Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.09.2019, Az. 1 StR 12/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 3865

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Gegenstand

Steuerverkürzung: Berücksichtigung von Schwarzlöhnen bei der Strafzumessung; Schätzung der Besteuerungsgrundlagen


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten [X.]und [X.]   wird das Urteil des [X.] vom 23. Juli 2018

a) betreffend beide Angeklagten,

aa) im Schuldspruch in den Fällen 21 bis 24 der Urteilsgründe dahin geändert, dass sie der Steuerhinterziehung in sechs Fällen schuldig sind;

bb) aufgehoben,

(1) in den Fällen 26 bis 28 der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen;

(2) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 21 bis 24 der Urteilsgründe, in Bezug auf die Fälle 21 und 22 der Urteilsgründe mit den Feststellungen dazu, inwieweit sich die zu Unrecht geltend gemachten Betriebsausgaben durch ausgezahlte Schwarzlöhne reduzieren;

(3) im Gesamtstrafenausspruch;

b) betreffend den Angeklagten [X.]   darüber hinaus aufgehoben, im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen;

c) betreffend den Mitangeklagten [X.]- unter Erstreckung auf diesen - aufgehoben,

aa) in den Fällen 22, 27 sowie 28 der Urteilsgründe;

bb) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 21 der Urteilsgründe;

cc) mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen 27 und 28 der Urteilsgründe sowie in den Fällen 21 und 22 der Urteilsgründe mit den Feststellungen dazu, inwieweit sich die zu Unrecht geltend gemachten Betriebsausgaben durch ausgezahlte Schwarzlöhne reduzieren;

dd) im Gesamtstrafenausspruch.

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten [X.].   wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten sowie den nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]     wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und von den Strafen jeweils drei Monate für vollstreckt erklärt. Die Vollstreckung der gegen den Mitangeklagten [X.]     verhängten Gesamtfreiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Gegen den Angeklagten [X.].   hat die [X.] zudem die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 204.667,92 Euro angeordnet.

2

Hiergegen wenden sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen und formellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge - gemäß § 357 StPO auch zugunsten des Mitangeklagten [X.]     - den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3

Das [X.] hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4

1. Ab dem [X.] hatte der Angeklagte [X.].   die Alleingesellschafterstellung sowie zwischen dem 11. Januar 2007 und dem 12. September 2008 auch die Geschäftsführung bei der [X.].                   GmbH (im Folgenden: B.  ), einem Malerbetrieb, inne. Abgesehen von dem genannten Zeitraum war der Angeklagte [X.]deren Geschäftsführer. Der Angeklagte [X.].   war darüber hinaus ab dem [X.] im gleichen Geschäftsfeld als Einzelunternehmer tätig.

5

Die [X.]war ab Mitte August 2007 damit beauftragt, Mängel an einer Vielzahl von [X.] zu beheben. Die Aufträge umfassten unterschiedliche Arbeiten, die über den Kernbereich der [X.]hinausreichten, und waren so umfangreich, dass die [X.]sie nicht allein mit ihren Arbeitnehmern erbringen konnte. Sie setzte daher Subunternehmer und in erheblichem Umfang Schwarzarbeiter ein. Insoweit vereinbarten die Angeklagten [X.].   und [X.]mit dem Mitangeklagten [X.]     , dass dessen Firmen [X.] bzw. später [X.] (jeweils im Folgenden: [X.]     ) zum einen Subunternehmerleistungen für die [X.]erbringen und dass [X.]     zum anderen auf Anforderung des Angeklagten [X.]Scheinrechnungen an die [X.]erstellen sollte. Hierfür erhielt er als Provision 10 % der jeweiligen Rechnungssumme.

