Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.04.2014, Az. XII ZB 190/13

12. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5976

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Gegenstand

Vergütung des Umgangspflegers: Nachträgliche Feststellung einer berufsmäßigen Amtsführung


Leitsatz

Zur nachträglichen Feststellung berufsmäßiger Amtsführung eines Umgangspflegers (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 8. Januar 2014, XII ZB 354/13, FamRZ 2014, 468 und vom 29. Januar 2014, XII ZB 372/13, FamRZ 2014, 653).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 5 (Landeskasse) wird der Beschluss des 12. Zivilsenats - [X.] - des [X.] vom 18. März 2013 aufgehoben.

Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 5 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - [X.] vom 13. Dezember 2012 abgeändert.

Der Vergütungsantrag der weiteren Beteiligten zu 3 (Umgangspflegerin) vom 17. Juli 2012 in der Fassung vom 15. Oktober 2012 wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Rechtsmittelverfahren sind gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

1

Das Verfahren betrifft die Festsetzung der Vergütung für die Umgangspflegerin in einer Kindschaftssache.

2

Durch Beschluss vom 6. Januar 2012 hat das Amtsgericht den Umgang mit dem betroffenen Kind geregelt, für die Dauer von sechs Monaten eine Umgangspflegschaft eingerichtet und die Beteiligte zu 3 zur Umgangspflegerin bestellt. Die Feststellung einer berufsmäßigen Führung der Pflegschaft wurde im Bestellungsbeschluss nicht getroffen.

3

Wegen ihrer Tätigkeit im Rahmen der Pflegschaft reichte die Umgangspflegerin bei dem Amtsgericht mit Schreiben vom 17. Juli 2012 eine Abrechnung auf Stundenbasis in einer Gesamthöhe von 4.228,96 € ein. Im Rahmen einer Stellungnahme zu diesem Vergütungsantrag beanstandete die Bezirksrevisorin, dass es an einer förmlichen Bestellung der Umgangspflegerin gefehlt habe und die Berufsmäßigkeit der Führung der Pflegschaft nicht festgestellt worden sei. Die Rechtspflegerin legte die Akte daraufhin der Familienrichterin vor, die am 19. August 2012 in einem handschriftlichen Aktenvermerk niederlegte, dass "die Umgangspflegerin … berufsmäßig tätig geworden" sei. Nachdem die Umgangspflegerin ihre Abrechnung teilweise korrigiert hatte, setzte das Amtsgericht die ihr aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf 3.460,52 € fest.

4

Das [X.] hat die für die Landeskasse erhobene Beschwerde der Bezirksrevisorin mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Umgangspflegschaft einer Verfahrenspflegschaft nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit systematisch deutlich näher stehe als den sonstigen Pflegschaften des bürgerlichen Rechts und daher das Fehlen einer förmlichen Bestellung in Anwesenheit des [X.] seinem Vergütungsanspruch nicht entgegenstehen könne.

5

Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Landeskasse, mit der sie ihr Ziel der vollständigen Zurückweisung des Vergütungsantrages der Umgangspflegerin weiterverfolgt.

II.

6

Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

7

Sie hat bereits deshalb Erfolg, weil es an der für den Vergütungsanspruch konstitutiven Feststellung im Bestellungsbeschluss fehlt, dass die Umgangspflegschaft berufsmäßig geführt wird. Diese Feststellung konnte auch durch den Aktenvermerk der Familienrichterin vom 19. August 2012 nicht mit Rückwirkung für den hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum von Januar bis Juli 2012 nachgeholt werden.

8

1. Die Umgangspflegschaft wird gemäß § 1684 Abs. 3 Satz 6 BGB iVm § 277 Abs. 2 Satz 1 FamFG, § 1836 Abs. 1 Satz 1 BGB unentgeltlich geführt. Sie wird ausnahmsweise entgeltlich geführt, wenn das Gericht bei der Bestellung des Pflegers die berufsmäßige Führung der Umgangspflegschaft feststellt (§ 1684 Abs. 3 Satz 6 BGB iVm § 277 Abs. 2 Satz 1 FamFG, § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Frage, ob der Umgangspfleger die Pflegschaft berufsmäßig führt, ist daher nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes bereits "bei der Bestellung" des Pflegers zu klären.

9

Wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung des [X.] mehrfach sowohl zur Bestellung eines Betreuers (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Januar 2014 - [X.] 354/13 - FamRZ 2014, 468 Rn. 11 ff. und vom 29. Januar 2014 - [X.] 372/13 - FamRZ 2014, 653 Rn. 9 ff.) als auch zur Bestellung eines Ergänzungspflegers (Senatsbeschluss vom 12. Februar 2014 - [X.] 46/13 - FamRZ 2014, 736 Rn. 9) ausgeführt hat, entspricht die frühzeitige Klärung der Berufsmäßigkeit der Amtsführung den Intentionen des Gesetzgebers. Das Verfahren über die Festsetzung der Vergütung soll nicht mit einem Streit über die Berufsmäßigkeit der Amtsführung belastet und die Klärung von Zweifelsfragen deshalb in das Bestellungsverfahren vorverlagert werden. Zugleich soll im Interesse der Rechtsklarheit und Kalkulierbarkeit für alle Beteiligten rechtzeitig feststehen, ob und welche Ansprüche (Vergütung oder Aufwendungsersatz) dem Betreuer oder Pfleger aus der Führung des Amtes erwachsen können und welche Lasten daher mit der Bestellung (gerade) dieses Betreuers oder Pflegers für den Betroffenen oder für die Staatskasse verbunden sind. Daraus folgt auch, dass der Feststellung der Berufsmäßigkeit für den Vergütungsanspruch eines Berufsbetreuers oder Berufspflegers eine konstitutive Bedeutung zukommt.

