vom 14. September 2011 werden mit der folgenden klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen:

Die der weiteren Beteiligten zu 2 aus der Staatskasse zu erstattenden Ansprüche für ihre Tätigkeit als [X.] werden unter Zurückweisung ihrer weitergehenden [X.] vom 8. September 2009, 7. Dezember 2009, 16. Februar 2010 und 14. April 2010 auf 199,92 € festgesetzt. Der [X.] vom 11. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsmittelverfahren sind gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

1

Das Verfahren betrifft die Festsetzung der Vergütung für die anwaltliche [X.] eines unbegleitet eingereisten minderjährigen Flüchtlings.

2

Die 2004 geborene Betroffene reiste im Jahr 2009 ohne ihre Eltern aus [X.] in die [X.] ein und wurde von dem Jugendamt der [X.], ihrem späteren Amtsvormund, in Obhut genommen. Durch Beschluss vom 14. August 2009 richtete das Amtsgericht eine [X.] mit dem Aufgabenkreis "Vertretung in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten" ein und bestellte die Beteiligte zu 2 - eine Rechtsanwältin - zur [X.]. Die Feststellung einer berufsmäßigen Führung der Pflegschaft wurde nicht getroffen.

3

Zwischen dem 8. September 2009 und dem 14. April 2010 reichte die [X.] für ihre Tätigkeit im Rahmen der Pflegschaft insgesamt vier Einzelabrechnungen nach [X.] über insgesamt 594,32 € bei dem Amtsgericht ein, die allesamt im [X.] zur Auszahlung kamen. Als die [X.] am 11. Oktober 2010 eine weitere Abrechnung über 219,81 € einreichte, beantragte der Bezirksrevisor die förmliche Festsetzung der Vergütung unter Beschränkung auf die Gebührensätze der Beratungshilfe.

4

Das Amtsgericht hat diesem Begehren entsprochen. Auf die ersten vier [X.] der [X.] zwischen dem 8. September 2009 und dem 14. April 2010 hat es eine Vergütung von 99,96 € festgesetzt; die weitergehenden [X.] hat es zurückgewiesen und eine Rückforderung des überzahlten Betrages von 494,36 € angekündigt. Ferner hat es durch gesonderten Beschluss den [X.] vom 11. Oktober 2010 zurückgewiesen. Den dagegen gerichteten Beschwerden der [X.] hat das Amtsgericht bezüglich des ersten Beschlusses teilweise abgeholfen und eine weitere Vergütung von nochmals 99,96 € festgesetzt, wodurch sich die angekündigte Rückforderung auf 394,40 € ermäßigte.

5

Der Familiensenat bei dem [X.] hat den weitergehenden Beschwerden in vollem Umfang entsprochen. Er hat die berufsmäßige Führung der [X.] festgestellt und die der [X.] aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf insgesamt 814,13 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Staatskasse, welche mit ihrem Rechtsmittel das Ziel verfolgt, die Vergütung der Beteiligten zu 2 auf (lediglich) 199,92 € festzusetzen.

II.

6

Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

7

1. Zur Begründung seiner in [X.], 894 veröffentlichten Entscheidung hat das Beschwerdegericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der für einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling bestellte anwaltliche Ergänzungspfleger wählen könne, ob er für seine berufsspezifischen Dienste Aufwendungsersatz nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes verlangen oder eine Vergütung seiner Tätigkeit nach Stunden beanspruchen wolle. Der von der [X.] gewählte Vergütungsanspruch sei nicht auf die Gebührensätze der Beratungshilfe beschränkt, weil sie überzeugend dargelegt habe, dass die von ihr im Rahmen der Pflegschaft entfalteten Tätigkeiten über die typischen Dienste im Rahmen eines Beratungshilfemandats hinausgegangen seien. Zwar habe das Amtsgericht bei der [X.] keine Feststellung zur berufsmäßigen Führung der Pflegschaft getroffen; dies könne aber noch im Festsetzungsverfahren und dort durch das Beschwerdegericht nachgeholt werden.

8

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Die [X.] konnte nicht zwischen einer Vergütung nach Stundensätzen und einem Aufwendungsersatz nach anwaltlichem Gebührenrecht wählen. Denn es fehlt an der für den Vergütungsanspruch konstitutiven Feststellung im Bestellungsbeschluss, dass die [X.] berufsmäßig geführt wird; diese Feststellung kann entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts im [X.] nicht mit Rückwirkung nachgeholt werden.