6

2. Die Scheinrechnungen wurden als laufende Betriebsausgaben verbucht, um so die Entnahme von liquiden Mitteln aus der [X.]zu verschleiern und das so generierte Bargeld einerseits für die Lebenshaltungskosten des Angeklagten [X.].   und dessen Angehörigen sowie andererseits für [X.] und Bestechungsgelder einzusetzen. Die Scheinrechnungen hatten ein Gesamtvolumen von 990.197,35 Euro im Jahr 2007 und 589.068,98 Euro im Jahr 2008. Darüber hinaus verschwiegen die Angeklagten [X.].   und [X.]im Jahr 2007 eine bei der [X.]als verdeckte Gewinnausschüttung zu erfassende Zahlung an die Ehefrau des Angeklagten [X.].   über 5.033,25 Euro. In den jeweils vom Angeklagten [X.]als Geschäftsführer abgegebenen Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen für die [X.] (Fall 21) und 2008 (Fall 22) wurden die genannten verdeckten Gewinnausschüttungen nicht offengelegt, was zu entsprechenden Steuerverkürzungen führte.

7

Das [X.] ist für die einzelnen Jahre aufgrund der jeweils gleichzeitig abgegebenen Steuererklärungen für die verschiedenen Steuerarten (Körperschaft- und Gewerbesteuer) von Tateinheit ausgegangen. Einen Abzug von den geltend gemachten Betriebsausgaben für [X.], die entweder zusätzlich an sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer der [X.]oder als reine [X.] gezahlt wurden, hat das [X.] nicht vorgenommen, da es insofern ein Eingreifen des [X.] nach § 370 Abs. 4 Satz 3 [X.] angenommen hat. Lediglich im Rahmen der Strafzumessung hat es diesen Aspekt berücksichtigt, ihm aber nur geringes Gewicht beigemessen.

8

3. Darüber hinaus flossen dem Angeklagten [X.].   verdeckte Gewinnausschüttungen privat zu, ohne dass er diese in den von ihm persönlich abgegebenen Einkommensteuerklärungen für die [X.] (Fall 26), 2008 (Fall 27) und 2009 (Fall 28) als Kapitaleinkünfte offenlegte.

9

Im Hinblick auf die Höhe der entsprechenden Zuflüsse aus den durch die genannten Scheinrechnungen generierten Barmittel hat das [X.] nicht auf das Rechnungsvolumen abgestellt, da nicht feststellbar sei, inwiefern auch an die [X.]     überwiesene Beträge an die Angeklagten zurückgeflossen seien. Stattdessen hat es eine „Bargeldverkehrsrechnung“ vorgenommen und dabei neben dem Angeklagten [X.].   neun weitere, eng mit ihm verbundene Personen einbezogen. Den monatlichen Bargeldbedarf von 1.500 Euro pro [X.]pf hat die [X.] anhand der Bargeldbewegungen in zwei auf den Tatzeitraum folgenden Jahren bestimmt und den niedrigeren Jahresbetrag abgerundet. Da sich die Lebensumstände nicht geändert hätten, sei von einem gleichbleibenden Bargeldbedarf auszugehen. Die [X.] hat das [X.] als Differenz zwischen dem jährlichen Bargeldbedarf und dem Saldo aus den tatsächlichen Bareinzahlungen und -auszahlungen auf den [X.]nten des Angeklagten [X.].   und seiner Ehefrau berechnet; berücksichtigt wurden ferner größere, in bar getätigte Anschaffungen und sonstige Zahlungen im maßgeblichen Zeitraum.

Die [X.] hat angenommen, dass die so ermittelte [X.] mittels durch die genannten Scheinrechnungen generierten Bargelds gedeckt worden sei. Im Hinblick auf die Möglichkeit, dass das Geld stattdessen aus einer Bargeldreserve gestammt haben könnte, hat sie wie folgt differenziert: Für den Zeitraum Mai bis August 2007 sei von einer Barmittelreserve von rund 75.000 Euro auszugehen, da Mittel durch die Scheinrechnungen in größerem Umfang erst ab September 2007 vorhanden gewesen seien. Eine darüberhinausgehende Barmittelreserve habe es aber nicht gegeben. Bezüglich größerer [X.] in den Vorjahren - insbesondere zweier im Oktober 2005 ausgezahlter Darlehen über insgesamt 600.000 Euro sowie einer möglichen Barauszahlung über 180.000 Euro um die Jahreswende 2005/2006 - nimmt das [X.] an, dass diese jeweils zeitnah verwandt worden seien.

