Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.08.2016, Az. 1 StR 233/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 6916

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2016:100816B1STR233.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 233/16

vom
10. August
2016
in der Strafsache
gegen

wegen
Steuerhinterziehung

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat
auf Antrag des [X.] und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 10. August
2016
ge-mäß §
349 Abs.

2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. November 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 1 bis 17 der Urteilsgründe und
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.]s zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 18
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materi-ellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
1
-
3
-
I.
Nach den Feststellungen des [X.]s war der Angeklagte als frei-beruflicher Ingenieur selbstständig tätig. Er erbrachte dabei Dienstleistungen gegenüber
verschiedenen
Firmen, für die er Qualitätskontrollen und beratende [X.] im Bereich Projektmanagement ausführte. Der
Angeklag-te
beschäftigte hierbei keine Mitarbeiter, sondern war ausschließlich allein tätig. In den von ihm erstellten Rechnungen gab er statt seiner richtigen Steuernum-mer jeweils aus erdachten Ziffernfolgen gebildete fiktive Steuernummern an. Für die Jahre 2007 bis 2012 gab er keine Umsatz-, Gewerbe-
und Einkommen-steuerjahreserklärungen ab und verkürzte dadurch die sich aus den erzielten Umsätzen und Gewinnen ergebenden Steuern. Da nach Auffassung des Land-gerichts die getroffenen Feststellungen für eine konkrete Berechnung von Be-triebsausgaben nicht ausreiche-h-nung des [X.]s ergab sich durch die Nichtabgabe der Steuererklärun-gen eine Steuerverkürzung von 290.703,21 Euro. Für die Umsatzsteuer setzte das [X.] im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigungsfähige [X.] von 3.955 Euro an.
Da der Angeklagte verhindern wollte, dass das Finanzamt [X.] in Höhe von insgesamt 490.865,39 Euro gegen ihn vollstrecken konnte, machte er zudem bei einem Vollstreckungsversuch des Finanzamts im Jahr 2009 falsche Angaben über seine Vermögensverhältnisse. Er verschwieg dabei ein Konto bei der H.

Sparkasse, auf dem für ihn in den darauffolgenden Tagen Einkünfte von insgesamt 16.357,74 Euro eingingen. Die Finanzbehörden
waren deshalb nicht in der Lage, durch etwaige Pfändungen die offenen Steu-erforderungen in dieser Höhe zu senken.
2
3
-
4
-
Das [X.] hat den Angeklagten daher wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§
370
Abs.
1 Nr. 2 [X.]) in 17 Fällen und in einem weiteren Fall durch [X.] (§ 370 Abs. 1 Nr.
1 [X.]) verurteilt.

II.
Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§
344 Abs.
2 Satz
2 StPO). Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge führt zur Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen 1 bis 17 der Ur-teilsgründe und der Gesamtfreiheitsstrafe mit den zugehörigen Feststellungen. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Der Schuldspruch insgesamt und die Einzelstrafe im Fall 18 der Ur-teilsgründe werden von den Feststellungen getragen. Der nachfolgend darge-stellte Rechtsfehler des [X.]s betrifft ausschließlich den [X.]. Es ist ausgeschlossen, dass eine rechtsfehlerfreie Bestimmung der Betriebs-ausgaben des Angeklagten zum Wegfall des Schuldspruchs in irgendeiner der verfahrensgegenständlichen Taten führen kann.
2. [X.] bis 17 der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil das [X.] den [X.] nicht zutreffend bestimmt hat. Hierzu hat der [X.] ausgeführt:

h-men geschätzt´ (UA S.
36). Dabei hat die Kammer zwar unter Hinweis auf den Beschluss des [X.]s vom 10.
November 2009

1 [X.]

im Ansatz zutreffend erkannt, dass 4
5
6
7
-
5
-
Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden dürfen. Jedoch kommt eine Schätzung des [X.]s nur dann in [X.], wenn mangels vorhandener Unterlagen eine konkrete Berechnung der Bemessungsgrundlage nicht vorgenommen werden kann ([X.] aaO Rn.
16). Eine pauschale Schätzung ist erst dann zulässig, wenn sich eine konkrete Schätzung von vorneherein oder nach entsprechenden Berechnungsversu-chen als nicht möglich erweist ([X.], Urteil vom
28.
Juli 2010