9

a) Nach § 1915 Abs. 1 BGB iVm § 1836 Abs. 1 Satz 1 BGB wird die [X.] unentgeltlich geführt. Sie wird ausnahmsweise entgeltlich geführt, wenn das Gericht bei der Bestellung des [X.] die berufsmäßige Führung der Pflegschaft feststellt (§ 1915 Abs. 1 BGB iVm § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Frage, ob der Ergänzungspfleger die Pflegschaft berufsmäßig führt, ist nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes bereits "bei der Bestellung" des [X.] zu klären. Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers. Das Verfahren über die Festsetzung der Vergütung soll nicht mit einem Streit über die Berufsmäßigkeit der Pflegschaft belastet und die Klärung von Zweifelsfragen deshalb in das Bestellungsverfahren vorverlagert werden. Zugleich soll im Interesse der Rechtsklarheit und Kalkulierbarkeit für alle Beteiligten rechtzeitig feststehen, ob und welche Ansprüche (Vergütung oder Aufwendungsersatz) dem Ergänzungspfleger aus der Führung der Pflegschaft erwachsen können und welche Lasten daher mit der Bestellung des [X.] für den Pflegling oder für die Staatskasse verbunden sind. Daraus folgt auch, dass der Feststellung der Berufsmäßigkeit für den Vergütungsanspruch eines Berufspflegers eine konstitutive Bedeutung zukommt (grundlegend Senatsbeschluss vom 9. November 2005 - [X.]/01 - [X.], 111, 114). Nach diesen Maßgaben kommt nach der Rechtsprechung des Senats eine nachträgliche Feststellung der Berufsmäßigkeit mit Rückwirkung grundsätzlich nicht in Betracht. Hierfür besteht auch kein anzuerkennendes Bedürfnis, weil sich der Ergänzungspfleger, der sich gegen die unterbliebene Feststellung der berufsmäßigen Führung einer Pflegschaft wenden will, insoweit die befristete Beschwerde (§ 58 FamFG) gegen den Bestellungsbeschluss einlegen kann. Diese ermöglicht eine Überprüfung im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Bestellungsbeschluss und eine Rückwirkung auf den Bestellungszeitpunkt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Januar 2014 - [X.] 354/13 - juris Rn. 15 f. mwN und vom 9. November 2006 - [X.]/01 - [X.], 111, 114).

b) Im vorliegenden Fall ergibt sich nichts anderes dadurch, dass der vom 14. August 2009 datierende Bestellungsbeschluss des Amtsgerichts noch unter der Geltung des bis zum 31. August 2009 gültigen Verfahrensrechts erging.

Zwar kann diese Entscheidung - soweit sie die unterbliebene Feststellung der Berufsmäßigkeit betrifft - mit einer unbefristeten Beschwerde nach § 19 [X.] angegriffen werden, woran das zum 1. September 2009 in [X.] getretene Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den An-gelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ([X.]-RG) und die in diesem Zusammenhang erlassenen Übergangsvorschriften (Art. 111 Abs. 1 und 2 [X.]-RG) nichts geändert haben (Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - [X.] 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 9 ff.; [X.] Beschluss vom 1. März 2010 - [X.] - FamRZ 2010, 639 Rn. 8 ff.).

Indessen bleibt es nach den Maßgaben der [X.] hierzu grundlegend ergangenen Senatsentscheidung (Senatsbeschluss vom 9. November 2005 - [X.]/01 - [X.], 111, 114) auch unter der Geltung des alten Rechtszustands dabei, dass der im Bestellungsbeschluss getroffenen oder unterbliebenen Feststellung der Berufsmäßigkeit sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht eine konstitutive Bedeutung für den Vergütungsanspruch des [X.] zukommt und dass die Frage nach der Berufsmäßigkeit der Führung der [X.] im eigentlichen Bestellungsverfahren zu klären ist, welches bei Einlegung entsprechender Rechtsmittel auch mehrere Instanzen umgreifen kann. Die Nachholung der im Bestellungsbeschluss unterbliebenen Feststellung nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB war schon nach altem Recht nicht Teil des [X.] (vgl. [X.] 2001, 19, 21), sondern sie stellte die Korrektur einer fehlerhaften [X.] dar, zu der nur die dafür zuständigen (Rechtsmittel-)Gerichte berufen sind (vgl. [X.], 1484, 1485). Auch unter der Geltung des bis zum 31. August 2009 geltenden Rechts kommt daher eine mit Rückwirkung versehene Feststellung der Berufsmäßigkeit im [X.] nicht in Betracht, wenn diese Feststellung auf ein Rechtsmittel im Bestellungsverfahren getroffen werden kann (offengelassen in der von dem Beschwerdegericht in Bezug genommenen Entscheidung des [X.] 2009, 132, 133).

Im vorliegenden Fall war die Bestellung eines [X.] für ein unter elterlicher Sorge oder Vormundschaft stehendes Kind (§ 1909 BGB) nach dem alten Rechtszustand den Vormundschaftsgerichten zugewiesen und aus diesem Grunde keine Familiensache nach § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Mit der Entscheidung über die Beschwerde (§ 19 [X.]) gegen die [X.] wäre daher das [X.], mit der weiteren Beschwerde (§ 27 [X.]) ein Zivilsenat bei dem [X.] zu befassen.

Dose                              Schilling                     Günter

          Nedden-Boeger                       Botur

Meta

XII ZB 46/13

12.02.2014

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 10. Januar 2013, Az: 5 WF 215/11, Beschluss

§ 1836 BGB, § 1915 BGB, Art 111 FGG-RG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.02.2014, Az. XII ZB 46/13 (REWIS RS 2014, 7977)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7977

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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