Nach diesen Maßgaben kommt eine nachträgliche Feststellung der Berufsmäßigkeit mit Rückwirkung grundsätzlich nicht in Betracht. Hierfür besteht im Allgemeinen auch kein anzuerkennendes Bedürfnis, weil sich ein Betreuer oder Pfleger, der sich gegen die unterbliebene Feststellung der berufsmäßigen Amtsführung wenden will, insoweit eine befristete Beschwerde (§ 58 FamFG) gegen den Bestellungsbeschluss einlegen kann. Diese ermöglicht eine Überprüfung im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Bestellungsbeschluss und eine Rückwirkung auf den Bestellungszeitpunkt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Januar 2014 - [X.] 354/13 - FamRZ 2014, 468 Rn. 15 f. und vom 9. November 2005 - [X.] 49/01 - [X.], 111, 114).

2. Für die Umgangspflegschaft gelten unter den hier obwaltenden Umständen keine Besonderheiten. Die Entscheidung des Familiengerichts über die Bestellung eines [X.] nach § 1684 Abs. 3 Satz 3 BGB ist eine Endentscheidung im Sinne von § 38 FamFG, die nach den allgemeinen Regeln mit der befristeten Beschwerde angefochten werden kann (klarstellend MünchKommFamFG/[X.] 2. Aufl. § 58 Rn. 23). Weil die Bestellung der Umgangspflegerin hier in einem Hauptsacheverfahren erfolgte, kommt es auch auf die streitige Frage, ob die Einrichtung einer Umgangspflegschaft im Wege einstweiliger Anordnung gemäß § 57 Satz 1 FamFG grundsätzlich unanfechtbar ist (so [X.] [10. Zivilsenat] FamRZ 2011, 574, 575 f.; [X.] Beschluss vom 25. November 2011 - 4 UF 238/11 - juris Rn. 3 ff.; [X.] Beschluss vom 8. Mai 2012 - 7 UF 23/12 - juris Rn. 24 ff.; MünchKommFamFG/[X.] 2. Aufl. § 58 Rn. 23; [X.] FamFG/[X.] [Stand: 1. Januar 2014] § 58 Rn. 67 a) oder wegen eines damit verbundenen Eingriffs in die elterliche Sorge in den Anwendungsbereich von § 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG fällt (so [X.] [15. Zivilsenat] Beschluss vom 30. August 2010 - 15 UF 181/10 - BeckRS 2012, 04365; [X.][X.] FamFG 18. Aufl. § 57 Rn. 6; Musielak/[X.] FamFG 4. Aufl. § 57 Rn. 3; im Ergebnis auch [X.], 151, 152), im vorliegenden Fall nicht an. Es kann deswegen auch dahinstehen, ob ein Pfleger, der mit einer unanfechtbaren Zwischen- oder Endentscheidung bestellt wurde, ausnahmsweise berechtigt ist, die im Bestellungsbeschluss unterbliebene Feststellung berufsmäßiger Amtsführung im [X.] nachträglich geltend zu machen (MünchKommBGB/[X.] 6. Aufl. § 1836 Rn. 6 mit [X.]. 13; [X.]/[X.] FamFG § 277 Rn. 3, jeweils für die gemäß § 276 Abs. 6 FamFG unanfechtbare Bestellung eines Verfahrenspflegers) oder ob es in diesen Fällen damit sein Bewenden hat, dass der Pfleger die Übernahme des ihm angetragenen Amtes ablehnen kann, wenn das Gericht die Berufsmäßigkeit der Amtsführung nicht feststellt oder nicht feststellen will ([X.][X.] FamFG 18. Aufl. § 277 Rn. 5, ebenfalls für den Verfahrenspfleger).

3. Im Übrigen ist die nachträgliche rückwirkende Feststellung, dass ein Pfleger die Pflegschaft berufsmäßig führt, auch dann unzulässig, wenn diese Feststellung in der [X.] versehentlich unterblieben ist. Insoweit käme eine Ergänzung des [X.] ausschließlich im Wege der Berichtigung nach § 42 FamFG und demzufolge nur dann in Betracht, wenn sich die unterbliebene Feststellung der Berufsmäßigkeit der Amtsführung als "offenbare Unrichtigkeit" im Sinne von § 42 Abs. 1 FamFG darstellt. Dies setzt allerdings voraus, dass sich die Unrichtigkeit aus dem Zusammenhang des Beschlusses selbst oder aus den Vorgängen bei seiner Verkündung bzw. Bekanntgabe ergibt und der Widerspruch zwischen [X.] und Entscheidungswillen des Gerichts auch für Dritte offen zu Tage tritt (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - [X.] 372/13 - FamRZ 2014, 653 Rn. 15). Gemessen hieran wird im vorliegenden Fall eine Berichtigung des [X.] vom 6. Januar 2012 nicht in Betracht kommen.

Dose                             Schilling                         Günter

           Nedden-Boeger                        Botur

Meta

XII ZB 190/13

30.04.2014

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Celle, 18. März 2013, Az: 12 UF 43/13

§ 1684 Abs 3 S 6 BGB, § 1836 Abs 1 S 2 BGB, § 277 Abs 2 S 1 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.04.2014, Az. XII ZB 190/13 (REWIS RS 2014, 5976)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5976

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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