Neben den durch die Bargeldverkehrsrechnung ermittelten Beträgen hat es noch weitere Positionen als verdeckte Gewinnausschüttungen berücksichtigt und zwar die an den Mitangeklagten [X.]     geflossenen Provisionszahlungen, die bereits genannte Leistung an die Ehefrau, Zahlungen der Firmen [X.] und [X.].   GmbH, die für durch die [X.]erbrachte Leistungen auf ein Privatkonto des Angeklagten [X.].   überwiesen wurden, sowie Barzahlungen auf Scheinrechnungen für vorgebliche Mängelbeseitigungsarbeiten an zwei bestimmten Baumarktimmobilien.

4. Im Hinblick auf die jeweils am 31. März 2010 übermittelten Umsatzsteuervoranmeldungen der [X.]für die Monate November und Dezember 2009, bei denen jeweils einzelne Rechnungen nicht angegeben wurden, so dass die Umsatzsteuer für November um 10.070 Euro (Fall 23) und für Dezember um 11.355,82 Euro (Fall 24) verkürzt wurde, geht das [X.] wiederum wegen der gleichzeitigen Abgabe von Tateinheit aus.

5. Der Mitangeklagte [X.]     leistete durch das Ausstellen der Scheinrechnungen Beihilfe zu den Hinterziehungstaten der Angeklagten. Das [X.] ist insoweit bezogen auf die Fälle 21 (2007), 22 und 27 (2008) sowie 28 (2009) von drei Fällen der Beihilfe ausgegangen.

II.

1. Die Verfahrensrüge des Angeklagten [X.]hat aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift näher dargelegten Gründen keinen Erfolg. Auf die Verfahrensrüge des Angeklagten [X.].   kommt es nicht an, da das angefochtene Urteil hinsichtlich der Fälle 26 bis 28 der Urteilsgründe - auf welche sich die Rüge ausschließlich bezieht - schon sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht standhält (vgl. 2.c)).

2. [X.] führen in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang zur Änderung und Aufhebung des angegriffenen Urteils.

a) Im Hinblick auf die Fälle 21 bis 24 der Urteilsgründe waren die Schuldsprüche dahingehend abzuändern, dass die Angeklagten jeweils der Steuerhinterziehung in sechs Fällen schuldig sind. Hierzu hat der [X.] in seinen Antragsschriften ausgeführt:

„Die konkurrenzrechtliche Einordnung der Taten hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Fällt die Abgabe von Steuererklärungen wie der vorliegenden im äußeren Vorgang zusammen, liegen im Grundsatz mehrere Taten (§ 53 StGB) vor. Der einheitlichen oder getrennten Versendung der Erklärung und deren Eingang bei der Behörde kommt für die tatbestandliche Handlung der Steuerhinterziehung als auf Steuerarten und Veranlagungszeiträume bezogenes [X.] keine Bedeutung zu. Es mangelt daher an einer Teilidentität der Ausführungshandlungen selbst bei Übermittlung mehrerer Erklärungen durch einen einheitlichen äußeren Akt. Das Geschehen erschöpft sich insoweit in einem bloßen zeitlichen Zusammenfallen, das nicht anders als die Tatbegehung gelegentlich der Ausführung einer anderen Tat die Voraussetzungen des § 52 StGB nicht begründet (so in Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung [X.] vom 27. Januar 2018 - 1 StR 535/17, [X.] 2019, 28).

Im Übrigen kann auch jede Steuererklärung elektronisch nur gesondert verschickt werden; die Ausführungshandlungen überschneiden sich daher nicht ([X.] in [X.], [X.] 14. Aufl. § 370 241). Auch der 'fast zeitgleiche Eingang' der Umsatzsteuervoranmeldungen in elektronischer Form ([X.]) begründet eine Teilidentität danach nicht. Soweit die Kammer die Tateinheit auch darin begründet sieht, dass in beiden Umsatzsteuervoranmeldungen 'übereinstimmende unrichtige Angaben in Ansehung desselben Lebenssachverhalts (d.h. mit sachlichem Zusammenhang)' getätigt worden sind, ʹda sämtliche Rechnungen das Vertragsverhältnis zur E.     RheinRuhr betreffen und die Rechnungen an die Bauunternehmen J.       und [X.].     mit nach § 13b UStG versteuerten Erlösen dies verdecken sollten' ([X.]), tragen die Rechnungen nach den Feststellungen der Kammer ([X.], Anlage 11) zwar (auch) alle den Rechnungsempfänger [X.] und stehen zueinander in 'sachlichem Zusammenhang', übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen (vgl. dazu [X.] aaO Rn. 231) liegen danach jedoch nicht vor.“

Dem schließt sich der Senat an.

Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ergeben sich nach Maßgabe des Vorgenannten für die Fälle 21 bis 24 der Urteilsgründe folgende Schuldsprüche für die Angeklagten [X.].   und [X.]: In den Fällen 21 und 22 der Urteilsgründe haben sich beide Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen schuldig gemacht. Es handelt sich um die Hinterziehung von Körperschaftsteuer (einschließlich Solidaritätszuschlag, weil aufgrund derselben Erklärung festzusetzen) sowie um diejenige von Gewerbesteuer jeweils für die Veranlagungszeiträume 2007 und 2008. In den [X.] und 24 der Urteilsgründe liegen jeweils zwei vollendete Umsatzsteuerhinterziehungen für die Veranlagungszeiträume November und Dezember 2009 vor. Der Senat ändert die Schuldsprüche in den genannten Fällen daher in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO für beide Angeklagten dahingehend ab, dass diese wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen schuldig sind. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil die Angeklagten sich gegen die Vorwürfe nicht erfolgreicher als geschehen hätten verteidigen können.

Die Schuldspruchänderungen bedingen die Aufhebung der jeweiligen Einzelstrafen. Demgegenüber sind die dem Urteil insoweit zugrundeliegenden Feststellungen von der abweichenden konkurrenzrechtlichen Beurteilung nicht betroffen und haben daher in Bezug auf die Fälle 23 und 24 der Urteilsgründe Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann insofern weitere, mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen.

b) In den Fällen 21 und 22 der Urteilsgründe hat das [X.] aber darüber hinaus auch den Schuldumfang rechtsfehlerhaft bestimmt.

Bei der Ermittlung der [X.] für die Körperschaft- und Gewerbesteuer sind - entgegen der Auffassung des [X.]s - zumindest die von dem Angeklagten an seine Mitarbeiter gezahlten zusätzlichen „schwarzen“ Löhne im Rahmen der Betriebskosten zu Gunsten des Angeklagten in Ansatz zu bringen ([X.], Beschlüsse vom 24. Juli 2019 - 1 StR 44/19 Rn. 10; vom 19. Juli 2007 - 5 StR 251/07 Rn. 10 und vom 4. Mai 1990 - 3 [X.] Rn. 10). Dies betrifft aber nur den Schuldumfang und hat keine Auswirkungen auf die Schuldsprüche als solche, da nach den Urteilsfeststellungen in den verfahrensgegenständlichen Jahren jeweils auch andere Zahlungen - insbesondere für Bestechungsgelder - zu Unrecht als Betriebsausgaben in Abzug gebracht wurden und daher auszuschließen ist, dass es in einem der [X.] nicht zu einer Steuerverkürzung gekommen sein könnte.

Im Übrigen sind die gezahlten [X.] insgesamt zumindest im Rahmen der Strafzumessung zugunsten der Angeklagten gewinnmindernd zu berücksichtigen (st. Rspr.; etwa [X.], Urteil vom 17. März 2005 - 5 [X.] Rn. 11). Die vom [X.] in dieser Hinsicht angestellten, restriktiven Erwägungen gehen zu weit und laufen darauf hinaus, [X.] insofern Schmiergeldzahlungen gleichzustellen. Eine § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG entsprechende Regelung existiert aber nicht.

Bezüglich der Fälle 21 und 22 der Urteilsgründe sind daher auch die Feststellungen dazu aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO), inwieweit sich die zu Unrecht geltend gemachten Betriebsausgaben durch ausgezahlte [X.] reduzieren. Die übrigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehende Feststellungen bleiben möglich.

c) In den Fällen 26 bis 28 der Urteilsgründe hält die Verurteilung der Angeklagten rechtlicher Nachprüfung insgesamt nicht stand. Die festgestellten Besteuerungsgrundlagen beruhen nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung.

aa) Zunächst ist die vom [X.] vorgenommene Schätzung der dem Angeklagten [X.].   aus den durch die Scheinrechnungen der [X.]     generierten Barmitteln zugeflossenen verdeckten Gewinnausschüttungen fehlerhaft.