1
StR 643/09 Rn.
41).

2.
Nach diesen Maßstäben kann die Beweiswürdigung der Kammer keinen Bestand haben, da sie sich aufgrund eines Denkfehlers den Blick darauf verstellt hat, dass ein Großteil der Betriebsausgaben konkret hätte berechnet werden [X.]. Die Kammer hat in ihre Beweiswürdigung eingestellt, dass der Angeklagte ´Kosten, wie Fahrten, Hotelübernachtun-gen sonstige für die Tätigkeit bei den jeweiligen Auftraggebern angefallene Aufwendungen
bei den Abrechnungen geltend machen [konRechnungen des Angeklagten gegenüber seinen [X.] ergibt´ ([X.]). Dem Angeklagten sind demnach Be-triebsausgaben erwachsen, die er seinerseits gegenüber sei-nen Auftraggebern geltend gemacht und erstattet bekommen hat. Die Kammer hat dabei nicht bedacht, dass die vorge-nannten Aufwendungen einen ´durchlaufenden Posten´ bei dem Angeklagten darstellen. Zwar hat sie bei der Ermittlung der Einnahmen jeweils die vollen

auch die Spesen [X.]

Rechnungsbeträge berücksichtigt (UA S.
15 ff.). [X.] hat sie dem Angeklagten die gebotene Anerkennung der unschwer aus den Rechnungen ersichtlichen ´Kosten´ als Be-triebsausgaben
versagt, weshalb sich die Beweiswürdigung in diesem Punkt als lückenhaft erweist.

3.
Da sich das [X.] bei der Bemessung der Einzelstra-fen, wie an den jeweiligen Relationen erkennbar ist, an der Höhe der jeweiligen ´Hinterziehungssumme´ orientiert hat (UA S.
40), wird der [X.] nicht ausschließen können, dass die Kammer wegen niedrigerer Hinterziehungsbeträge jeweils ge-ringere Einzelstrafen verhängt hätte. Hinsichtlich der verkürz-ten Umsatzsteuern hat es zwar wegen des Kompensations-verbots des §
370 Abs.
4 Satz
3 [X.] keine tatbestandlichen Auswirkungen, wenn der Täter einer Steuerhinterziehung tat--
6
-
sächlich entstandene Vorsteuern nicht geltend gemacht hat. Ein nicht geltend gemachter Vorsteuerabzug kann jedoch zu einer Minderung der nach §
46 Abs.
2 Satz
2 StGB im Rah-men der Strafzumessung zu beachtenden verschuldeten Auswirkungen der Tat führen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], [X.] vom 8.
Januar 2008

Dem schließt sich der [X.] an.
3. Angesichts der Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen 1 bis 17 der Urteilsgründe kann auch die Gesamtfreiheitsstrafe keinen Bestand haben. Da der Rechtsfehler des [X.]s die dem [X.] zugrunde liegenden Feststellungen betrifft, sind diese aufzuheben (§
353
Abs.
2 StPO).
Graf Jäger

Radtke

Mosbacher Fischer
8
9

Meta

1 StR 233/16

10.08.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.08.2016, Az. 1 StR 233/16 (REWIS RS 2016, 6916)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 6916

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 233/16 (Bundesgerichtshof)

Steuerstrafverfahren: Schätzung von Besteuerungsgrundlagen


1 StR 12/19 (Bundesgerichtshof)

Steuerverkürzung: Berücksichtigung von Schwarzlöhnen bei der Strafzumessung; Schätzung der Besteuerungsgrundlagen


5 StR 292/07 (Bundesgerichtshof)


1 StR 140/20 (Bundesgerichtshof)

Strafurteil wegen Steuerhinterziehungen: Schätzung von Besteuerungsgrundlagen


5 StR 549/06 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 StR 233/16

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.