Im Ausgangspunkt geht es allerdings zutreffend davon aus, dass es seine Überzeugung aufgrund eigener Schätzung bilden durfte. Nach der Rechtsprechung des [X.] kommt eine Schätzung im Steuerstrafverfahren dann in Betracht, wenn zwar feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, aber ungewiss ist, welches Ausmaß die Besteuerungsgrundlagen haben (st. Rspr.; vgl. zuletzt [X.], Beschluss vom 29. August 2018 - 1 StR 374/18 Rn. 7 mwN). So verhält es sich hier. Der Angeklagte [X.]hat eingeräumt, dass Teile des durch die Scheinrechnungen generierten Bargeldes dem Angeklagten [X.].   privat zugeflossen sind. Zu dem genauen Umfang konnte er jedoch keine Angaben machen. Eine konkrete Berechnung der Besteuerungsgrundlagen war nicht möglich, weil die Buchführung der [X.]wegen der dort erfassten Scheinrechnungen unzutreffend war.

Die [X.] hätte aber in den Urteilsgründen nachvollziehbar darlegen müssen, warum sie sich der gewählten Schätzungsmethode bedient hat und weshalb diese dafür geeignet ist ([X.], Beschluss vom 14. Juni 2011 - 1 [X.] Rn. 10; siehe auch [X.], Beschluss vom 9. Oktober 2018 - [X.]/16 Rn. 63 ff.), insbesondere, dass keine konkretere und damit genauere Schätzungsmethode zur Verfügung stand ([X.], Beschluss 20. Dezember 2016 - 1 StR 505/16 Rn. 23 mwN). Daran fehlt es hier. Gerade durch die Beschränkung auf Bargeldumsätze handelt es sich bei der Geldverkehrsrechnung um ein verhältnismäßig grobes Schätzungsverfahren. Alternativ wäre es etwa denkbar gewesen, von dem Gesamtvolumen der Scheinrechnungen auszugehen und davon die - schätzungsweise - für [X.], Schmiergeld- und Provisionszahlungen aufgewandten Geldmittel abzuziehen (vgl. [X.] f.).

bb) Zudem hat die [X.] nicht tragfähig ausgeschlossen, dass die durch die Geldverkehrsrechnung ermittelten [X.] aus einer Bargeldreserve stammen könnten.

Die Beweiswürdigung ist allerdings grundsätzlich Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Die revisionsgerichtliche Prüfung erstreckt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; [X.], Urteil vom 21. August 2019 - 1 [X.] Rn. 8 mwN). Aus den Urteilsgründen muss sich ergeben, dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, für die es weder eine belastbare Tatsachengrundlage noch einen gesicherten Erfahrungssatz gibt ([X.] aaO mwN).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Feststellungen zur Höhe der dem Angeklagten [X.].   in den dem Tatzeitraum vorgelagerten Jahren zugeflossenen Barmittel und zu deren konkreten Verbleib fehlen. Bei der Annahme, dieser habe das Darlehen über insgesamt 600.000 Euro für einen bestimmten Zweck aufgenommen und auch zeitnah entsprechend verwandt, handelt es sich letztlich um eine nicht mit Tatsachen belegte Vermutung. Die vom [X.] gegen das Vorhandensein einer Bargeldreserve ab September 2007 herangezogenen Indizien - im Jahr 2007 seien im Gegensatz zu den Jahren 2008/2009 keine größeren Anschaffungen getätigt worden, im [X.] seien liquide Mittel für Steuernachzahlungen aufgewandt worden oder in die [X.]geflossen und in den Jahren 2008/2009 hätten der Angeklagte [X.].   und dessen Angehörige ihren Fuhrpark runderneuert, was zeige, dass sie nicht dazu neigen würden, überschüssige Mittel anzusparen - bilden weder allein noch in ihrer Gesamtheit eine tragfähige Grundlage für den daraus gezogenen Schluss. Zudem nimmt das [X.] es nicht in den Blick, dass die ausweislich der Urteilsfeststellungen im [X.] in Bezug auf die damalige [X.] [X.].   erfolgten Steuerfahndungsmaßnahmen durchaus Anlass für das Beiseiteschaffen von Bargeld gewesen sein könnten.

cc) Schließlich hat das [X.] bei der Bestimmung der Höhe der dem Angeklagten [X.].   zugeflossenen verdeckten Gewinnausschüttungen verschiedene Positionen doppelt erfasst. Da die angestellte Geldverkehrsrechnung die Zuflüsse ausgehend vom Geldbedarf des Angeklagten [X.].   und dessen Angehörigen bestimmt, dürfen nicht kumulativ weitere [X.] - namentlich die Zahlung an die Ehefrau, die Umsätze aus Rechnungen an die [X.] und die [X.].   GmbH sowie Zahlungen auf Scheinrechnungen für vorgebliche Mängelbeseitigungsarbeiten an zwei Baumarktimmobilien - berücksichtigt werden.

Im Hinblick auf Letztgenannte erschließt sich aus den Urteilsgründen zudem nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich, warum diese im Gegensatz zu den sonstigen durch die [X.]     ausgestellten Scheinrechnungen bei der Bemessung der verdeckten Gewinnausschüttungen überhaupt in Ansatz gebracht wurden. Da die [X.] eingangs dargelegt hat, gerade nicht auf die Scheinrechnungen abstellen zu wollen ([X.] f.), ist das Urteil insofern widersprüchlich.

dd) Aufgrund dieser Rechtsfehler können die Schuldsprüche keinen Bestand haben. Angesichts der Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Positionen kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei [X.] Schätzung dem Angeklagten [X.].   letztlich gar keine verdeckten Gewinnausschüttungen zugeflossen sind. Die Aufhebung der Schuldsprüche entzieht den insoweit verhängten Einzelstrafen die Grundlage. Die zugehörigen Feststellungen sind von den zur Aufhebung führenden [X.] betroffen und daher ebenfalls aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO).

d) Die Teilaufhebung der Einzelstrafen entzieht auch den Gesamtstrafen die Grundlage. Sie lässt aber die ohne Rechtsfehler ergangenen [X.]mpensationsentscheidungen unberührt ([X.], Beschluss vom 20. Dezember 2017 - 1 [X.] Rn. 19 mwN).

Hinsichtlich des Angeklagten [X.].   konnte zudem die Einziehungsentscheidung nicht bestehen bleiben, da sich die vom [X.] angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen nur auf die der Aufhebung unterliegenden Taten (26 bis 28 der Urteilsgründe) bezieht.

e) Die Entscheidung ist gemäß § 357 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]     zu erstrecken, da die Fehler bei der Berechnung des jeweiligen Hinterziehungsumfangs auch seine Verurteilung wegen Beihilfe zu diesen Taten (Fälle 21, 22 und 27 [ein Fall der Beihilfe] sowie 28 der Urteilsgründe) betreffen. Zwar ist im Hinblick auf die Beihilfe zu Fall 22 der Urteilsgründe an sich nur der Schuldumfang fehlerhaft bestimmt; die tateinheitlich hierzu abgeurteilte Beihilfe zu Fall 27 der Urteilsgründe führt jedoch auch insofern zur Aufhebung des Schuldspruchs insgesamt (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 20. Juni 2001 - 3 [X.] Rn. 18 mwN). Die Aufhebung der Verurteilung in den [X.], 27 sowie 28 und der Einzelstrafe im Fall 21 der Urteilsgründe bedingt die Aufhebung des ihn betreffenden Gesamtstrafenausspruchs.

Raum     

        

Jäger     

        

Bellay

        

Hohoff     

        

Pernice     

        

Meta

1 StR 12/19

05.09.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bielefeld, 23. Juli 2018, Az: 9 KLs 5/15

§ 46 StGB, § 261 StPO, § 370 Abs 4 AO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.09.2019, Az. 1 StR 12/19 (REWIS RS 2019, 3865)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3865

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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